Berlin (dapd). Aufatmen für die Solarbranche: Der zwischen Bund und Ländern vereinbarte Solarkompromiss löste bei Verbänden und Solarfirmen am Donnerstag überwiegend Erleichterung aus. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der rund 1.800 Unternehmen vertritt, begrüßte den Kompromiss. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) betonte, es gehe darum, „dass die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig werden“. Bund und Länder hatten sich zuvor nach wochenlangem Tauziehen auf einen Kompromiss bei der Förderkürzung für Solarstrom verständigt. Wer Strom aus Sonne produziert, bekommt demnach für jede Kilowattstunde weiter einen Zuschuss. Insgesamt wird dieser zwar gekürzt, im Vergleich zum ursprünglichen Vorhaben werden die Kürzungen für Betreiber kleinerer Anlagen aber etwas abgemildert. Je nach Entwicklung der Branche soll die Solarförderung weiter sinken, allerdings sind die Vorgaben hierfür nicht mehr ganz so streng wie ursprünglich vorgesehen. Wenn in Deutschland Anlagen mit einer Gesamtleistung von 52.000 Megawatt installiert sind, soll die Förderung auslaufen. Erleichterung bei Unternehmen Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Hildegard Müller, sprach am Donnerstag von einem „wichtigen Signal“. Dass sich das Tempo des Abbaus der Förderung nach der Zunahme der Produktionskapazitäten richten soll, könne helfen, den „befürchteten Endspurt beim Photovoltaik-Zubau“ abzufedern. Dennoch stelle die Kappungsgrenze die Energiewirtschaft „langfristig vor enorme Herausforderungen“. Auch Unternehmensvertreter der Solarbranche begrüßten den Kompromiss. „Wir sind froh, dass die Entscheidung sehr schnell gefallen ist“, sagte ein Solarword-Sprecher der Nachrichtenagentur dapd. Das TecDAX-notierte Unternehmen hatte wie seine Mitbewerber zuletzt mit einem dramatisch schrumpfenden Heimatmarkt zu kämpfen. Auch Wacker Chemie, einer der wichtigsten Hersteller des für die Produktion von Solarzellen benötigten Polysiliziums, begrüßte die Einigung. Dadurch hätten „alle Beteiligten Planungssicherheit hinsichtlich der Förderbedingungen für Solarstrom“, sagte ein Unternehmenssprecher dapd. Enttäuscht äußerte sich dagegen der Bundesverband Solarwirtschaft. Er begrüßte generell zwar die Anpassung der Einspeisesätze für Privatleute, befürchtet aber, dass die Korrekturen nicht weit genug gehen. Die geplanten Einschnitte von bis zu 30 Prozent halte er „nach wie vor für zu hoch“, sagte Verbandshauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Breite Zustimmung im Bundestag Im Bundestag, der den Kompromiss ebenso wie der Bundesrat absegnen muss, stießen die Pläne auf breite Zustimmung. Mit Ausnahme der Linken, die sich enthielt, votierten alle Fraktionen für den Vorschlag. Wenn am Freitag auch der Bundesrat zustimmt, kann das Gesetz rückwirkend zum 1. April 2012 in Kraft treten. Altmaier sprach am Mittwochabend von einem „guten Tag für die Energiewende in Deutschland“. Er äußerte sich optimistisch, „dass Solarstrom schon in einigen Jahren ganz ohne Förderung die Marktreife erlangt“. Zugleich stellte er eine Erhöhung der Forschungsförderung in Aussicht. Der umweltpolitische Sprecher der FDP, Michael Kauch, lobte, dass mit der Einigung nun auch ein Ende der Solarsubventionen absehbar sei. „Das ist eine gute Nachricht für die Stromverbraucher“, sagte er. Zugleich räumte Kauch ein, dass die EEG-Umlage, mit der alle Stromkunden die Ökostrom-Förderung finanzieren, im nächsten Jahr steigen werde. „Die Politik erreicht mit der Reform der Solarförderung aber eine Dämpfung des Preisanstiegs“, sagte er. CDU-Wirtschaftspolitiker verlangten dennoch weitere Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Trotz