Berlin (dapd). Haben Ostdeutsche ein Antidemokratie-Gen? Droht der Bundesrepublik der totale Demokratieverfall? Kurz: Stehen wir vor einer „Dritten Diktatur“? Diese Fragen drängten sich am Donnerstag in Berlin auf, als die frühere Literaturprofessorin und Helmut-Kohl-Beraterin Gertrud Höhler ihr Buch „Die Patin“ vorstellte. Ihre Zielscheibe: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die knapp 300 Seiten könnten als Aufruf zum Sturz der Regierungschefin verstanden werden. Gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl kommt das Buch mit seinen scharfzüngigen Angriffen auf den Markt. Pikant, dass ausgerechnet ein Züricher Verlag die Verbalattacke auf die Kanzlerin herausgibt. Fast sieht es so aus, als sei dies die Schweizer Antwort auf die rüde Äußerung des früheren Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD), der 2009 den Eidgenossen im Steuerstreit mit der Kavallerie gedroht hatte. Das Buch trägt bewusst einen provokanten Titel. „Die Patin“ lässt das Bild einer in Deutschland geheim agierenden Mafia auftauchen. Gleich die Widmung macht klar, wohin die Reise geht: „Für alle, die die Faust noch in der Tasche haben“, heißt es darin. Und Höhler ruft die Getreuen aller Parteien auf, sie endlich aus der Tasche zu holen und das „System M“ abzuschaffen. Warum? „Wer Normen und Werte einer demokratischen Gesellschaft zur Manövriermasse macht wie Angela Merkel, der arbeitet am Zerfall der Demokratie“, schreibt Höhler. Ostprovenienz und Demokratieverfall Bei ihrem Auftritt in Berlin versucht Höhler nur halbherzig, dem Inhalt seine politische Schärfe zu nehmen. Sie halte Merkel für eine „sehr sympathische Persönlichkeit“, die „außerordentlich diszipliniert“ sei, sagt Höhler zunächst. Und setzt eloquent hinzu, „Frau Merkel bringt eine Coolness, eine Werteunabhängigkeit und eine Leidenschaftslosigkeit mit sich, die vielen West-Bürgern fremd sind.“ In ihrem Buch bezeichnet sie die Kanzlerin und CDU-Chefin indes als „politische Heuschrecke“, die Ideenklau zu ihrem Markenzeichen gemacht habe. Was ist aber nun das ominöse „System M“, das die „Werte-Aussteigerin“ Merkel in den Politikbetrieb eingeführt haben soll? Laut Höhler ruht es auf drei Säulen: Punkt eins: Die innerparteilichen Gegner werden weggebissen. „Die Starken gehen, die Schwachen bleiben. Ein ganzes Rudel bundespolitisch qualifizierter Ministerpräsidenten verabschiedete sich in Etappen aus dem Alphaclub der Bewerber für höchste Bundesämter.“ Punkt zwei ist ein „Ideen-Leasing“ bei anderen Parteien bis zur deren geistigen Enteignung. „Merkel sammelt Markenkerne anderer Parteien.“ Gefährlich wird es nach Einschätzung von Höhler bei Punkt drei: die Aushebelung demokratischer Grundregeln. „Die Demokratie lebt vom Wettbewerb. Staaten, in denen der Wettbewerb nur vorgetäuscht wird, Nationen, von denen regelmäßig sehr hohe Mehrheiten für die Projekte der Regierung gemeldet werden, nennen wir totalitäre Systeme oder Unrechtsstaaten. Die Regierung Merkel hat den Pfad der Demokratie verlassen.“ Gauck als Gegenentwurf Rund 80 Journalisten sind der Einladung des Orell Füssli Verlages zur Präsentation der „Patin“ gefolgt. Eine halbe Stunde sind sie Zuhörer, dann ist die Fragerunde eröffnet. Offenbar, so fragt ein für seine Streitlust bekannter Hauptstadtjournalist, trieben DDR-Gene Angela Merkel dazu, eine dritte Diktatur in Deutschland aufzubauen. Von „dritter Diktatur“ stehe in ihrem Buch nichts, entgegnet pikiert die Autorin. Und Joachim Gauck, wie Merkel ebenfalls ostdeutscher Herkunft, zeige als Bundespräsident, dass man „gegenteilige Konsequenzen“ für seine Werteordnung ziehen könne. Ob sie die Bundeskanzlerin mit Vorwürfen der Gesetzesübertretung kriminalisieren wolle, fragt ein anderer Journalist. Nein, antwortet Höhler. Aber Merkels „Rechtsrelativismus“ sei schon beeindruckend. „Ich spreche hier den Chef an: Lässt Sie das zu oder treibt Sie den Prozess an? Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, Frau Merkel schwimmt nur mit.“ Also sei das Buch ein Aufruf zum Widerstand gegen die CDU-Chefin und zur Abwahl Merkels im kommenden Jahr, wird Höhler schließlich gefragt. So weit will die christdemokratische Autorin nun doch nicht gehen. Die Antwort solle sich der Leser selbst geben. Ihre Einschätzung ist – anders als die vom Verlag hochgelobte „stilistische Brillanz und gedankliche Schärfe“ des Buches – schlicht: „Ist Sie (Frau Merkel) eine Demokratin? Wir wissen es nicht genau.“ dapd (Politik/Politik)
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CDU-Vize Schavan schweigt zu möglichen Nachfolgern
Ulm (dapd). CDU-Vize und Bundesbildungsministerin Annette Schavan hält sich aus der Debatte über die Nachbesetzung ihres Parteipostens heraus. „Wer aus einem Amt geht, schweigt zur Nachfolge. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, an das ich mich halte“, sagte sie der Ulmer „Südwest Presse“ (Freitagausgabe). Schavan regte angesichts der Rivalitäten zwischen den Landesverbänden um den Posten an, die Parteispitze zu erweitern. „Die Zahl vier bei den Vizes ist kein Dogma“, sagte sie. Denkbar seien beispielsweise auch fünf stellvertretende CDU-Vorsitzende. Nach Schavans Ankündigung, auf dem Parteitag im Dezember nicht wieder zu kandidieren, war eine Diskussion um die Besetzung des Vizepostens entbrannt. Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner erhielt eine starke Ermutigung für eine Kandidatur. Der Landesverband Baden-Württemberg, dem Schavan angehört, reklamierte den Stellvertreterposten jedoch ebenfalls für sich. dapd (Politik/Politik)
Zustimmung im Ethikrat für Betäubungsvorschrift bei Beschneidungen
Berlin (dapd). Im Deutschen Ethikrat zeichnet sich beim Streit um religiöse Beschneidungen von Jungen eine Mehrheit für eine gesetzliche Erlaubnis mit Betäubungsvorschrift ab. In einer öffentlichen Sitzung des Beratergremiums von Bundestag und Bundesregierung sprachen sich am Donnerstag Juristen, Theologen und Mediziner für eine solche rechtliche Regelung aus. Auch der jüdische Vertreter im Ethikrat, der Medizinprofessor Leo Latasch, zeigte sich offen für lokale Betäubungen. Latasch sowie das muslimische Mitglied im Ethikrat, der Mainzer Medizinethiker Ilhan Ilkilic, hoben zugleich die herausragende Bedeutung der Beschneidung im Verständnis beider Religionen hervor. Der Hamburger Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel betonte in der Sitzung, eine Beschneidung ohne Betäubung halte er „für rechtlich wie ethisch inakzeptabel“. Diese dürften nicht erlaubt werden. Er fügte hinzu, „ohne Anästhesie ist eine Beschneidung nicht nur schmerzhaft, sondern qualvoll“. Aus seiner Sicht wäre nur eine Vollnarkose „wirklich effizient“. Diese sei aber nach einhelliger medizinischer Überzeugung für Neugeborene zu gefährlich sei. Merkel äußerte sich grundsätzlich skeptisch zu einem Recht auf frühkindliche Beschneidung. Er warnte vor einem „jüdisch-muslimischen Sonderrecht“ und einem „Sündenfall des Rechtsstaates“. Dem widersprach der Kölner Strafrechtsprofessor Wolfram Höfling. Er plädierte für „eine Anerkennung der Beschneidung als Elternrecht“, allerdings unter