Mainz/Brüssel (dapd). Das Zittern am Nürburgring geht weiter: Die EU-Kommission hat noch nicht über die beantragte Rettungsbeihilfe für die landeseigene Rennstrecke in Rheinland-Pfalz entschieden. Das Prüfverfahren laufe noch, sagte eine Kommissionssprecherin am Dienstag auf dapd-Anfrage in Brüssel. Wann die Entscheidung getroffen werde, stehe noch nicht fest. Derweil lässt die Kritik an der rot-grünen Landesregierung wegen des Nürburgring-Desasters nicht nach. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) will am Mittwoch zu den Vorgängen Stellung nehmen. Die „Rhein-Zeitung“ hatte berichtet, dass die EU-Kommission die Finanzspritze des Landes für die Tochtergesellschaft verboten habe, die Rennstrecke pleite sei und mit großem Verlust für den Steuerzahler verkauft werden müsse. Das Blatt berief sich dabei auf „gut informierte Kreise“. So stufe die EU die von der Landesregierung beantragten Gelder als unzulässige Beihilfe ein. Die Landesregierung bestätigte den Bericht ebenfalls nicht: „Uns liegen diese Informationen aus Brüssel nicht vor“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums auf Anfrage. Auch aus der Mainzer Staatskanzlei war kein neuer Sachstand zu erfahren. Es gebe in dem EU-Verfahren keine neuen Erkenntnisse, betonte ein Sprecher. Mainz stehe mit der EU aber in engem Kontakt. Im Mai hatte die Landesregierung eine Rettungsbeihilfe von 13 Millionen Euro bei der Kommission in Brüssel zur Genehmigung vorgelegt. Hintergrund ist, dass die Besitzgesellschaft der Rennstrecke, die Nürburgring GmbH, aufgrund ausbleibender Pachtzahlungen durch die mittlerweile gekündigten privaten Betreiber ihre Zinsen für den 330-Millionen-Euro-Kredit der landeseigenen Investitions- und Strukturbank (ISB) nicht mehr zahlen kann. Parallel prüft Brüssel den Verdacht, dass 524 Millionen Euro staatliche Beihilfe unerlaubt an die Rennstrecke geflossen sind. Auch dieses Verfahren ist nach Angaben der Kommissionssprecherin noch nicht abgeschlossen. Der „Rhein-Zeitung“ hatte gemeldet, dass die weitgehende Landestochter Insolvenz beim Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler beantragen muss und ein Insolvenzverwalter die Geschäfte übernimmt. Ministerpräsident Beck hatte sich stets zu den staatlichen Investitionen in der Eifel als strukturpolitische Maßnahme bekannt. Laut Zeitungsbericht ist die Nürburgring GmbH mit 413 Millionen Euro verschuldet. Dazu zählen neben dem Kredit noch 83 Millionen Gesellschafterdarlehen. Müsste die Rennstrecke mit angrenzenden Immobilien verkauft werden, könnten dem Steuerzahlen Kosten in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro entstehen. Heftige Kritik kam auf dieser Grundlage erneut von der Opposition: Die rheinland-pfälzische FDP forderte Becks Rücktritt. Er müsse für sein Scheitern die politische Verantwortung übernehmen, sagte FDP-Landeschef Volker Wissing. Das Vermächtnis des dienstältesten Ministerpräsidenten in Deutschland sei „ein gigantischer Schuldenberg“, betonte der Liberale. Die CDU warf Beck, Innenminister Roger Lewentz (SPD) und dem früheren Wirtschaftsminister und heutigen Chef der SPD-Landtagsfraktion, Hendrik Hering, Täuschung vor. „Es ist unverschämt, wie eine Regierung hier selbstherrlich ihr Ding durchziehen will und das Parlament ignoriert“, sagte die Vorsitzende der CDU-Fraktion, Julia Klöckner. Die Landesregierung habe einen enormen Vermögensschaden für das Land und seine Bürger erzeugt. Am Dienstagabend kündigte die Staatskanzlei eine Pressekonferenz zum Thema Nürburgring an. Der Ministerpräsident und die zuständigen Fachminister würden über die „aktuelle Situation am Nürburgring“ informieren, hieß es in der Einladung. Das Land Rheinland-Pfalz hat bei dem Projekt „Nürburgring 2009“ versucht, die defizitäre Rennstrecke mit Ferienhäusern, Hotels, Kneipen und einem Freizeitpark aufzuwerten. Ursprünglich sollte das Vorhaben von privaten Investoren finanziert werden. Das scheiterte aber wegen ungedeckter Schecks, und der damalige Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) musste vor fast genau drei Jahren zurücktreten. dapd (Politik/Politik)
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Gewerkschaft hält Karstadt-Stellenabbau für den falschen Weg
