Karlsruhe/München (dapd). Das wegen der Platzvergabe beim NSU-Prozess in die Kritik geratene Oberlandesgericht (OLG) München zieht sich vorerst weiter zurück. „Bis auf Weiteres“ könne die OLG-Justizpressestelle Anfragen zum Akkreditierungsverfahren und zur Sitzplatzvergabe „weder schriftlich noch mündlich/telefonisch bearbeiten“, teilte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel am Donnerstag in München mit. Dies geschehe „nicht zuletzt im Hinblick auf die angekündigte Einlegung einer Verfassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang“. Bis zum Donnerstagnachmittag war zwar noch keine Verfassungsbeschwerde eines türkischsprachigen Mediums beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingegangen. Doch „Sabah“, eine türkische Zeitung mit Sitz in Deutschland, hatte bereits am Mittwochabend im ZDF angekündigt, Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Der Grund: Für den NSU-Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei, woher acht NSU-Opfer stammen, erhielten keine reservierten Plätze. Ob dieses „Windhund“-Verfahren bei diesem weltweit beachteten Strafprozess mit dem Grundgesetz vereinbar ist, muss nun voraussichtlich Karlsruhe entscheiden. Die Begründung der türkischen Zeitung für ihre Verfassungsbeschwerde klang bisher noch sehr pauschal: Der stellvertretende Chefredakteur Ismail Erel sagte dem ZDF: „Wir denken, dass die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit auch für die türkisch-sprachigen Journalisten hier in Deutschland gelten.“ Deswegen wolle man den Prozess live erleben. „Gerichtsverfahren müssen öffentlich sein – auch für türkischstämmige Mitbürger in Deutschland“, sagte Erel. Zulässige Verfassungsbeschwerde braucht rechtliche Substanz Die Verfassungsbeschwerde, die wohl mit einem Eilantrag verbunden sein wird, müsste jedoch über solche allgemeinen Formulierungen hinausgehen. Sie muss rechtliche „Substanz“ haben, um zulässig zu sein und Aussicht auf Erfolg zu haben. Es muss dargelegt werden, worin „im Einzelnen“ die Grundrechtsverletzung gesehen wird. Eine Verfassungsbeschwerde sollte sich auch mit der bisherigen Rechtsprechung auseinandersetzen – die im vorliegenden Fall im Grundsatz schon gefestigt ist. Weil es wohl um keine völlig neue Rechtsfrage geht, ist auch zu vermuten, dass sich beim Bundesverfassungsgericht eine aus lediglich drei Richtern bestehende Kammer des Ersten Senats mit dem Eilantrag und der Verfassungsbeschwerde befassen wird – und nicht der gesamte Senat aus acht Richtern. Als Berichterstatter zuständig wäre voraussichtlich der Verfassungsrichter Johannes Masing. In sein Dezernat fällt die Informations- und Pressefreiheit (Artikel 5 GG). Bei „neuen Entwicklungen“ geht das OLG an die Öffentlichkeit Aber nicht nur zum rechtlichen, sondern auch zum „tatsächlichen“ Streitfall muss eine Verfassungsbeschwerde „Stoff“ enthalten – also zur konkreten Art der Platzvergabe: Wann waren die Akkreditierungsbedingungen klar? Hat das OLG diese ausreichend kommuniziert? War grundsätzlich eine Chancengleichheit für alle Medien bei der Anmeldung gegeben? Hätte für türkische Medien ein eigener „Topf“ gebildet werden müssen? Das Bundesverfassungsgericht muss im Eilverfahren keine eigene Sachaufklärung betreiben. Daher benötigt es alle relevanten Unterlagen, um innerhalb weniger Tage und im Zuge einer „Folgenabwägung“ vorläufig entscheiden zu können, ob die erhobenen Rügen berechtigt sind. Denn auch das OLG sieht sich im Recht: Das Münchner Gericht betonte bereits am 26. März, dass die Akkreditierungsbedingungen, insbesondere die Berücksichtigung der Akkreditierungsgesuche in der Reihenfolge ihres Eingangs, „von Anfang an klar“ und „allen Medien bekannt“ gewesen seien. Am Donnerstag teilte das OLG mit, es werde sich zu diesem Komplex erst wieder an die Öffentlichkeit wenden, sobald hierzu „neue Entwicklungen“ oder „Erkenntnisse“ vorlägen. dapd (Politik/Politik)
