München (dapd). Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hält die verbreitete Skandalisierung im Internet auf Kosten einzelner Personen für unverantwortlich. Ihn überkomme das „kalte Grausen“ über die Häme, die im Internet über öffentliche Personen ausgegossen werde, die Fehler gemacht hätten, sagte er am Samstag im „Bayerischen Rundfunk“. „Manchmal werden Menschen aus dem Hinterhalt der Anonymität des Internets regelrecht hingerichtet“, kritisierte er. Mit „zwiespältigen Gefühlen“ betrachte er auch die Unerbittlichkeit, mit der Zeitungs- und Fernsehjournalisten Menschen anprangerten. Gründliche Recherche und öffentliche Kritik seien zwar unerlässlich. Doch stelle sich die Frage, ob die fortgesetzte Skandalisierung nicht eher das Ziel habe, im gnadenlosen Wettbewerb um Einschaltquoten Klicks und Auflagen die Nase vorn zu haben. Traurige Konsequenz daraus sei, dass Politiker aus Furcht, sofort abgestraft zu werden, immer seltener etwas „Kantiges, Unkonventionelles“ sagten und stattdessen nach allen Seiten abgesicherte Reden hielten, sagte Bedford-Strohm. Er wünsche sich daher von den Politikern mehr öffentlich sichtbare Nachdenklichkeit und mehr Mut zum Risiko bei öffentlichen Diskussionen. Von den Zuhörern wünsche er sich weniger Entrüstung über andere und mehr Blick für die eigenen Fehler. dapd (Politik/Politik)
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Umfrage zur Wählergunst: SPD bleibt bei 26 Prozent
Berlin (dapd). Die SPD liegt einer aktuellen Umfrage zufolge in der Wählergunst nach wie vor weit hinter der Union. Im neuen wöchentlichen Sonntagstrend der „Bild am Sonntag“ erreichten die Sozialdemokraten, die am 14. April ihren Bundesparteitag abhalten, wie in der Vorwoche 26 Prozent. Die Union bleibe mit 39 Prozent stärkste Kraft. Einen Prozentpunkt mehr im Vergleich zur Vorwoche hat die Linke, die auf acht Prozent kommt. Die Werte der Grünen (15 Prozent), FDP (5 Prozent) und der Piratenpartei (3 Prozent) blieben unverändert. Die sonstigen Parteien erreichen vier Prozent. Für die „Bild am Sonntag“ befragte das Meinungsforschungsinstitut Emnid vom 28. März bis 3. April 1.416 Personen. dapd (Politik/Politik)
Stasi-Schnipsel bereiten Forschern weiter Probleme
Hamburg/Berlin (dapd). Die Rekonstruktion der von der DDR-Staatssicherheit hinterlassenen zahllosen Papierschnipsel bereitet Technikern nach wie vor Probleme. Laut „Spiegel“ gelang es den Fachleuten des Berliner Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen noch immer nicht, eine Maschine zur Wiederherstellung der einst zerstörten Stasiakten zu entwickeln. So gebe es noch keinen Scanner, der den hohen Ansprüchen genüge, teilte dem Bericht zufolge das Institut der Bundesregierung mit. Zudem sei die Programmierung der Software komplizierter als erwartet. Es würden auch mehr Mitarbeiter benötigt als geplant. Die Maschine soll eigentlich dabei helfen, Tausende geschredderte Geheimdienstpapiere, die derzeit in Säcken lagern, wieder lesbar zu machen. Doch bis heute sei der Automatisierungsgrad gering, schreibt das Magazin. Der Bundesbeauftragte für die Stasiakten, Roland Jahn, habe in seinem jüngsten Bericht darauf hingewiesen, dass das seit 2007 laufende Pilotverfahren mit der Schnipselmaschine frühestens 2016 abgeschlossen werden könne. Das Fraunhofer Institut beschäftigt sich schon seit Mitte der 1990er Jahre mit der Digitalisierung und Rekonstruktion beschädigter und zerstörter Dokumente. Im April 2007 erhielt das Institut vom Bundesinnenministerium den Forschungsauftrag, ein Verfahren und ein Pilotprojekt zu entwickeln, mit dem zerrissene Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR virtuell rekonstruiert werden können. In der auf vier Jahre angesetzten Pilotphase sollen nach Angaben des Instituts 400 von mehr als 15.000 Säcken mit zerrissenen Dokumenten verarbeitet werden. dapd (Politik/Politik)
