Berlin (dapd). Unter deutschen Spitzenpolitikern wird der Richtungsstreit in der europäischen Schuldenkrise schärfer. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte einen radikalen Strategiewechsel hin zu einer Gemeinschaftshaftung für die Schulden aller Euroländer. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kündigte daraufhin am Montag an, „die Bundestagswahl zu einer Abstimmung über Herrn Gabriels Schuldensozialismus zu machen“. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) sprach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab, eine Vision zu haben. Gabriel warnte vor einem Scheitern des Euro. „Europa steht am Scheideweg“, sagte er. Der Kurs einer gemeinsamen Finanz- und Steuerpolitik mit dem Ziel einer Fiskalunion müsse fortgesetzt werden. „Dann werden wir den Euro zusammenhalten können, und dann kann man auch verantworten, dass man sich gemeinschaftlich gegen die ausufernden Zinsen wehrt.“ Andernfalls, sagte Gabriel, würde die Eurozone auseinanderbrechen und nur noch aus den Staaten bestehen, die eine ähnliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hätten. Für eine Fiskalunion sei allerdings eine Volksabstimmung nötig. Dies schreibe das Grundgesetz vor. Anders als die SPD hegt die Bundesregierung noch keine Pläne für eine europäische Volksabstimmung über eine Wirtschafts- und Währungsunion. „Die Bundeskanzlerin hat mehrfach erklärt, dass wir Schritt für Schritt vorgehen müssen, um den Konstruktionsfehler der Währungsunion, nämlich das Fehlen der politischen Union, wettzumachen“, sagte Regierungssprecher Georg Streiter. Auf dem Weg zu einer Fiskalunion stünden zunächst weitere Reformen wie der Fiskalpakt und die neue Bankenaufsicht an. Für eine Schuldenteilung über Eurobonds oder einen Schuldentilgungsfonds kämpfen unter anderem Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Italiens Regierungschef Mario Monti. Dadurch könnte das Auseinanderbrechen der Währungsunion verhindert werden. Zugleich würde der Reformdruck aber sinken. Westerwelle warnt vor Überhitzung der Debatte Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping zeigt sich entsetzt über die Forderung des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU) nach einem Euroaustritt Griechenlands noch in diesem Jahr. Die Aussagen seien „extrem gefährlich“, sagte Kipping. „Man kann ganz klar sagen, dass Markus Söder hier Hand anlegt an den europapolitischen Konsens aller demokratischen Parteien.“ Die Linke erwarte eine Reaktion von Merkel. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor einer Überhitzung der Diskussion über die Zukunft Europas. „Der Ton der Debatte ist sehr gefährlich. Wir müssen aufpassen, dass wir Europa nicht zerreden“, sagte Westerwelle. Die Lage in Europa sei ernst, es stehe „zu viel auf dem Spiel“. Kretschmann vermisst Klarheit bei Merkel Doch wegen ihres Zickzackkurses geht Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hart mit Merkel ins Gericht. „Sie hat eine schwere Aufgabe, ich will da nicht den Besserwisser geben“, sagte der Grünen-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Aber Frau Merkel müsste den globalen Zusammenhang einzelner Entscheidungen klarer hervorheben.“ Er sei zwar „nie ein großer Fan von Altkanzler Helmut Kohl“ (CDU) gewesen, „aber er hatte eine klare europapolitische Vision, für die er wie eine Eins gestanden hat – einer seiner großen Verdienste. Diese Klarheit vermisse ich heute.“ Die Konservativen wehren sich erbittert gegen mehr Solidarität. Weil die Europäische Zentralbank (EZB) Krisenstaaten wieder Anleihen abkaufen will, werde ihre Unabhängigkeit „ausgehebelt“, schimpfte der Obmann der Unionsfraktion im Bundestagsfinanzausschuss, Hans Michelbach (CSU). Monti Mangel an Parlamentsverständnis vorgeworfen Auch die harsche Kritik an Italiens Regierungschef Monti riss am Montag nicht ab. Der hatte im „Spiegel“ verlangt, die Regierungen dürften sich von ihren Parlamenten nicht an die kurze Leine legen lassen, um Entscheidungen zur Eurorettung zu treffen. „Die Akzeptanz für den Euro und seine Rettung wird durch nationale Parlamente gestärkt und nicht geschwächt“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß der „Rheinischen Post“. Offensichtlich habe in Italien in den „unsäglichen Berlusconi-Jahren das Parlamentsverständnis gelitten“. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
