André Brie sieht seine Partei nach Unfall kritischer

André Brie sieht seine Partei nach Unfall kritischer Halle (dapd). Der Linke-Politiker André Brie ist nach seinem schweren Sturz Anfang März auf dem Weg der Besserung und fordert Veränderungen in seiner Partei. In den letzten Monaten habe er die Vorgänge in der Linken genau beobachtet, sagte Brie der „Mitteldeutschen Zeitung“. Es sei ihm aufgefallen, „wie sehr bei uns persönliche Auseinandersetzungen oder die alleinige Orientierung auf große Worte geherrscht haben und wie wenig das mit den Problemen von Menschen zu tun hatte“. Nach seinem Klinikaufenthalt habe er andere Erwartungen an die Partei. Brie war im März in seinem Haus gestürzt und hatte mehrfache Schädelbrüche erlitten. Damit fiel er kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein als Wahlkampfmanager aus. Die Ärzte versetzten ihn wegen der Schwere der Verletzungen ins künstliche Koma. Nun will sich der 62-Jährige wieder der politischen Arbeit widmen. Sein Mandat im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern wolle er behalten und sich zugleich parteipolitisch stärker einbringen, sagte er. Die Stellung der Linken sei noch nicht gesichert. Es gebe viel zu tun, „was unsere eigene Kultur betrifft und die Probleme von Menschen“. Zu den neuen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, die Anfang Juni nach heftigen Machtkämpfen der Parteiflügel gewählt worden waren, sagte Brie, diese Lösung sei „viel besser, als ich befürchtet hatte“. Allerdings bedaure er, dass Bundestagsfraktionsvize Dietmar Bartsch nicht zum Parteichef gewählt wurde. „Reichtum und Schönheit von Sprache zurückgewinnen“ Sein Befinden sei „physisch sehr gut“, betonte Brie. „Ich arbeite mit Therapeutinnen. Es geht vorwärts.“ Das Hauptproblem sei, dass ihm noch nicht der volle Wortschatz zur Verfügung stehe. Und das ärgere ihn, denn: „Sprache ist mir wichtig, weil ich ja viel geschrieben und erst vor einem halben Jahr ein Buch veröffentlicht habe. Ich möchte den Reichtum und die Schönheit von Sprache wieder umfassend zurückgewinnen.“ Der aus Schwerin stammende Brie war von 1999 bis 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments in Straßburg. Zwischen 1991 und 1997 leitete der frühere Abrüstungsexperte der DDR die Grundsatzkommission der Linke-Vorgängerpartei PDS. In diesem Amt erwarb er sich den Ruf als maßgeblicher Theoretiker und Vordenker. Von 1994 bis 1998 gehörte Brie dem PDS-Bundesvorstand an. 2009 scheiterte er bei seiner Kandidatur für einen aussichtsreichen Listenplatz für das Europäische Parlament, zwei Jahre später wurde er in den Landtag Mecklenburg-Vorpommerns gewählt. dapd (Politik/Politik)

Wirtschaftsweise Buch ist Favoritin für IWH-Leitung

Wirtschaftsweise Buch ist Favoritin für IWH-Leitung Halle/Tübingen (dapd). Die Wirtschaftsweise Claudia Buch soll das Präsidentenamt des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) übernehmen. „Das ist der übereinstimmende Wunsch der Berufungskommissionen“, sagte ein Institutssprecher am Montag der Nachrichtenagentur dapd. Damit bestätigte er einen Bericht des „Handelsblatts“. Die Leitung des IWH ist mit einem Lehrstuhl an der Universität Magdeburg verbunden. Deswegen beschäftigen sich zwei Berufungskommissionen mit der Personalie. Laut Sprecher müssen jetzt noch die Gremien der Universität und des Instituts zustimmen. Im September soll die Entscheidung fallen. Claudia Buch gehört seit März dem Sachverständigenrat an. Die Tübinger Professorin würde in Halle Chefin von 80 Mitarbeitern werden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