Berlin (dapd). Die Pläne zum Abbau von rund 2.000 von bundesweit 25.000 Stellen bei der Warenhauskette Karstadt haben am Dienstag für Verunsicherung bei den Mitarbeitern und für Kopfschütteln bei Gewerkschaftern gesorgt. „Der angekündigte Personalabbau ist mehr Gift als Medizin“, sagte Stefanie Nutzenberger, Ver.di-Bundesvorstandsmitglied für den Handel am Dienstag in Berlin. Tags zuvor hatte der Vorsitzende der Geschäftsführung des Kaufhauskonzerns, Andrew Jennings, mehrfach betont, den Arbeitsplatzabbau „so sozialverträglich wie möglich“ gestalten zu wollen. Erreicht werden solle dies in erster Linie durch Frühpensionierungen, freiwillige Austritte und die Nichtverlängerung befristeter Verträge. Ob es nun auch zu betriebsbedingten Kündigungen komme, sei noch offen, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen, Arno Leder, auf dapd-Anfrage. Zwar habe Jennings deutlich gemacht, dass diese „nicht geplant und nicht gewollt“ seien, sagte Leder. Ausdrücklich ausgeschlossen habe er sie in den Gesprächen jedoch nicht. Zugleich kündigte die Karstadt-Chefetage an, Anfang September zum Flächentarifvertrag des Einzelhandels zurückzukehren. 2010 waren die Karstadt-Mitarbeiter nach der Rettung aus der Insolvenz aus dem regulären Tarifvertrag zugunsten eines Sanierungstarifvertrags vorübergehend ausgestiegen. Um einen Beitrag zur Unternehmensrettung zu leisten, hatten sie vorübergehend auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet. „Wir sind uns der finanziellen Opfer vollumfänglich bewusst, die die Karstadt-Mitarbeiter in den letzten Jahren – hauptsächlich aufgrund des Fortführungstarifvertrags – bringen mussten“, erklärte Jennings. Der Stellenabbau sei zwar schmerzhaft, aber aufgrund von Strukturproblemen notwendig. Das sieht die Gewerkschaft anders. Die Beschäftigten seien „die eigentlichen Investoren von Karstadt“, hält Ver.di-Bundesvorstand Nutzenberger dem entgegen. Durch „ihre bisherigen Verzichte“ auf Tarifleistungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro hätten sie „in eine bessere Zukunft investiert“. Gerade deswegen sei es nun „völlig verfehlt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Stellenabbau zu bedrohen“, sagte Nutzenberger. Wenn der eingeschlagene Sanierungskurs zum Ziel führen solle, brauche die Kaufhauskette jetzt jeden Mitarbeiter. Das sieht der Neueigentümer der Kaufhauskette, der US-Investor Nicolas Berggruen, offensichtlich anders. Die „Fortsetzung der strategische Neuausrichtung und notwendige Anpassung“ machten den Stellenabbau „in zwei Phasen bis Ende 2014 unvermeidlich“, erklärte die Karstadt-Geschäftsleitung in ihrer am Montagabend verbreiteten Mitteilung. Berggruen war bei der insolventen Kaufhauskette im Jahr 2010 eingestiegen und hatte sie vor dem Aus gerettet. Branchenkenner wie Thomas Roeb, Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Rheinbach, sind derweil nicht davon überzeugt, dass das Geschäftsmodell von Karstadt eine große Zukunft hat: „Ich kenne kein Unternehmen, das primär durch Stellenabbau erfolgreich saniert wurde“, sagte der Handelsexperte am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd. Meist sei ein Stellenabbau der Anfang vom Ende. Für eine langfristigen Gesundung der Kaufhauskette hält Roeb Investitionen von „sicherlich einer halben Milliarde Euro“ für notwendig. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Metro will weitere 900 Arbeitsplätze abbauen
Düsseldorf (dapd). Der Handelskonzern Metro will bei seinen Töchtern für Logistik, Immobilien und interne IT-Dienstleistungen jede elfte Stelle streichen. Bei den Gesellschaften Metro Logistik, Metro Properties und Metro Systems sollten bis spätestens 2015 rund 900 von derzeit weltweit gut 11.000 Stellen abgebaut werden, teilte das Unternehmen am Dienstag in Düsseldorf mit. In Deutschland würden bei den drei Gesellschaften am Standort Düsseldorf 200 Stellen entfallen. Das Unternehmen hatte vor zwei Wochen bereits angekündigt, in der Düsseldorfer Zentrale seiner Großhandelstochter Cash & Carry 280 von 1.000 Stellen zu streichen. Der Arbeitsplatzabbau ist Teil eines Programms, mit dem Metro die Kosten seiner Konzernzentrale senken will. Hinsichtlich des Kostensenkungsziels von 100 Millionen Euro liege der Konzern voll im Plan, sagte ein Unternehmenssprecher. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bundesregierung zweifelt an der Energiewende