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Wowereit fordert Zulassung ausländischer Beobachter im NSU-Prozess
Berlin (dapd). Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat den Streit um die reservierten Plätze im NSU-Prozess bedauert und eine „unbürokratische Lösung“ gefordert. „Mir ist völlig unverständlich, warum uns tagelang diese abstruse Debatte zugemutet wird“, sagte Wowereit am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Es müsse sichergestellt werden, dass türkische und griechische Journalisten unter fairen Bedingungen berichten können. „Und selbstverständlich muss auch der türkische Botschafter die Möglichkeit bekommen, den Prozess zu beobachten“, fügte der Regierungschef hinzu. Vor dem Oberlandesgericht München muss sich ab 17. April die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Ferner sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund angeklagt. Dem NSU werden Morde an neun Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin angelastet. Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei – woher acht NSU-Opfer stammen – erhielten keine reservierten Plätze. Wowereit kritisierte die Vergabepraxis. „Die bisherige Debatte schadet dem Bild eines weltoffenen Landes“, sagte er. Es gehöre zur Glaubwürdigkeit eines „konsequenten rechtsstaatlichen Vorgehens gegen rechtsradikale Mörder“, dass auch der internationalen Öffentlichkeit eine Transparenz angeboten werde. dapd (Politik/Politik)
Streit über Platzvergabe im NSU-Prozess beschäftigt Karlsruhe
Karlsruhe (dapd). Der Streit um reservierte Plätze im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München geht vor das Bundesverfassungsgericht. Die türkische Zeitung „Sabah“ mit Sitz in Deutschland kündigte an, unter Berufung auf die Pressefreiheit in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Das Blatt fühlt sich in seinem Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzt. Das Oberlandesgericht verwies am Donnerstag auf die angekündigte Klage und erklärte, Anfragen zur Platzvergabe zunächst nicht mehr zu beantworten. Der stellvertretende „Sabah“-Chefredakteur Ismail Erel sagte dem ZDF: „Wir denken, dass die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit auch für die türkisch-sprachigen Journalisten hier in Deutschland gelten.“ Deswegen wolle man den Prozess live erleben. „Gerichtsverfahren müssen öffentlich sein – auch für türkischstämmige Mitbürger in Deutschland“, sagte Erel. Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis hält die angekündigte Klage für aussichtsreich. „Ich könnte mir vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht die Klage zum Anlass nimmt, darauf hinzuweisen, dass die geltenden Gesetze auch etwas großzügiger ausgelegt werden können“, sagte Battis der „Berliner Zeitung“ (Freitagausgabe). „Man muss das nicht so rigide handhaben, wie das Oberlandesgericht München es tut“, sagte Battis. So sehe er durchaus die Möglichkeit, den Prozess per Videokamera in einen weiteren Saal zu übertragen. Das Bundesverfassungsgericht selbst übertrage Verfahren ja ebenfalls in andere Säle, wenn auch nur akustisch. Battis bezeichnete das Verhalten des Gerichts als „absurd, wenn man sieht, was da auf dem Spiel steht“. Die OLG-Pressestelle bat am Donnerstag die Journalisten in einer Mitteilung, bis auf weiteres von Anfragen abzusehen, da sie diese vorerst „weder schriftlich noch mündlich/telefonisch bearbeiten kann“. „Mehr Sensibilität“ erwünscht Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, forderte unterdessen vom Oberlandesgericht mehr Fingerspitzengefühl. Er respektiere die Unabhängigkeit des Gerichts, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“. Aber „auf der anderen Seite muss man auch mit mehr Sensibilität die ganze Sache angehen“. Auch für den Botschafter ist im Gerichtssaal kein Platz reserviert. Acht seiner Landsleute seien von einer rassistischen Gruppe ermordet worden, sagte Karslioglu. Es sei seine Pflicht, die