der Anpassung sei der Gesetzesentwurf „nicht geeignet, den Zubau wirksam zu begrenzen“, erklärten der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, und der Koordinator für Energiepolitik der Unions-Fraktion, Thomas Bareiß, am Donnerstag. Allerdings sei die Einigung „ein wichtiger Schritt“. Grünen-Chef Cem Özdemir verwies darauf, dass es bei einer Novellierung des Gesetzes darauf ankomme, welche Rolle die erneuerbaren Energien spielen sollten. Den nun vorliegenden Kompromiss lobte Özdemir aber ebenfalls. Dieser biete einen „verlässlichen Rahmen für den weiteren Ausbau von Solaranlagen“. dapd (Politik/Politik)
Kategorie: Politik
BGH entscheidet im September über Poststreit der NPD
Karlsruhe (dapd). Der Bundesgerichtshof (BGH) wird am 20. September in letzter Instanz über den Streit zwischen der Deutsche Post und der NPD im sächsischen Landtag entscheiden. Diesen Termin teilte das Karlsruher Gericht nach kontroverser mündlicher Verhandlung am Donnerstag mit. Die Post AG weigert sich seit Jahren, den Informationsdienst der NPD-Fraktion als Postwurfsendung zu verteilen. Dagegen klagt die NPD. Das Landgericht in Leipzig und das Oberlandesgericht (OLG) Dresden gaben der Post recht. Das Infoblatt „Klartext“ sei nicht als Zeitschrift zu bewerten, sondern als Propaganda ohne Meinungspluralismus. Die Landtagsfraktion in Sachsen legte hiergegen Revision am BGH ein. Am Donnerstagmorgen fand in Karlsruhe die mündliche Verhandlung statt. Der Anwalt der NPD wies auf das Postgesetz hin, das zur Beförderung von Zeitschriften verpflichte. Eine politische Bewertung stehe der Post nicht zu. Auch der Vorsitzende Richter, Joachim Bornkamm, sagte in seiner Einleitung, dass „für die rechtliche Bewertung der politische Inhalt“ keine Rolle spiele. Bornkamm betonte auch, dass eine Landtagsfraktion eine Sonderstellung habe und Teil der staatlichen Ordnung sei. Der Anwalt der NPD-Landtagsfraktion verwies schließlich auf das Diskriminierungsverbot. Als marktbeherrschendes Unternehmen dürfe die Post keine Ungleichbehandlung vornehmen. Der Anwalt der Post AG verwies dagegen darauf, dass es sich bei „Klartext“ um eine unadressierte Postwurfsendung handele. Die Post sei nach einer EU-Richtlinie jedoch nicht zur Verteilung unadressierter Sendungen verpflichtet. Nur Zeitschriften an namentlich genannte Empfänger müsse die Post befördern. Das deutsche Gesetz könne der privatisierten Post keine Vertragspflicht auferlegen, die es nach europäischem Recht nicht gebe. Umstritten war auch, ob sich die NPD-Abgeordneten als Herausgeber des Infodienstes auf die Pressefreiheit berufen können. Anwalt Thomas Plehwe bestritt, dass sich die Fraktion wie ein Verleger auf die Pressefreiheit berufen könne. Der zuständige I. Zivilsenat zog sich am Donnerstag zur Beratung zurück und teilte am Nachmittag mit, dass er sein Urteil erst am 20. September verkünde. (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof I ZR 116/11) dapd (Politik/Politik)
Bundestag beschließt Neonazi-Verbunddatei
Berlin (dapd). Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union, FDP und SPD die Einführung der Neonazi-Verbunddatei beschlossen. Grüne und Linke stimmten am Donnerstag gegen das Gesetz. Anlass der Reform ist die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Die rechtsextreme Terrorgruppe war im November 2011 aufgeflogen. Mit der Verbunddatei sollen gewaltbereite Neonazis besser verfolgt werden können. In das von Ermittlern bundesweit abrufbare Verzeichnis werden Rechtsextremisten aufgenommen, die einen klaren Gewaltbezug aufweisen. Eine rechtsextreme Gesinnung oder die Mitgliedschaft in der NPD reicht allein zur Nennung nicht aus. dapd (Politik/Politik)