Berlin (dapd). Die Zweifel der Bundesregierung an der Energiewende wachsen. Bundesumweltminister Peter Altmaier räumte am Dienstag erneut Versäumnisse bei der Umsetzung der Energiewende ein. „Wenn wir erreichen wollen, dass der Stromverbrauch bis 2020 um insgesamt zehn Prozent sinkt, dann müssen wir irgendwann auch Fortschritte sehen, die man statistisch messen kann“, betonte der CDU-Politiker in Berlin. Bislang sei dieser Fortschritt „nicht ausreichend sichtbar“. Auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler äußerte sich skeptisch über den Umbau der Energieversorgung und forderte „Augenmaß“. Die Bundesregierung hatte im Frühjahr 2011 die Energiewende beschlossen. Sie sieht unter anderem den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 vor. In den vergangenen Tagen hatte Altmaier bereits Fehler bei der Umsetzung des Projekts eingeräumt und zugleich angezweifelt, dass alle Ziele der Energiewende erreicht werden können. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Montag, die Einhaltung der Versprechen Umweltfreundlichkeit, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit sei „kein ganz leichter Pfad“. Schuldzuweisungen lehnte Altmaier ab. Es komme in der Politik immer wieder vor, dass Versprechen nicht eingehalten werden könnten. Dies sei zwar „kein Beitrag zum Abbau der Politikverdrossenheit“. Er wolle Probleme aber „mit dem Blick nach vorne“ benennen. „Vergangenheitsbewältigung ist nicht mein primäres Anliegen“, fügte er hinzu. Erneut warb Altmaier für einen „nationalen Konsens“ bei der Energiewende bis Ende des Jahres. Das Projekt stellte er nicht grundsätzlich infrage. Zurückhaltend äußerte sich auch Rösler. Zwar bekräftigte er in der „Bild“-Zeitung die Zeitachse und die Ziele der Energiewende. „Aber wir müssen nachsteuern, wenn Jobs und unsere Wettbewerbsfähigkeit bedroht sein sollten“, fügte der FDP-Politiker hinzu. Die Bezahlbarkeit von Strom für Verbraucher und Unternehmen habe für ihn „oberste Priorität“. Auch Altmaier verwies darauf, dass es entscheidend sei, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft erhalten bleibe. Umwelt- und Wirtschaftsminister hätten beide ein Interesse daran, dass die Energiewende gelänge. Seine Vorstellung sei, dass es in Folge nicht weniger, sondern mehr Jobs in Deutschland gebe. SPD und Grüne bekräftigten unterdessen ihre Kritik an der Umsetzung der Energiewende. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, gab den beiden Ministern in der Sache recht, warf der Regierung aber vor, selbst dafür verantwortlich zu sein. „Diese Bundesregierung verfehlt Zeitplan und Ziele der Energiewende“, sagte er und kritisierte unter anderem den schleppenden Netzausbau. An der Frage der Energiekosten entscheide sich zudem, „ob Deutschland ein neues Erfolgskapitel der Industriegeschichte schreibt“. Grünen-Chef Cem Özdemir wertete die Äußerungen von Rösler und Altmaier als Eingeständnis, „dass die schwarz-gelbe Koalition die Energiewende gegen die Wand gefahren hat“. „Statt ihre Arbeit zu machen und die den Bürgern und Unternehmen gegebenen Versprechen einzuhalten, versuchen die Minister Altmaier und Rösler nun vergeblich abzulenken, indem sie mit einer angeblich wachsenden sozialen Spaltung durch steigende Energiekosten argumentieren“, kritisierte Özdemir. Die steigenden Stromkosten seien aber vielmehr auf fehlenden Wettbewerb und die Befreiung von Großunternehmen von der Ökostromumlage zurückzuführen. Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, sieht nun vor allem Rösler in der Pflicht. „Eine kluge Energiewende schafft wirtschaftliche Vorteile, erhöht die Wettbewerbsfähigkeit und schafft Arbeitsplatze“, sagte Kemfert „Handelsblatt Online“. Dies könne vor allem durch Energiesparen und verbesserte Energieeffizienz erreicht werden, was in den Zuständigkeitsbereich Röslers falle. Altmaiers Äußerungen wertete sie daher als Kritik am Wirtschaftsminister, aber auch an Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer (CSU). dapd (Politik/Politik)
Untersuchungsausschuss zur Fördermittelaffäre kommt