SPD-Chef Gabriel weist Avancen der Linken zurück
Hamburg/Essen/Berlin (dapd). SPD-Chef Sigmar Gabriel will nicht mit den Linken im Bund regieren. „Mit einer Partei, die sich – wie Herr Gysi gesagt hat – in tiefem inneren Hass miteinander verbunden fühlt, kann man nicht ernsthaft Gespräche über Koalitionen führen“, sagte Gabriel am Montag in Berlin und fügte hinzu: „Die Linke ist in großen Schwierigkeiten und versucht, sich durch Koalitionsangebote interessant zu machen.“ Grünen-Chef Cem Özdemir verlangte einen Kurswechsel der Linken als Bedingung für eine Koalition. „Wenn die Linken das Koalitionsangebot ernst meinen, dann müssen sie realistische Konzepte für einen ausgeglichenen Haushalt und zur Schuldenbremse vorlegen“, sagte Özdemir der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe). Auch die Außenpolitik stehe einer Koalition im Weg: „Isolationismus und Europafeindlichkeit gehen mit den Grünen nicht“, sagte der Parteichef. „Zudem muss die Linkspartei noch klären, wie ihr Verhältnis zur DDR-Vergangenheit ist.“ Die Führungsspitze der Linken hatte zuvor für eine Zusammenarbeit mit der SPD nach der Bundestagswahl 2013 geworben. Wenn die Bedingungen stimmten, wäre ihre Partei „sofort dabei“, sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping in Berlin. Nur eine Beteiligung der Linken könne garantieren, dass ein Regierungswechsel auch einen echten Kurswechsel bringe. Bisher versuchten SPD und Grüne aber, die Linke zu ignorieren, kritisierte Kipping. Als Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung nannte sie den sofortigen Stopp von Waffenexporten, einen verfassungskonformen Hartz-IV-Satz und die Abschaffung von Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher, eine Reform zur Sicherung einer „armutsfesten Rente“ und die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns. „Jetzt liegt der Ball bei SPD und Grünen, ob sie auch Interesse an einem Politikwechsel haben“, sagte Kipping. Sie beklagte, Grüne und Sozialdemokraten versuchten bislang, „die Linke zu ignorieren und rauszuhalten“. Kipping kritisierte dabei vor allem die SPD. Diese müsse sich entscheiden, ob sie mit der Linken Politik machen wolle oder „sich doch bloß um die Vizekanzlerschaft unter CDU-Führung bewirbt“. „Wir sind nicht regierungsgeil“ Die Parteichefin wies zugleich den Eindruck zurück, ihr Werben für Rot-Rot-Grün sei eine Trendwende und stehe im Widerspruch zu den sogenannten Haltelinien des Parteiprogramms. Diese beschreiben, was die Linke als Regierungspartei keinesfalls mittragen will, etwa die „Privatisierung der Daseinsvorsorge und Sozialabbau“. Kipping sagte, sie stehe hinter den Haltelinien, bezeichnete deren Formulierung aber als „sehr defensive Herangehensweise“. Notwendig sei daneben ein „nach vorne gerichtetes Reformprogramm“. Es gehe ihr um eine offensive Umsetzung der Vorgaben aus dem Parteiprogramm. Diese Herangehensweise sei in der Parteivorstandssitzung am Wochenende “ mit viel Interesse und auch Zuspruch“ aufgenommen werden, betonte Kipping. „Wir sind nicht regierungsgeil, aber wir wollen auf jeden Fall einen wirklichen Politikwechsel.“ Kipping bezeichnet Reichensteuer als „Knackpunkt“ Im Gespräch mit den Zeitungen der WAZ-Gruppe schloss Kipping eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene ohne Einführung einer Reichensteuer aus. „Für uns wird das ein Knackpunkt“, sagte sie. „Ohne Reichensteuer keine Regierungsbeteiligung.