Berlin (dapd). Katerstimmung bei Union und FDP: SPD und Grüne haben den schwarz-gelben Steuerentlastungsplänen für das Wahljahr 2013 einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern scheiterte das Vorhaben, die kalte Progression bei der Einkommensteuer abzumildern, die Arbeitnehmern trotz Lohnerhöhung weniger vom Netto lässt. Aus der FDP kam am Donnerstag nun die Forderung, stattdessen den Solidaritätszuschlag zügig zu senken. Auf Kritik bei der Regierungskoalition stieß auch das Platzen des Steuerabkommens mit der Schweiz. SPD und Grüne wiesen die Vorwürfe zurück. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatte sich am Mittwochabend lediglich darauf verständigt, das Unternehmensteuerrecht zu novellieren und den steuerlichen Grundfreibetrag zur Sicherung des Existenzminimums anzuheben. Dies entlastet die Bürger insgesamt um rund 2,5 Milliarden Euro. Die Abmilderung der kalten Progression hätte weitere vier Milliarden Euro gebracht. Union und FDP haben im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss keine Mehrheit. Der FDP-Obmann im Bundestagsfinanzausschuss, Daniel Volk, forderte in der „Bild“-Zeitung nun eine Absenkung des Solidaritätszuschlags, bezeichnete dies nach der Abmilderung der kalten Progression allerdings nur als „zweitbeste Lösung“. Der niedersächsische FDP-Vorsitzende Stefan Birkner plädierte in dem Blatt sogar für die vollständige Streichung des Soli. Die Empörung bei Union und FDP war am Tag nach dem mageren Ergebnissen im Vermittlungsausschuss groß: CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf der SPD vor, vielen Bürgern eine Steuerentlastung vorzuenthalten. „Die selbst ernannte Partei des kleinen Mannes verhindert, dass Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen deutlich entlastet werden“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Die vom Vermittlungsausschuss mit Zustimmung der SPD gebilligte Anhebung des Grundfreibetrags sei keine hervorzuhebende Leistung. Damit beugten „sich die Genossen lediglich dem Verfassungsgericht“. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kritisierte, wegen der Blockadehaltung von SPD und Grünen seien bei den Verhandlungen „nur kleine Mäuschen“ herausgekommen. Schweiz reagiert verschnupft Auch das umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz ist endgültig vom Tisch. Die Schweiz reagierte enttäuscht. „Wir bedauern, dass Deutschland das unterzeichnete schweizerisch-deutsche Quellensteuerabkommen nicht ratifiziert“, sagte Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf. Im Verhältnis zu Deutschland bleibe nach dem Nein „der wenig befriedigende Status Quo mit Zufallsfunden auf illegal erworbenen CDs sowie die Amtshilfe auf Anfrage gemäß internationalem Standard“, erklärte sie laut einer Mitteilung der Schweizer Behörden. Neuverhandlungen hatte sie bereits abgelehnt. Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) warf SPD und Grünen vor, dem Staat Steuereinnahmen zu versagen. „Es geht hier um zehn Milliarden Euro, die nach Deutschland zurückgeflossen wären“. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte im ZDF dagegen, die Ablehnung des Abkommens sei für die SPD „eine Prinzipienfrage“. Dieses Steuerabkommen belohne die Steuerbetrüger und sorge dafür, dass auch in Zukunft unversteuertes Geld in die Schweiz gebracht werden könne. „Kein Land auf der Welt, auch nicht unsere guten Nachbarn in der Schweiz, hat das Recht, deutschen Staatsangehörigen dabei zu helfen, Steuern zu hinterziehen oder auch nur zuzulassen, dass Schweizer Banken so etwas machen“. Homoehen steuerlich gleichstellen Zugleich wies der SPD-Abgeordnete den Vorwurf zurück, SPD und Grüne blockierten Entscheidungen. „Wir haben konstruktive Vorschläge gemacht“, sagte Oppermann. Die FDP habe am Freitag im Bundestag die Gelegenheit, dem geänderten Jahressteuergesetz zuzustimmen und damit dafür zu sorgen, dass „die Homoehen nicht länger diskriminiert und im Steuerrecht gleichgestellt werden“. Dafür warb auch der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck. „Wer gleiche Pflichten in Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Krankheit verlangt, muss auch gleiche Rechte einräumen“, erklärte Beck in Berlin. „Wir haben für die FDP den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt.“ FDP-Chef Philipp Rösler müsse „jetzt nur noch schießen“. Schwarz-Gelb scheiterte im Vermittlungsausschuss auch mit den Plänen zur Förderung energetischen Gebäudesanierung. Ab 2013 will die Bundesregierung Gebäudesanierungen nun mit einem Programm der staatlichen Förderbank KfW in Höhe von 300 Millionen Euro jährlich unterstützen. Insgesamt soll das Programm rund 2,5 Milliarden Euro umfassen. Die Weichen sollen bereits am Mittwoch im Kabinett gestellt werden. „Diejenigen, die glauben, sie können uns blockieren, werden am Mittwoch das Gegenteil erleben“, hieß es in Regierungskreisen. Dem Bundestag sollen die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses erst im Januar vorgelegt werden. dapd (Politik/Politik)
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Polizist im Jalloh-Prozess zu 10.800 Euro Strafe verurteilt
Magdeburg (dapd). Acht Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam ist am Donnerstag vorerst ein juristischer Schlussstrich unten den Fall gezogen worden. Der angeklagte Polizist wurde vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt. Der aus Sierra Leone stammende Jalloh war am 7. Januar 2005 bei einem Brand in einer Polizeizelle an einem Hitzeschock gestorben. Das Gericht wertete zugunsten des Angeklagten, dass er Jalloh nicht hätte retten können. Der Polizist war in einem ersten Verfahren vor dem Landgericht Dessau freigesprochen worden. Dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof im Januar 2010 wieder aufgehoben. Das Landgericht Magdeburg befasste sich seit Januar 2011 mit dem Fall. Das Gericht ging mit seinem Urteil über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Die Anklagebehörde hatte eine Geldstrafe in Höhe von 6.300 Euro wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen gefordert. Die Nebenklage hielt den Angeklagten der Körperverletzung mit Todesfolge und Freiheitsberaubung für schuldig, nannte aber kein Strafmaß. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Mahnwache für Jalloh Die Verteidigung des Polizisten bezeichnete das Urteil als unangemessen. Sie habe jetzt eine Woche Zeit, um über eine Revision zu entscheiden, ob ihr schwer erkrankter Mandant die Kraft habe, gegen das Urteil vorzugehen. Die Nebenklage, die den Bruder von Jalloh vertritt, will innerhalb der nächsten Woche über eine Revision entscheiden. Mit einer Mahnwache vor dem Magdeburger Landgericht hatte eine Initiative vor der Urteilsverkündung an den Tod von Oury Jalloh erinnert. Aus Sicht der Aktivisten steht hinter dem Geschehen in der Polizeizelle ein Mord. Auf Plakaten war zu lesen: „Oury Jalloh – das war Mord!“ Auf den Stufen zum Gerichtsgebäude hatten sie als Mahnung weiß-rote Kreuze aufgestellt. Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl bezeichnete das Verfahren als „ein rechtsstaatliches Desaster“. Gericht und Staatsanwaltschaft seien von Anfang an entschlossen gewesen, dem Verfahren die unhinterfragte Version zugrunde zu legen, Jalloh habe sich in der Zelle selbst angezündet. Am Ende des Verfahrens bleib weit mehr als Unbehagen. „Angesichts polizeilicher Schweigekartelle, Zeugenabsprachen, Erinnerungslücken und verschwundener Dokumente entsteht der Eindruck: Der nächste ‚unaufklärbare‘ Todesfall in einer deutschen Polizeizelle ist eine Frage der Zeit.“ dapd (Politik/Politik)
Kartellamt bremst Krankenhausbetreiber
