Gütersloh (dapd). Judith Hartmann wird neuer Finanzvorstand des Medienkonzerns Bertelsmann. Darauf einigte sich der Aufsichtsrat des Unternehmens, wie die Bertelsmann AG am Dienstag in Gütersloh mitteilte. Den Posten soll die 43-Jährige noch vor Jahresende von Thomas Rabe übernehmen, der dieses Amt seit Beginn des Jahres in Personalunion mit seiner neuen Funktion als Vorstandsvorsitzender ausübt. Hartmann wird zugleich Mitglied des Group Management Committee von Bertelsmann. Zurzeit ist die Österreicherin als Finanzvorstand für General Electric (GE) Deutschland tätig. Begonnen hatte die Wirtschaftswissenschaftlerin ihre berufliche Laufbahn nach der Promotion an der Universität Wien bei Walt Disney in Paris. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
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VW legt im ersten Halbjahr um mehr als zehn Prozent zu
Wolfsburg (dapd). Starke Geschäfte in Amerika und China haben bei der Automarke Volkswagen im ersten Halbjahr die Absatzdelle in Europa ausgebügelt. Weltweit wurden 2,79 Millionen Fahrzeuge und damit zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum an Kunden ausgeliefert, wie der größte Hersteller Europas am Dienstag in Wolfsburg mitteilte. Im größten Einzelmarkt China lieferte VW 982.600 Autos (+15,2 Prozent) aus. In Nordamerika legte VW um 24,2 Prozent auf 295.300 Fahrzeuge zu. In Südamerika stiegen die Verkäufe um vier Prozent. In Westeuropa ohne Deutschland sanken die Absätze dagegen um 4,7 Prozent auf 464.300 Stück. „Die Marke Volkswagen Pkw hat sich im ersten Halbjahr trotz der schwierigen Situation in Westeuropa positiv entwickelt. Die erheblichen Unsicherheiten in Europa bleiben aber bestehen und begleiten uns ins zweite Halbjahr“, erklärte Vertriebsvorstand Christian Klingler. Trotz der schwierigen Situation in den südeuropäischen Märkten erhöhte Volkswagen seine Auslieferungen in Gesamteuropa im ersten Halbjahr um 3,1 Prozent auf 907.900 Stück. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Britische Kinokette schnappt sich Cinemaxx
Hamburg (dapd). Die britische Kinokonzern Vue schnappt sich für rund 175 Millionen Euro die deutsche Kette Cinemaxx. Die Engländer kündigten am Dienstag ein Übernahmeangebot an, bei dem sie einen Preis von rund 50 Prozent über dem aktuellen Aktienkurs des Hamburger Unternehmens zahlen wollen. Der Kurs der Cinemaxx-Aktie explodierte nach der Ankündigung: Bis zum Nachmittag schossen die Papiere um über 40 Prozent nach oben. Der Hauptaktionär und Filmrechtehändler Herbert Kloiber hat sich mit den Briten bereits geeinigt, so dass der Übernahme praktisch nichts mehr im Weg steht. Außerdem unterstützt der Cinemaxx-Vorstand das Angebot. Die Arbeitsplätze bei dem Hamburger Unternehmen sind nach Angaben eines Vue-Sprechers nicht in Gefahr. Vue ist eine der größten Kinoketten in Großbritannien. Die Gesellschaft verfügt über 85 Kinos vor allem in Großbritannien und Irland mit nahezu 800 Kinosälen und mit mehr als 156.000 Sitzen. Vue gilt als innovativer Kinobetreiber, der mit extrabreiten Sesseln, riesigen Leinwänden und flexiblen Preissystemen die Branche aufmischt. Die Cinemaxx-Übernahme ist der erste Schritt der Briten auf den Kontinent. „Die Expansion auf das europäische Festland ist Teil unseres strategischen Plans, seit Vue 2003 gegründet wurde. Wir sind fest davon überzeugt, dass die neue Gruppe die Zahl der Kinobesuche weiter steigern kann, indem sie ein herausragendes Kinoerlebnis bietet“, erklärte