Caffier hält an NPD-Verbotsverfahren fest

Schwerin (dapd). Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), hält trotz der Vernichtung brisanter Akten des Verfassungsschutzes am NPD-Verbotsverfahren fest. Es gebe keinen Grund, dieses Ziel aufzugeben, sagte Caffier am Montag in Schwerin. Er gehe davon aus, dass die IMK auf ihrer nächsten Sitzung im Dezember eine Empfehlung für die Einleitung eines Verfahrens geben könne. Derzeit werde aus den Ländern Material zur Vorbereitung eines Parteiverbotsverfahrens zusammengetragen. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl hatte zuvor der „Berliner Zeitung“ gesagt, durch die Aktenvernichtung sei ein Verbotsverfahren „natürlich angreifbarer als früher“. Damit habe sich ein solches Verfahren „so gut wie erledigt“. dapd (Politik/Politik)

Ministerpräsidenten der CDU zeigen Verständnis für Bayerns Ärger

Berlin/München (dapd). Im Streit über den Länderfinanzausgleich stößt der Zorn Bayerns über die gegenwärtige Regelung zunehmend auf Verständnis bei Ministerpräsidenten der CDU. So kritisierte Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) am Montag die Finanzpolitik einiger Nehmerländer. Auch der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) forderte, alle Länder müssten auf Haushaltskonsolidierung achten. Scharfe Kritik an Bayern kam dagegen erneut von SPD-Politikern. Die bayerische FDP-Chefin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht jedoch wachsende Chancen für eine Verhandlungslösung. Die angekündigte Klage könne „Druck“ auf die Nehmerländer ausüben. Denn nun sei klar, dass es „ernst“ werde, sagte die FDP-Politikerin in München. Tillich verwies in der „Leipziger Volkszeitung“ darauf, dass es sich nicht um eine Diskussion „zwischen Ost und West“ handele. Er fügte hinzu: „Ein Hauptaugenmerk der Geber ist auf die Länder gerichtet, die in ihrer Ausgabenpolitik so tun, als ob solide Finanzen sie nichts angehen.“ Darauf ziele auch die von Bayern angekündigte Klage. Tillich schloss nicht aus, dass es doch noch eine Verhandlungslösung gibt. Er betonte: „Für eine Neuregelung des Länderfinanzausgleiches ab 2020 bräuchten wir zuvor Beschlüsse der Parlamente, gut wäre bis 2018. Dazu sollten wir bereits 2014 mit den vorbereitenden Datenerhebungen und dann zügig mit den Verhandlungen beginnen.“ McAllister sagte im ZDF, es sollte abgewartet werden, ob tatsächlich Klage erhoben werde. Er bezeichnete es zugleich als nachvollziehbar, dass ein Land wie Bayern Kritik übe, wenn es 3,7 Milliarden Euro in den Finanzausgleich einzahle und dann sehe, wie sich Nehmerländer soziale Wohltaten leisteten. Es gehöre zur Solidarität, dass sich die Nehmerländer nicht dauerhaft in der Rolle einrichteten. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) attackierte dagegen die bayerische Regierung. Er sagte der Zeitschrift „Super-Illu“: „Horst Seehofer macht mit diesem Thema Wahlkampf – und das finde ich schade.“ Bayern und Hessen, das auch über eine Klage nachdenkt, sollten sich „ihrer Verantwortung für das ganze Land bewusst sein“. Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) schrieb in einer Kolumne für die Zeitschrift, es gebe die Klageandrohung aus Bayern „nur, weil die CSU in gut einem Jahr wiedergewählt werden will“. Er fügte hinzu: „Ich habe nichts gegen schlagkräftigen Wahlkampf. Wenn er aber, wie jetzt, auf Kosten einer gesamtdeutschen Solidarität geht, dann geht mir das gegen die Hutschnur.“ Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) forderte in der „Rheinischen Post“ einen Finanzausgleich für Ökostrom: „Es kann nicht sein, dass die Haushalte in NRW die Flut der Solaranlagen auf den bayerischen Dächern fast alleine bezahlen müssen.“ dapd (Politik/Politik)