Opferfamilien zu begleiten. Der Botschafter wies auch den Vorwurf zurück, die türkischen Medien hätten die Anmeldefrist beim Gericht verschlafen. Das Anmeldeverfahren sei nicht so ganz durchsichtig gewesen, sagte er. In drei Stunden seien bereits alle Plätze vergeben gewesen. Das erste türkische Medium habe sich nach fünf Stunden gemeldet. Da könne nicht von Verschlafen von Fristen gesprochen werden. Er habe die deutschen Behörden gebeten, eine sensible Lösung zu finden – zumal es auch für Deutschland sehr wichtig sei, bei so einem wichtigen Prozess mehr Rücksicht zu zeigen. Er würde nicht so weit gehen zu sagen, dass das deutsch-türkische Verhältnis beschädigt sei, erklärte der Botschafter: „Deutschland und die Türkei, die verständigen sich auf der höchsten Ebene.“ Aber er wünsche sich ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl. Zehn Angehörige kommen nicht zum Prozessbeginn Nach Einschätzung der Ombudsfrau der Bundesregierung für Angehörige der Neonazi-Opfer, Barbara John, könnte der türkische Botschafter einen Platz von einem der Nebenkläger erhalten. John sagte dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ (Freitagsausgabe): „Von den vom Gericht eingeplanten 71 Nebenklägern werden definitiv zum Prozessbeginn am 17. und 18. April zehn Angehörige nicht erscheinen.“ Sie wollten erst dann kommen, wenn die jeweiligen Morde an ihren Angehörigen verhandelt werden. „Einige wollen Frau Zschäpe auch nicht sehen“, sagte John. Die SPD-Politikerin Lale Akgün sagte dem Nachrichtensender n-tv: „Ich denke, dass die deutschen Behörden im Moment nichts unterlassen, was auch einen Hauch von Misstrauen zulassen dürfte.“ Die deutschen Behörden seien „sehr, sehr akribisch“ und gingen sehr vorsichtig vor, „damit bloß alles auf den Tisch kommt, was auf den Tisch kommen muss“. Akgün warnte vor populistischen Äußerungen und mahnte: „Wir sollten eigentlich miteinander dafür sorgen, dass die Lage sich entspannt und nicht noch mehr zuspitzt.“ SPD-Parteizeitung soll auf Platz verzichten Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, forderte die SPD auf, die Akkreditierung der Parteizeitung „vorwärts“ für den NSU-Prozess zurückzugeben. „Es gehört eine ziemliche Unverfrorenheit dazu, das Oberlandesgericht München wegen der Vergabe der Journalistenplätze für den anstehenden NSU-Prozess scharf zu kritisieren, während man einen der knappen Plätze mit seinem Parteiblatt blockiert“, kritisierte Müller. Vor dem Oberlandesgericht München muss sich ab 17. April die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Daneben angeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Dem NSU werden Morde an neun Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin angelastet. Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei, woher acht NSU-Opfer stammen, erhielten keine reservierten Plätze. Für Zuschauer stehen weitere 50 Plätze zur Verfügung. dapd (Politik/Politik)
Union will Steuerhinterziehung durch Zusammenarbeit begegnen
Berlin (dapd). Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) macht sich für eine bessere internationale Zusammenarbeit gegen Steuerhinterziehung stark. „International tätige Personen und Unternehmen nutzen das teilweise mangelhafte Zusammenspiel verschiedener Steuergesetze aus, um Steuern zu hinterziehen“, sagte Meister am Donnerstag zu Veröffentlichungen über internationale Steuerhinterziehung. „Es kann nicht sein, dass sich einige zulasten der Allgemeinheit ihrer Steuerpflicht entziehen.“ Meister sagte, das Problem gehe weit über die Möglichkeiten des deutschen Gesetzgebers hinaus. „Deshalb sind international abgestimmte steuerliche Regelungen und Standards erforderlich, damit eine ordnungsgemäße Besteuerung ermöglicht und Steuerhinterziehung vermieden wird“, erklärte er. Der Druck auf die Steueroasen müsse erhöht werden. „Bei Zufallsfunden können wir nicht stehenbleiben“, sagte Meister. dapd (Politik/Politik)