Magdeburg (dapd). Die Fördermittelaffäre in Dessau-Roßlau-Wittenberg wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Linke-Fraktion im Magdeburger Landtag hat am Dienstag einen Untersuchungsausschuss zum „Dessauer Fördermittel-Skandal und der CDU-Spendenaffäre“ beschlossen. Einen entsprechenden Antrag will die Partei im September in den Landtag einbringen. Mit ihren 28 Abgeordneten kann sie die Einberufung des Gremiums als Minderheitenausschuss durchsetzen. Regierungssprecher Franz Kadell sagte in einer ersten Reaktion, Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sehe dem Ausschuss gelassen entgegen. Nach dem Willen der Linken soll das Gremium die Umstände klären, unter denen die Veruntreuung von Fördermitteln im Raum Dessau-Roßlau-Wittenberg möglich war. Im Fokus sollen dabei vor allem Vorgänge im Verantwortungsbereich von Wirtschafts- und Justizministerium sowie Spenden an die CDU stehen. In den vergangenen Wochen waren durch dapd-Recherchen Details zur Zweckentfremdung von Fördermitteln in den Jahren 2002 bis 2008 und zu CDU-Parteispenden mehrerer Verdächtiger bekannt geworden. Vor diesem Hintergrund wollen die Grünen ihre Beteiligung am Einsetzungsbeschluss prüfen. Die Fraktionsvorsitzende Claudia Dalbert betonte, ihre Partei wolle die Aufklärung des Betrugs „und der möglichen Verstrickungen der Landesregierung – sei es durch aktive Beteiligung von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen oder durch billigende Inkaufnahme“. Dies solle zunächst am kommenden Donnerstag im Wirtschaftsausschuss thematisiert werden. Für die mitregierende SPD sagte deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Rüdiger Erben, seine Partei wolle im Ausschuss konstruktiv mitarbeiten. Der von der Linken-Fraktion beschlossene Untersuchungsrahmen stößt bei den Sozialdemokraten allerdings auf Ablehnung. Erben monierte, der Beschluss der Linken beinhalte auch ein Misstrauen gegen die Arbeit des Justizministeriums. Dieses teile die SPD nicht. „Die Beteiligung an einem entsprechenden Einsetzungsbeschluss kommt daher für uns nicht in Frage“, sagte er. Das Justizministerium wird von der Sozialdemokratin Angela Kolb geführt. Die Fördermittelaffäre beschäftigt die Staatsanwaltschaft Halle seit rund vier Jahren. Im Kern geht es dabei um den Verdacht, dass ein Netzwerk von Politikern und Unternehmern über Jahre hinweg für Weiterbildungen ausgezahlte Fördermittel in Millionenhöhe veruntreut hat. Aus dem Kreis der Verdächtigen sind nach dapd-Recherchen Spenden an die CDU geflossen. Damals war Haseloff noch Wirtschaftsminister und hatte somit die Fachaufsicht über die Bewilligungsbehörde. Zudem hatte er darauf drängen lassen, Förderanträge „vorrangig zu bewilligen“. Solche geförderten Projekte sind auch Teil der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Haseloff hatte am vergangenen Freitag vor dem Landtag betont, stets rechtmäßig gehandelt zu haben. Doch weder seine Erklärungen noch die des Chefs der Staatskanzlei, Rainer Robra, waren für die Linke-Fraktion überzeugend. „Im Gegenteil, wir haben den Eindruck, man wollte mit diversen Detailinformationen davon ablenken, dass man zur eigentlichen Sache nichts gesagt hat“, erklärte Gudrun Tiedge, Mitglied im Fraktionsvorstand, der Nachrichtenagentur dapd. dapd (Politik/Politik)
Karstadt im Umbruch
Essen/Rheinbach (dapd-nrw). Keine Filialschließungen, kein Personalabbau trotz Neuausrichtung: Vor einem Jahr hörten sich die Ankündigungen aus der Chefetage noch beruhigend für die etwa 25.000 Karstadt-Beschäftigten in Deutschland an. Doch seit Montagabend ist es mit der Ruhe vorbei. 2.000 Stellen will das Unternehmen bis 2014 streichen. Dass dies den Traditionskonzern vor dem Verfall retten kann, bezweifelt Handelsexperte Thomas Roeb jedoch. „Ich kenne kein Unternehmen, das primär durch Stellenabbau erfolgreich saniert wurde“, sagt der Professor der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Rheinbach in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Meist sei ein Stellenabbau der Anfang vom Ende. Um die Warenhauskette langfristig erfolgreich zu machen, seien vielmehr kräftige Investitionen von sicherlich einer halben Milliarde Euro nötig. Falls dies nicht geschehe, erwarte er einen „langjährigen Verfallsprozess“, in dessen Verlauf immer wieder Personal abgebaut und Filialen geschlossen würden. Karstadt selbst hingegen sieht sich auf einem guten Weg. „Wir arbeiten an der richtigen Strategie, um Karstadt langfristig auf Kurs zu bringen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. 