Bericht: Steuerquote auf höchstem Stand seit Wiedervereinigung

Hamburg (dapd). Der Staat nimmt einem Zeitungsbericht zufolge bei stabiler Konjunktur in den kommenden Jahren so viel Geld von den Bürgern und Unternehmen ein wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Bis 2016 wird die Steuerquote, also die Steuereinnahmen des Staates in Relation zur Wirtschaftsleistung, auf voraussichtlich 23,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen, wie die „Financial Times Deutschland“ vorab unter Berufung auf Zahlen des Bundesfinanzministeriums und Analysen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) berichtete. Dies sind 0,4 Prozentpunkte mehr als nach der Wiedervereinigung 1990. In diesem Jahr liegt die Quote bei knapp 23 Prozent. „Die Staatsfinanzen entwickeln sich derzeit besser als in den aktuellen Prognosen und Haushaltsplanungen zugrunde gelegt“, sagte der RWI-Ökonom Heinz Gebhardt der Zeitung. Wegen der stabilen Konjunktur stiegen die Staatseinnahmen aus Löhnen und Sozialabgaben. Außerdem würden Bund und Länder durch die aktuell niedrigen Zinsen deutlich entlastet. dapd (Politik/Politik)

Harsche Worte im Steuerstreit

Berlin (dapd). Im Streit über das Steuerabkommen mit der Schweiz und den Kauf von Daten-CDs wird der Ton rauer. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warf seinem NRW-Kollegen Norbert Walter-Borjans (SPD) vor, beim Kauf von Steuersünder-Daten mit Kriminellen zusammenzuarbeiten. SPD-Bundestagsfraktionsvize Joachim Poß, unterstellte Schäuble daraufhin, sein Amt vergessen zu haben. Er bekräftigte zugleich die Vorbehalte seiner Partei gegen das geplante Abkommen mit der Schweiz. Der seit Monaten schwelende Streit über den Vertrag mit dem Nachbarland war neu aufgeflammt, nachdem Nordrhein-Westfalen erneut Daten von Steuersündern angekauft hatte. Das Steuerabkommen soll Anfang 2013 in Kraft treten, doch bisher fehlt die Zustimmung des Bundesrats. SPD und Grüne finden, dass Steuerhinterzieher zu einfach davonkommen. Vorgesehen ist, dass in der Schweiz geparktes Schwarzgeld pauschal mit 19 bis 34 Prozent besteuert wird. Künftige Einnahmen aus Geldanlagen, etwa Zinsen, sollen genauso besteuert werden wie hierzulande. Die Kontoinhaber bleiben dabei anonym. Schäuble warnte in der „Bild“-Zeitung, ein Scheitern des Abkommens nütze „nur den Steuerbetrügern“. Der Vertrag stelle „auf legale Weise sicher, dass alle deutschen Steuerhinterzieher in der Schweiz zahlen müssen“. Er verurteilte zudem erneut die Praxis einiger Länder wie NRW, CDs mit Daten von Steuerhinterziehern anzukaufen, die in der Schweiz Geld angelegt haben. Es sei „scheinheilig, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister erzählt, er stelle Steuergerechtigkeit her, in dem er flächendeckend mit Kriminellen zusammenarbeitet und zudem nur einen verschwindend kleinen Teil der Steuersünder erwischt“, sagte er mit Blick auf Äußerungen des NRW-Ressortchefs Walter Borjans. Das Abkommen mache die CD-Käufe überflüssig, betonte Schäuble. SPD-Fraktionsvize Poß sprang seinem Genossen Walter-Borjans umgehend bei. Über Schäuble sagte er: „Seine deplatzierte Kritik am Ankauf von Daten potenzieller Steuerkrimineller steht einem deutschen Finanzminister schlecht.“ Dieser müsse in seinem Amt dafür sorgen, dass das Steuerrecht „auch gegenüber Steuerkriminellen durchgesetzt wird, die ihr Geld in die Schweiz verschoben haben“. Das „missratene Abkommen“ mit dem Nachbarland wahre nicht die Interessen der ehrlichen deutschen Steuerzahler, sondern die der Schweizer Banken, sagte Poß. „Schäuble scheint vergessen zu haben, welches Amt er hat“, urteilte der Sozialdemokrat. Das Verhalten des CDU-Politikers bezeichnete er als inakzeptabel. Unterstützung bekam Walter-Borjans auch von der Deutschen Steuergewerkschaft. Sie erwartet nach dem Daten-Kauf eine Welle von Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern, die Geld in der Schweiz versteckt haben. „In den nächsten Wochen ist mit einem wirklich deutlichen Anstieg zu rechnen – bundesweit dürften nicht nur Hunderte, sondern Tausende Selbstanzeigen eingehen“, sagte Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler der WAZ-Mediengruppe. dapd (Politik/Politik)

