Nordrhein-Westfalen liegt bei der Weiterbildung unter dem Bundesschnitt

Viele reden vom lebenslangen Lernen, wenige tun es: Einige Teile Deutschlands sind bei der Weiterbildung top, andere weit abgehängt. Die regionalen Unterschiede sind extrem, manchmal sogar in Nachbarkommunen. Das zeigt der Deutsche Weiterbildungsatlas – erstmals für alle Städte und Kreise.

Gütersloh. In Nordrhein-Westfalen nimmt rund jeder zehnte Bürger (10,4 Pro­zent) mindestens einmal im Jahr an Weiterbildung teil, während es bundesweit etwa jeder achte (12,3 Prozent) ist. Mit dieser Teilnahmequote liegt NRW gut neun Prozent unter den statistischen Erwartungen. Zwischen 2012 und 2013 ist die Weiterbildungsquote in NRW wie im Bundesschnitt um 0,3 Prozentpunkte gesunken. Dies zeigt der zweite Deutsche Weiterbil­dungsatlas der Bertelsmann Stiftung. Er stellt die Weiterbildungsquoten der Bundesländer und erstmalig auch für alle Kreise und kreisfreien Städte dar.

Nur zwei Städte stechen aus der niedrige Teilnahmequote heraus

Im Ländervergleich bildet NRW gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und dem Saarland das Schlusslicht in der Weiterbildungsteilnahme. Die Teilnahmequoten der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte im Schnitt der Jahre 2012 und 2013 unterscheiden sich teils erheblich. Schwächste Kreise in NRW sind Euskirchen (4,4 Prozent), die Städteregion Aachen und der Kreis Heinsberg (jeweils 5,5 Prozent) mit besonders niedrigen Weiterbil­dungsquoten. Der Abstand zu den Kreisen mit der höchsten Weiterbildungsbeteiligung ist enorm und geht bis zum Fünffachen: Die herausstechenden Spitzenreiter in NRW sind Müns­ter (20,1 Prozent) und Bonn (16,2 Prozent). Hier liegen die Weiterbildungsquoten deutlich über dem bundesweiten und landesweiten Durchschnitt.

Wie viele Menschen sich weiterbilden, ist in ganz Deutschland extrem unterschiedlich: Die Teilnahmequoten reichen von 2,9 bis 23,1 Prozent. In Prignitz (Brandenburg) besucht also nur jeder 34. Bürger jährlich eine Weiterbildung, in Darmstadt fast jeder vierte – eine achtmal so hohe Teilnahmequote. „Weiterbildungschancen in Deutschland sind regional zu ungleich ver­teilt. Damit wird Chancengerechtigkeit bei beruflichem und sozialem Aufstieg eingeschränkt“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Nordrhein-Westfalen bleibt deutlich hinter den Möglichkeiten zurück

Etwa ein Drittel der Unterschiede bei den Weiterbildungsquoten lässt sich durch die regionale Sozial- und Wirtschaftsstruktur erklären. So führen zum Beispiel strukturelle Vorteile wie eine hohe Qualifikation der Bevölkerung und eine gute wirtschaftliche Lage häufig dazu, dass sich anteilsmäßig mehr Menschen weiterbilden. Zwei Drittel der Unterschiede werden jedoch durch andere Aspekte wie beispielsweise die Qualität des Weiterbildungsangebotes beein­flusst und sind somit zum Teil steuerbar. Wie gut Regionen ihre strukturellen Voraussetzun­gen für Weiterbildung nutzen, erfasst die Potenzialausschöpfung. Wenn die Teilnahmequote vor Ort der aufgrund regionaler Strukturdaten zu erwartenden entspricht, beträgt die Potenzi­alausschöpfung 100 Prozent.

Nordrhein-Westfalen bleibt unter Berücksichtigung der landesspezifischen Sozialstruktur weit unter seinen Erwartungen. Die im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozentpunkte auf 90,9 Pro­zent gestiegene Potenzialausschöpfung ist das schwächste Ergebnis bei den Flächenländern. Niedrigere Werte haben nur Hamburg und Berlin. In Nordrhein-Westfalen wären also auf Grundlage der Sozialstruktur gut neun Prozent mehr Weiterbildungsteilnehmer zu erwarten.

Herford übertrifft die Erwartungen um fast 30 Prozent

Der Kreis Euskirchen (41,9 Prozent) und die Städteregion Aachen (43,8 Prozent) nutzen ihre vorhandenen Weiterbildungspotenziale nicht einmal zur Hälfte. Herford (128,3 Prozent) und Coesfeld (118,5 Prozent) erzielen auf kommunaler Ebene in NRW die höchste Potenzialaus­schöpfung. „Regionale Strukturmerkmale erklären längst nicht alle Unterschiede bei der Wei­terbildungsteilnahme: Der Weiterbildungsatlas zeigt, wie wichtig ein auf den lokalen Bedarf zugeschnittenes Weiterbildungsangebot ist. Kooperationen zwischen kommunalen Akteuren können helfen, ein solches Angebot zu schaffen und bei wirtschaftlichen oder demografischen Veränderungen sinnvoll anzupassen“, sagt Prof. Dr. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direk­tor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) und Koautor des wissenschaftli­chen Berichts zum Weiterbildungsatlas.

Zusatzinformationen

Der Deutsche Weiterbildungsatlas für Kreise und kreisfreie Städte stellt auf Grundlage der aktuellsten Mikrozensus-Daten der Jahre 2012 und 2013 die Teilnahmequoten an beruflicher und allgemeiner Weiterbildung der Bevölkerung ab dem 25. Lebensjahr dar. Zudem errechne­ten die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE), wie stark ver­schiedene Formen von Weiterbildungsangeboten vertreten sind. Vertiefende Fallstudien ana­lysieren sechs Kreise: Darmstadt, Elbe-Elster, Wunsiedel, Neumarkt in der Oberpfalz, Starn­berg und Sonneberg.

www.kreise.deutscher-weiterbildungsatlas.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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