24 Häuser seien in den vergangenen Monaten bereits umgebaut worden, drei weitere sollen noch dieses Jahr folgen, sagt Unternehmenssprecher Stefan Hartwig. Außerdem habe Karstadt 50 neue Marken für seine Geschäfte gewinnen können. Die Zusammenarbeit mit weiteren neuen Marken sei geplant. Ob sich die Veränderungen finanziell positiv auswirken, ist jedoch unklar. Denn über Umsatzzahlen schweigt der Pressesprecher beharrlich. Auffällig ist der Zeitpunkt, zu dem der Stellenabbau angekündigt wird: In wenigen Wochen sollen die Beschäftigten nach sechs Jahren wieder ihr volles Gehalt erhalten. Um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, hatten sie zuletzt auf durchschnittlich acht Prozent ihrer Bezüge verzichtet. Die Rückkehr zu den normalen Gehältern bedeutet für das Unternehmen Millionen an Mehrkosten. Der Führungsetage ist durchaus bewusst, dass etwas geschehen muss, um hohe Kosten aufzufangen und das Unternehmen rentabel zu machen. Das angestaubte Image, das Karstadt vor allem ältere Kunden beschert, will der Konzern daher loszuwerden. Zum Teil sollen dabei die neuen Marken helfen, zum Teil setzt Karstadt aber auch auf ganz neue Häuser, „K-Town“ genannt. Hier soll vor allem Mode an das jüngere Publikum gebracht werden, daneben werden Accessoires und Schuhe angeboten. Ein solches Haus gibt es bereits in Göttingen, ein weiteres ist in Köln geplant. Vom ursprünglichen Warenhauskonzept, mit dem Karstadt in seiner über 130-jährigen Geschichte lange Zeit erfolgreich war, ist dort nicht mehr viel übrig geblieben. Und auch in den herkömmlichen Häusern setzt das Unternehmen auf eine Reduzierung des Angebots. So sollen etwa die Multimediaabteilungen bis Ende 2014 ganz geschlossen werden. Wer dann einen Fernseher oder einen Computer sucht, muss sich woanders umschauen. Ob Konzernchef Jennings der Richtige für die Leitung des Traditionsunternehmens in der Umbauphase ist? Handelsexperte Roeb ist da skeptisch. „Er scheint von der Materie etwas zu verstehen“, räumt er ein. Doch Erfahrungen mit dem schwierigen deutschen Markt habe der Brite vor seinem Engagement bei Karstadt nicht gehabt. Zudem seien Jennings mangelnde deutsche Sprachkenntnisse ein Problem. „Jemand, der sprachlich völlig abgekoppelt ist, ist in seinen Unternehmungen eingeschränkt“, gibt Roeb zu bedenken. Das Hauptproblem, das Roeb sieht – die fehlenden Investitionen – kann jedoch nicht Jennings angelastet werden. Hier wäre Investor Nicolas Berggruen gefragt, der Karstadt vor zwei Jahren aus der Insolvenz gerettet hatte. Bei der Übernahme hatte er Investitionen von 65 Millionen Euro angekündigt. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung wenige Monate später war bereits von mehreren Hundert Millionen Euro für die kommenden Jahre die Rede. Doch diese müssten auch fließen, mahnt Roeb. Sonst sieht er die Zukunft für Karstadt düster. Das Unternehmen erklärte am Dienstag, seit der Übernahme 2010 seien mehr als 160 Millionen Euro investiert worden. Das erfolgreiche Investitionsprogramm solle fortgeführt werden. Zahlen wurden nicht genannt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Die Ministerin, die Petersilie und der Tomatenfisch
Berlin (dapd). New York und Kuba haben es vorgemacht, Berlin macht es nach: In der Hauptstadt gibt es inzwischen mehr als 60 Gemeinschaftsgärten und Dutzende alternative Landwirtschaftsprojekte. Am Dienstag besuchte Bundesagrarministerin Ilse Aigner zwei dieser „Urban Farming“-Projekte: ein Gemeinschaftsgarten mit mehr als 700 Freizeitgärtnern auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof und eine Kombination aus Tomatenanbau und Buntbarschen auf dem Gelände der alten Malzfabrik in Schöneberg. „Urban Farming ist eine beeindruckende Idee“, sagt die CSU-Politikerin. „Die Menschen bekommen wieder einen Bezug zur Landwirtschaft – sie sehen, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie viel Arbeit und Energie drinsteckt.“ Mittlerweile glaubten doch viele Kinder, dass Karotten auf Bäumen wachsen. Auf ihrer „Klassenfahrt“ mit einem Tross Journalisten macht die Ministerin zunächst auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof Station. 