Lufthansa fordert flexibleres Nachtflugverbot in Frankfurt

Wiesbaden (dapd). Die Lufthansa strebt bei den Ausnahmen vom Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen eine flexiblere Regelung als bisher an. So müsse jeder Flieger, der bis zu einer bestimmten Zeit seine Parkposition verlassen hat, auch starten können, forderte das Mitglied des Passagevorstands der Lufthansa Kay Kratky in einem Interview von Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ und „Wiesbadener Kurier. „Dabei sollte es gleichgültig sein, welchen Grund die mögliche Verspätung hat“, sagte er. Zuvor hatten bereits der Flughafenbetreiber Fraport und die Deutsche Flugsicherung mehr Flexibilität gefordert. Kratky räumte zugleich ein, dass dies im Extremfall 20 oder 30 startende Flieger nach 23 Uhr bedeuten könnte. Das werde aber die Ausnahme bleiben, etwa bei extremem Wetter wie den schweren Gewittern der vergangenen Wochen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Bahn legt Lokführern verbessertes Tarifangebot vor

Berlin (dapd). In der zweiten Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) haben die Arbeitgeber ein neues Angebot vorgelegt. Das bestätigte eine GDL-Sprecherin auf dapd-Anfrage am Rande des Treffens am Montagabend in Berlin. Zu Details machte sie keine Angaben, die Gespräche dauerten gegen 18.40 Uhr noch an. Die erste Verhandlungsrunde war ohne Ergebnis geblieben. Die GDL fordert für die rund 21.000 Lokführer sieben Prozent mehr Entgelt bei einjähriger Laufzeit des Tarifvertrags. Die Bahn hatte zuvor auf eine mehrstufige Erhöhung um insgesamt 5,5 Prozent in zwei Jahren angeboten. Die GDL war nach Worten ihres Vorsitzenden Claus Weselsky mit „vorsichtigem Optimismus“ in die Gespräche gegangen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Plüschig wie im heimischen Wohnzimmersessel