Bundeswehrverband: Aussetzung der Wehrpflicht war Abschaffung
Berlin (dapd). Ein Jahr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht sieht der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes keine Möglichkeit mehr, den allgemeinen Pflichtdienst noch einmal zu reaktivieren. „Ich sehe kein Zurück, der Zug ist abgefahren“, sagte Oberst Ulrich Kirsch der Tageszeitung „Die Welt“ (Freitagausgabe). Es gebe zwar weiterhin ein Wehrpflichtgesetz, das diese Möglichkeit vorsehe. Doch sei die Aussetzung faktisch „die Abschaffung“ gewesen. Er persönlich sei sehr traurig gewesen, dass die Wehrpflicht weggebrochen wurde, sagte Kirsch weiter. „Ganz besonders hat mich die Art und Weise geschmerzt, diese Beerdigung zweiter Klasse.“ Innerhalb von nur weinigen Monaten hatte die schwarz-gelbe Koalition im Zuge der Bundeswehrreform ein Ende der Wehrpflicht nach 54 Jahren kurzerhand zum 1. Juli 2011 beschlossen. dapd (Politik/Politik)
Proteststurm gegen Verfassungsschutz
Berlin (dapd-lth). Das Schreddern wichtiger Akten im Fall der Zwickauer Terrorzelle bringt den Verfassungsschutz in große Bedrängnis. Mitglieder des Untersuchungsausschusses zum Rechtsterror warfen dem Bundesamt am Donnerstag in Berlin Vertuschung vor. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) empörte sich und sprach von einem „Image-Gau für die innere Sicherheit in Deutschland“. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte eine „lückenlose Aufklärung“ an und nahm Behördenchef Heinz Fromm persönlich in die Pflicht. Ein Referatsleiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) hatte am 11. November 2011 sieben Akten vernichten lassen, aus denen hervorging, wie im Rahmen der Operation „Rennsteig“ mit V-Leuten aus dem NSU-nahen Thüringer Heimatschutz zusammengearbeitet wurde. Der Beamte tat dies also wenige Tage, nachdem die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund aufgeflogen war. Die beiden Haupttäter, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, hatten am 4. November 2011 Selbstmord begangen. Die Terroristen werden bundesweit für zehn Morde verantwortlich gemacht. Parlamentarier werfen Behörden Vertuschung vor Die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses zeigten sich empört über die offenkundig schwere Panne beim Verfassungsschutz. FDP-Obmann Hartfrid Wolff nannte den Vorfall einen „unglaublichen Vorgang“. SPD-Obfrau Eva Högl sprach von einem „unerhörten Skandal“. Erst die Aufforderung, die Beweismittel zusammenzustellen, habe bei den Sicherheitsbehörden offenbar dazu geführt, ebendiese zu vernichten. Es dränge sich deshalb der Verdacht auf, dass Fehler der Behörden vertuscht werden sollten. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland verlangte, es müsse geprüft werden, ob die bisherigen Auskünfte stimmten, dass die NSU-Mitglieder nicht auf den Lohnlisten der Verfassungsschutzämter standen. Im BfV wird dies jedoch weiterhin ausgeschlossen. Zudem boten die Geheimdienstler an, die Akten aus Kopien in anderen Ablagen wieder zu rekonstruieren. Als mögliche Begründung für die Aktenvernichtung gab das BfV an, es sei bei der Suche nach Beweismitteln zu den NSU-Terroristen aufgefallen, dass die Speicherfristen für die fraglichen Dokumente abgelaufen seien. Doch das hielt CDU/CSU-Obmann Clemens Binninger für kaum glaubhaft: „Ich halte diese Begründung für wenig überzeugend, für wenig plausibel, weil man in so einem Fall natürlich die Amtsleitung fragen müsste.“ Ziercke: „Wir haben versagt“ Der Untersuchungsausschuss hatte am Donnerstag mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, einen prominenten Zeugen geladen. Dieser gestand in der Anhörung ein, dass die deutschen Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zum NSU versagt hätten. Er selbst bedauere, dass die Polizei und Nachrichtendienste ihrem Schutzauftrag nicht nachgekommen seien: „Wir haben versagt.