“ Die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak, die auch Mitglied im Parteivorstand ist, zeigte sich unzufrieden damit, dass die neuen Vorsitzenden die Koalitionsdebatte zum jetzigen Zeitpunkt anstoßen. Sie finde „Debatten zu Regierungsbeteiligungen im Bund derzeit überflüssig“, schrieb sie im Kurznachrichtendienst Twitter. „Ich finde, wir sagen zunächst was wir wollen und alles andere findet sich. Man muss Sommerlochdebatten nicht mitmachen.“ (Linke-Parteiprogramm: http://url.dapd.de/XD8lXy ; Wawzyniak auf Twitter: http://url.dapd.de/uD6Nwb und http://url.dapd.de/zj8TRV ) dapd (Politik/Politik)
Kritik an Schröders Kita-Plänen
Berlin (dapd). Scharfe Kritik an Familienministerin Kristina Schröder (CDU): Mit ihren Plänen zur Förderung säumiger Kommunen beim Kita-Ausbau hat die Ministerin vor allem die ostdeutschen Länder gegen sich aufgebracht. Vertreter Berlins, Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns beklagten am Montag Ungerechtigkeiten und warfen Schröder vor, Untätigkeit zu belohnen. Die Ministerin bekräftigte indes ihr Vorhaben. Ab August 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Nach Angaben Schröders fehlen bis dahin noch 160.000 Kita-Plätze. Schröder sagte, dass der Bund 580 Millionen Euro für die Schaffung von 30.000 Kita-Plätzen zur Verfügung stellen werde. Von den versprochenen Bundeszuschüssen sollen vor allem diejenigen Länder profitieren, deren Bedarf an Kita-Plätzen im Vergleich zu 2007 gestiegen ist. Dem Vernehmen nach sind dies nicht – wie berichtet – vorrangig westdeutsche Länder, sondern neben Bayern und Rheinland-Pfalz auch Berlin, Brandenburg und Sachsen. In Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden demnach hingegen weniger Plätze gebraucht als noch 2007 angenommen. Ost-West-Tauziehen In Ostdeutschland stieß Schröders Vorgehen auf Kritik. Sachsen-Anhalts Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) monierte, mit ihren Plänen würde die CDU-Politikerin diejenigen Länder strafen, die in den vergangenen Jahren mit großem Engagement und jeder Menge Landesgeld die Kinderbetreuung auf einen modernen Stand gebracht und gehalten hätten. „Schröder sonnt sich in und mit unseren Betreuungszahlen und vergoldet den anderen Ländern ihr Nichtstun“, klagte er. Die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nannte es „inakzeptabel“, dass die Ministerin Mittel wegen eines großen Nachholbedarfs vorrangig an Länder vergeben wolle, die sich bisher zu wenig um den Ausbau gekümmert haben. Schröder lasse die Gelder damit zu einer „Passivitätsprämie“ verkommen. Auch aus der eigenen Partei bekam Schröder Widerspruch. Der mecklenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg kritisierte, für ihre Äußerungen gebe es „keine erkennbare Grundlage“. Der Nachholbedarf in den alten Bundesländern sei zwar „nachvollziehbar und akzeptabel“, sagte Rehberg. „Die Untätigkeit einiger westdeutscher Länder“ dürfe allerdings nicht dazu führen, „dass Bedarfe im Osten nun ignoriert werden“. Hamburgs Familiensenator Detlef Scheele (SPD) sprach von einem Versuch, „die neuen und die alten Bundesländer gegeneinander auszuspielen“. Städtebund will mehr Geld für Kita-Ausbau Der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezeichnete den Ansatz Schröders hingegen als nicht „ganz falsch“. Es gebe aber insgesamt einen „starken Rückstand“, sagte Präsident Roland Schäfer in Berlin und forderte insgesamt mehr Geld vom Bund. Der Spitzenverband legte am Montag unter dem Begriff „Agenda 2020“ einen Forderungskatalog vor, um Städte und Gemeinden zu stärken und die Sozialsysteme zu stabilisieren. Teil dieser Agenda ist auch ein Aktionsprogramm Kinderbetreuung. Schröder wertete die Anregungen als Bestätigung. Die Vorschläge entsprächen „passgenau“ ihren „zentralen Maßnahmen für den Endspurt hin zum Kita-Rechtsanspruch“. Nun müssten die Länder noch einmal deutlich Tempo machen. „Aber sie können es schaffen“, betonte sie. Mit 580 Millionen Euro finanziere der Bund „praktisch alleine“ 30.000 zusätzliche Betreuungsplätze gegenüber den Planungen von 2007. Für ein neues Bundesprogramm zur Festanstellung von Tagespflegern stünden bis Ende 2014 Fördermittel in Höhe von 10 Millionen Euro bereit. „Riesiges Potenzial“ gebe es zudem bei den Betriebs-Kitas. Deshalb erhielten Unternehmen mit einem entsprechenden Angebot in den ersten zwei Jahren einen Zuschuss von 6.000 Euro pro Platz und Jahr. Der baden-württembergische Staatssekretär im Kultusministerium, Frank Mentrup, forderte von Schröder eine schnelle Klärung, wie die zusätzlichen Mittel verteilt werden sollten. Der Bund dürfe die Kommunen nicht im Regen stehen lassen, sagte er auf dapd-Anfrage. dapd (Politik/Politik)
Absatz von BMW-Motorrädern geht zurück
München (dapd). BMW hat in den ersten sieben Monaten 2012 weniger Motorräder verkauft als vor einem Jahr. Der Absatz ging um drei Prozent auf 69.329 zurück, wie der DAX-Konzern am Montag in München mitteilte. Im Monat Juli verringerten sich die Auslieferungen um acht Prozent auf 10.140 Motorräder. Der Leiter Vertrieb und Marketing von BMW Motorrad, Heiner Faust, sagte: „Die Stimmung auf den weltweiten Motorradmärkten zeigt sich auch im Juli sehr uneinheitlich.“ So habe die wirtschaftliche Situation in Südeuropa die Kauflust der Motorradkunden gedämpft. Positiv hätten sich dagegen die Zahlen im größten Absatzmarkt Deutschland sowie in Frankreich, der Schweiz, Japan und auch in Südafrika entwickelt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Rösler und Birkner besichtigen Offshore-Windpark in der Nordsee
Norddeich (dapd). Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und der niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner (beide FDP) drängen auf einen zügigen Ausbau der Offshore-Windenergie. Die Offshore-Windenergie sei immens wichtig für die Umsetzung der Energiewende und die deutsche Industrie, sagte Rösler am Montag beim gemeinsamen Besuch mit Birkner beim ersten deutschen Hochsee-Windpark „alpha ventus“. Die Politiker wollten sich bei einer Bootsfahrt zum Windpark über die Entwicklungen sowie den Ausbau der Offshore-Windenergie informieren. Aufgrund des hohen Wellengangs mussten sie jedoch vorher umkehren und besichtigten den Park vom Flugzeug aus während eines Rundflugs. Die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte bei der Energiewende seien Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und die Bezahlbarkeit von Energie, sagte Rösler. Er sprach sich dafür aus, für drei bis vier Jahre bestehende Umweltauflagen auszusetzen, damit der Ausbau der Stromnetze schneller vorankomme und so die aktuelle Krise bei der Anbindung der Offshore-Windparks zu beenden. Zugleich kündigte er an, dass die Haftungsfrage noch in diesem Sommer im Kabinett besprochen werde, um für weitere Projekte Planungssicherheit zu haben. Er soll zudem ein „Masterplan Offshore“ ausgearbeitet werden. Birkner lobt Systemwechsel Der von der Bundesregierung vorgesehene Systemwechsel und die Lösung der offenen Haftungsfragen seien richtige Schritte für die Beschleunigung der weiteren Offshore-Netzanbindungen, sagte Birkner. Zugleich sprach er sich dafür aus, nun möglichst schnell zu handeln. „Wir haben jetzt Investoren, die willig sind“, sagte Birkner. Werde zu lange gewartet, müsse damit gerechnet werden, dass diese sich andere Projekte suchen. Birkner setzt daher darauf, dass bald ein Gesetzentwurf vorliege und in der Folge die Wirtschaft weiter in Windparks investiere. Birkner schlug in diesem Zusammenhang vor, unter Beteiligung des Bundes eine deutsche Offshore-Netzgesellschaft zu gründen. Er kündigte