Verteidiger von Pfarrer König weisen Tatvorwürfe zurück
Dresden/Erfurt (dapd). Unter großem öffentlichen Interesse hat am Donnerstag vor dem Dresdner Amtsgericht der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59-Jährigen unter anderem schwereren aufwieglerischen Landfriedensbruch vor. Er soll sich aktiv daran beteiligt haben, dass es am 19. Februar 2011 bei einer Demonstration gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Gegendemonstranten kam. Königs Verteidiger Johannes Eisenberg wies die Vorhalte zurück und griff unter anderem die Anklagevertreterin Ute Schmerler-Kreuzer scharf an. Laut Anklage ist der Kleinbus, den König damals steuerte, Treff- und Sammelpunkt für Linksautonome gewesen. Der Theologe habe von dort aus Menschenketten dazu bewegt, gegen Polizeiabsperrungen vorzudrängen, sagte Schmerler-Kreuzer. Außerdem habe er durch „Musik mit aggressiv-aufreizendem Charakter“ die Gewaltbereitschaft der Menschenmenge gezielt befördert. Zudem habe König unter anderem als Fahrer des Busses versucht, einen Steine werfenden Mann vor dem Zugriff von Polizeibeamten zu schützen. Böswillige Unterstellungen Königs Anwalt Eisenberg wies die Vorwürfe in einer Erklärung zurück. König habe an diesem Tag nicht darauf hingewirkt, dass es zu Gewalt gegen Polizisten komme. Vielmehr habe er sich immer wieder bemüht, dieser entgegenzuwirken, indem er beruhigend auf Menschengruppen eingeredet habe. In seiner Erklärung griff Eisenberg die Staatsanwaltschaft heftig an. Einzelne Tatvorwürfe seien „erstunken und erlogen“, andere „böswillig“. An mehreren Stellen könne er nachweisen, dass die von der Staatsanwaltschaft in der Anklage behaupteten Äußerungen und Handlungen Königs schlicht und einfach unwahr seien. So habe dieser beispielsweise am 19. Februar um 8.45 Uhr gar nicht an einem bestimmten Ort in Dresden sein können, wie die Anklage behaupte, da aus Polizeiquellen ersichtlich sei, dass König dort erst um 9.07 Uhr eingetroffen sei. Insgesamt zeige die Anklage „einen massiven Amtsmissbrauch der Ermittlungsbehörden“, sagte Eisenberg weiter. Sie sei von den Vorurteilen der Staatsanwaltschaft gegen König geprägt und enthalte zusätzlich schwere handwerkliche Fehler. Zuvor hatte er bereits vor der Anklageverlesung die Staatsanwaltschaft scharf kritisiert. Eisenberg hatte der Anklagevertreterin vorgeworfen, schon vor Beginn der Ermittlungen in seinem Mandanten „den Teufel auf Erden“ gesehen zu haben, der über Dresden gekommen sei. Während der Ermittlungen sei die Staatsanwaltschaft darüber hinaus „zu faul“ gewesen, wichtige Tatsachen zu ermitteln. Viele Unterstützer im Gerichtssaal Die Anklageschrift sei zudem durch zahlreiche Bewertungen ausgeschmückt worden. Diese hätten nur den Zweck, „Stimmung gegen den Angeklagten zu machen“, sagte Königs zweite Anwältin, Lea Voigt. Überdies sei die Anklageschrift diffus und werfe dem Angeklagten keine konkrete Straftat vor, sondern beschreibe lediglich das Demonstrationsgeschehen in Dresden am 19. Februar 2011. Vor Beginn der Verhandlung hatte sich König zufrieden gezeigt, dass der Prozess endlich beginne. Nun könne er endlich seine Sicht der Dinge darlegen. In den bisherigen Ermittlungen sei er niemals befragt worden. Vor dem Gerichtsgebäude in der sächsischen Landeshauptstadt hatten sich am Morgen Unterstützer Königs versammelt. Als Prozessbeobachter reisten unter anderem Thüringens Linksfraktionschef Bodo Ramelow und Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) nach Dresden. Der bundesweit für Aufsehen sorgende Prozess sollte ursprünglich bereits am 19. März am Amtsgericht Dresden beginnen. Königs Anwalt hatte jedoch in den Prozessakten kurz zuvor ihm unbekannte Dokumente entdeckt. Daraufhin verschob das Gericht die Prozesseröffnung. dapd (Politik/Politik)
Hermann will Radverkehr im Südwesten voranbringen