Köln (dapd). Drei Jahre hat Geschäftsführerin Eva Kreienkamp für diesen Tag geschuftet. Nach einem Jahr der Planung wollte sie eigentlich schon im August 2010 mit dem Hamburg-Köln-Express (HKX) auf Jungfernfahrt gehen, doch es fehlten Geld, Trassen und Leute. Am Montag um 6.35 Uhr in Hamburg-Altona ist es dann soweit. Sie ist aufgeregt, als sie sich dem Bahnsteig nähert, an dem der HKX einfährt. Als die ersten Gäste und das Personal einsteigen, beruhigt sie sich. Bewusst hat sie auf Rahmenprogramm wie eine Blaskapelle verzichtet. An diesem 23. Juli zählt nur eines: ein ganz normaler Start. Besonders dem grauhaarigen Mann mit der Fliege an ihrer Seite will sie es beweisen. Der Chef des amerikanischen Investors Railroad Development Cooperation (RDC), Henry Posner, will sich bei der ersten Fahrt selbst überzeugen, dass seine vorwiegend im amerikanischen Schienengüterverkehr aktive Gesellschaft die 16 Millionen Euro richtig in HKX investiert hat. „Sehr ungeduldig habe ich auf den Start gewartet“, sagt er im Zug. Während Kreienkamp bisher nicht kommentiert hat, wann ihr Unternehmen profitabel arbeiten soll und „eher den unternehmerischen Mut als den Businessplan in den Vordergrund“ stellt, sagt Posner frei heraus: „Ich erwarte, dass wir bereits im kommenden Jahr profitabel arbeiten.“ Ihm gefällt, dass der privatwirtschaftlich betriebene Fernzug zumindest auf der Rückfahrt von Köln fast ausverkauft ist. „Das ist das Beste, was man von so einem Tag erwarten kann“, sagt der leidenschaftliche Eisenbahner Posner. Auch die Kunden sind zufrieden. Der Charme der siebziger Jahre umgibt die Rheingold-Waggons. Eine Mittfünfzigerin freut sich: „Da können die Züge noch so alt sein, sie sind um einiges komfortabler als bei der Deutschen Bahn.“ Begeistert stellt sie die Kopfstützen ein und hüpft auf dem Sitz in ihrem Abteil auf und ab, als sei es der heimische Wohnzimmersessel. Ein Geschäftsreisender aus Hamburg ist „aus reiner Neugier“ eingestiegen. „Ich mag diese altbackenen Züge und den Siebziger-Style. Das ist Kult“, sagt der Berater eines Softwareherstellers. Für seinen Tablet-Computer hat der 35-Jährige mit den gegelten Haaren, weißen Sneakern und schwarzem Metallkoffer sogar eines der wenigen Abteile mit Stromversorgung erwischt. Statt sechs Plätzen ist sein Abteil nur mit vier Sitzplätzen ausgestattet, weil die beiden Stromgeneratoren für die Steckdosen jeweils einen Platz in Anspruch nehmen. Sein Fazit: Für Dienstreisen wolle er weiterhin den ICE nutzen, „weil die Firma zahlt“. Aber privat „ist der HKX interessanter“. Die beiden Holländer Ard von den Noort und Ruben von de Riet überzeugen die komfortablen Sitze mit den roten Stoff-Armlehnen. „In den Niederlanden sind die Sitze nicht so groß“, sagt der 24-jährige von den Noort. Auf ihrer Europareise ist der HKX ihr erster Zug. Freunde haben sie von Enschede nach Münster gebracht. Von dort wollen sie mit ihrem 260 Euro teuren Interrail-Ticket zehn Tage quer durch Europa fahren. Der Schaffner weist ihn aber darauf hin: „Damit kann ich nichts anfangen. Die Deutsche Bahn möchte mit uns in diesem Punkt leider nicht zusammenarbeiten.“ Für die Fahrt bis zur nächsten Station in Gelsenkirchen zahlen sie zehn Euro. Fahrscheine, die im Zug gelöst werden, sind bei HKX teurer. Während eine Fahrt von Hamburg nach Köln an diesem Montag im Vorverkauf 40 und die Rückfahrt nach Hamburg bei Internetbuchung sogar nur 20 Euro kostet, liegt der Bordpreis für diese Strecke bei 60 Euro. Kunden der Deutschen Bahn bezahlen auf der Fernstrecke zwischen Rheinmetropole und Hansestadt 41,50 Euro mit der Bahncard 50 und nach regulärem Preis 83 Euro mit dem Intercity sowie 92 Euro mit dem Intercity Express in der zweiten Klasse. Geschäftsführerin Kreienkamp ist nach überstandener Jungfernfahrt trotz kleinerer Probleme zufrieden. „An manchen Stellen sind noch Lücken im System“, räumt sie ein. Auch ihr sei aufgefallen, dass auf den Online-Tickets gelegentlich das falsche Gleis angegeben war und in den gemieteten Rheingold-Waggons Steckdosen sowie WLAN fehlen, aber das werde spätestens im kommenden Jahr behoben. „Wenn wir 2013 die 18 modernisierten Wagen aus Österreich einsetzen, dann haben wir genügend Steckdosen, WLAN und eine Bordküche für warmes Essen“, sagt die Rheinländerin. Damit kann sie dann vielleicht auch die von ihrem Investor geforderten Gewinne einfahren. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Aigner fordert im Zinsskandal Aufklärung von der Deutschen Bank