an, seine Umweltministerkollegen aus den anderen norddeutschen Ländern Anfang September nach Hannover einzuladen, um diese Idee mit ihnen zu diskutieren. Der Windpark „alpha ventus“ rund 45 Kilometer vor der Nordseeinsel Borkum besteht aus zwölf Windkraftanlagen und ging im April 2010 ans Netz. Laut dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium ist es aufgrund der erheblichen Investitionen, die für die Netzanbindung der Offshore-Windparks erforderlich sind, und der unzureichenden Eigenkapitalausstattung des zuständigen Übertragungsnetzbetreibers Tennet in den letzten Monaten zu beträchtlichen Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Windenergienutzung in Deutschland gekommen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Autofahren wird wegen stärkerem Wertverlust immer teurer
Hamburg (dapd). Autofahren wird immer teurer, weil die Kunden beim Wiederverkauf der Neuwagen deutlich höhere Wertverluste wegstecken müssen. Angebliche Abzocke der Ölmultis oder horrende Werkstattrechnungen sind dagegen eher gefühlte Belastungen als, als dass sie in nackten Zahlen nachzuweisen wären. Das hat eine umfassende Berechnung der sogenannten Vollkosten des Autofahrens von 1980 bis heute ergeben, die am Montag von der Unternehmensberatung Progenium veröffentlicht wurde und der Nachrichtenagentur dapd vorliegt. Im Kern sagt die Untersuchung: Immer mehr Geld aus der Gesamtkasse für das Autofahren fließt an die Hersteller. Verlierer sind vor allem die Werkstätten. Die auf die Autobranche spezialisierten Berater haben sich drei Klassiker der deutschen Fahrzeugindustrie genauer angesehen: Den Kleinwagen VW Polo, den 3er BMW in der Mittelklasse und die S-Klasse im obersten Segment. Ergebnis: Die sogenannten Vollkosten eines VW Polo stiegen seit 1980 inflationsbereinigt um 9 Prozent, das Fahren des 3ers wurde 34 Prozent teurer und die Vollkosten einer Mercedes S-Klasse stiegen um 98 Prozent. Die Münchener Berater haben alle Kosten des durchschnittlichen Autobetriebs von der Anschaffung über Steuern, Versicherung, Benzin, Reparaturen bis zur Straßenkarte über 32 Jahre ermittelt und mit den jeweiligen Nettohaushaltseinkommen der Jahre verglichen. Ergebnis: Die Hauptlast ist nicht wie oft angenommen die Tankrechnung, sondern der Wertverlust. Weniger Geld als früher fließt dagegen an Werkstätten und die Reifenbranche, während die Kosten für Benzin, Schmieröl und Ähnliches weitgehend gleich geblieben sind. „Den Automobilkonzernen ist es gelungen ihren Anteil am Kuchen der Ausgaben der Autofahrer deutlich zu steigern“, stellte Progenium-Geschäftsführer Kilian Frühauf fest. Allerdings bekommen die Kunden dafür auch bessere Autos als noch 1980: Die Autobauer haben „über Sprit sparende Technologien sowie bessere Qualität der Fahrzeuge die Kosten für Betrieb, Werkstatt und Reifen“ verringert, sagte Frühauf. Beispiel Polo: Der Grundpreis legte laut Progenium von 1980 bis heute inflationsbereinigt um 19 Prozent zu, von umgerechnet 10.489 Euro auf 12.450 Euro. Die Gesamtkosten im Monat stiegen aber nur um 9 Prozent von 378 Euro auf 413 Euro. Davon flossen 1980 noch 19 Prozent oder 71 Euro in Kosten für Werkstatt und Reifen. Heute sind es nur noch 8 Prozent oder 33 Euro. Die Betriebskosten – das ist vor allem der Sprit – fielen um 2 Prozent auf 132 Euro. Dagegen stieg der monatliche Wertverlust von 112 auf 181 Euro oder von 30 Prozent auf 44 Prozent. Noch krasser ist der Effekt bei der S-Klasse: Hier fielen die Spritkosten sogar kräftig, von 218 auf 173 Euro pro Monat. Kein Wunder: 1980 soff eine S-Klasse noch 15 bis 20 Liter, heute sind es unter 10 Liter. Auch bei den Luxusautos fielen die Werkstattkosten drastisch. Den gewaltigen technischen Fortschritt lässt Mercedes sich aber bezahlen. Der Grundpreis legte von 43.000 Euro zu auf 79.000 Euro. Auf den Monat umgerechnet sieht das so aus: 