Bonn (dapd). Das Bundeskartellamt hat massive Vorbehalte gegen die Pläne des drittgrößten deutschen Krankenhausbetreibers, der Asklepios-Gruppe, sich am Wettbewerber Rhön-Klinikum zu beteiligen. Der Präsident der Wettbewerbsbehörde, Andreas Mundt, sagte am Donnerstag, das Kartellamt befürchte eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs vor allem in der Region Goslar. „Mit der Beteiligung erhielte Asklepios faktisch die Möglichkeit, Vorstöße ihres Wettbewerbers Rhön zu unterbinden“, sagte Mundt. Asklepsios könne so seine eigene Stellung im Markt gegen den Wettbewerb absichern. Dies sei auch das erklärte Ziel des Vorhabens. Die beteiligten Unternehmen sowie zu dem Verfahren beigeladene Dritte haben nun noch die Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Beteiligten können auch noch versuchen, die Vorbehalte des Kartellamtes durch Zugeständnisse auszuräumen. Eine abschließende Entscheidung will die Behörde bis Mitte Januar treffen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Carl Zeiss macht mehr Umsatz
Stuttgart (dapd). Der Optik- und Messtechnikkonzern Carl Zeiss hat das Geschäftsjahr 2011/12 mit einem Umsatzplus von zwei Prozent auf knapp 4,2 Milliarden Euro beendet. Der Gewinn fiel dagegen mit 250 Millionen Euro deutlich geringer aus als vor Jahresfrist, wie das Unternehmen am Donnerstag in Stuttgart mitteilte. Damals hatte Carl Zeiss noch 394 Millionen Euro Profit gemacht. Als Grund für den Rückgang nannte Vorstandschef Michael Kaschke Investitionen von 679 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung sowie den Ausbau der Standorte. In der Halbleitertechnik erlöste Carl Zeiss mit 967 Millionen Euro 18 Prozent weniger als im vorigen Geschäftsjahr. Dieses Minus konnte das Unternehmen allerdings durch Zugewinne in den übrigen Sparten ausgleichen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Porsche verkürzt Arbeitszeit für Bandarbeiter bei vollem Lohn
Stuttgart (dapd). Der Sportwagenhersteller Porsche verkürzt die wöchentliche Arbeitszeit der Bandarbeiter von 35 auf bis zu 34 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich. Das vereinbarten Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter, wie Porsche am Donnerstag in Stuttgart mitteilte. So sollen Mehrbelastungen der Beschäftigten in der Produktion ausgeglichen werden. Im Gegenzug dürfen die Ingenieure länger arbeiten: Der Anteil der 40-Stunden-Verträge der Entwicklungsingenieure darf entsprechend der betrieblichen Belange steigen. Im Grunde gilt für das Unternehmen die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Die VW-Tochter Porsche gilt als einer der erfolgreichsten Autohersteller der Welt: Das Unternehmen wächst schnell und ist hoch profitabel. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Schuldenkrise sorgt für Wirtschaftsflaute
München (dapd). Wegen der Eurokrise muss die deutsche Wirtschaft zum Jahreswechsel einen Dämpfer hinnehmen. Das Münchner Ifo-Institut und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) rechnen damit, dass das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal schrumpfen wird. Für das kommende Jahr senkten beide Institute am Donnerstag ihre Prognosen auf 0,7 Prozent. Das Ifo war im Juni noch von einem Plus von 1,3 Prozent ausgegangen, das IWH hatte im September mit 0,8 Prozent gerechnet. Noch skeptischer ist das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Es hatte zuvor seine Konjunkturprognose für 2013 von 1,0 auf 0,3 gesenkt. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) blieb bei 0,5 Prozent. Die Volkswirte der Unicredit sind deutlich optimistischer: Sie rechnen mit einem Plus von rund einem Prozent. Falls die Eurokrise nicht erneut eskalieren sollte, dürfte die Konjunktur in Deutschland im kommenden Jahr wieder an Fahrt gewinnen, erwarten die Ökonomen. Stütze sei die Inlandsnachfrage. Die Arbeitslosenzahl wird laut Ifo leicht zunehmen von 2,897 Millionen auf 2,957 Millionen. Die Preise sollen nicht mehr so stark steigen wie 2012. Im übernächsten Jahr soll die deutsche Wirtschaftsleistung deutlich stärker anziehen. Das IWH erwartet dann ein Wachstum von 1,5 Prozent. Die Weltwirtschaft wird den Prognosen zufolge im kommenden Jahr zulegen, getrieben vor allem auch aus den USA. Allerdings werden laut Ifo nahezu alle wichtigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften und Schwellenländer in diesem Winterhalbjahr noch eine Schwächephase erleben. Die Eurozone werde erst im kommenden Sommer die Rezession überwinden, erwarten die Forscher. Das IWH rechnet in der Währungszone im gesamten Jahr 2013 noch mit einem Minus von 0,2 Prozent. Zahl der Privatinsolvenzen geht zurück Trotz der Konjunkturabkühlung gab es in diesem Jahr in Deutschland bisher vier Prozent weniger Privatinsolvenzen als 2011. 