Düsseldorf (dapd). Im Skandal um manipulierte Zinssätze im Interbanken-Handel hat Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) Aufklärung vom führenden deutschen Kreditinstitut verlangt. „Die Deutsche Bank muss reinen Tisch machen, und zwar schnell. Die Vorwürfe sind schwerwiegend“, sagte Aigner laut Vorabbericht dem „Handelsblatt“. „Ich begrüße es deshalb, dass die Aufsichtsbehörde BaFin eine Sonderprüfung eingeleitet hat.“ Der Libor soll den durchschnittlichen Zins angeben, den die Banken für Geldverleih-Geschäfte untereinander verlangen. Er beruht aber nicht auf Transaktionen, sondern auf Schätzungen der 18 weltweit wichtigsten Banken – darunter die Deutsche Bank -, zu welchen Sätzen sie Geld aufnehmen können. Dabei war es zu Manipulationen gekommen, in deren Zentrum die britische Barclays Bank steht. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Griechisches Pleite-Gespenst ängstigt Märkte und Euro-Partner

Berlin (dapd). Die Schuldenschlinge zieht sich zu, Athen fleht um mehr Luft zum Atmen – und die Angst vor einem Staatsbankrott wächst. EU-Kommission und Bundesfinanzministerium wiesen am Montag Spekulationen über eine Pleite Griechenlands sowie über einen möglichen Austritt aus der Euro-Zone zurück. Medienberichten zufolge wollen die wichtigsten Geldgeber des Landes, allen voran der Internationale Währungsfonds (IWF) und Deutschland, ihre bisherigen Kreditzusagen aber nicht mehr aufstocken. Die Angst vor einer Pleite und neue Probleme in Spanien drückten die deutschen und europäischen Aktienmärkte tief ins Minus. Kommissionssprecher Antoine Colombani äußerte sich „zuversichtlich, dass die nächste Tranche (der Notkredite) überwiesen wird“. Zwar sei Athen bei der Umsetzung des Programms erheblich in Verzug geraten. Die neue Regierung habe sich aber dazu bekannt, die Versäumnisse aufzuholen. Der Finanzierungsbedarf der Hellenen über den Sommer werde jedenfalls gedeckt. Auch ein IWF-Sprecher beschwichtigte, dem strauchelnden Land werde nach wie vor geholfen. Am (morgigen) Dienstag gebe es das nächste Gespräch mit den griechischen Stellen, wie das Rettungsprogramm zurück in die Spur gebracht werden könne. Laut „Süddeutscher Zeitung“ klafft im Sanierungsprogramm Athens erneut ein zweistelliges Milliardenloch, nachdem während des Dauer-Wahlkampfs im Frühjahr viele Reformvorhaben liegen geblieben sind. Weil die neue Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras zwei Jahre mehr Zeit für den Umbau des Landes fordert, würden die im zweiten Hilfspaket zugesagten Kredite von 130 Milliarden Euro allein nicht reichen. Samaras muss also entweder entgegen aller Wahlversprechen noch mehr sparen – oder aber weitere Darlehen der Euro-Partner im Umfang von bis zu 50 Milliarden Euro bekommen. Das Auswärtige Amt gab an, die offizielle Position des IWF dazu nicht zu kennen. Einzuordnen seien die kursierenden Ankündigungen aber wohl unter dem Aspekt „Erhöhung des Drucks vor dem Troika-Bericht“, sagte Außenstaatssekretär Michael Link. Athen müsse eben klar sein, dass es keine Garantien um jeden Preis geben könne. Schließlich habe Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ja auch nicht gesagt, dass Griechenland die Eurozone verlassen solle. Das Bundesfinanzministerium betonte ebenfalls, dass alle bestrebt seien, das zweite Hilfspaket erfolgreich