der Bedingung, dass diese „fachgerecht“ und „schmerzvermeidend“ vorgenommen werde. Latasch betonte, die Gabe von „Zäpfchen gegen Schmerzen“, betäubenden Salben sowie „Lokalanästhetika im Lendenbereich“ seien in Deutschland bei Beschneidungen bereits heute üblich. Er verwies zugleich darauf, dass es „keine einzige Untersuchung“ gebe, die nachweise, dass eine Beschneidung zu einem Trauma führe. Er zeigte sich überzeugt davon, dass das Bundesjustizministerium einen für Juden zustimmungsfähigen Vorschlag vorlegen werde. Umstrittenes Gerichtsurteil Das Kölner Landgericht hatte Ende Juni die Beschneidung von Jungen als strafbare Körperverletzung gewertet, selbst wenn die Eltern einwilligen. Das Bundesjustizministerium will im Auftrag des Bundestages im Herbst eine Gesetzesinitiative vorlegen, die religiöse Beschneidungen unter Auflagen erlaubt. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte am Mittwoch für eine „angemessene Betäubung bei der Beschneidung“ plädiert. Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, der evangelische Theologe Peter Dabrock, forderte ebenfalls „nachgewiesen wirksame schmerztherapeutische Maßnahmen“. Zugleich bemängelte er, dass die öffentliche Debatte „wenig bis kein Verständnis“ für die „existenzielle Bedeutung von Religion“ zeige. In einem dapd-Interview verlangte er, die vom Bundestag angestrebte gesetzliche Regelung müsse „einen Ausgleich zwischen medizinischen und rituellen Erfordernissen“ schaffen. Der ehemalige Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Altbischof Wolfgang Huber, warb im ZDF-„Morgenmagazin“ dafür, die Frage eines Betäubungsgebotes wie eine rechtliche Regelung überhaupt „in Ruhe zu diskutieren“. Ein Ausweg aus dem Streit „wäre, sicherzustellen, dass die Belastung für das Kind so gering wie möglich ist“. Das Ethikratsmitglied mahnte zugleich, man könne sich nicht einfach darüber hinwegsetzen, wenn sich jüdische Eltern dem religiösen Gebot der Beschneidung verpflichtet fühlten. Warnung vor „Beschneidungstourismus“ Latasch unterstrich, die Beschneidung von Jungen am achten Tag nach der Geburt sei „entscheidender Bestandteil“ jüdischer Religionszugehörigkeit. Auch Ilkilic erläuterte, die Beschneidung männlicher Nachkommen sei „eine unverzichtbare und elementare Pflicht für Muslime“. Eine strafrechtliche Ahndung würde Muslime „nicht davon abhalten“. Ilkilic sagte: „Die Konsequenz wäre Beschneidungstourismus.“ Latasch zeigte sich unterdessen in einem dapd-Interview entsetzt über das Diskussionsniveau beim Thema Beschneidung. Ihn habe „völlig überrascht“, wie massiv „offener Antisemitismus und offener Antiislamismus“ zutage getreten seien, sagte das Direktoriumsmitglied im Zentralrat der Juden. Zahlreiche Äußerungen in E-Mails, Briefen und in Blogs seien „richtig unter die Gürtellinie“ gegangen. Unter anderem seien alte Ressentiments wie das des Kinderschänders wiederbelebt worden. dapd (Politik/Politik)
Ermittlungen gegen Rabbiner wegen Beschneidung ziehen sich hin
Hof/Gießen (dapd). Wegen der politischen Brisanz werden die Ermittlungen gegen den Rabbiner David Goldberg wegen der Beschneidung von Jungen vermutlich mehrere Wochen dauern. Man überprüfe derzeit den strafrechtlichen Gehalt der Anzeige gegen Goldberg und wolle „alle Aspekte der Angelegenheit sorgfältig einbeziehen“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Hof, Gerhard Schmitt, am Donnerstag auf dapd-Anfrage. Da die Materie wegen ihrer politischen Bedeutung sehr komplex sei, könnten sich die Ermittlungen mehrere Wochen lang hinziehen. Der Gießener Arzt Sebastian Guevara Kamm hatte bei der Staatsanwaltschaft Hof Strafanzeige gegen den Rabbiner David Goldberg wegen der Beschneidung von Minderjährigen gestellt. In seiner Begründung beruft sich der Mediziner unter anderem auf das Urteil des Kölner Landgerichtes vom Juni, in dem die Beschneidung von Jungen als Körperverletzung gewertet wird. dapd (Politik/Politik)