98.945 Privatpersonen und ehemalige Selbstständige meldeten sich zahlungsunfähig, wie eine Studie der Hamburger Wirtschaftsauskunftei Bürgel ergab. „Für diesen Trend sind stabile Arbeitsmarktdaten mit knapp 2,8 Millionen Arbeitslosen“ verantwortlich, sagte Geschäftsführer Norbert Sellin. Außerdem seien die Bundesbürger vorsichtiger geworden beim Geldausgeben und der Kreditaufnahme. Die Wirtschaftsauskunftei erwartet, dass 2012 zum zweiten Mal in Folge weniger Privatpersonen Insolvenz anmelden müssen als im Vorjahr. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Walter-Borjans froh über Aus für Steuerabkommen mit der Schweiz
Düsseldorf (dapd). NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat erfreut auf das Scheitern des umstrittenen Steuerabkommens mit der Schweiz im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern reagiert. „Die mehrheitliche Entscheidung gegen das Schweizer Abkommen ist richtig und gut“, sagte er am Donnerstag in Düsseldorf. Es gebe inzwischen viele Signale aus der Schweiz, wie Deutschland zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, „das eine wirklich faire und gerechte Besteuerung aller sicherstellt.“ Der Vermittlungsausschuss hatte das Steuerabkommen mit der Schweiz, das zum 1. Januar in Kraft treten sollte, am Mittwoch abgelehnt. Walter-Borjans hatte das Abkommen in seiner jetzigen Form in den vergangenen Monaten vehement kritisiert. dapd (Politik/Politik)
Europas Großbanken kommen unter zentrale Kontrolle bei EZB
Brüssel (dapd). In ihrem letzten Kraftakt vor den Weihnachtsferien haben die EU-Finanzminister den Durchbruch geschafft: Nach 14 Verhandlungsstunden einigten sie sich am frühen Donnerstagmorgen auf die Architektur einer zentralen Bankenaufsicht für die Eurozone, die den Geldhäusern bald ein direktes Anzapfen des Rettungsfonds ESM ermöglichen wird. Der deutsche Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) konnte durchboxen, dass statt aller Sparkassen und Volksbanken nur eine gute Handvoll großer Institute automatisch zentral kontrolliert werden. Auch eine Trennung der neuen Aufsichtsfunktion und der Geldpolitik bei der Europäischen Zentralbank (EZB) konnte Schäuble erreichen. Allerdings wird statt der angestrebten „chinesischen Mauer“ eher ein „japanischer Wandschirm“ hochgezogen. Die neue Aufgabe bei der EZB übernimmt ein Aufsichtsgremium, in dem je ein Vertreter aller sich beteiligenden Staaten sitzt. Der Vorschlag der zyprischen Ratspräsidentschaft sah vor, dass der für Geldpolitik zuständige EZB-Rat die Beschlüsse des Aufsichtsgremiums zurückweisen kann – also das letzte Wort hat. Für Berlin war das nicht akzeptabel, weil der Rat als unabhängiges Gremium nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. „Chinesische Mauer“ nur mit Vertragsänderungen möglich Der Kompromiss: In das Kontrollsystem wird ein Vermittlungsausschuss eingebaut, und der „soll Meinungsverschiedenheiten lösen“, wenn der EZB-Rat die Vorschläge des Aufsichtsgremiums nicht akzeptiert. Jeder betroffene Mitgliedsstaat soll den Vermittlungsausschuss einschalten können, der wiederum „mit einfacher Mehrheit entscheiden soll“. „Wir haben sichergestellt, dass der Rat nicht das Letztentscheidungsrecht hat“, sagte Schäuble. Das Wort „bindend“ im Zusammenhang mit den Beschlüssen des Vermittlungsausschusses findet sich indes nicht in dem Gesetzentwurf. Dies sei nur durch Vertragsänderung zu einem späteren Zeitpunkt zu erreichen, hieß es aus Diplomatenkreisen. Diese seien „in Betracht zu ziehen“, sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Klarer