GDL-Chef Weselsky geht optimistisch in Tarifgespräche

GDL-Chef Weselsky geht optimistisch in Tarifgespräche Halle (dapd). Vor der zweiten Runde der Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zeigt sich die Arbeitnehmerseite zuversichtlich. Er verspüre auf der Gegenseite die Bereitschaft zur Einigung, sagte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky am Montag dem Hörfunksender MDR Info. Zugleich schloss er aber Arbeitsniederlegungen nicht aus: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Streiks stattfinden, ist gegeben, wenn wir uns heute nicht einigen.“ Die Verhandlungen sollten am Nachmittag in Berlin fortgesetzt werden. Die GDL fordert für die rund 21.000 Lokführer sieben Prozent mehr Entgelt bei einjähriger Laufzeit des neuen Tarifvertrages. Die Bahn hatte in der ersten Runde auf zwei Jahre verteilt eine mehrstufige Erhöhung um insgesamt 5,5 Prozent angeboten. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte die GDL am Wochenende vor Streiks in der Urlaubszeit gewarnt. dapd (Wirtschaft/Politik)

Berlin will Syrien für Zeit nach Assad vorbereiten

Berlin will Syrien für Zeit nach Assad vorbereiten Brüssel (dapd). Für die Bundesregierung muss im Syrien-Konflikt die Zeit nach Staatschef Baschir Assad vorbereitet werden. Assad könne „sicherlich noch mehr Menschen töten, er kann aber mit Sicherheit nicht mehr siegen“, sagte Außenstaatsminister Michael Link vor Beratungen der europäischen Chefdiplomaten am Montag in Brüssel. Das Regime verliere an Boden gegenüber der Opposition, und mit der weiteren Eskalation habe sich Assad „jeden Ausweg selbst verbaut“. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt: „Wir sind an einem Wendepunkt“. Er bezog sich zum einen auf jüngste Erfolge der Opposition, zum anderen auf die Blockade im UN-Sicherheitsrat. Deswegen müssten andere Wege gefunden werden, die Gewalt einzudämmen, die humanitäre Hilfe zu intensivieren und Vorkehrungen für einen Wiederaufbau nach dem Ende des Assad-Regimes zu treffen, heißt es dazu in einem Papier des Auswärtigen Amtes. Wie das geschehen soll, blieb am Montag zunächst unklar. „In einer Situation, wo Russland blockiert, müssen wir zum Beispiel im engeren Kontakt mit der syrischen Opposition klar zeigen, dass die EU handlungsfähig ist“, sagte Staatsminister Link in Brüssel. „Wir arbeiten daran, den Ring um Assad weiter zu schließen.“ Dazu wollten die Außenminister die Sanktionen zum 17. Mal verschärfen: Durch Pflichtkontrollen für verdächtige Schiffe und Flüge soll das Waffenembargo durchgesetzt werden. Und bis zu 30 weitere Personen und drei Unternehmen sollen mit Kontensperrungen und Einreiseverboten bestraft werden. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)

Polizeigewerkschaft macht sich für umstrittenes Meldegesetz stark

Polizeigewerkschaft macht sich für umstrittenes Meldegesetz stark Berlin (dapd). Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert den Bundesrat auf, das umstrittene Meldegesetz zügig zu verabschieden. So begrüßt die Gewerkschaft ausdrücklich, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Pflicht für den Bürger enthalte, eine Anmeldung vom Wohnungsgeber bestätigen zu lassen. „Nur so können Scheinanmeldungen verhindert werden, die in der Folge Kriminalität nach sich ziehen wie etwa Sozialmissbrauch und andere Delikte“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt der Nachrichtenagentur dapd. Nach bisheriger Rechtslage sei es „möglich, Hunderte von Personen in einem Zwei-Zimmer-Haushalt anzumelden, ohne dass der Vermieter davon erfährt“. Wendt nannte dies einen „unmöglichen Zustand“. Der vom Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossene Gesetzentwurf war heftig kritisiert worden, da er die Behörden nicht verpflichtet, bei der Weitergabe von Meldedaten die Erlaubnis der Bürger einzuholen. Die Ministerpräsidenten wollen dies nun ändern. dapd (Politik/Politik)