NRW geht gegen Rechtsextreme vor
Düsseldorf (dapd). Mit einer Großrazzia und Vereinsverboten geht Nordrhein-Westfalen massiv gegen Rechtsextreme vor. Mehr als 900 Ermittler durchsuchten am Donnerstag 146 Vereinsheime und Wohnungen von Rechten, wie Innenminister Ralf Jäger (SPD) in Düsseldorf mitteilte. Die drei aggressivsten Vereine wurden aufgelöst. Jäger sagte, das gefundene Material zeige die enge Verflechtung von NPD und gewaltbereiten Neonazis. Die Beamten durchsuchten am Morgen Objekte in 32 Städten. Schwerpunkte waren Aachen, Dortmund und Hamm. Der Minister löste die Vereine „Nationaler Widerstand Dortmund“, „Kameradschaft Hamm“ und „Kameradschaft Aachener Land“ auf. „Wir haben damit drei große Löcher in das rechtsextremistische Netzwerk in NRW gerissen,“ sagte Jäger. Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, vertrat die Auffassung: „Diese Gruppierungen sind gefährlich. Wir stellen fest, dass es ihnen immer wieder gelingt, Jugendliche in ihre Fänge zu ziehen.“ Jäger sagte weiter, es handele sich bei der Aktion um den zahlenmäßig schwersten Schlag gegen die Neonazi-Szene in NRW. Es wurden zahlreiche Schusswaffen, Schlagringe, Schlagstöcke, Eisenrohre, Springmesser, Baseballschläger, ein Morgenstern, eine Zwille und Pfefferspray sichergestellt. Die Beamten beschlagnahmten auch eine Vielzahl von Datenträgern und Propagandamaterial. Niemand wurde festgenommen. 1.000 NPD-Plakate gefunden Die Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ wird im Verfassungsschutzbericht des Landes den Autonomen Nationalisten zugerechnet, die als äußert gewaltbereit gelten. Die „Kameradschaft Aachener Land“ hilft demnach der NPD im Wahlkampf. Auch der „Kameradschaft Hamm“ werden Beziehungen zur NPD nachgesagt. Insgesamt sind in NRW laut Jäger 400 bis 600 gewaltbereite Neonazis bekannt. In den Räumen des Vereins in Dortmund fanden die Beamten am Donnerstag 1.000 Plakate der rechtsextremen NPD. „Das zeigt die enge Verflechtung dieser rechtsextremen Partei mit der gewaltbereiten Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen“, sagte Jäger. Der Fund werde der Bund-Länder-Kommission als Material für ein mögliches NPD-Verbotsverfahren zur Verfügung gestellt. Er betonte: „Die Mitglieder und Unterstützer der verbotenen Vereinigungen lehnen unsere Demokratie und die geltende Rechtsordnung ab.“ Sie bekannten sich offen zum verbrecherischen Nationalsozialismus und zu führenden Personen dieses menschenverachtenden Systems. „Alle ihre Aktionen sind darauf gerichtet, unsere demokratische Gesellschaftsordnung zu untergraben“, begründete der Minister das Verbot. „Diese Kameradschaften sind fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch.“ Polizei löst Spontandemo in Dortmund auf Er kündigte weitere Aktionen gegen Neonazis an. „Auch weiterhin werden wir gegen verfassungsfeindliche Neonazis vorgehen und ihnen auf die Springerstiefel treten. Wir werden auch weiterhin alle Möglichkeiten nutzen, um den braunen Sumpf auszutrocknen.