“ Konkrete Fehler wollte Ziercke allerdings nicht nennen. Auch verteidigte er die Entscheidung, dass das BKA die Ermittlungen seinerzeit nicht an sich gezogen hatte. Der Ausschuss will unter anderem klären, welche Rolle Ziercke bei den Ermittlungspannen gespielt hat. Die Terroristen sollen von 1998 bis zu ihrem Auffliegen 2011 nahezu unbehelligt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund gelebt und ihre Morde begangen haben. Ziercke ist seit 2004 Präsident des BKA. Derweil beschloss der Bundestag die Einführung einer Neonazi-Verbunddatei. Union, FDP und SPD stimmten für das Gesetz, Grüne und Linke dagegen. Das Instrument soll die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutzbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus verbessern. dapd (Politik/Politik)
Mehrheit der Länder für Abschaffung der Praxisgebühr
Saarbrücken (dapd). Die Bundesländer sind mehrheitlich für eine ersatzlose Streichung der Praxisgebühr. Dennoch hat die Gesundheitsministerkonferenz in Saarbrücken dazu keinen formellen Beschluss fassen können. Notwendig hierfür wäre die Zustimmung von 13 Ländern gewesen, es hätten aber nur elf Länder zugestimmt, sagte der amtierende GMK-Vorsitzende und saarländische Ressortchef Andreas Storm (CDU) am Donnerstag nach Abschluss des zweitägigen Ministertreffens in Saarbrücken. Allerdings hätten auch die Länder, die gegen eine ersatzlose Abschaffung votiert hätten, betont, dass die Praxisgebühr „in ihrer derzeitigen Ausgestaltung keine Zukunft“ habe, sagte Storm. Sie sei „zu bürokratisch und kein geeignetes Steuerungsinstrument“. dapd (Politik/Politik)
Im Schatten des Syrien-Konflikts: UNIFIL-Mandat bis 2013 verlängert
Berlin (dapd). Die Bundeswehr kann sich ein weiteres Jahr an der UN-Seemission vor der libanesischen Küste beteiligen. Mit einer Mehrheit von fast 87 Prozent verlängerte der Bundestag am Donnerstag das UNIFIL-Mandat und begründete dies auch mit den zunehmenden Spannungen in der Region. Lediglich die Linke stimmte dagegen und warnte vor der Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Nachbarland Syrien. Derzeit beteiligt sich die Deutsche Marine mit 219 Soldaten, einem Versorgungsschiff und zwei Schnellbooten an UNIFIL. Das bis Juni 2013 verlängerte Mandat sieht nun einen weiteren Einsatz von bis zu 300 Bundeswehrsoldaten vor. Die Kosten dafür werden auf 31,3 Millionen Euro beziffert. UNIFIL als „Stabilitätsanker“ Für die schwarz-gelbe Koalition sind die wachsenden Spannungen in Syrien ein wichtiger Grund für die Weiterführung des Einsatzes, der eigentlich langsam auslaufen sollte. Doch gerade in Zeiten des Aufruhrs in der arabischen Welt könne UNIFIL „einen Beitrag zu Stabilisierung in der Region leisten“, betonte der CSU-Wehrexperte Florian Hahn. UNIFIL sei zum Symbol für Vertrauensbildung und Völkerverständigung geworden. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger. Der CDU-Abgeordnete Ingo Gädechens nannte die UN-Mission einen „Stabilitätsanker“. Unterstützung erhielt die Koalition von SPD und Grünen. Der SPD-Außenpolitiker Günter Gloser warnte vor unkalkulierbaren Spannungen in Syrien, die Auswirkungen auf die gesamte Region haben könnten. „Wir dürfen unser Engagement gerade in dieser Krise nicht verringern“, mahnte er. Die Grünen-Politikerin Kerstin Müller fügte hinzu, der Konflikt in Syrien könnte sich zu einem Flächenbrand ausweiten. Ein Ende der Mission wäre das „absolut falsche Signal“. Linke allein im Bundestag Gegen einen weiteren Einsatz wandte sich die