Vorstandsvorsitzender Tim Richards. Cinemaxx betreibt 34 Kinocenter mit 292 Leinwänden und ungefähr 78.000 Plätzen in Deutschland und Dänemark. Das Unternehmen beschäftigt über 2.000 Mitarbeiter in den Kinos und weitere 80 in der Verwaltung. Das Unternehmen war in den 80er und 90er-Jahren Pionier bei der Einführung von Kinohäusern mit durchgehend großen Leinwänden und bombastischer Tonwiedergabe (Multiplexkinos). Nach einer tiefen Krise ist Cinemaxx wieder profitabel und erwirtschaftete 2011 einen Jahresüberschuss von 19 Millionen Euro bei einem Umsatz von rund 200 Millionen Euro. Unter anderem war die Kette 2004 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und zahlte niedrige Löhne. Hauptaktionär mit fast 85 Prozent ist seit acht Jahren der Münchener Film- und Fernsehunternehmer Kloiber, dem auch der TV-Sender Tele 5 gehört. Die Übernahme soll bis zum Jahresende unter Dach und Fach sein. Voraussichtlich wird Vue Cinemaxx von der Börse nehmen. Zunächst müssen noch die Kartellbehörden zustimmen. Eigentümer von Vue ist der Finanzinvestor Doughty Hanson & Co. ( http://url.dapd.de/gPJFMU ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
OECD bemängelt Defizite des deutschen Jobwunders
Paris/Berlin (dapd). Die Industrieländer-Organisation OECD hat in ihrem neuen Beschäftigungsausblick auf Schattenseiten der erfolgreichen deutschen Arbeitsmarktpolitik hingewiesen. In kaum einem Industrieland sei die Arbeitslosigkeit in den vergangenen fünf Jahren so gesunken wie in Deutschland, stellte sie zwar in dem am Dienstag in Paris veröffentlichten Bericht fest. Zugleich sei aber die Langzeitarbeitslosigkeit weit höher als im OECD-Durchschnitt. Zudem bemängelte die OECD eine wachsende Ungleichheit in Deutschland. Dem Ausblick zufolge ist der Lohnanteil, der Anteil von Gehältern, Löhnen und Lohnnebenleistungen am Nationaleinkommen, im vereinigten Deutschland stark gesunken. Von 67 Prozent des Nationaleinkommen Anfang der 90er Jahre sei er auf aktuell 62 Prozent gefallen. Damit sei eine höhere Einkommensungleichheit einhergegangen, die sich vor allem bei Geringqualifizierten manifestiere, bemängelte die Organisation. Für diese Entwicklung machte die OECD vor allem die gesunkene Tarifbindung von Arbeitsverhältnissen verantwortlich. Statt früher 72 Prozent hätten in Deutschland mittlerweile nur noch 62 Prozent der Beschäftigten Anspruch auf tarifliche Entlohnung. Minijobs, nachlassende Organisation von Arbeitgebern in Verbänden und eine seltenere Verbindlichkeit von Tarifverträge für ganze Branchen begünstigten diese Entwicklung. Auch tariflich abgesicherte Beschäftigte würden oft mit Ausnahmeklauseln konfrontiert, über die Firmen hinter branchenüblichen Lohnerhöhungen zurückbleiben könnten. Laut OECD konnte Deutschland die Arbeitslosigkeit trotz Krise binnen fünf Jahren um ein Drittel auf 5,6 Prozent der Erwerbstätigen im Mai 2012 senken. Fast die Hälfte der Arbeitslosen in der Bundesrepublik sei aber länger als ein Jahr ohne Job, ein Großteil dieser Gruppe sogar länger als zwei Jahre, erklärte die Organisation. Im gesamten OECD-Raum liege der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit dagegen bei 35 Prozent. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte mehr öffentliche Mittel für Qualifizierung und Weiterbildung Langzeitarbeitsloser. „Dann hätte auch das Jammern der Unternehmen und ihrer Verbände wegen vermeintlich fehlender Fachkräfte ein Ende“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki. Mit Blick auf wachsende Ungleichheit in der Bundesrepublik rief er die Unternehmen auf, Tarifverträge abzuschließen und auch einzuhalten. Zudem seien prekäre Jobs in gute Arbeit umzuwandeln. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bischofskonferenz veröffentlicht Social-Media-Leitfaden