CDU-Abgeordnete im Streit über Frauenquote auf Konfrontationskurs
Hamburg (dapd). Im Streit über die Einführung einer Frauenquote gehen CDU-Parlamentarierinnen jetzt auf Konfrontationskurs zur Fraktionsführung. „Es gibt bei vielen von uns die Bereitschaft, den Hamburger Gesetzesentwurf durchzuwinken“, sagte die Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion, Rita Pawelski, dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Der Gesetzentwurf des Hamburger SPD-Senats, dem der Bundesrat bereits zustimmte, steht am 18. April im Bundestag auf der Tagesordnung. Er sieht eine feste Quote für Frauen in Aufsichtsräten vor. Bis zum Jahr 2018 müssen es danach 20 Prozent sein, fünf Jahre später mindestens 40 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder (beide CDU) lehnen eine Quote ab. Pawelski argumentierte, der Hamburger Vorschlag sei für die Wirtschaft verkraftbar. Die 160 größten börsennotierten Unternehmen hätten bereits eine Frauenquote von über 16 Prozent in den Aufsichtsräten: „Vier Prozent mehr Frauen bis 2018 müssten doch zu schaffen sein.“ Um eine Mehrheit im Bundestag zu erreichen, müssten dem Bericht zufolge 21 Abgeordnete von CDU/CSU und FDP mit der Opposition stimmen. Die Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion hat 45 Mitglieder, allerdings gibt es dort auch Gegnerinnen der Quote. Pawelski selbst kündigte im „Focus“ an, dem Gesetz zuzustimmen. Andere wollten sich nicht konkret äußern. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, ist gleichwohl überzeugt, dass der Vorstoß scheitert. Er sagte dem Magazin aus München: „Es gibt keine Mehrheit für eine gesetzliche Quote, wie die Opposition sie will.“ Die Fraktion stehe klar für die sogenannte Flexiquote. „Ich glaube, dass sich auch unsere Frauen an dieser Mehrheitsmeinung der Fraktion orientieren werden.“ dapd (Politik/Politik)
Zahl der Organspender bundesweit zurückgegangen
München (dapd). Die Zahl der Organspenden ist Anfang des Jahres weiter zurückgegangen. Wie das Magazin „Focus“ am Sonntag vorab berichtete, registrierte die Deutsche Stiftung Organtransplantation in den ersten drei Monaten dieses Jahres 230 Spender. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es demnach 281 Spender. Ursache für den Rückgang sei hauptsächlich der im Juli 2012 bekannt gewordene Skandal um die Manipulation von Patientendaten in Göttingen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig kündigte dem Bericht zufolge an, sie werde den beschuldigten Göttinger Transplantationschirurgen O. „innerhalb der nächsten Woche“ wegen versuchten Totschlags anklagen. Dem Mediziner wird vorgeworfen, Daten von Kandidaten für eine Organtransplantation so manipuliert zu haben, dass einige Patienten auf der Warteliste nach oben rutschten und andere in der Liste nach unten. Zugleich steht laut dem Magazinbericht die Arbeit der Prüfkommission der Bundesärztekammer vor einem vorläufigen Abschluss. Sie habe 19 der 24 deutschen Lebertransplantationszentren überprüft und „keine weiteren Auffälligkeiten gefunden“, berichtet das Blatt unter Berufung auf Informationen aus der Kammer. Damit dürfte es dem Bericht zufolge dabei bleiben, dass Manipulationen neben Göttingen nur in Regensburg, in Leipzig und am Münchener Klinikum rechts der Isar nachweisbar waren. dapd (Politik/Politik)