2008 wurde der innerstädtische Airport geschlossen. Auf den 303 Hektar großen Freiflächen, die seit Mai 2010 für die Öffentlichkeit zugänglich sind, soll die „Tempelhofer Freiheit“ verwirklicht werden. Dazu gehört auch das Gartenprojekt Allmende Kontor mit mehr als 300 Hochbeeten, auf denen neben Obst und Gemüse auch Unkräuter in allen Farben sprießen. Für Severin Halder, einem von 13 Verantwortlichen für das Projekt, ist neben der ehemaligen Landebahn ein „Wissensspeicher und Lernort“ entstanden. Das Hirschgeweih aus Plastik an einem Hochbeet und die Salatpflanzen, die aus grauen Plastik-Wasserrohren spießen, sind sicher nicht die Art Garten, die Aigner zu Hause am Tegernsee hat. Dort wachsen ihr „die Kirschen fast ins Fenster rein“, berichtet die Ministerin. In Tempelhof zupft sie einen Stängel Petersilie und sagt in die Kameras, das Projekt sei ein gutes Beispiel dafür, wie man Brachflächen in der Stadt wieder sinnvoll nutzen kann. „Wo früher Flugzeuge landeten, wachsen heute Tomaten, Gurken und Zucchini.“ Mit den fast 70.000 Kleingärten, die Berlin zur deutschen Schrebergarten-Metropole machen, haben die Holzverschläge auf dem Flughafen so gut wie nichts gemeinsam. Aber hier treffen sich Leute aus aller Herren Länder und bauen das an, was sie wollen – essbar oder eben nicht. Die Gemeinschaft zählt, nicht der Ertrag. Nicht auf Selbstversorgung und Weiterbildung wie Allmende Kontor, sondern auf urbane Landwirtschaft in großem Stil zielt das Start-up-Unternehmen „Efficient City Farming“. Es will die Hauptstädter mit dem „Tomatenfisch“ versorgen. Derzeit steht auf dem Gelände der alten Malzfabrik in Schöneberg ein Schaucontainer mit 200 Buntbarschen und 100 Gemüsepflanzen wie Tomaten und Gurken. Sven Würzt vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei erklärt Aigner die Grundidee des Projekts: Die Fische liefern den Dünger, die Tomaten stehen – natürlich räumlich getrennt von den Fischen – in deren Wasser. Für Pflanzen schädliche Stoffwechselprodukte werden zuvor in einer überdimensionalen Filteranlage in den Pflanzennährstoff Nitrat umgewandelt. Derzeit können die Berliner noch für 20 Euro eine Fischpatenschaft übernehmen. Sobald das Tier etwa 300 Gramm schwer ist, kann der Barsch (Tilapia) frisch von Grill verzehrt oder zu Hause in der Pfanne gebraten werden. Es gibt nur ein großes Aquarium. Doch bald soll eine rund 1.000 Quadratmeter große Stadtfarm entstehen. In der alten Mälzerei werden nach dem Umbau die Fische in die alten Riesenbottiche einziehen. Auf einem der Fabrikdächer soll auf 7.000 Quadratmeter Gemüse sprießen. Aigner hat für diese Zukunftsmusik durchaus offene Ohren. „Das hier ist eine Ergänzung zur herkömmlichen Produktion“, sagt die Agrarministerin auf dem Dach der alten Mälzerei. In den nächsten 40 Jahren muss nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO die Agrarproduktion um 60 Prozent gesteigert werden, um die wachsende Weltbevölkerung zu versorgen. „Dazu ist es einerseits wichtig, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren“, weist Aigner auf eines ihrer Lieblingsthemen hin. Aber gleichzeitig müsse gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern jeder Hektar Land genutzt werden. „Deshalb sind innovative Lösungen besonders zur Versorgung von Großstädten wichtig“ – und eine solche Lösung könnte der „Tomatenfisch“ sein. (Die Projekte im Internet: www.allmende-kontor.de und www.ecf-center.de ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Strategievorstand Sedran führt Opel
Rüsselsheim (dapd). Der professionelle Sanierer Thomas Sedran soll den angeschlagenen Autohersteller Opel aus der Krise führen. Der Opel-Aufsichtsrat betraute den bisherigen Strategievorstand am Dienstag in Rüsselsheim zusätzlich mit den Geschäften des Vorstandsvorsitzenden. Der 47-jährige Sedran werde mit sofortiger Wirkung zum Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden ernannt, teilte die General-Motors (GM)-Tochter mit. Sedran soll die Geschäfte so lange führen, bis ein Nachfolger für Karl-Friedrich Stracke gefunden ist, der am vergangenen Donnerstag zurückgetreten war. Stracke hatte Sedran erst zum 1. April dieses Jahres in den Vorstand geholt. Zuvor war der ausgewiesene Autoexperte bei der Unternehmensberatung AlixPartners einer der Leiter des Geschäftsbereichs Europäische Automobilindustrie. Seit dem Rücktritt Strackes hatte Aufsichtsratschef Steve Girsky kommissarisch die Vorstandsgeschäfte geführt. Girsky, der zugleich GM-Europa-Präsident ist, versprach, den „von uns skizzierten Unternehmensplan umzusetzen und weiter zu verbessern“. Die Bürokratie werde verringert und die Kultur des Unternehmens verändert. Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug ergänzte, das „neue Team um Steve Girsky“ stehe für eine Veränderung, die Opel/Vauxhall dringend brauche: „schlankere Management-Strukturen, Transparenz, Berechenbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit, um Opel wieder auf Wachstumskurs zu bringen“. Die wichtigste Aufgabe des neuen Chefs besteht darin, die Forderungen des Mutterkonzerns nach einem wettbewerbsfähigen Zukunftskonzept mit denen der Belegschaft nach Arbeitsplatzsicherung zusammenzubringen. Ganz oben steht dabei die Standort- und Beschäftigungsgarantie für das Werk Bochum mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern, die bisher bis 2014 gilt. Die Arbeitnehmer haben auf eine Gehaltserhöhung verzichtet, um Bereitschaft zur Kostenreduzierung zu signalisieren. Im Gegenzug wollen sie eine Bestandsgarantie bis 2016. Die Lösung dürfte allerdings bedeuten, dass das Bochumer Werk 2017 geschlossen wird. Der neue Mann an der Spitze wurde schon am Dienstag mit Absatzverlusten für Opel/Vauxhall von 15 Prozent im ersten Halbjahr 2012 konfrontiert – 8,2 Prozentpunkte schlechter als der Branchendurchschnitt. Über alle Marken hinweg betrug der Einbruch nach Angaben des Branchenverbandes Acea lediglich 6,8 Prozent. Wie in der gesamten Branche schwächte sich der Abwärtstrend im Juni leicht ab: Opel verbuchte einen Rückgang von 12,2 Prozent, alle Hersteller ein Minus von 2,8 Prozent im Vergleich zum Juni 2011. In den von Opel nicht oder kaum erreichten Märkten Russland, China, Japan und Indien wuchs der Autoabsatz dagegen weiter zweistellig. Der Autoexperte Willi Diez mutmaßte, „dass GM in Zukunft stärker auf seine Marke Chevrolet in Europa setzt und die rückläufigen Absatzzahlen bei Opel damit ausgleichen will“. Dafür sprachen auch die Acea-Zahlen: Im ersten Halbjahr legte Chevrolet in der EU um 14 Prozent auf 103.126 Autos zu, im Juni um elf Prozent auf 18.893 Stück, jeweils gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Damit hatte Opel in der EU im Juni einen Marktanteil von 7,3 und Chevrolet von 1,6 Prozent. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Moody’s stuft Kreditwürdigkeit italienischer Banken herab
New York (dapd). Wenige Tage nach der Herabstufung der Bonität Italiens hat die Ratingagentur Moody’s auch die Kreditwürdigkeit von 13 italienischen Banken gesenkt, darunter Schwergewichte wie Unicredit und Intesa SanPaolo. Sieben italienische Banken seien um jeweils zwei Stufen, sechs um jeweils eine Stufe herabgestuft worden, teilte die Ratingagentur am Montagabend (Ortszeit) in New York mit. Der Ausblick für alle betroffenen Banken ist wie der für Italien „negativ“. Moody’s hatte die Bonität italienischer Staatsanleihen am Freitag von „A3“ auf „Baa2“ gesenkt. Die Senkung der Kreditwürdigkeit Italiens hatten die Analysten mit den voraussichtlich steigenden Kosten für die Refinanzierung der Staatsschulden begründet. Das Risiko, dass Italien in Schieflage geratenen Banken notfalls nicht finanziell unter die Arme greifen könne, sei damit ebenfalls gestiegen, hieß es. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich die Krise in Griechenland und Spanien auf Italien ausweite und es für Italien immer teuerer werde, sich am Markt Geld zu beschaffen. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes am Freitag war bereits die zweite innerhalb von fünf Monaten. Im Februar hatte Moody’s die Bonität des Landes gemeinsam mit jener von Portugal und Spanien gesenkt. Als Gründe für den Schritt nannte Moody’s damals die Unsicherheit über die Reformen in der Eurozone, zunehmend schwache Wirtschaftsaussichten in Europa und die Auswirkungen dieser Faktoren auf die Märkte. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hatte Mitte Oktober die Kreditwürdigkeit von 24 italienischen Banken herabgestuft, darunter die der Banca Monte dei Paschi di Siena, der Banco Popolare und der UBI Banca. Die Analysten erklärten, sie rechneten damit, dass sich die Kreditkosten für die Banken in den nächsten Jahren verteuern und sich das Wachstum der Kreditvolumina verringern würden. Die Bonität von Intesa SanPaolo und UniCredit bestätigte die Ratingagentur damals. © 2012 AP. All rights reserved (Wirtschaft/Wirtschaft)
Scharfe Kritik an Bayern wegen Klage gegen Länderfinanzausgleich