Berlin (dapd). Die Deutsche Bischofskonferenz hat Empfehlungen veröffentlicht, die das Verhalten kirchlicher Mitarbeiter in sozialen Netzwerken regeln sollen. Die katholische Kirche begrüße zwar, dass ihre Mitarbeiter in den sozialen Netzwerken aktiv sind. Doch mit der Tätigkeitsangabe im Profil „verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben“, heißt es in den am Dienstag veröffentlichten „Social Media Guidelines“ der katholischen Bischöfe. In dem zweiseitigen Dokument geht es neben Fragen von Wahrhaftigkeit und Verantwortlichkeit auch um den „wertschätzenden Umgangston“, Respekt vor anderen Religionen, Humor und Datenschutz. „Sehen Sie Ihr Engagement in den sozialen Netzwerken als spannende und als lohnende Herausforderung“, werden die kirchlichen Mitarbeiter zum Schluss aufgerufen. ( http://url.dapd.de/53mxis ) dapd (Politik/Politik)
Riexinger: Stimmung in der Linken außerordentlich gut
Berlin (dapd). Der neue Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger ist mit der Lage seiner zuletzt zerstrittenen Partei sehr zufrieden. Die Stimmung sei inzwischen wieder „außerordentlich gut“, zum Teil gebe es eine „Aufbruchstimmung“, sagte er am Dienstag in Berlin nach Gesprächen mit den Landesvorsitzenden. Er und die anderen Mitglieder der neuen Führung seien zwar erst seit gut einem Monat im Amt, hätten aber die Partei bereits stabilisiert. Auch die Umfragewerte verbesserten sich. Die Wähler honorierten es, dass die Linke nicht mehr streite, sagte der Parteichef. Riexinger und seine Ko-Vorsitzende Katja Kipping waren Anfang Juni neu in ihre Ämter gewählt worden. Zuvor hatten sich der Radikalen- und der Reformerflügel der Partei einen monatelangen Machtkampf um die Posten geliefert. dapd (Politik/Politik)
Praktiker beginnt in Lüneburg mit Umrüstung von Märkten
Hamburg/Kirkel (dapd). Bei der angeschlagenen Baumarktkette Praktiker zieht der Vorstand sein umstrittenes Laden-Umbaukonzept nach gewonnenem Machtkampf jetzt zügig durch. In den ersten sieben Praktiker-Märkten begann der Ausverkauf des Warenbestands, damit die Läden im Herbst auf die hochwertigere Schwestermarke Max Bahr umgebaut werden können. Als Pilotprojekt wird ein Markt in Lüneburg umgestellt, der schon am 3. September wieder öffnen soll, wie Praktiker am Dienstag in Kirkel mitteilte. Der Vorstand will 120 der 234 Praktiker-Märkte auf die Marke Max Bahr umrüsten und hofft dadurch auf steigende Umsätze. Auf der Hauptversammlung in der vergangenen Woche hatten die Manager die Zustimmung der Aktionäre zu dem Konzept nur unter Auflagen erhalten: Die Hauptaktionäre um die Wiener Semper-Constantia-Bank setzten ungeplant mehrere Aufsichtsratsposten für sich durch und dürfen einen Manager ihres Vertrauens in den Vorstand schicken. Im Gegenzug verschafften sie dem Sanierungskonzept des Vorstands eine Mehrheit, das eine Kapitalerhöhung von 60 Millionen Euro und einen hohen Kredit vorsieht. Ursprünglich hatten die Hauptaktionäre ein abgespecktes und dadurch billigeres Umbauprogramm gefordert. Neben Lüneburg werden folgende Märkte umgebaut: Celle, Delmenhorst, Elmshorn, Gägelow bei Wismar, Greifswald, Bentwisch bei Rostock. Alle Märkte liegen in Norddeutschland und damit in Regionen, in denen die Hamburger Traditionsmarke Max Bahr seit langem einen guten Namen hat. Bis Anfang 2014 soll die Umstellung abgeschlossen sein. Noch bis Ende 2012 werden die ersten Modellmärkte der Marke Praktiker eröffnet, die sich als Baumarkt-Discounter für Heimwerker neu aufstellen. Praktiker setzte bereits jahrelang auf eine Billigstrategie („20 Prozent auf alles“) und rutschte wegen Missmanagement tief in die roten Zahlen. 