Stuttgart (dapd). Beim Radverkehr in Baden-Württemberg gibt es nach Ansicht von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) großen Nachholbedarf. In den vergangenen Jahren sei in ganz Deutschland eine Bewegung für das Radfahren entstanden, der Südwesten hinke jedoch hinterher, sagte Hermann am Donnerstag in Stuttgart. „Wir brauchen eine andere Mobilitätskultur“, forderte der Minister bei der Vorstellung des Radverkehrskonzepts 2013. Das Konzept des Ministers sieht vor, dass Fachleute ab Sommer ähnlich wie beim Straßenverkehr einen sogenannten Landesradverkehrsplan erarbeiten. Ziel sei es, die Radwege besser miteinander zu vernetzen, sagte Hermann. Die grün-rote Landesregierung will zudem neue Radwege an Landstraßen und in Kommunen in diesem Jahr mit rund 18 Millionen Euro bezuschussen. Derzeit werden 104 Maßnahmen im Land gefördert. Ambitionierte Ziele Damit die Bürger dann auch tatsächlich ihr Rad benutzen, sind verschiedene Initiativen geplant. Darunter eine Sternfahrt zum Stuttgarter Schlossplatz im Juli, ein landesweiter Wettbewerb, der die Bürger aufruft, sich Werbeideen zum Radfahren zu überlegen, sowie die bereits aus 2012 bekannten „Radcheck“-Tage in verschiedenen Städten, bei denen Fahrradfahrer ihre Räder kontrollieren lassen können. „Wir wollen die Menschen motivieren, aufs Rad zu steigen“, betonte Hermann. Baden-Württemberg sei bislang nicht gerade das Spitzenland des Radfahrens gewesen, gab der Grünen-Politiker zu bedenken. Durch die vielen Berge sei das Radfahren im Südwesten nicht gerade leicht. Doch dieses Argument lässt der Minister nicht länger gelten: „Neue Techniken machen die Berge befahrbar“, sagte Hermann mit Blick auf die zunehmend beliebter werdenden Elektrofahrräder. Sein Ziel ist, den Radverkehrsanteil im Land auf 20 Prozent zu verdoppeln. „Es ist ambitioniert“, räumte der Minister ein. dapd (Politik/Politik)
Atomkraftgegner lehnen Kompromiss zur Endlagersuche weiter ab
Hannover (dapd). Anti-Atom-Initiativen und Umweltorganisation lehnen den zwischen Niedersachsen und dem Bund ausgehandelten Kompromiss zur Endlagersuche weiter ab. Es mache keinen Sinn, erst ein Gesetz zu verabschieden und dann eine Kommission einzusetzen, die Grundlagen zum Suchverfahren erarbeiten solle, sagte Wolf-Rüdiger Marunde von der atomkraftkritischen Bäuerlichen Notgemeinschaft des Wendlands am Donnerstag in Hannover. Diese „verkehrte Reihenfolge“ sei ein „geschickter Schachzug, mit dem die Parteien ihr bereits ausgehandeltes Endlagersuchverfahren jetzt schon festzurren und gegen unerwünschte Nachbesserungen absichern können“. Auch der Atomexperte von Greenpeace, Mathias Edler, bezeichnete das geplante Vorgehen als „unsinnig“. Zunächst müssten die Ergebnisse der Kommission abgewartet und in einem zweiten Schritt das Gesetz verabschiedet werden. Spätere Änderungen am Endlagersuchgesetz seien zwar theoretisch denkbar, sagte Marunde. Aber die Zusammensetzung der Kommission solle „weitgehend nach Parteienproporz“ ausgehandelt werden. Damit würden die für Änderungsempfehlungen notwendigen Zweidrittelmehrheiten äußerst unwahrscheinlich. „Das gilt speziell für die Festschreibung des Standortes Gorleben im Gesetz, aber auch für andere umstrittene Regelungen“, fügte Marunde hinzu. Abschließende Gespräche in Berlin Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sagte, es werde „im Wesentlichen bei dem Altmaier’schen Gesetz bleiben – aber dann legitimiert durch die Kommission“ Die rot-grünen Verhandlungsführer insbesondere aus Niedersachsen dürften dem Kompromiss nicht zustimmen. Die von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Landesumweltminister Stefan Wenzel getroffene Vereinbarung sieht neben der Einsetzung einer Kommission vor, dass die umstrittenen Atommüll-Transporte nach Gorleben eingestellt werden. Allerdings soll der Salzstock im Wendland nicht von vornherein bei der Suche nach einem atomaren Endlager ausgeschlossen werden, wie es SPD und Grüne in Niedersachsen zunächst gefordert hatten. Altmaier hat Vertreter der Opposition im Bundestag und die Ministerpräsidenten der Bundesländer für kommenden Dienstag zu abschließenden Gesprächen über das Endlagersuchgestz eingeladen. Dabei soll der mit Niedersachsen erzielte Kompromiss Grundlage sein. dapd (Politik/Politik)