McAllister: Länder dürfen sich nicht in Nehmerrolle einrichten

McAllister: Länder dürfen sich nicht in Nehmerrolle einrichten Berlin (dapd). Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat Verständnis für mögliche Klagen von Geberländern wegen des Länderfinanzausgleichs gezeigt. Es sei ein gutes Recht der Bayern und möglicherweise auch der Hessen, den bestehenden Länderfinanzausgleich juristisch prüfen zu lassen, sagte er am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Allerdings gelte die Einigung der Länder bis 2019. Es sei aber nachvollziehbar, dass ein Land wie Bayern Kritik übe, wenn es 3,7 Milliarden Euro in den Finanzausgleich einzahle und dann sehe, wie sich Nehmerländer soziale Wohltaten leisteten, sagte McAllister. Es gehöre zur Solidarität, dass sich die Nehmerländer nicht dauerhaft in der Rolle einrichteten. Wichtig sei, dass alle Länder auf Haushaltskonsolidierung achteten und mit ihrer Politik die Wirtschafts- und Steuerkraft stärkten. „Wenn das eine Erkenntnis wäre in der Diskussion um den Länderfinanzausgleich, dann wäre schon allen geholfen“, sagte er. dapd (Politik/Politik)

Bahr hält sich im Organspende-Skandal zunächst zurück

Bahr hält sich im Organspende-Skandal zunächst zurück München (dapd-nrd). Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will sich im aktuellen Organspende-Skandal mit Konsequenzen vorerst zurückhalten. „Es wird gerade in der Selbstverwaltung darüber beraten, da gehört es auch hin“, sagte Bahr am Montag im Bayerischen Rundfunk. Sollte es am Ende aber keine Konsequenzen geben, „wird die Politik sich einmischen müssen“. Bahr rief die Bevölkerung auf, sich vom Göttinger Skandal nicht verunsichern zu lassen. „Es ist nach all unseren Erkenntnissen ein Einzelfall in Deutschland“, sagte der FDP-Politiker. Deswegen könne er guten Gewissens dazu auffordern, am besten gleich einen Organspende-Ausweis auszufüllen. dapd (Politik/Politik)

Westerwelle sieht Wendepunkt im Syrien-Konflikt

Westerwelle sieht Wendepunkt im Syrien-Konflikt München (dapd). Außenminister Guido Westerwelle drängt auf neue Initiativen in der Syrien-Politik. „Wir sind an einem Wendepunkt“, sagte der FDP-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagausgabe). Er bezog sich damit zum einen auf jüngste Erfolge der Opposition gegen die Regierung von Präsident Baschar Assad, zum anderen aber auch auf die derzeit offenbar unlösbare Blockade im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Trotz des Scheiterns der Versuche, in New York zu einer gemeinsamen Resolution zu kommen, „werden wir nicht aufgeben, mit aller Kraft für eine politische Lösung in Syrien zu arbeiten“, sagte Westerwelle. In einem Papier des Auswärtigen Amtes für die europäischen Partnerstaaten und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton heißt es, die Regierung von Präsident Assad werde nicht mehr in der Lage sein, die volle Kontrolle über das Land zurückzugewinnen. Zugleich sei der UN-Sicherheitsrat blockiert, zitiert die Zeitung aus dem Schreiben. In dieser Situation müssten andere Wege gefunden werden, die Gewalt einzudämmen, die humanitäre Hilfe zu intensivieren und Vorkehrungen für einen Wiederaufbau nach dem Ende des Assad-Regimes zu treffen. Westerwelle trifft sich an diesem Montag in Brüssel mit seinen Amtskollegen. Dort geht es auch um weitere Sanktionen gegen Syrien. dapd (Politik/Politik)