2011 machte das Unternehmen einen Verlust von über 500 Millionen Euro. Der Konzern ist inzwischen hoch verschuldet und ringt ums Überleben. Der Vorstand weist Vergleiche mit der insolventen Drogeriekette Schlecker zurück. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Deutschland und Indonesien wollen gemeinsam wachsen
Jakarta (dapd). Mitten in der Euro-Krise richtet sich der Blick nach Südostasien: Deutschland und Indonesien wollen ihre Beziehungen auf eine neue Stufe stellen und die Zusammenarbeit deutlich intensivieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono vereinbarten am Dienstag in Jakarta eine „Jakarta Erklärung“, die enge Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Verteidigung, Gesundheitswesen, Bildung, Forschung, Umweltschutz Transport und Ernährung vorsieht. Indonesien wolle eine „umfassende Partnerschaft mit Deutschland“, betonte Yudhoyono. Merkel sprach von einem wichtigen Schritt in den bereits seit 60 Jahren andauernden diplomatischen Beziehungen. „Ein Land zu regieren mit fast 18.000 bewohnten Inseln und vielen ethnischen Herkünften ist eine große Herausforderung“, sagte die CDU-Vorsitzende. Diese Leistung erkenne sie ausdrücklich an. Das Verhältnis von Merkel und Yudhoyono gilt als sehr gut. Verwirrung um mögliche Panzer-Lieferung Für Aufsehen sorgte die geplante engere Rüstungszusammenarbeit. Vor dem Merkel-Besuch hatten indonesische Medien unter Bezug auf den Vize-Verteidigungsminister ihres Landes berichtet, dass Indonesien ein starkes Interesse an bis zu 100 gebrauchten deutschen Kampfpanzern vom Typ Leopard 2A6 habe. Die ersten 15 sollten bereits im Oktober geliefert werden. Diese Details bestätigte Präsident Yudhoyono am Dienstag nicht, sagte aber, dass sein Land Rüstungsgüter von anderen befreundeten Staaten wie den USA, England oder Australien kaufe und auch mit Deutschland spreche. Er stellte klar, dass Indonesien importierte Rüstungsgüter zur Modernisierung seiner Armee brauche, allerdings nur zur Wahrung des Status quo. Sein Land habe nie Panzer oder Hubschrauber gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt und werde dies auch nicht tun. Merkel bezog sich lediglich auf eine Erklärung der Verteidigungsminister beider Länder vom 27. Februar 2012, in der diese bereits eine Rüstungszusammenarbeit in Aussicht gestellt hätten. Zum Schutz der indonesischen Regenwälder stellte Merkel eine verstärkte deutsche Hilfe in Aussicht. Man sei bereit, technische Unterstützung bei der Umsetzung von Umweltgesetzen zu leisten, hieß es. Indonesien ist wichtiger Handelspartner Mit ihrem noch bis Mittwoch dauernden Aufenthalt will Merkel die Beziehungen zu dem boomenden Schwellenland stärken. Indonesiens Wirtschaftswachstum betrug im vergangenen Jahr 6,5 Prozent. In der Gruppe der G-20 liegt Indonesien damit hinter China und Indien an dritter Stelle. Das Land gilt nach zahlreichen Reformen seit dem Rücktritt des autoritären Staatschefs Suharto 1998 als eines der führenden