“ Die Polizei löste eine Spontandemonstration von fast 20 Rechtsextremen in Dortmund auf. Sie hatten sich nach Angaben der Polizei als Reaktion auf das Verbot und die Durchsuchungen versammelt. Als bekannt wurde, dass der Anmelder der Demonstration einer der verbotenen Kameradschaften angehörte, löste die Polizei die Versammlung auf. Einer der Teilnehmer war der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel. Die Aktion gegen Rechtsextreme war nicht die erste in diesem Jahr in NRW. Erst im Mai hatte Jäger die Kölner „Kameradschaft Walter Spangenberg“ verboten. Im April wurden 20 Gebäude durchsucht. Nach einer jüngst veröffentlichten Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen ist Kriminalität aus dem rechtsextremen Milieu weiterhin ein Problem in NRW. Mit 1.517 rechtsmotivierten Straftaten habe es zwischen Januar und Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 52 Fälle mehr gegeben. Für das 2011 wurde mit 3.015 Straftaten der dritthöchste Wert für rechte Kriminalität in NRW in den vergangenen zehn Jahren registriert. dapd (Politik/Politik)
FDP-Politikerin fordert mehr Stellen für Familienhebammen
Berlin (dapd). Als Konsequenz aus den jüngsten Familientragödien hat die FDP-Politikerin Sibylle Laurischk ein breiteres Beratungsangebot für Eltern gefordert. Es müssen Stellen für Familienhebammen geschaffen werden, sagte die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag der Nachrichtenagentur dapd am Donnerstag in Berlin. „Besonders junge, unerfahrene Eltern brauchen Beratungsangebote.“ Ziel müsse es sein, die überforderten Menschen aufzufangen, sagte die dreifache Mutter weiter. Familienhebammen beraten Eltern direkt nach der Geburt ihres Kindes. In den vergangenen Wochen hatten sich bundesweit immer wieder tödliche Familientragödien ereignet. dapd (Politik/Politik)
Polizei findet 1.000 NPD-Plakate bei rechter Kameradschaft
Düsseldorf (dapd-nrw). Bei der Durchsuchung von rechtsextremen Vereinen in Nordrhein-Westfalen hat die Polizei mögliches Beweismaterial für ein NPD-Verbotsverfahren entdeckt. In den Räumen einer Neonazi-Kameradschaft in Dortmund fanden die Beamten am Donnerstag 1.000 Plakate der rechtsextremen NPD, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) in Düsseldorf sagte. „Das zeigt die enge Verflechtung dieser rechtsextremen Partei mit der gewaltbereiten Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen.“ Der Fund beim „Nationalen Widerstand Dortmund“ werde der Bund-Länder-Kommission als Material für ein mögliches NPD-Verbotsverfahren zur Verfügung gestellt. Mehr als 900 Polizisten hatten am Morgen 146 Vereinsheime und Wohnungen in NRW durchsucht. Schwerpunkte waren Jäger zufolge Dortmund, Aachen und Hamm. Das Innenministerium verbot die drei Vereine „Nationaler Widerstand Dortmund“, „Kameradschaft Hamm“ und „Kameradschaft Aachener Land“. Deren Vermögen wurde beschlagnahmt. Der Minister sagte weiter, es handele sich bei der Aktion um den zahlenmäßig schwersten Schlag gegen die Neonazi-Szene in NRW. Es wurden zahlreiche Schusswaffen, Schlagringe, Schlagstöcke, Eisenrohre, Springmesser, Baseballschläger, ein Morgenstern, eine Zwille und Pfefferspray sichergestellt. Die Beamten beschlagnahmten auch eine Vielzahl von Datenträgern und Propagandamaterial. „Fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch“ „Die Mitglieder und Unterstützer der verbotenen Vereinigungen lehnen unsere Demokratie und die geltende Rechtsordnung ab“, sagte Jäger weiter. Sie bekannten sich offen zum verbrecherischen Nationalsozialismus und zu führenden Personen dieses menschenverachtenden Systems. „Alle ihre Aktionen sind darauf gerichtet, unsere demokratische Gesellschaftsordnung zu untergraben“, begründete der Minister das Verbot. „Diese Kameradschaften sind fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch.“ Insgesamt seien in NRW 400 bis 600 gewaltbereite Neonazis bekannt. Jäger sagte, das Interesse am Aussteigerprogramm für Neonazis sei so groß wie noch nie. Derzeit gebe es mit 34 Personen Gespräche. In den vergangenen zehn Jahren sei 220 Menschen beim Ausstieg aus der Szene geholfen worden. dapd (Politik/Politik)