Saarländische SPD trauert um verstorbenen Sozialexperten Schreiner
Saarbrücken (dapd). Die SPD im Saarland trauert um ihren verstorbenen Sozialpolitiker Ottmar Schreiner. Der saarländische SPD-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Heiko Maas sagte am Sonntag, Schreiner sei nicht nur als Politiker, sondern „insbesondere aufgrund seiner menschlichen Qualitäten einzigartig“ gewesen. Das Saarland verliere mit Ottmar Schreiner einen seiner profiliertesten Politiker und eine Stimme, die weit über die Landesgrenzen hinaus geachtet und gehört worden sei. Das ganze Mitgefühl gelte nun seiner Familie. Maas würdigte seinen politischen Weggefährten als einen „wahren Freund“, auf den immer Verlass gewesen sei. Schreiner sei stets aufrichtig, glaubwürdig und standhaft gewesen. „Er ist nie den leichten Weg gegangen, sondern immer den Weg, den er selbst für richtig gehalten hat. Dabei hat er viel erreicht, aber auch Niederlagen erlitten. Sie haben ihn gezeichnet, aber nie gebrochen.“ Der Einsatz für die sozial Schwachen sei immer sein wichtigster Antrieb gewesen, sagte der Parteichef. Der SPD habe er in schwierigen Zeiten Orientierung gegeben. „Leider haben viele erst spät gemerkt, dass sein politischer Kompass der Richtige war.“ Schreiner habe über die Jahre in seinen Funktionen als Bundestagsabgeordneter, Bundesgeschäftsführer der SPD, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) und als stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion für seine Überzeugungen gekämpft und der Politik „seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt“. Maas sagte: „Ottmar Schreiner war immer ein Kämpfer. Den letzten Kampf hat er jetzt verloren.“ Aber sein politisches Vermächtnis bleibe dauerhaft Verpflichtung für die SPD. Schreiner starb am Samstag im Alter von 67 Jahren nach einem Krebsleiden. Er hinterlässt seine Frau und drei Kinder. dapd (Politik/Politik)
Rechtsausschuss will schnell Regelung gegen Abgeordnetenbestechung
Hamburg (dapd). Der Rechtsausschuss des Bundestages dringt auf eine Gesetzesneuregelung gegen Abgeordnetenbestechung. Der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) sagte dem „Spiegel“ laut Vorab vom Sonntag, die Sachverständigen sollten noch im April gehört werden. Kauder argumentierte: „Wir können nicht in Afrika und der Ukraine den Rechtsstaat predigen und im eigenen Land die UN-Konvention gegen Korruption nicht umsetzen. Da müssen wir glaubwürdig bleiben.“ Kauder, der früher als Gegner einer Neuregelung aufgetreten sei, habe inzwischen einen eigenen, sehr weitreichenden Entwurf ausgearbeitet und mit Rechtspolitikern von SPD, Grünen und der Linkspartei abgestimmt, berichtet das Magazin. Demnach würden sich Mandatsträger von Bund, Ländern und Gemeinden künftig strafbar machen, wenn sie für die Ausübung ihres Mandats einen Vorteil annehmen oder einfordern. Diese Regelung würde nicht nur für die Abgeordneten des Bundestags, sondern auch der Landtage und Gemeinderäte gelten. Gerade in der Lokalpolitik sei die Anfälligkeit für Korruption sehr hoch, vor allem wenn es um die Vergabe lukrativer Bauaufträge gehe, schreibt das Blatt. Kauder erwägt sogar, eine konkrete Summe aufzunehmen, ab der Korruption strafbar ist. „Die Grenze zur Korruption könnte bei 200 Euro verlaufen“, schlug er vor. dapd (Politik/Politik)
Karlsruhe soll Vergabestreit im NSU-Prozess entscheiden