Schwellenländer in der Region. Deutschland ist innerhalb der EU mit einem Gesamthandelsvolumen von rund 6,7 Milliarden Euro der größte Handelspartner Indonesiens. Indonesien ist nach seiner Einwohnerzahl das viertgrößte Land der Welt und die Nation mit dem größten Anteil von Muslimen in der Bevölkerung. Es gilt überwiegend als tolerantes und weltoffenes Land, das Religionsfreiheit lebt. Als Zeichen dessen besuchte Merkel in Jakarta sowohl die evangelische Immanuel-Kirche als auch die größte Moschee in Südostasien, die Istiqlal-Moschee, die 120.000 Gläubigen Platz bietet. Beim Besuch in der Kirche sagte Merkel, „der Glaube ist die Gemeinsamkeit bei allen Unterschieden zwischen den Ländern“. Menschenrechtsbeobachter beklagen jedoch anhaltende Menschenrechtsverletzungen beispielsweise in der islamischen Provinz Aceh und im rohstoffreichen West-Papua. Amnesty International hatte Merkel daher aufgefordert, bei ihrem Besuch auch die Zivilgesellschaft zu stärken. Die deutsche Regierungschefin traf am Dienstagnachmittag mit der Spitze des indonesischen Verfassungsgerichts zusammen, das enge Verbindungen zum deutschen Pendant nach Karlsruhe unterhält. Am Mittwoch wollte Merkel mit Gewerkschaftern, Journalisten, Menschenrechtlern und Islamgelehrten sprechen. Zudem wollte die Kanzlerin dem Tsunami-Frühwarnzentrum einen Besuch abstatten, für dessen Aufbau Deutschland über 50 Millionen Euro und Technik zur Verfügung gestellt hatte. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Die neue Kampfeslust der Herta Däubler-Gmelin
Berlin (dapd). Es hätte ein ruhiger Sommer werden können für Herta Däubler-Gmelin. Am Institut für Katholische Theologie der Traditionsuniversität Aachen dozierte die frühere Justizministerin bis ins Frühjahr hinein als Gastprofessorin über Menschenwürde und Menschenrechte. Jetzt, in der vorlesungsfreien Zeit, will die 68-Jährige von Urlaub aber nichts wissen. Stattdessen stürzt sich die Juristin kopfüber ins politische Getümmel. Als Galionsfigur vertritt sie vor dem Verfassungsgericht die Klage der Initiative „Europa braucht mehr Demokratie“ und ficht gegen den Rettungsschirm und den Fiskalpakt. Das politische Comeback der einst einflussreichen und geachteten SPD-Politikerin kommt nach fast genau zehn Jahren, in denen sie quasi von der Bildfläche verschwunden war. Interviews mit Däubler-Gmelin sieht und liest man dieser Tage am laufenden Band. Doch im Ruhestand ist die frühere Bundestagsabgeordnete, die mehr als 35 Jahre lang dem Parlament angehörte, nie gewesen. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2008 blieb sie als Rechtsanwältin tätig und lehrte – wie schon seit 1992 – zum Spannungsfeld Recht und Politik am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Seit Monaten streitet Däubler-Gemlin nun gemeinsam mit dem Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart für den Verein „Mehr Demokratie“, der Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht hat. 12.000 Bürger unterstützen die Klage. Das zentrale Anliegen: „Wir fordern, dass die Bevölkerung in bundesweiten Volksentscheiden über ESM- und Fiskalvertrag abstimmen kann sowie einen Konvent zur Zukunft der EU.“ Däubler-Gmelin hofft, dass die Richter der Bundesregierung und dem Bundestag eine „rote Linie“ aufzeigen, im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise. Ihr Kritikpunkt: Mit dem ESM soll ein dauerhafter Haftungsmechanismus völkerrechtlich vereinbart werden, bei dem der Bundestag nicht im Einzelfall Rettungsmaßnahmen ablehnen oder gestalten kann. In der „FAZ“ sagte sie kämpferisch in Richtung Bundesregierung: „Wir wollen ein besseres Europa, keines der Bürokraten, das Frau Merkel uns als alternativlos verkaufen will.