Der Pannen-Parteitag der Piraten

Der Pannen-Parteitag der Piraten Wolfenbüttel (dapd). Die niedersächsischen Piraten haben es auf ihrem Landesparteitag nicht geschafft, einen Spitzenkandidaten zu wählen. Nachdem die Abstimmung in Wolfenbüttel wegen eines geänderten Wahlverfahrens zunächst von Samstag auf Sonntag verschoben wurde, wurde sie am Sonntagabend komplett auf den nächsten Parteitag am 25. und 26. August in Delmenhorst verlegt, wie eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dapd sagte. Am Sonntagnachmittag war ein Wahlgang für ungültig erklärt worden, weil sich zwei Minderjährige akkreditiert hatten. Danach wurde mit einem Ergebnis für Listenplatz 1 noch bis 21.00 Uhr gerechnet. Als sich auch dieses Ziel nicht halten ließ, wurde eine Stunde später die Vertagung bekannt gegeben. Bereits auf dem Parteitag im April in Nienburg war die Wahl nach einem Formfehler gescheitert. Die Landesliste sollte in Wolfenbüttel neu aufgestellt werden. Als Favorit für Listenplatz 1 galt der bereits in Nienburg gewählte Spitzenkandidat Meinhart Ramaswamy. Die Freibeuter wollten den korrekten Ablauf der Wahl dieses Mal besonders genau kontrollieren, weil ein Mitglied bereits im Vorfeld angekündigt hatte, auch diesen Parteitag anfechten zu wollen. Ramaswamy nannte dieses Mitglied „Heckenschütze“, weil es hinterhältig nur darauf lauere, dass ein Fehler passiere, um diesen später anzufechten. Diese Person könne nur ein Ziel haben: „Er will verhindern, dass wir zur Landtagswahl antreten“, sagte Ramaswamy. Schendel lähmt Piraten mit rechtlichen Spitzfindigkeiten Bereits vor dem Parteitag hatte der Landesvorsitzende Andreas Neugebauer gewarnt: „Es gibt inzwischen Leute in der Partei, die ihr Ego daran aufrichten, dass sie jede Sache, die wir tun, hinterfragen, in Gesetze gucken und vor das Schiedsgericht ziehen.“ Die Parteispitze wollte den Namen des „Heckenschützen“ aus den eigenen Reihen jedoch nicht preisgeben. Wie „Spiegel-Online“ am Sonntag berichtete, handelt es sich bei dem Mitglied, das die Partei mit rechtlichen Spitzfindigkeiten plagt, um den früheren Justiziar im Hannoveraner Wirtschaftsministerium, Volker Schendel. Am Samstag hatte der Parteitag bereits für Schlagzeilen gesorgt, weil zur Stärkung der Privatsphäre der Mitglieder erstmals eine „Private Zone“ für medienscheue Piraten eingerichtet wurde. Der Raum wurde in der Lindenhalle in Wolfenbüttel mit einem orangen Klebeband auf dem Parkett kenntlich gemacht. In dieser Zone gab es Platz für 116 Piraten, etwa ein Drittel der gesamten Sitzmöglichkeiten. Parteiintern erntete der niedersächsische Landesverband Kritik für diese Praxis. „Transparenz in politischen und parteiinternen Entscheidungen also nur, wenn die Presse diese nicht uneingeschränkt dokumentieren darf? Das geht nicht“, schrieb der Sprecher der Berliner Piratenpartei, Enno Lenze, in seinem Blog und twitterte: „Presse muss uneingeschränkt über politische Meinungsbildung berichten können.“ Auch die ehemalige Politische Geschäftsführerin der Bundespartei, Marina Weisband, twitterte, dass sie nichts von einer „Private Zone“ für medienscheue Piraten halte. Ramaswamy bezeichnete den Wunsch nach einer medienfreien Zone hingegen als „skurril, aber ehrlich“. Die politischen Freibeuter könnten selbst entscheiden, ob sie gefilmt werden oder nicht. Dass es parteiintern unterschiedliche Auffassungen dazu gebe, sei legitim. Nach den jüngsten Umfragen zur Landtagswahl am 20. Januar 2013 liegen die Piraten bei sieben Prozent. dapd (Politik/Politik)