Karlsruhe/München (dapd-bay). Der Streit um die Sitzplatzvergabe beim Münchner NSU-Prozess hat jetzt auch das oberste deutsche Gericht erreicht. Am Samstag ging beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Eilantrag der türkischen Zeitung „Sabah“ ein. Er richtet sich gegen die Akkreditierungsbestimmungen und die Nichtzulassung des türkischen Mediums in dem für die Presse bestimmten Bereich, wie Gerichtssprecher Wilfried Holz am Samstag der Nachrichtenagentur dapd sagte. Zugleich hielten politische Forderungen an, das OLG solle im Vergabestreit einlenken und eine pragmatische Lösung finden. Vor dem Oberlandesgericht München muss sich vom 17. April an die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Angeklagt sind auch vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle. Dem NSU werden Morde an neun Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin angelastet. Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei, woher acht der Mordopfer stammen, erhielten keine reservierten Plätze. Vater eines NSU-Mordopfers ruft zum Einlenken auf Der Vater des 2006 von Neonazis erschossenen Internetcafé-Betreibers Halit Yozgat rief derweil das Gericht eindringlich zum Einlenken auf. Die Entscheidung im Streit um die Platzvergabe habe nur den Neonazis Mut gegeben, mahnte Ismail Yozgat am Samstag in Kassel bei einer Gedenkveranstaltung für seinen Sohn. Der Botschafter der Türkei in Deutschland, Avni Karslioglu, kündigte an, er werde zum Prozessauftakt im Gerichtssaal präsent sein. Das gebiete nicht nur sein Amt, sondern auch die inzwischen enge Verbindung zu den Familien der Mordopfer, sagte er dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Der türkische Parlamentsabgeordnete Metin Külük appellierte „an die Milde des Gerichts“, doch noch türkische Journalisten an der Verhandlung teilnehmen zu lassen. „Der Prozess wird in der Türkei mit großer Aufmerksamkeit verfolgt“, betonte er. Enormer Imageschaden für Deutschland Die türkische Zeitung „Sabah“ will sich daher noch einen festen Platz im Gerichtssaal erkämpfen. In ihrer Verfassungsbeschwerde greift sie den Angaben zufolge mehrere Grundgesetzartikel auf und rügt Verstöße gegen die Pressefreiheit, gegen die Berufsfreiheit und gegen die Gleichbehandlung. Mit einer Entscheidung des 1. Senats sei in absehbarer Zeit zu rechnen, auf jeden Fall vor Prozessbeginn, sagte der Gerichtssprecher. Die Zeitung fühlt sich zudem in ihrem Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzt. Der stellvertretende „Sabah“-Chefredakteur Ismail Erel hatte in der vergangenen Woche dem ZDF gesagt: „Wir denken, dass die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit auch für die türkischsprachigen Journalisten hier in Deutschland gelten.“ Deswegen wolle man den Prozess live erleben. „Gerichtsverfahren müssen öffentlich sein – auch für türkischstämmige Mitbürger in Deutschland“, sagte Erel. Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hielt dem Gericht mangelndes politisches Fingerspitzengefühl vor und sieht schon jetzt einen enormen Imageschaden für Deutschland. „Die politische Dimension ist verkannt worden“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“. Er nannte es „unbegreiflich“, dass das Oberlandesgericht bislang nicht erkannt habe, dass die türkische und die griechische Seite berücksichtigt werden müssten. Wenn das Gericht dies nicht sicherstelle, werde die internationale Resonanz verheerend sein. Ramelow für Videoübertragung und Twitter-Berichte Der Fraktionschef der Thüringer Linken, Bodo Ramelow, schlug derweil vor, sowohl