gelöst wurde der Streit darüber, welche Banken automatisch unter Kuratel der Zentralaufsicht kommen: Neben den Geldhäusern, die schon öffentlich gestützt werden, müssen nur systemrelevante Banken mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder von mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ihres Heimatlandes den Euro-Kontrolleuren ihre Bücher öffnen. Paris war von seiner Position abgerückt, alle 6.000 europäische Banken unter die neue Aufsicht zu schieben. In Deutschland fallen mindestens die Deutsche Bank, die Commerzbank, die DZ Bank sowie die großen Landesbanken unter die neue Aufsicht. Zudem könnten eine Sparkasse und eine Genossenschaftsbank betroffen sein. Europaweit gehe es um fast 200 Geldhäuser, sagte Barnier. Zwar können die meisten kleineren deutschen Geldhäuser vorerst aufatmen. In begründeten Fällen soll die Zentralaufsicht aber die Kontrolle über jedes Institut an sich ziehen können. Voll einsatzfähig erst im März 2014 In einem weiteren wichtigen Konflikt sprang EZB-Chef Mario Draghi Schäuble zur Seite: Der hatte stets betont, beim Aufbau der Aufsicht müsse Qualität den Vorrang vor Schnelligkeit erhalten. Draghi machte in Brüssel klar, dass die volle Übernahme der neuen Aufgabe – und damit auch der Verantwortung – frühestens zwölf Monate nach dem operativen Start möglich werde. Als Zieldatum wurde der März 2014 festgeschrieben. Ein Termin, ab wann Banken direkt aus dem ESM gerettet werden können, wurde nicht festgelegt. Barnier machte aber klar, dass der ESM nach seinen eigenen Regeln schon im kommenden Jahr Finanzspritzen setzen kann. Alle profitierenden Banken werden dann unter die Zentralaufsicht geschoben. „Ich denke, dass wir eine gewisse Chance haben, heute zu einem Abschluss zu kommen“, hatte Schäuble bei seinem Eintreffen in Brüssel am frühen Nachmittag erklärt. Am späten Abend hieß es dann, das Treffen müsse womöglich doch noch auf kommende Woche vertagt werden. Doch machten auch die Staats- und Regierungschefs erheblichen Druck, das Thema vor dem Gipfel abzuräumen. Keine zehn Stunden vor der Anreise von Kanzlerin Angela Merkel war der Durchbruch dann schließlich erzielt. Schäuble freute sich denn auch, einen „guten Beitrag für das Gipfeltreffen“ geleistet zu haben. „Wir stehen zu dem, was wir verabredet haben: Schritt für Schritt Europa mühsam voran zu bringen.“ Teufelskreis aus Banken- und Staatsschulden durchbrechen Die Bankenaufsicht ist eine der wichtigsten Baustellen der Eurozone, und eine wichtige Etappe zur Bankenunion, die auch mit einem europäischen Abwicklungsfonds ausgestattet werden soll. Die Aufsicht soll nicht nur das Vertrauen in die Finanzbranche stärken. Sie soll auch rechtfertigen, dass strauchelnde Banken vom ESM aufgefangen werden. Bislang müssen die betroffenen Staaten dafür mit Milliardenbürgschaften gerade stehen – wodurch sie von ihren Geldhäusern mit in die Schuldenfalle gezogen werden. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen diesen Teufelskreis durch die direkte Bankenhilfe durchbrechen. Sie hatten den Finanzministern im Juni den Auftrag gegeben, bis Ende des Jahres den rechtlichen Rahmen für die Bankenaufsicht zu vereinbaren. Schäuble hatte das Datum immer wieder in Zweifel gezogen und gemahnt, es dürften keine überzogenen Erwartungen geweckt werden. Nun ist das rechtliche Gerüst errichtet, auch wenn der tatsächliche Aufbau noch mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen wird. Auch die Detailfragen zur Trennung von Aufsicht und Geldpolitik bei der EZB sind noch längst nicht gelöst. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bundestag stimmt Gesetz zur Beschneidung zu