Bündnis skizziert den Weg zur Lernkultur des 21. Jahrhunderts
Berlin (dapd). Ein breiten Bündnis aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen, Gewerkschaften, Kultur und Schülern macht sich für eine neue Lernkultur an deutschen Schulen stark. „Unsere Schulen sind im 20. Jahrhundert stehen geblieben, so ist die Zukunft unseres Landes in Gefahr,“ sagte Gerald Hüther, ein Vertreter von „Schule im Aufbruch“, am Donnerstag in Berlin. Kernanliegen der Initiative ist, dass die Schulen Kinder für das Lernen begeistern, anstatt durch Zensuren und Autorität Druck erzeugen. Unterstützt wird der Aufruf des Bündnisses von den Grünen, die sich ebenfalls für eine „partnerschaftliche Schulpolitik“ stark machen wollen. Die Forderungen von „Schule im Aufbruch“ stützen sich auf die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse Hüthers, nach denen in jedem Kind ein riesiges Potenzial schlummert, das entfaltet werden muss. „Jedes Kind ist hochbegabt und muss entsprechend gefördert werden,“ sagte Hüther. Das Wichtigste sei dabei, dass die Kinder motiviert seien zu lernen, denn nur bei der Aktivierung der emotionalen Zentren im Gehirn werde Wissen behalten. Deswegen baut das Bündnis grundsätzlich auf offene Schulkonzepte mit Jahrgangsmischung. Jedes Kind solle individuell wählen können, was es lernen wolle, und das eigene Lerntempo bestimmen. Man könne Kinder nicht in das Raster des Lehrplans pressen, da jedes Kind unterschiedlich denke und lerne. Außerdem seien die Schüler durch diese Selbstverantwortung beim Lernen deutlich motivierter als wenn das zu erlernende Wissen von außen vorgeschrieben sei. Um diese individuellen Schulkonzepte zu verfeinern, kooperiert das Bündnis zunächst mit 100 Schulen, die einen sogenannten „Potenzialentfaltungscoach“ zur Seite gestellt bekommen. Außerdem wird ein „Reiseführer“ für den Weg zur Schule des 21. Jahrhunderts erstellt. Dieser „Reiseführer“ soll mithilfe der Rückmeldungen von beteiligten Lehrern, Eltern und Schülern immer weiter entwickelt werden. Weiterhin steht an den Projektschulen neben dem Wissenserwerb die Schulfächer „Verantwortung“ und „Herausforderung“ auf dem Plan. Hier sollen die Kinder zu mündigen und engagierten Bürgern erzogen werden. „Angepasste Pflichterfüller braucht keiner,“ sagte Hüther. Im 21. Jahrhundert seien Kreativität und Innovationsfähigkeit gefragt. Auch auf die Lehrerausbildung an den Universitäten will das Bündnis einwirken. Die Lehrer müssten ebenfalls ihr Potenzial entfalten und im Idealfall vom allwissenden Stofflieferanten zum gefragten Berater und Lernpartner werden. dapd (Politik/Politik)
Buch über Merkel warnt vor einem System M