umzusetzen. Spekulationen über eine mögliche Pleite Griechenlands wies eine Sprecherin zurück. Auch über den Verbleib des Landes in der Euro-Zone wollte die Bundesregierung nicht mutmaßen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte eine Prognose dazu ab. „Ich werde der Troika nicht vorweggreifen. Wenn der Troika-Bericht vorliegt, wird die Euro-Gruppe beraten“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Die Buchprüfer von EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) kontrollieren ab Dienstag in Athen die Programmumsetzung und sollen ihren Bericht Anfang September vorlegen. Schäuble sprach sich schon einmal indirekt dagegen aus, Griechenland mehr Zeit zur Erfüllung der vereinbarten Reformen und Sparmaßnahmen einzuräumen. In Athen nahm man die jüngsten Meldungen gelassen zur Kenntnis. Allgemeiner Tenor: Immer wenn die Troika nach Athen komme, werde neuer Druck auf Griechenland aufgebaut. Bezeichnenderweise erwähnten die großen Athener Fernseh- und Radiostationen die Berichte am Montag entweder erst kurz vor der Wettervorhersage oder gar nicht. Weniger gelassen reagierten indes die Märkte. So sackte der DAX am Montag bis kurz nach 15.00 Uhr unter die Marke von 6.400 Punkten. Der griechische Leitindex lag kurz vor Börsenschluss um 7,1 Prozent im Minus. Weil zunehmend auch die spanischen Regionen in finanzielle Schieflage geraten, stieg die Rendite langfristiger Staatsanleihen deutlich über das kritische Niveau von sieben Prozent und zugleich auf den höchsten Stand seit Einführung des Euro. Die Gemeinschaftswährung ging ebenfalls tief in die Knie und fiel am Nachmittag auf 1,2079 Dollar – den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Beobachter sahen darin auch eine Folge der Aussage Röslers, er halte einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone durchaus für denkbar. Ein solcher Schritt habe „längst seinen Schrecken verloren“, hatte der Vizekanzler in einem ARD-Interview gesagt und hinzugefügt: „Wenn Griechenland seine Auflagen nicht erfüllt, dann kann es keine weiteren Zahlungen mehr geben.“ Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter relativierte Röslers Äußerungen. Dieser habe nur beschrieben, mit welchen Gefühlen er den Troika-Bericht abwarte. Vorher würden keine Entscheidungen gefällt, das sei in der Bundesregierung Konsens. Röslers Parteifreund Jorgo Chatzimarkakis rügte dessen Einlassungen indes scharf. „Ich glaube, im Range des Wirtschaftsministers muss man ein Mindestmaß an Professionalität an den Tag legen. Ich vermisse das, um es mal ganz klar zu sagen“, sagte der Europaabgeordnete dem Sender HR-Info. Wer den Daumen senke, bevor der Bericht der Troika zu Griechenland vorliege, leiste der Spaltung oder Auflösung der Euro-Zone Vorschub. Angesichts der jüngsten Entwicklungen sieht auch der Brüsseler Thinktank Bruegel die Zukunft der Eurozone „auf Messers Schneide“. Sollte Griechenland tatsächlich aus dem Euro austreten, drohe der wankenden Währungszone eine regelrechte Kettenreaktion und der endgültige Zerfall. „Die Investoren werden denken, der nächste ist vielleicht Spanien, vielleicht Italien, vielleicht Portugal“, sagte Wolff der Nachrichtenagentur dapd. Deshalb trügen Äußerungen wie die Röslers „schon auch zur Ansteckung bei“. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)