Studenten im Parabelflug
Cottbus (dapd). Mitte April ist es soweit. Nach umfangreichen technischen und persönlichen Vorbereitungen startet ein Team des Lehrstuhls für Aerodynamik und Strömungslehre der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus ins französische Bordeaux. „Bei mehreren Parabelflügen über dem Atlantik testet das Team die Verbesserung des Wärmetransports in der Schwerelosigkeit“, kündigte eine Universitätssprecherin am Donnerstag an. Für das strömungswissenschaftliche Experiment sind zwischen 15. und 27. April drei Flugtage vorgesehen. An den Testflügen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrtforschung (DLR) in Frankreich nehmen weitere deutsche Teams von wissenschaftlichen Einrichtungen teil. Für die BTU Cottbus ist es bereits die vierte Teilnahme an Parabelflügen. „Bei den täglich drei bis vier Flugstunden sind rund 30 Parabeln geplant, bei denen jeweils etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht“, sagte der akademische Mitarbeiter Robin Stöbel. Die kurze Gesamttestzeit von rund 30 Minuten der Mikrogravitation müsse für neue Erkenntnisse beim Wärmetransport bei Rohrströmungen genutzt werden. Tester und Überwacher des Experiments im Testflugzeug vom Typ Airbus A 300 ZERO-G sind drei Studenten des Studiengangs Verfahrenstechnik. Das sind Anne Münzberger (24), Benjamin Richter (25) und Paul Schäfer (23). Unterstützt werden die Cottbuser Studenten von den akademischen Lehrstuhlmitarbeitern Robin Stöbel (27) und Steffen Fischer (28). 22 Sekunden Schwerelosigkeit Die Teammitglieder haben bereits am Donnerstag am Fluidzentrum auf dem BTU-Campus ihre Fracht für das wissenschaftliche Experiment verpackt und auf die Reise nach Bordeaux geschickt. Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um ein technisch aufwendiges Gestell, in dem die wissenschaftlichen Geräte und Kameras untergebracht sind. Es ist 1,60 Meter lang, 60 Zentimeter tief, 1,15 Meter hoch und rund 150 Kilogramm schwer. „An einem integrierten Computermonitor können wir die Tests überprüfen“, erläuterte Paul Schäfer. Mehrere Wochen haben sich die Teammitglieder gewissenhaft auf die wissenschaftliche Mission bei den Parabelflügen vorbereitet. Dazu hätten auch umfangreiche medizinische Checks gehört, um die Verträglichkeit der Schwerelosigkeit zu testen. So wurden unter anderem die Seh- und Hörkraft überprüft und ein Belastungs-EKG von den fünf Teammitgliedern gefertigt. „Bei den Testflügen steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug plötzlich steil nach oben“, erklärte ein DLR-Sprecher den Vorgang. Danach drosselt der Pilot die Schubkraft der Turbinen und fliegt eine Parabel als besonderes Flugmanöver. Für etwa 22 Sekunden herrsche dann völlige Schwerelosigkeit wie im Weltraum. Bei der gesamten Kampagne gibt es im Wechsel mit normaler und doppelter Erdbeschleunigung etwa 30 bis 35 Minuten Schwerelosigkeit. Diese Zeit haben die Forscher für ihre Experimente. dapd (Politik/Politik)
Bouffier trotzt bei Flughafeneröffnung in Calden den Kritikern
Kassel-Calden (dapd). Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat bei der Eröffnung des Regionalflughafens Kassel-Calden trotz anhaltender Kritik das Bauprojekt als Chance für die Region verteidigt. „Die Kommunen und die Landesregierung haben an einem Strang gezogen. Wir haben uns klar zu Kassel-Calden bekannt und dieses Bekenntnis gilt auch für die Zukunft“, sagte der Ministerpräsident am Donnerstag. Die Gegner verstummten indes auch am Eröffnungstag nicht: Die Grünen im hessischen Landtag bezeichneten den 271 Millionen Euro teuren Neubau als „überflüssig“. Der Norden des Landes habe sich zu einem Zentrum für Mobilität, Transport und Logistik entwickelt, sagte Bouffier. „Der