Berlin (dapd). Die rituelle Beschneidung von Jungen jüdischen und muslimischen Glaubens bekommt eine rechtliche Grundlage. Ein entsprechendes Gesetz verabschiedete der Bundestag am Mittwoch mit großer Mehrheit. Der Zentralrat der Juden und der Jüdische Weltkongress zeigten sich erleichtert. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kritisierte den Beschluss dagegen als „Rückschritt in der Geschichte der Kinder- und Menschenrechte in Deutschland“. Mit dem Gesetz wird klargestellt, dass Eltern das Recht haben, ihre Söhne unter Einhaltung bestimmter Standards beschneiden zu lassen. Eine entsprechende Regelung soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geschaffen werden. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil, wonach die rituelle Beschneidung als Körperverletzung zu werten ist. Das hatte in der jüdischen und islamischen Welt für heftige Empörung gesorgt. 434 der Abgeordneten stimmten in namentlicher Abstimmung für den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf, 100 stimmten dagegen, 46 enthielten sich. Ein Entwurf von 66 Abgeordneten von SPD, Linke und Grünen lehnte das Plenum dagegen ab. Dieser sah vor, die Beschneidung erst ab dem 15. Geburtstag und mit Einwilligung des Jungen zu erlauben. Seit Jahrtausenden elementares Merkmal jüdischer Identität Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, mit dem Beschluss bleibe künftig das erlaubt, was bis zum Mai dieses Jahres völlig unstrittig möglich gewesen sei. „Im Normalfall einer fachgerechten Beschneidung hat der Staat kein Recht, in diese Entscheidung der Eltern korrigierend einzugreifen“, betonte sie. Es gebe kein Land auf der Welt, das die religiöse Beschneidung von Jungen generell unter Strafe stellt. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte, das Gesetz schaffe endlich wieder Rechtssicherheit und beende hoffentlich die häufig unselige Debatte, die das Jahr 2012 geprägt habe. Das jüdische Gebot der Beschneidung sei „seit Jahrtausenden integraler Bestandteil des Judentums und elementares Merkmal der jüdischen Identität“. Ein Verbot hätte „jüdisches Leben in Deutschland tatsächlich am Ende unmöglich gemacht“. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, fügte hinzu, die deutschen Entscheidungsträger hätten offenbar verstanden, dass es sich bei der Beschneidung um eines der ältesten und heiligsten Rituale handele. Jetzt sei es an der Zeit, die durch die kontroverse Debatte entstandenen Wunden zu heilen. Enttäuscht zeigte sich dagegen der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. „Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat heute das Recht jüdischer und muslimischer Jungen auf körperliche Unversehrtheit ausgehebelt“, sagte der Präsident des Verbands, Wolfram Hartmann. Er appellierte „an alle Ärztinnen und Ärzte, sich nicht aktiv an medizinisch unnötigen Beschneidungen zu beteiligen“. dapd (Politik/Politik)
Burda-Verlag übernimmt Mehrheit am Online-Netzwerk Xing
München (dapd). Der Medienkonzern Burda hat die Mehrheit am Online-Kontaktnetzwerk Xing übernommen. Der Münchener Verlag stockte über seine Tochter Burda Digital seinen Anteil um 20,8 Prozent auf und hält nun 59,2 Prozent der Xing-Aktien, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Burda hatte den Aktionären im Oktober 44 Euro je Aktie in Aussicht gestellt, nun seien Burda 1,156 Millionen Anteilsscheine angeboten worden. Das Übernahmeangebot war nötig geworden, nachdem der Verlag seinen Anteil auf mehr als 30 Prozent ausgebaut hatte. Der Xing-Vorstand hatte das Angebot als zu niedrig abgelehnt. Dennoch reichte es für Burda nun für eine Mehrheit. Die Hubert Burda Media („Bunte“, „Focus“, „Playboy“) will jenseits des klassischen Verlagsgeschäfts wachsen und war schon seit November 2009 Hauptaktionär des Hamburger Netzwerks für berufliche Kontakte. Zunächst hielt Burda nur ein Viertel der im TecDAX notierten Xing-Aktien. Xing wurde 2003 gegründet und ist seit 2006 an der Börse notiert. 2011 erzielte das Unternehmen bei einem Umsatz von gut 66 Millionen Euro ein Betriebsergebnis (Ebitda) von 22,2 Millionen Euro. Weltweit hat Xing nach Firmenangaben mehr als zwölf Millionen Nutzer. Damit stehen die Hamburger im Schatten von Konkurrenten wie der US-Firma LinkedIn, die es auf 175 Millionen Mitglieder bringt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)