Dann ist der Euro nicht zu halten

Brüssel (dapd). Hat ein Euro-Austritt Athens tatsächlich „längst seinen Schrecken verloren“, wie FDP-Chef Philipp Rösler gerade im Sommerinterview daher plauderte? Sollte die Eurozone das Wagnis eingehen, den Hellenen den Geldhahn zuzudrehen und das Land in die Pleite zu schicken? In Griechenland sorgen die Aussagen aus Deutschland für Wut, an den Märkten für neue Verunsicherung. Denn auch wenn die Währungsunion inzwischen besser für einen radikalen Schritt gewappnet scheint als vor zwei Jahren: Für den Ernstfall rechnen Experten mit massiven Attacken gegen Spanien, Italien und Co., weil ein Austritt plötzlich möglich scheint. Beim „Grexit“ steht die Zukunft des Euros auf dem Spiel – noch immer. Richtig ist: Viele Unternehmen haben sich eingestellt auf den Exit des griechischen Intensivpatienten. Die ausländischen Banken haben sich inzwischen weitgehend aus Südeuropa zurückgezogen. Die Pleite Athens würde also für die deutschen oder französischen Banken nicht notgedrungen einen Lehman-Effekt haben. Doch während die Geldinstitute weitgehend verschont blieben, müsste der Steuerzahler umso stärker bluten: Mit rund 45 Milliarden Euro steht Athen über die laufenden Programme bei der Bundesrepublik in der Kreide – das Geld wäre futsch. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat laut Schätzungen für 50 Milliarden Euro griechische Anleihen gekauft, für rund ein Viertel davon haftet Berlin. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat die Gesamtkosten eines Griechenland-Austritts für Deutschland beziffert: Auf 86 Milliarden Euro. Die größte Gefahr liegt indes nicht in den als schmerzhaft aber verkraftbar anmutenden Abschreibungen. Die größte Gefahr liegt in der Ansteckungsgefahr für andere Wackelkandidaten. Die Zinsen für Spanien schossen am Montag prompt auf ein neues Rekordhoch von 7,46 Prozent, das ist weit im roten Bereich. Auch Italien steht das Wasser bis zum Hals. Zwar wird dafür – bei grünem Licht vom Bundesverfassungsgericht – der dauerhafte Rettungsschirm ESM aufgespannt. „Doch selbst mit dem ESM wird die Eurozone dem Druck nicht lange standhalten können, weil auch im ESM die Mittel zu begrenzt sind“, meint Guntram Wolff, Vizedirektor des Brüsseler Thinktanks Bruegel. Spätestens nach einem Jahr müsste die Grundsatzentscheidung getroffen werden: „Bleiben wir in einem gemeinsamen Währungsraum und nehmen diese Länder komplett vom Markt – oder der Zerfall geht weiter und Spanien und Italien würden den Euroraum verlassen.“ Dass der politische Wille für die erste Variante in Berlin, in Helsinki oder Den Haag groß genug ist, ist mehr als fraglich. Aber ohne diesen unbegrenzten politischen Willen wären die Folgen nicht zu kontrollieren, mein Wolff. „Dann ist der Euro nicht zu halten.“ Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist das keine Option, sie hat den Euro als „Schicksalsgemeinschaft“ bezeichnet. Wie weit Rösler bei seinen Zündeleien gedacht hat: Ob er nach Athen auch den Euro fallen lassen würde, oder nur den Verdruss über Griechenland bedienen wollte, sei dahin gestellt. Die Hellenen selbst sind empört. Wie sollen etwa die Privatisierungen vorangetrieben werden, wenn zugleich heftig über die Staatspleite spekuliert wird? Denn das würde die Wirtschaft erst mal ins Chaos stürzen – und alle Investitionen sinnlos machen. Dessen ungeachtet gibt es auch unter Fachleuten Befürworter eines Griechenland-Austritts. So meint etwa Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts, nur durch die Einführung einer abgewerteten Drachme könne das Land wieder auf die Beine kommen. Doch damit das klappt, bräuchten die Hellenen Exportgüter, die massenhaft im Ausland gekauft würden. Die sind bisher nicht gefunden. Und die Idee, die Nordländer könnten dem Südland seinen Sonnenstrom abkaufen, wurde auch von Deutschland schon begraben. Das Land steckt in der Sackgasse, und damit auch die Eurozone. Und auch nach zweieinhalb Jahren ist das Licht am Ende des Tunnels noch nicht in Sicht. Weil der Zusammenbruch des Euro zu riskant ist, empfiehlt Schuldenfachmann Wolff, einen anderen Schlussstrich zu ziehen: Nach den privaten müssten auch die öffentlichen Gläubiger – allen voran Deutschland – Griechenland seine Schulden erlassen. Beim Staatsbankrott und Euro-Rauswurf wäre das Geld schließlich auch verloren. „Die Forderungen, die wir aus dem jetzigen Hilfsprogramm haben, die werden wir sowieso nicht zurückbekommen“, sagt er. Ein Schuldenerlasse für Athen: Das würde Griechenland retten. Für die Koalition in Berlin wäre es dagegen der Todesstoß. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)