Linke im Bundestag, die mit ihrer Haltung jedoch allein dastand. Die Abrüstungsexpertin der Linken, Inge Höger, sprach von einer beachtlichen Eskalationsgefahr, die ein Militäreinsatz mit sich bringen könne. Schon heute würden Spionageschiffe in diese „hochexplosive Region“ geschickt. Sie könnten mit die „Grundlage für eine militärische Intervention in Syrien“ liefern. Die unter UN-Flagge laufende Mission war nach dem libanesisch-israelischen Krieg 2006 gestartet worden. Hauptziel war es zunächst, den Waffenschmuggel für die radikal-islamische Hisbollah über das Mittelmeer zu unterbinden. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt des deutschen Einsatzes in der Ausbildung der libanesischen Marine. Für den Antrag der Bundesregierung votierten in namentlicher Abstimmung 507 Abgeordnete, 74 lehnten ihn ab. Es gab 4 Enthaltungen. Das entspricht einer Zustimmung von 86,7 Prozent. dapd (Politik/Politik)
Versicherte können elektronische Gesundheitskarte nicht ablehnen
Düsseldorf/Solingen (dapd). Krankenversicherte können sich von der Ausstellung der neuen elektronischen Gesundheitskarte nicht befreien lassen. Das entschied das Sozialgericht Düsseldorf am Donnerstag und wies in einem bundesweit ersten Verfahren die Klage eines Wuppertaler Versicherten ab. Der 32 Jahre alte Mann wollte von der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte befreit werden, weil er darin eine Verstoß gegen das Recht zur informationellen Selbstbestimmung sieht. Das Sozialgericht folgte dieser Ansicht aber nicht: Die für die Karte benötigten Pflichtangaben zur Person des Versicherten seien mit Ausnahme des geforderten Fotos identisch mit der bisherigen Versichertenkarte und damit unbedenklich. Damit folgte das Sozialgericht der Argumentation der Krankenversicherung des Klägers. Allerdings räumte das Gericht ein, in Zukunft möglicherweise nachbessern zu müssen. Denn ab 2013 können Versicherte zunächst testweise zusätzlich freiwillige Angaben, etwa zu Notfalldaten, auf der Gesundheitskarte speichern lassen. „Das könnte zu datenschutzrechtlichen Problemen führen, die Gegenstand eines neuen Verfahrens wären“, erklärte der Vizepräsident des Sozialgerichts, Detlef Kerber, im Anschluss an das Urteil. Kläger will nicht zum „gläsernen Patienten“ werden Aus Angst davor, zum „gläsernen Patienten“ zu werden, hatte der Versicherte aus Wuppertal gegen die Bergische Krankenkasse Solingen geklagt. Die elektronische Gesundheitskarte sei sowohl aus datenschutz- als auch verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich, argumentierte sein Anwalt Jan Kuhlmann. Patientenangaben würden zentral gespeichert und private Unternehmen mit der Datenverarbeitung betraut. Man könne daher nicht ausschließen, dass sensible Informationen beispielsweise in die Hände von Pharmaunternehmen gelangten. „Es fehlen eine unabhängige und transparente Kontrolle sowie ein Sanktionssystem bei Verstößen gegen den Datenschutz, wie es der Bundesgerichtshof fordert“, sagte er. Die beklagte Krankenkasse wies diese Einschätzung zurück. „Es werden keine Daten außerhalb der Arztpraxen ohne Zustimmung des Versicherten gespeichert“, erklärte der Anwalt der Krankenkasse, Ingo Kugler. Zusätzliche Angaben wie Notfalldaten oder elektronische Patientenakten erfolgten freiwillig. Ein Zugriff von Arbeitgebern oder Versicherungen sei „ausgeschlossen“, hieß es. Nach Angaben des Anwalts sind bislang 10.000 von 70.000 Versicherten der Bergischen Krankenkasse mit der elektronischen Gesundheitskarte versorgt worden. Bis Ende dieses Jahres sollen – wie vom Gesetzgeber gefordert – 70 Prozent der Versicherten bundesweit in ihrem Besitz sein. Der Kläger, der sich gegenüber den Medien nicht äußern wollte, will gegen die Entscheidung des Sozialgerichtes vorgehen. Sein Anwalt kündigte an, bis vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen zu wollen. Bis dahin muss der Kläger übrigens nicht um seine medizinische Versorgung bangen. Er darf bis zum Ende des Verfahrens seine alte Versichertenkarte nutzen. (AZ: S9KR111/09) dapd (Politik/Politik)
