Wer einen Angehörigen, Nachbarn oder Bekannten pflegt und nach dessen Tod von ihm erbt, kann bei der Erbschaftsteuer einen Pflegefreibetrag geltend machen. In Höhe von bis zu 20.000 Euro gilt dieser grundsätzlich für alle pflegenden Personen. Der Bundesfinanzhof hat mit einem aktuellen Urteil entschieden, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht darauf keinen Einfluss haben darf. Zuvor waren beispielsweise Kinder, die ihre Eltern gepflegt hatten, von diesem Freibetrag ausgenommen, da sie als Verwandte in gerader Linie (sprich: Eltern-Kind-Verhältnis) gesetzlich zur Pflege verpflichtet sind.
Wichtig: „Von dem Urteil können auch bereits ergangene Steuerbescheide noch profitieren, die häufig unter Vorbehalt erlassen wurden und daher noch geändert werden können“, betont Dr. Michael Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei der Münsteraner Kanzlei HLB Dr. Schumacher, die Mitglied im bundesweiten Netzwerk HLB Deutschland ist. Dadurch lässt sich unter Umständen rückwirkend noch einmal das Konto aufbessern.
Damit die Finanzbehörden den Pflegefreibetrag künftig bei der Erbschaftsteuer anerkennen, sollten sämtliche Pflegeleistungen dokumentiert werden. Dazu genügen Aufzeichnungen, welche Leistungen wie oft und wie lange erbracht wurden und welchen Geldwert diese haben. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass als Vergleichsgröße die Vergütungssätze von Pflegediensten oder anderen Berufsträgern dienen können. „Der Erbe, der die Pflegeleistungen erbracht hat, muss deren Art, Dauer, Umfang und Wert nachweisen können“, erklärt Kaufmann. Die tatsächliche Höhe des Freibetrags richte sich nach dem jeweiligen Einzelfall und könne maximal 20.000 Euro zusätzlich zum Erbschaftsteuerfreibetrag sein.
Zu möglichen Pflegeleistungen zählen unter anderem die Unterstützung und Hilfe bei den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z.B. Zubereitung und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z.B. selbstständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. Einkaufen, Kochen, Putzen, Wechseln und Waschen der Wäsche). Voraussetzung ist dabei, dass die Leistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht werden und ihnen ein Geldwert beizumessen ist, beispielsweise mit den Preisen eines ambulanten Pflegedienstes. Das Gericht stellte ferner klar, dass der Erblasser, also der Verstorbene, nicht pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches sein muss; das heißt er muss keine Pflegestufe haben.
Tipp: Bereits ergangene Erbschaftsteuerbescheide sollten darauf geprüft werden, ob sie unter dem sogenannten Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurden. Sollte das der Fall sein und die Festsetzungsverjährung ist noch nicht eingetreten, könnte der Pflegefreibetrag aufgrund des Urteils noch nachträglich geltend gemacht werden. Und: „Wer jetzt oder in Zukunft Pflegeleistungen erbringt, sollte die Zeiten und die Tätigkeiten genau dokumentieren, um im Falle einer Erbschaft den Aufwand nachweisen zu können“, rät Kaufmann.