403 Euro Wertverlust im Jahr 1980 und 1.346 Euro heute. „Der prozentuale Wertverlust ist bei der Oberklasse deutlich höher als in anderen Segmenten, da die Oberklasseautos fast ausschließlich als Firmenwagen gekauft werden und es im Gebrauchtwagenmarkt, der weitgehend von Privatkunden geprägt ist, praktisch keine dazu passende Nachfrage gibt“, stellt Frühauf fest. Der Berater hat noch einen Effekt ermittelt, der den Autoherstellern Geld in die Kassen spült: „Der Hersteller übernimmt für immer längere Zeiträume Garantie oder Kulanz und trägt die notwendigen Werkstattkosten der ersten Jahre aus dem Kaufpreis.“ In der Tat wirbt etwa Opel mit „lebenslanger Garantie“, Toyota bietet 3 Jahre oder 100.000 Kilometer. Allerdings sind diese langen Zeiten der Sicherheit nicht wirklich umsonst für die Kunden: Die Kosten sind im Kaufpreis verborgen. Für die Privatkunden bedeutet die Analyse, dass der Kauf eines jungen Gebrauchtwagens der meist beste Deal ist: In den ersten Jahren fällt der Wertverlust enorm aus, wegen der deutlich höheren Qualität sind die Wagen aber deutlich besser in Schuss als Gebrauchtwagen es früher waren. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Zweifel am Ausstieg von Drygalla-Freund aus der rechten Szene
London/Schwerin (dapd-lmv). Trotz des Austritts des vormaligen NPD-Landtagskandidaten Michael Fischer aus der Partei zweifeln Experten, ob der Lebensgefährte der Olympia-Teilnehmerin Nadja Drygalla dem Rechtsextremismus tatsächlich abgeschworen hat. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich am Montag erfreut, dass sich die 23-jährige Ruderin unmissverständlich von rechtsextremem Gedankengut distanziert habe. Zugleich mahnte der Minister mehr Zurückhaltung in der Debatte an. Drygalla war vergangene Woche von den Olympischen Spielen in London abgereist, nachdem bekannt geworden war, dass ihr Freund der rechtsextremen Szene angehört und aktives NPD-Mitglied war. Aus der rechtsextremen Partei ist Fischer Ende Mai ausgetreten, wie Mecklenburg-Vorpommerns Vize-Landeschef David Petereit am Montag mitteilte, ohne aber weitere Details zu nennen. NPD-Austritt ist noch keine Distanzierung An der Darstellung auch von Drygalla, wonach sich ihr Freund vom Rechtsextremismus gelöst hat, haben Experten aber Zweifel. Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, hält die Version für eine „Legende“. „Er ist nicht mehr Mitglied in der NPD, aber das ist keine Distanzierung“, sagte Kahane der Nachrichtenagentur dapd. Es sei häufig „blöde Trickserei“ von Neonazis, symbolisch aus der NPD auszutreten, sagte Kahane. Zugleich betonte sie, ein Ausstieg aus der Szene sei nicht grundsätzlich unmöglich. Dennoch gab Kahane zu bedenken: „Es ist ja eine ganze Lebensweise, die da dranhängt – weswegen ich auch sehr skeptisch bin, dass die junge Frau damit nichts zu tun hatte“, sagte sie mit Blick auf Drygalla. Die in Mecklenburg-Vorpommern aktive Internetplattform „Endstation Rechts“ bestätigte zwar, dass Fischer seit mehreren Wochen nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten sei. Ein Redakteur der Plattform betonte aber im dapd-Gespräch, alle Indizien sprächen gegen einen Ausstieg aus der Szene. So sei Drygallas Lebensgefährte noch am 1. Mai bei einer Demonstration als Fotograf aufgetreten und habe Gegendemonstranten fotografiert. Zudem sei auf der Internetseite Mupinfo, die von Petereit betrieben wird, am 16. Juni der letzte Blogeintrag unter dem Namen Michael Fischer veröffentlicht worden. Unter einem anderen Artikel mit diesem Namen sei sogar ein Foto Fischers abgebildet. Ein nachdenklicher Minister Der Fall Drygalla wird in den kommenden Tagen und Wochen auch die Politik beschäftigten. Der Sportausschuss des Bundestages soll sich im September damit befassen, wie die Ausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) ankündigte. Scharfe