München/Berlin (dapd). Die bayerische Staatsregierung lässt ihrer Drohung Taten folgen und stellt den Länderfinanzausgleich in Karlsruhe auf den Prüfstand. Das schwarz-gelbe Kabinett beschloss am Dienstag in München, bis Jahresende eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach von einer „Schieflage im System, wenn vier Länder geben und die zwölf anderen unabhängig vom Ausmaß ihrer Anstrengungen nehmen“. Spitzenvertreter von SPD, Grünen und Linkspartei sowie anderer Bundesländer warfen Bayern mangelnde Solidarität vor. Seehofer betonte, der Freistaat sei sich seiner bundespolitischen Verantwortung bewusst. „Wir sind solidarisch, das Ausgleichssystem ist es nicht“, argumentierte der CSU-Vorsitzende. Bayern habe 2011 mehr in den Finanzausgleich bezahlt, als es in den vergangenen 40 Jahren erhalten habe. Das Prinzip müsse sein, „Hilfe zur Selbsthilfe, aber keine Dauersubvention“. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hatten sich als größte Zahler zunächst in Gesprächen mit den anderen Bundesländern um eine neue Regelung bemüht. Den Nehmerländern sei ein „faires, konstruktives Angebot“ unterbreitet worden, das sie leider nicht angenommen hätten, sagte Seehofer. Der Freistaat suche nach wie vor den Schulterschluss mit Hessen und strebe eine gemeinsame Klage an. Der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) kritisierte das derzeitige System als intransparent, ungerecht und leistungsfeindlich. Andere Länder leisteten sich mit dem Geld Dinge, die der Freistaat sich verkneife. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei frühestens 2014 zu rechnen. Finanzminister Markus Söder (CSU) betonte: „Es geht hier nicht um Freibier für alle, sondern es geht um ein gerechtes Finanzsystem.“ Nach dem derzeitigen System schätzt er die Zahlungen Bayerns allein für die nächsten beiden Jahre auf zusammen 8,2 Milliarden Euro. Damit seien knapp zehn Prozent des gesamten Haushalts für den Finanzausgleich reserviert. In diesem Jahr liege der Beitrag bei knapp 3,7 Milliarden Euro. Damit zahle Bayern mehr als die Hälfte der Gesamtsumme. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier griff den bayerischen Ministerpräsidenten scharf an: „Horst Seehofers Attacke gegen die föderale Solidarität ist absolut unseriös“, sagte er in Berlin und sprach von einem „durchsichtigen Manöver im bayerischen Vorwahlkampf“. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, warf dem CSU-Chef „billigsten Populismus“ vor. Wenn Seehofer anderen die Solidarität wegnehmen wolle, von der Bayern fast 40 Jahre profitiert habe, sei dies unverschämt. Als „Bruch mit einem Grundgedanken unserer Verfassung“ wertete Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn die geplante Klage. Vor allem die ostdeutschen Länder seien auf die Unterstützung durch den Finanzausgleich angewiesen, sonst drohe dort weiterer Sozialabbau. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) forderte Bayern zur Vertragstreue auf. „Bis 2019 bestehen klare Vereinbarungen und Rahmenbedingungen, sodass es hier keine Verhandlungsspielräume gibt“, sagte er der Zeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe). Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) warf Bayern Verantwortungslosigkeit vor: „Entsolidarisierung wird letztlich für arme wie reiche Länder sehr viel teurer.“ Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) räumt der Klage zwar keine großen Chancen ein, zeigte aber Verständnis dafür. Es sei in der Bevölkerung schwer vermittelbar, Milliardenbeträge zahlen zu müssen, während Nehmerländer wie Berlin diese kassierten und dann kostenlose Kindergärten anböten. Hamburg will seiner Verantwortung als Geberland auch künftig nachkommen: „Wir stehen zum Länderfinanzausgleich“, sagte ein Sprecher des SPD-geführten Senats auf dapd-Anfrage. Der bayerischen Klage wolle sich der Stadtstaat nicht anschließen. Hessens Vize-Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn (FDP) mahnte in der „Welt“ eine gerechte Regelung an. Bisher sei ihm aber nicht bekannt, dass die Nehmerländer die Verhandlungen aufgekündigt hätten. „Sollte dies aber der Fall sein, werden wir gemeinsam mit Bayern den Weg der Klage beschreiten“, kündigte er an. Baden-Württemberg hält sich laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine Klage zwar offen, will aber zunächst die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde prüfen. Der Grünen-Politiker plädierte dafür, die Verhandlungen mit den Nehmerländern weiter voranzutreiben. dapd (Politik/Politik)