BKA-Chef Ziercke: Wir haben versagt
Berlin (dapd). Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hat gravierende Fehler bei den Ermittlungen im Fall der Zwickauer Terrorzelle eingeräumt. Er bedauere, dass die deutschen Sicherheitsbehörden ihren Schutzauftrag nicht nachgekommen seien, sagte der Polizeichef bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss am Donnerstag in Berlin. Er fügte hinzu: „Wir haben versagt.“ Konkrete Fehler wollte er jedoch nicht zugeben. Auch verteidigte Ziercke die Entscheidung, dass das BKA die Ermittlungen zu dem Fall nicht an sich zog. Der Ausschuss will mit der Befragung klären, welche Rolle Ziercke bei den Ermittlungspannen im Fall der rechten Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gespielt hat. Die Gruppe soll von 1998 bis zu ihrem Auffliegen 2011 nahezu unbehelligt von den Sicherheitsbehörden im Untergrund gelebt und bundesweit zehn Menschen ermordet haben. Ziercke ist seit 2004 Präsident des BKA. Ziercke verteidigt fehlende BKA-Zuständigkeit Der Polizeichef zeigte sich überzeugt, dass die Ermittlungspannen zu großen Teilen der föderalen Struktur der Bundesrepublik geschuldet waren. So hätten die Ermittlungen bei den Ländern belassen werden müssen, da dies der Rechtslage entsprochen habe. Der Kompromiss zwischen Bund und Ländern, eine bayerische Steuerungsgruppe mit BKA-Beteiligung für den Fall einzurichten, sei aus dieser Situation heraus fast optimal gewesen. Damit habe sich das BKA mit seinem Ansinnen, die Ermittlungen zu übernehmen, „zu 80 Prozent durchgesetzt“. Von organisatorischen Pannen oder fehlenden Durchsetzungswillen beim BKA könne deshalb nicht die Rede sein. Ein wesentlicher Fehler sei viel mehr gewesen, dass die Sicherheitsbehörden nicht bereits nach den Neonazi-Anschlägen Anfang der 1990er Jahren genügend auf die Gefahren durch den Rechtsextremismus vorbereitet wurden, sagte Ziercke. So hätte man schon damals ein gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus schaffen müssen, kritisierte er. Nach Ziercke sollte am Donnerstagnachmittag der leitende Kriminaldirektor beim Polizeipräsidium Nordhessen, Gerald Hoffmann vom Ausschuss befragt werden. Beim neunten NSU-Mord, im April 2006 in Kassel, war angeblich zufällig ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes am Tatort gewesen. dapd (Politik/Politik)
Polizeigewerkschaft nennt Verfassungschutz-Panne Image-Gau
Berlin (dapd). Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat die Vernichtung wichtiger Akten durch den Verfassungsschutz im Fall der Zwickauer Terrorzelle scharf kritisiert. „Dass der Verfassungsschutz jetzt zugegeben hat, Akten vernichtet zu haben, die für das Verfahren von Bedeutung sind, ist ein Image-Gau für die innere Sicherheit in Deutschland“, sagte DPolG-Chef Rainer Wendt am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Zugleich warnte Wendt vor einem Vertrauensverlust der Sicherheitsbehörden bei der Bevölkerung. Auf dieses Vertrauen sei die Polizei „angewiesen, wenn wir weiterhin dafür sorgen wollen, dass Deutschland eines der sichersten Länder der Welt bleiben soll“, sagte er und fügte hinzu: „Das wird jetzt eindeutig schwieriger.“ Hintergrund ist die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrund“. Der Terrorgruppe werden bundesweit zehn Morde zur Last gelegt. dapd (Politik/Politik)