Kritik richtete sie an die Adresse der Sportverbände. Rückblickend stellten sich klare Fragen nach den Kommunikationsstrukturen im deutschen Spitzensportsystem, sagte die SPD-Politikerin im ZDF-„Morgenmagazin“. So hätte jemand merken müssen, dass Drygalla ihren Job verloren habe. Über die Umstände, warum die Sportlerin im Herbst 2011 aus dem Polizeidienst und damit aus der Sportförderung ausschied, will Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Dienstag das Landeskabinett informieren. Verteidigungsminister de Maizière zeigte sich am Montag in London nachdenklich und warf kritische Fragen auf. „Wo liegen eigentlich die Grenzen? Steht es uns als Öffentlichkeit wirklich zu, den Freundeskreis von Sportlerinnen und Sportlern zu screenen und zu gucken, was da los ist? Müssen wir von ihnen verlangen, offenzulegen, mit wem sie befreundet sind, was sie denken?“ Wenn der Fall Drygalla Anlass sei, etwas behutsamer mit dem Privatleben von Sportlern umzugehen, sagte de Maiziere, „wäre das eine gute Mahnung“. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) wies Kritik an den Medien zurück. „Wenn Sportverbände und das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium die deutschen Olympioniken als Vorbilder präsentieren, müssen kritische Fragen erlaubt sein“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken in Berlin. Das schließe das Privatleben der Sportler in solchen Fällen mit ein, in denen menschenverachtendes und extremistisches Gedankengut eine Rolle spielt. Aus Sicht von Verteidigungsminister de Maizière muss die sportliche Karriere von Drygalla noch nicht zu Ende sein. Wenn es von Drygalla einen Antrag auf Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr gäbe, würde man ihn prüfen. „Aber in Ruhe. Und nicht in der Atmosphäre der letzten Tage“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Ein solcher Antrag lag zum 1. September schon vor. Er wurde aber am 2. August vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zurückgezogen, wie ein Ministeriumssprecher in Berlin sagte. dapd (Politik/Politik)
Serienproduktion des neuen Golf in Wolfsburg angelaufen
Wolfsburg (dapd). Vier Wochen vor der Weltpremiere ist die Serienproduktion der nächsten Generation des VW-Verkaufsschlagers Golf am Montag in Wolfsburg angelaufen. Der Golf 7 werde zunächst nur in einer Schicht auf einem Band produziert, sagte eine Werkssprecherin. Erst mit dem Ende der Werksferien am 19. August ziehe die Produktion richtig an, fügte sie hinzu. Der Golf ist das wichtigste Auto des Konzerns. Weltpremiere feiert der Golf 7 am 4. September in Berlin. Ende September können sich dann alle Autofans auf der Automesse in Paris einen Eindruck von dem Wagen machen. Nach Angaben von Volkswagen will der Konzern vor der Berliner Premiere keine Fotos des Golf 7 veröffentlichen. Im Internet kursierende Bilder seien nicht offiziell. Die Modellumstellung ist nach Einschätzung von Konzernkennern tiefgreifend: Der aktuelle Golf 6 ist praktisch eine überarbeitete Version des schon 2003 eingeführten Golf 5. Autozeitungen spekulieren, der neue Golf werde flacher, breiter und länger ausfallen und somit sportlicher wirken. Der Hersteller äußert sich nicht dazu. In Deutschland wird das Auto grundsätzlich in Wolfsburg und in Zwickau gebaut. Der Golf 7 steht wie die Schwestermodelle Audi A3 und Seat Leon auf dem neuen sogenannten Modularen Querbaukasten (MQB) des VW-Konzerns. Damit werden die Fahrzeuge unter dem Blechkleid einheitlicher, der Konzern erwartet so über die Jahre Einsparungen in Milliardenhöhe. Der Golf 7 wird ab 2013 auch mit Elektromotor angeboten. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Karstadt-Eigentümer hält an KaDeWe und Alsterhaus fest