eine Videoübertragung zuzulassen als auch das Versenden von Mitteilungen über den Kurznachrichtendienst Twitter aus dem laufenden Prozess heraus. „Es macht doch auch keinen Sinn, dass ich eine Nachricht im Gerichtssaal schreibe, dann für einige Sekunden vor die Tür gehe, um sie zu versenden, und dann wieder in die Verhandlung gehe“, sagte er der Nachrichtenagentur dapd in Erfurt. Für Ramelow kann auch das geltende Verbot von Film- und Tonaufnahmen aus laufenden deutschen Gerichtsverhandlungen nicht als Begründung herangezogen werden, eine Videoleitung in einen Nebensaal zu legen. Dieses Verbot soll Schauprozesse verhindern, wie sie in vielen Diktaturen des 20. Jahrhunderts immer wieder vorkamen. Eine Übertragung des NSU-Prozesses in einen Nebenraum des Gerichts zur Beobachtung durch Journalisten könne jedoch kaum als Schauprozess bezeichnet werden, sagte der Linken-Politiker. Strafrechtler warnt vor Videoübertragung Der Münchner Strafrechtler Bernd Schünemann warnte indes vor einer Videoübertragung in einen Nebenraum. So ein Vorgehen sei nicht zulässig. „Denn damit würde in einem Saal Öffentlichkeit hergestellt, der nicht unter der Kontrolle des Vorsitzenden Richters steht“, sagte Schünemann der dapd. Der Vorsitzende Richter müsse aber die Ordnung im Saal kontrollieren. Ein Wachtmeister könne dies nicht tun. Schünemann sieht allerdings „noch Spielraum“ bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Form der Zulassung von Journalisten. „Es gibt kein Gesetz, das diese einmal getroffene Entscheidung des Gerichts zum Akkreditierungsverfahren für sakrosankt erklärt.“ Möglich sei etwa eine „Topf“-Lösung für lokale, überregionale deutsche und ausländische Medien. dapd (Politik/Politik)
Vater von NSU-Opfer: Streit um Platzvergabe macht Neonazis Mut
Kassel (dapd-hes). Der Vater des 2006 von Neonazis erschossenen Kasselers Halit Yozgat hat das Oberlandesgericht (OLG) München für die Vergabepraxis von Journalistenplätzen im bevorstehenden NSU-Prozess scharf kritisiert. Die faktische Nichtzulassung türkischer Medienvertreter habe den Neonazis Mut gegeben, sagte Ismail Yozgat am Samstag in Kassel anlässlich einer Gedenkveranstaltung am Todestag seines Sohnes. Als bekannt wurde, dass die türkischen Journalisten nicht mit festen Plätzen beim Prozess rechnen können, sei das Kasseler Mahnmal für die Opfer der rechtsextremen Terrorzelle mit Farbe beschmiert worden. Rund 250 Kasseler Bürger gedachten am Samstag dem Neonazi-Mordopfer Halit Yozgat. Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) und der türkische Generalkonsul Ufuk Ekici legten Blumen an dem Mahnmal an der Holländischen Straße nieder. Dort war Halit Yozgat am 6. April 2006 im Alter von 21 Jahren erschossen worden. Er war das neunte Opfer der rechtsextremen Mordserie. Auch Kassels Oberbürgermeister Hilgen rief das Oberlandesgericht zum Einlenken auf. Die NSU-Morde hätten viele erschreckende Fakten ans Licht gebracht. Dadurch sei Vertrauen bei den ausländischen Mitbürgern zerstört worden, betonte der Oberbürgermeister. Das Oberlandesgericht München solle daher seine Entscheidung „rasch“ korrigieren und türkische Medienvertreter zu dem Prozess zulassen. „Richter sind unabhängig, aber sie sind nicht unfehlbar“, merkte Hilgen an. Mahnung zum weiteren Dialog Der türkische Generalkonsul Ekici mahnte bei der Gedenkveranstaltung, den Dialog zwischen Deutschen und Migranten nicht abreißen zu lassen. Beispielhaft hierfür habe die Familie Yozgat auch nach dem Mord an ihrem Sohn ihre Besonnenheit bewahrt „und sich