“ Mangelnde Kampfeslust hat man Herta Däubler-Gmelin in ihrer jahrzehntelangen Karriere nie nachsagen können. Verstanden hat sich die zum linken SPD-Flügel gezählte Juristin stets als Anwältin der Schwachen. Von 1998 bis 2002 gilt sie als sichere Bank im Kabinett des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder: Fleißig, reformfreudig, zielstrebig – und skandalfrei. Doch dann scheitert sie an ihrer einzigen politischen Affäre. Drei Tage vor der Bundestagswahl 2002 zitiert das „Schwäbische Tagblatt“ Däubler-Gmelin mit den Worten: „Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht.“ Der Bericht sorgt in Washington für Empörung und treibt die Spannungen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einen neuen Höhepunkt. Zuerst wehrt sie sich vehement, legt eidesstattliche Versicherungen für ihre Version vor. Doch nach dem Wahlsieg der SPD schmeißt sie dann doch das Handtuch. Auch Schröder war schon auf Distanz und lobt ihren Schritt vielsagend als „menschlich anständig und politisch unglaublich konsequent“. „Zu politisch“ Hinter ihr liegt schon damals eine fast 40-jährige politische Karriere. 1965 tritt die in ihrer schwäbischen Heimat „Schwertgosch“ genannte Juristin in die SPD ein, fünf Jahre später wird sie Kreisvorsitzende in Tübingen. Anschließend geht es steil bergauf: Bereits 1972 zieht Däubler-Gmelin erstmals in den Bundestag ein. 1980 wird sie Vorsitzende des Rechtsausschusses und 1983 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Fünf Jahre später steht sie als erste Frau in den engsten Führungszirkel der SPD auf und wird stellvertretende Parteivorsitzende. Rückschläge gibt es erst in den 90er Jahren. So muss sie 1993 nach neunmonatigem Streit zwischen SPD und Union ihre Kandidatur für das Amt der Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts zurückziehen, um das „unwürdige Gezerre“ zu beenden. Die Union lehnt sie damals mit der Begründung ab, Däubler-Gemlin sei „zu politisch“. Was sie nun beweist: Am Dienstag steht sie als Klägerin vor dem höchsten deutschen Gericht, in einem spannenden Rechtsstreit um die politische Zukunft Europas. dapd (Politik/Politik)
Karlsruhe will für Eilentscheidung über Euro-Rettung offenbar mehr Zeit
Karlsruhe (dapd). Das Bundesverfassungsgericht will sich für seine Entscheidung über die Eilanträge gegen die deutschen Gesetze zur Euro-Rettung offenbar mehr Zeit nehmen als ursprünglich angenommen. Bisher hieß es, dass der Zweite Senat schon in „wenigen Wochen“ über den von den Klägern beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung entscheiden werde. In der Verhandlung am Dienstag betonte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nun, dass eine mögliche Alternative zu einer Eilentscheidung binnen drei Wochen ein „Zwischenverfahren“ wäre. Dieses würde eine „sehr sorgfältige Prüfung“ der Rechtslage beinhalten und könne mehrere Monate dauern. Voßkuhle betonte, das Gericht wisse, dass es in dem Augenblick, wo es eine einstweilige Anordnung erlassen werde, in der Auslandspresse sofort heiße: „Euro-Rettung gestoppt!