Beschneidungs-Gesetz könnte Fall für Karlsruhe werden

Beschneidungs-Gesetz könnte Fall für Karlsruhe werden Berlin (dapd). Das vom Bundestag angemahnte Gesetz zur rituellen Beschneidung könnte nach Einschätzung der Regierung letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Damit sei angesichts der emotionalen Debatte zu rechnen, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dem „Spiegel“. Zugleich beklagte der Zentralrat der Juden in Deutschland am Wochenende eine weitverbreitete gesellschaftliche Unkenntnis über rituelle Beschneidungen und warnte davor, dass mit einem Verbot jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland infrage gestellt werde. Hintergrund ist ein Urteil des Kölner Landgerichts, das vor wenigen Wochen die Beschneidung eines Jungen als strafbare Körperverletzung gewertet hatte – trotz Einwilligung der Eltern. Dagegen hatte sich im In- und Ausland Protest erhoben. Schließlich gehört im Judentum die Bescheidung von Jungen in den ersten acht Lebenstagen zur religiösen Identität. Vergangene Woche hatte der Bundestag daher die schwarz-gelbe Regierung aufgefordert, schnell Rechtssicherheit herzustellen und die rituelle Beschneidung grundsätzlich straffrei zu stellen. In der Bevölkerung regt sich allerdings Widerstand. Einer repräsentativen Emnid-Umfrage für den „Focus“ zufolge halten nur 40 Prozent eine gesetzliche Vorgabe für richtig, 48 Prozent sprechen sich dagegen aus. Zugleich machten namhafte Mediziner und Juristen Front gegen eine staatliche Beschneidungs-Erlaubnis. In einem Offenen Brief rufen sie Regierung und Parlament auf, keine vorschnellen Beschlüsse zu fassen. „Das Thema Beschneidung ist zu sensibel für politische Schnellschüsse“, heißt es in dem von einem Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Düsseldorf initiierten Schreiben. Darin wird gemahnt, das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu rücken sowie Erkenntnisse der Hirn- und Präventionsforschung zu berücksichtigen. Kritik kam auch vom UN-Kinderhilfswerk Unicef. Dessen Sprecherin Helga Kuhn verlangte, die Unversehrtheit des Kindes in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte zu rücken. Es dürfe bei kommenden politischen und rechtlichen Entscheidungen keinen Rückschritt hinter die Kinderrechtskonventionen der Vereinten Nationen geben, die auch von Deutschland ratifiziert wurden, betonte Kuhn in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, warnte am Sonntag davor, dass der Eindruck entstehen könne, jüdische und muslimische Eltern hätten gegenüber mitteleuropäischen Eltern Defizite in Sachen Kindeswohl. Dies sei jedoch nicht der Fall. Zugleich kritisierte er, dass die Politik die gesellschaftliche Diskussion sehr spät aufgegriffen habe. Zentralratspräsident Dieter Graumann rief die Parlamentarier auf, nicht zu kneifen: Demoskopie sei eine Sache, Verantwortungsbewusstsein etwas anderes, sagte er dem „Focus“. Auch der Leiter der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, Johannes Heil, sieht in der Debatte um die Beschneidung muslimischer und jüdischer Jungen indes ein Beleg dafür, dass Teile der Bevölkerung kritisch einer pluralistischen Gesellschaftsordnung gegenüberstehen. Es sei zunehmend Widerstand zu beobachten, wenn sich diese Pluralität in konkreten Schritten äußere, sagte Heil der Nachrichtenagentur dapd. Dabei spiele es „keine Rolle, ob es um den Bau von Minaretten geht, um das Tragen von Kopftüchern oder eben um die Beschneidung“. Die Bundesjustizministerin warb derweil um Verständnis, dass die angestrebte Regelung länger dauern könnte als viele wollen. „Die Sache ist komplizierter, als ein einfaches Sätzchen irgendwo einzufügen, wie sich das einige vorstellen“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Auch schließe sie nicht aus, dass das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht kommt. „Da werden die Richter zu beurteilen haben, ob sie die Grundrechtsabwägung teilen, die wir vornehmen werden.“ Der Grünen-Politiker Fritz Kuhn, Verfechter einer „klaren gesetzlichen Regelung“, sprach sich dafür aus, dass sich der Bundestag ausreichend Zeit für die parlamentarische Debatte nehmen soll. Zudem müsse die Beschneidung von Mädchen verboten bleiben, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Vorstandsvorsitzende von „Terre des Femmes“, Irmgard Schewe-Gerigk, warnte indes im Falle einer einseitigen Auslegung vor verfassungsrechtlichen Problemen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, kritisierte am Sonntag auf einer Podiumsdiskussion der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, dass die Bundestagsdebatte zum Thema Beschneidung zu hastig abgelaufen sei. „Wir hätten uns besser mehr Zeit damit gelassen. Mit dem abrupten Ende der parlamentarischen Debatte haben wir eher den Gegnern in die Hände gespielt.“ dapd (Politik/Politik)