Essen (dapd). Die Beschäftigten von Karstadt können erst einmal aufatmen. Der Eigentümer der Warenhauskette, Nicolas Berggruen, hat nach Aussagen eines engen Mitarbeiters einer Zerschlagung des Essener Konzerns eine Absage erteilt. Der Karstadt-Aufsichtsratschef und Berggruen-Vertraute Jared Bluestein erklärte am Montag: „Nicolas Berggruen ist ein langfristig orientierter Investor und dementiert entschieden, dass Teile des Karstadt-Geschäfts verkauft werden sollen.“ Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Bluestein persönlich verhandele im Auftrag von Berggruen mit der Qatar Holding und dem kanadischen Familienunternehmen George Weston Limited über einen Verkauf der besonders lukrativen Premium-Häuser: das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München. Außerdem werde über eine Abgabe der Karstadt-Sporthäuser an den Konkurrenten Sportscheck nachgedacht. Dies hatte für Unruhe im Unternehmen gesorgt. Entsprechende Berichte seien „unwahr und entbehren jeglicher Grundlage“, erklärte Bluestein. Berggruen stehe voll hinter Karstadt-Chef Andrew Jennings und dessen Strategie „Karstadt 2015“. Auch in Gewerkschaftskreisen hieß es, es gebe keine Anzeichen für Verkaufspläne. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Karstadt auch zwei Jahre nach Übernahme durch Berggruen noch eine Baustelle ist. Erst im Juli kündigte der Konzern den Abbau von 2.000 Stellen bis Ende 2014 an. Konzernchef Jennings betone damals, angesichts der Eurokrise müsse Karstadt seinen Verwaltungsaufwand verringern und die Organisationsstrukturen im gesamten Unternehmen neu ausrichten. Handelsexperte rechnet trotz Dementi mit Teilverkäufen Die Erfolgsaussichten sind allerdings umstritten, nicht zuletzt weil sich Berggruen bislang mit eigenen Investitionen in das Unternehmen zurückhielt. Zwar plant Karstadt, insgesamt rund 400 Millionen Euro in die Modernisierung von rund 60 Warenhäusern zu investieren. Doch muss der Konzern das Geld selbst erwirtschaften. Bislang flossen deshalb erst rund 160 Millionen Euro in die Aufwertung der Filialen – zu wenig nach Auffassung vieler Fachleute. Der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg rechnet deshalb trotz des jüngsten Dementis früher oder später mit einer Zerschlagung der traditionsreichen Warenhauskette. Roeb sagte der Nachrichtenagentur dapd: „Der Verkauf der Premium-Häuser und der Sporthäuser wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.“ Denn für Karstadt sei der Verkauf dieser Perlen „die naheliegendste Möglichkeit“, an Geld zu kommen. Dies gelte nicht nur, wenn Berggruen Kasse machen wolle, sondern auch dann, wenn er den Konzern retten wolle. „Für die Modernisierung der Häuser bräuchte er bestimmt mindestens eine halbe Milliarde, vielleicht auch eine Milliarde Euro“, urteilte der Branchenkenner. „Das lässt sich aus dem laufenden Geschäft nicht stemmen, und selbst investieren will er offenbar nicht.“ Auf Dauer rechnet der Experte ohnehin mit einem Zusammenschluss von Karstadt und dem Rivalen Kaufhof zu einer Deutschen Warenhaus AG. „Das bedeutet aber auch die Schließung etlicher Filialen und den Verlust tausender Arbeitsplätze, wobei offen ist, ob bei Karstadt oder Kaufhof“, sagte er. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Doppelstock-TGV fährt erstmals von Paris über Stuttgart nach München
Stuttgart (dapd). Auf der Zugstrecke Paris-Straßburg-Stuttgart-München sollen ab Dezember 2012 doppelstöckige TGV-Züge eingesetzt werden. Am Dienstag (7. August) werde der französische Schnellzug mit der Bezeichnung TGV Euroduplex erstmals zur Betriebserprobung auf der Strecke fahren, wie die Deutsche Bahn am Montag mitteilte. Statt 360 Sitzplätzen im normalen TGV bietet der Euroduplex 510 Sitzmöglichkeiten. Damit erhöhe sich die Anzahl der Plätze je Fahrtrichtung pro Tag um 600, sagte der Sprecher auf dapd-Anfrage. Seit Winter 2007 verbindet der Schnellzug München und Stuttgart mit Paris. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)