“ Über diese „Gefahr“ sei sich der Zweite Senat im Klaren, sagte der Gerichtspräsident. Die Karlsruher Richter verhandeln seit Dienstagmorgen über mehrere Eilanträge gegen die am 29. Juni vom Bundestag beschlossenen Zustimmungsgesetze zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm (ESM) und zum Fiskalpakt, der den Euro-Staaten mehr Haushaltsdisziplin auferlegt. „Versuchung“ einer einfachen Entscheidung widerstehen Voßkuhle bezeichnete die Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren wegen der nötigen Folgenabwägung als „in mehrfacher Hinsicht nicht einfach“. Nach dem Willen der Kläger soll das Verfassungsgericht dem Bundespräsidenten vorerst untersagen, diese Gesetze zu unterzeichnen. Diese einstweilige Anordnung würde dann so lange gelten, bis das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze in einem Hauptsacheverfahren geklärt hat. Voßkuhle sagte weiter, der Zweite Senat werde im Eilverfahren trotz der schwierigen Rechtsverfahren „der Versuchung widerstehen, sein ‚Herz über die ein oder andere Hürde zu werfen‘, sondern mit beiden Füßen auf dem Grundgesetz stehend“ über die Anträge entscheiden. In der Politik erforderten Krisen oft ungewöhnliche Maßnahmen, fügte Voßkuhle hinzu. Es sei jedoch Aufgabe des Verfassungsgerichts, „den Regeln, die wir uns gegeben haben, auch in den Situationen zur Geltung zu verhelfen, in denen es politisch nicht opportun erscheint und uns besonders viel Mühe und Kraft kostet“. Voßkuhle betonte: „Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert.“ Zur Entscheidung stehen eine von Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertretene Massenklage von inzwischen 23.000 Bürgern sowie Anträge einer Professorengruppe, des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und der Linken im Bundestag. Schäuble mahnt Letztlich wird gerichtlich geprüft, ob der Bundestag mit seiner Zustimmung zu den weitreichenden Verträgen zur Euro-Rettung seine eigene haushaltspolitische Kontrolle zu stark eingebüßt und damit gegen das Grundgesetz verstoßen hat. Die Kläger halten wegen der in Rede stehenden Summen von mehreren hundert Milliarden Euro die eingegangenen Haftungsrisiken für nicht verantwortbar. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte am Dienstag hingegen vor einer Verschiebung des ESM über den Juli hinaus. Dies würde weit über Deutschland „erhebliche Verunsicherung in den Märkten bedeuten“. Falls die Eilanträge der Kläger Erfolg hätten, könnte dies „zu erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen in der Eurozone“ führen. Fiskalpakt und ESM seien „wichtige Schritte auf dem Weg zu einer europäischen Stabilitätsunion“, sagte der Vertreter der Bundesregierung in Karlsruhe. Klägeranwalt Dietrich Murswiek hielt entgegen, das Gesetzespaket öffne „das Tor zu einer Haftungs- und Transferunion“. Rechtsprofessor Albrecht Schachtschneider ergänzte, die Souveränität der Mitgliedsstaaten werde durch die geplanten Euro-Rettungsgesetze aufgegeben. Die Politik strebe letztlich einen europäischen Bundesstaat an, für den aber in Deutschland eine Volksabstimmung nötig wäre. Das Gericht habe eine „historische Verantwortung für das recht“. Gysi zu Richtern: „Diesmal beneidet Sie niemand“ Linke-Politiker Gregor Gysi sagte, das Bundesverfassungsgericht habe bislang noch nie durch eine einstweilige Anordnung einen Bundespräsidenten verboten, ein Gesetz zu unterzeichnen. Das Gericht stehe damit vor einer neuen und erstmaligen Entscheidung. „Diesmal beneidet Sie niemand“, sagte Gysi zu den acht Richtern des Zweiten Senats. „Jeder ahnt, vor welche schwieriger Entscheidung Sie stehen.“ dapd (Politik/Politik)