nicht auf die Provokation der Neonazis eingelassen“, betonte er. Die türkische Bevölkerung erwarte aber von der Bundesrepublik eine lückenlose Aufklärung der Mordserie und eine Verurteilung der Täter. Der türkische Parlamentsabgeordnete Metin Külük appellierte „an die Milde des Gerichts“, doch noch türkische Journalisten an der Verhandlung teilnehmen zu lassen. „Der Prozess wird in der Türkei mit großer Aufmerksamkeit verfolgt“, betonte er. Vor dem Oberlandesgericht München muss sich ab dem 17. April die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Daneben angeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen, darunter sind keine türkischen Medien. dapd (Politik/Politik)
Internisten fordern bessere Hygiene in Krankenhäusern
Wiesbaden (dapd-hes). Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) dringt auf eine bessere Hygiene in Krankenhäusern zur Vermeidung von Infektionen. Von den 400.000 bis 600.000 Ansteckungen mit Krankenhauskeimen in Deutschland seien bis zu 40 Prozent vermeidbar, sagte der Jenaer Internist Frank Brunkhorst am Samstag zu Beginn einer viertägigen DGIM-Tagung in Wiesbaden. Vorbeugung könnte die Infektionsraten senken, 4.500 Patientenleben jährlich retten und teure stationäre Behandlungen verkürzen. Krankheitserreger seien in Kliniken unvermeidbar, räumte Brunkhorst ein. Das berge die Gefahr, dass etwa nach Operationen oder nach dem Legen von Kathetern Infektionen entstünden. Diese Gefahr könne etwa durch Mundspülungen bei Patienten, intensivere Desinfektion der Hände beim Personal und früheres Entfernen von Beatmungs- und Harnwegsschläuchen verringert werden. Ständiger Kampf gegen Krebs – und immer wieder Erfolge Von neuen Krebstherapien berichtete der Wiesbadener Facharzt Norbert Frickhofen. Dass sich Tumoren, darunter Melanome (schwarzer Hautkrebs), während schwerer Infektionen oft zurückbilden, sei bekannt. Therapieansätze, diese Immunreaktionen des Körpers gezielt auszulösen, hätten aber stets die Flexibilität von Krebszellen unterschätzt, erläuterte Frickhofen. Doch inzwischen seien Medikamente verfügbar, die bestimmte Antikörper von außen zuführen oder das Immunsystem zu entsprechender Eigenproduktion anregen. „Noch können aber erhebliche Nebenwirkungen auftreten“, sagte der Mediziner. Andere Experten wiesen auf der Tagung, die unter dem Leitthema „Innere Medizin – vom Organ zum System“ steht, auf das erhöhte Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko von Rheumapatienten hin. Durch die Entzündungen in den Gelenken seien auch Gefäße in Mitleidenschaft gezogen, sagte der Internist Ulf Müller-Ladner. Selbst beschwerdefreie Menschen mit positivem Rheumafaktor, der Arterienveränderungen auslöse, seien von Gefäßschäden betroffen. Jetzt seien neue Medikamente entwickelt worden. Unterdrückt werden könnten damit auch die von einem Rheumafaktor ausgesendeten Entzündungssignale an den gesamten Körper. 8.500 Kongressbesucher erwartet Gerade vor dem Hintergrund nötiger ärztlicher Spezialisierung verfolge das Wiesbadener Internistentreffen einen fachübergreifenden Ansatz, sagte Kongresspräsidentin Elisabeth Märker-Hermann am Samstag. „Wir möchten Besuchern hoch aktuelle Expertise für Klinik und Praxis bieten.“ Bis Dienstag erwarten die Veranstalter 8.500 Gäste, darunter mehr als 1.200 Referenten und 135 ausstellende Firmen aus der Pharma- und Medizintechnikbranche. Parallel richtet die DGIM ein Patientenforum aus. Die Internistengesellschaft hat nach eigener Auskunft rund 22.000 Mitglieder. dapd (Vermischtes/Politik)