Luftverkehr ergänzt das Straßen- und Schienennetz optimal“, fügte er an. Damit seien die Voraussetzungen für die Erschließung neuer Märkte und geschaffen und die gesamte Region werde für Unternehmen attraktiver. Außerdem entlaste ein Verkehrsflughafen in Nordhessen auch das von Fluglärm strapazierte Rhein-Main-Gebiet. In ähnlicher Weise rechtfertigte auch Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) den umstrittenen Bau. Die 271 Millionen Euro seien eine Investition, „die wir vertreten können“. Das Schicksals Nordhessen hänge zwar nicht von Kassel-Calden ab, aber dieser sei ein wichtiger Baustein für dessen künftige wirtschaftliche Entwicklung. Seinen Angaben zufolge wurden bei der Flughafen GmbH 23 Arbeitslose zu Luftsicherheitsassistenten ausgebildet. Zudem sei die Zahl der Mitarbeiter seit Anfang 2012 von 50 auf jetzt 150 gestiegen. Die Betriebe am Flughafen stellten bereits mehr als 700 Arbeitsplätze, fügte Hilgen hinzu. Kritiker halten Bedarfsprognose für unrealistisch Der Chef des ökologischen Verkehrsclubs VCD Hessen, Martin Mützel, monierte indes, dass die Baukosten in Kassel-Calden drastisch unterschätzt worden seien. „Zudem halten wir die prognostizierten 561.000 Fluggäste im Jahr für unrealistisch“, sagte er. Auch die Grünen bezeichneten den Flughafen als überflüssig. „Rings um Kassel liegen die Flughäfen Hannover, Frankfurt und Paderborn – mit Auto und Bahn sind die alle schnell erreichbar“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Karin Müller. Mit dem in den Flughafen Calden investierten Geld hätte man viel mehr für Nordhessen erreichen können, betonte sie. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Thorsten Schäfer-Gümbel, bewertet den Flughafen grundsätzlich positiv: Die Einweihung sei ein wichtiger Schritt, um die Entwicklung Nordhessens zu fördern, sagte er. „Die Infrastruktur steht. Jetzt sind das Land und insbesondere die nordhessische Wirtschaft in der Pflicht, die daraus entstandenen Chancen auch zu realisieren.“ Allerdings habe die schwarz-gelbe Landesregierung bislang nicht ausreichende Anstrengungen unternommen, um eine Dauersubventionierung des Flughafens aus Steuermittel zu vermeiden, sagte Schäfer-Gümbel. Das erste Passagierflugzeug landete um 11.10 Uhr. Die Maschine des Typs Airbus 319 der Airline Germania war in Frankfurt am Main gestartet und 18 Minuten in der Luft gewesen, wie ein Sprecher des Flughafens sagte. Bouffier und Flughafenchefin Maria Anna Muller nahmen die Maschine auf dem Rollfeld in Empfang. Erster Fluggast, der aus dem Flugzeug stieg, war Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU). dapd (Politik/Politik)
Grüne wollen Steueroasen austrocknen
Berlin (dapd). Die Grünen fordern die Bundesregierung zum Kampf gegen Steueroasen auf. Nötig sei ein europäischer Steuerpakt, mit dem steuerliche Standards festgelegt werden und so das „Steueroasen-Unwesen“ überwunden werde, erklärten der Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin und der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Gerhard Schick, am Donnerstag nach den Veröffentlichungen zur internationalen Steuerhinterziehung. Trittin und Schick kritisierten, bisher setze Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Eurokrise hauptsächlich auf einen harten Sparkurs. „Dabei prellen europäische Bürger und Unternehmen den Fiskus laut EU-Kommission um jährlich eine Billion Euro“, monierten sie. Europa müsse Licht in „dieses Schattenreich der Finanzindustrie“ bringen. Steueroasen seien häufig Keimzelle für Finanzkrisen. Als Vorbild empfahlen die Grünen-Politiker Frankreich. „Dort gibt es eine Liste mit Steueroasen. Geldströme dorthin werden von Frankreich mit einer zusätzlichen Steuer belegt“, sagten sie. Eine anonyme Quelle hatte Medien Informationen darüber zugespielt, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle große Vermögen verstecken und zweifelhafte Geschäfte verschleiern. dapd (Politik/Politik)