Berlin (dapd). Es hat das Potenzial zu einem neuen Skandal-Buch: „Die Patin“ aus der Feder der Publizistin und Politikberaterin Gertrud Höhler. Das am Donnerstag im Züricher Orell Füssli Verlag erschienene Buch kann als Aufruf zum Sturz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verstanden werden. Nach Verlagsangaben sind für die Erstauflage 35.000 Exemplare geplant, eine zweite Auflage ist bereits im Gespräch. Das CDU-Mitglied Höhler galt einst als Wegbegleiterin des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und war Beraterin des Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen. Höhler sagte am Donnerstag in Berlin, Merkel trage mit ihrem „System M“ Mitschuld an einer Entdemokratisierung der Gesellschaft in Deutschland. In dem Buch heißt es dazu: „Wer Normen und Werte einer demokratischen Gesellschaft zur Manövriermasse macht wie Angela Merkel, der arbeitet am Zerfall der Demokratie.“ Deshalb habe sie sich zu einem „Weckruf“ mit diesem Buch entschieden, fügte Höhler hinzu. dapd (Politik/Politik)
(Zusammenfassung 11:19 Uhr) NRW geht gegen rechte Kameradschaften vor (mit Bild)
Düsseldorf (dapd). Nordrhein-Westfalen geht mit Verboten und Razzien gegen rechte Kameradschaften vor. Etwa 900 Polizisten haben am Donnerstag rund 120 Wohnungen und Vereinsräume von Rechtsextremen durchsucht. Schwerpunkt der Aktionen waren Aachen und Dortmund, wie die Polizei mitteilte. Zeitgleich verbot Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Vereine „Nationaler Widerstand Dortmund“, „Kameradschaft Hamm“ und „Kameradschaft Aachener Land“. Jäger sagte: „Wir reißen damit große Löcher in das Netzwerk der Neonazis.“ In Dortmund wurden 93 Wohnungen und Vereinsheime aufgesucht, im Raum Aachen, Düren und Heinsberg 48. Dabei habe sich es sich jeweils um den bisher umfangreichsten Schlag gegen Rechtsextremismus gehandelt, erklärte der Sprecher. Die Beamten suchten zudem Vereinsmitglieder in Gefängnissen und einer Klinik auf, um ihnen die Verbotsverfügung auszuhändigen. Außerdem wurden ihre Zellen und persönlichen Gegenstände durchsucht. Die Polizei in Aachen teilte mit, es seien zahlreiche „beweiswichtige Gegenstände“ beschlagnahmt worden. Weitere Details wollte ein Sprecher zunächst nicht nennen. In einer Wohnung in Jülich im Kreis Düren habe die Polizei Gegenstände gefunden, „bei denen es sich wohl um Waffen handelt“, sagte ein Sprecher. Spezialisten sollten nun prüfen, ob sie funktionstüchtig sind. Bei den Durchsuchungen werde das Vermögen der Kameradschaften beschlagnahmt, ihr Besitz eingezogen und das Tragen von Symbolen verboten, hieß es aus dem Ministerium. Zugleich wurde den Kameradschaften das Verbot schriftlich ausgehändigt. Bei der „Kameradschaft Aachener Land“ war es laut Polizei zunächst schwierig, ihnen Vereinsstrukturen nachzuweisen. Die Vereinigung sei in keinem Register eingetragen gewesen. „Verboten werden können nur Vereine, nicht Kameradschaften“, erklärte ein Sprecher. Die Polizeiaktionen begannen um 6.00 Uhr und sollte bis in den Vormittag dauern. Innenminister Jäger wollte sich um 13.00 Uhr zu den Verboten äußern, die Polizeipräsidien Aachen und Dortmund kündigten jeweils für 15.00 Uhr Pressekonferenzen mit ersten Ergebnissen an. Erst im Mai hatte Jäger die Kölner „Kameradschaft Walter Spangenberg“ verboten. Bei einer Razzia im Raum Köln/Bonn, im Ruhrgebiet sowie in Gefängniszellen in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten wurden Symbole, Beweismaterial und Vereinsvermögen beschlagnahmt. Im April wurden 20 Gebäude in Radevormwald, Düsseldorf, Wuppertal und Essen durchsucht. Nach einer jüngst veröffentlichten Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen ist Kriminalität aus dem rechtsextremen Milieu weiterhin ein Problem in NRW. Mit 1.517 rechtsmotivierten Straftaten habe es zwischen Januar und Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 52 Fälle mehr gegeben. Für das 2011 wurde mit 3.015 Straftaten der dritthöchste Wert für rechte Kriminalität in NRW in den vergangenen zehn Jahren registriert. dapd (Politik/Politik)