Berlin (dapd). Mit einem Paukenschlag hat sich der Bundesrat aus der Sommerpause zurückgemeldet: Die Länderkammer setzte das Streitthema gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten dem Bundestag auf die Tagesordnung. Das Meldegesetz landete zur Nachbesserung im Vermittlungsausschuss. Liebgewonnenes kann in Form von alten Kfz-Kennzeichen wie LEO für Leonberg zurückkehren. Die wichtigsten Bundesratsbeschlüsse vom Freitag: – FRAUENQUOTE: Der Bundesrat stimmte mehrheitlich für eine Gesetzesinitiative der SPD-geführten Länder Hamburg und Brandenburg. Die Länder fordern die Einführung einer feste Quote für Frauen in Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen in zwei Stufen: Ab 2018 muss ihr Anteil demnach mindestens 20 Prozent betragen, ab 2023 dann 40 Prozent. Eine Mehrheit in der Länderkammer kam zustande, da auch die Länder Sachsen-Anhalt und Saarland für die Initiative stimmten. Beide Länder werden von großen Koalitionen unter CDU-Führung regiert. – PFLEGEREFORM: Die Länder ließen das umstrittene Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung trotz erheblicher Bedenken passieren. Die Reform sieht eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte und Leistungsverbesserungen vor. Mit Mehreinnahmen von rund 1,2 Milliarden Euro jährlich sollen die ambulante Versorgung und die Betreuung von Demenzkranken gestärkt werden. Zudem will die Bundesregierung private Pflegezusatzversicherungen mit monatlich fünf Euro bezuschussen. Das Gesetz soll 2013 in Kraft treten. – MINDESTLOHN: Thüringens Vorstoß für einen gesetzlichen Mindestlohn findet im Bundesrat parteiübergreifend Zustimmung. Der Gesetzentwurf der schwarz-roten Thüringer Landesregierung sieht einen bundesweiten Mindestlohn für alle Branchen und Regionen vor. Die Höhe soll von einer Kommission aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern festgelegt werden. Über den Vorschlag wird zunächst in den Ausschüssen der Länderkammer beraten. – KOOPERATIONSVERBOT: Die Länder wollen mit dem Bund über eine stärkere Zusammenarbeit im gesamten Bildungsbereich und nicht nur bei Hochschulen verhandeln. Eine von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) geplante Grundgesetzänderung, um das Kooperationsverbot nur in der Wissenschaft zu kippen, geht dem Bundesrat nicht weit genug. Aus welchen Gründen auch immer das Kooperationsverbot fallen soll: Die Grundgesetzänderung erfordert Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat. – NUMMERNSCHILDER: Nicht mehr zulässige Autokennzeichen wie LEO für den inzwischen aufgelösten Landkreis Leonberg könnten bald wieder verstärkt im Verkehr auftauchen. Der Bundesrat billigte eine Verordnung, wonach die Länder beim Bundesverkehrsministerium beantragen können, solche Kennzeichen wieder zuzulassen. Nur die Länder und nicht die Zulassungsbehörden sind antragsberechtigt. Die Anträge werden gebilligt, solange die Kombination nicht gegen die guten Sitten verstößt. – ADRESSENHANDEL: Die Länder haben das umstrittene Meldegesetz vorerst gestoppt und zur Nachbesserung in den Vermittlungsausschuss überwiesen. Das Gesetz erlaubt in der vom Bundestag gebilligten Fassung den Einwohnermeldeämtern, persönliche Daten an Firmen und Adresshändler weiterzugeben, wenn die betroffenen Bürger nicht widersprechen. Die Länderkammer forderte, die Datenweitergabe dürfe nur erfolgen, wenn die Betroffenen eingewilligt haben. dapd (Politik/Politik)
Jahrhundertbauwerk Jade-Weser-Port geht in Betrieb
Wilhelmshaven (dapd). Mit dem symbolischen Entladen des ersten Containers ist Deutschlands erster tideunabhängiger Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Betrieb gegangen. Nach mehreren Verschiebungen des Starttermins und monatelangen Diskussionen um Baumängel verlief der Löschvorgang ohne Komplikationen. „Was lange währt, wird endlich gut“, sagte der Chef des Hafenbetreibers Eurogate, Emanuel Schiffer, am Freitag in Wilhelmshaven. Vertreter des Bundes und der beteiligten Länder Niedersachsen und Bremen betonten die Ausnahmestellung des Hafens. Der Jade-Weser-Port sei ein Jahrhundertprojekt, Deutschland bekomme ein „neues Tor zur Welt“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU). „Wir rechnen mit über 2.000 Arbeitsplätzen, die in den nächsten Jahren hier geschaffen werden“, fügte er an. Zudem sei der neue Hafen eine sinnvolle Ergänzung zu den etablierten Konkurrenten in Hamburg und Bremerhaven. „Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands haben sich zwei Bundesländer zusammengefunden, um gemeinsam ein Hafenprojekt zu realisieren“, sagte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD). Es sei aber nicht nur ein guter Tag für die beiden Länder, sondern auch für Deutschland. „Denn Hafenpolitik hat auch immer eine bundespolitische Bedeutung“, bekräftigte er. Künftig zwei Containerschiffe pro Woche Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betonte die Einzigartigkeit des neuen Hafens. Der Jade-Weser-Port könne als einziger deutscher Hafen auch die größten Containerschiffe voll beladen und unabhängig von Ebbe und Flut abfertigen. „Damit wird sich Wilhelmshaven zu einer Drehscheibe des internationalen Seeverkehrs entwickeln“, prognostizierte Rösler. Im Anschluss an den Festakt wurde der erste Container des am Donnerstagabend an der Kaje angelegten Frachtschiffs „Maersk Laguna“ symbolisch gelöscht. Das Schiff ist 300 Meter lang und gehört der dänischen Reederei Maersk. Sie ist nicht nur an der Hafenbetriebsgesellschaft beteiligt, sondern auch derzeit einziger Kunde des Jade-Weser-Ports. Maersk hatte zugesagt, den Hafen künftig von zwei Schiffen pro Woche anfahren zu lassen. 16 Jahre Planung und viereinhalb Jahre Bauzeit stecken in dem Hafen, der nördlich von Wilhelmshaven aufgespült wurde. Eine Milliarde Euro haben die Länder Niedersachsen und Bremen sowie Hafenbetreiber Eurogate investiert. Wegen Rissen in der Spundwand, sogenannten Schlosssprengungen, konnte der zuvor genannte Starttermin Anfang August nicht gehalten werden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bund bereitet gesetzliche Sicherung der Stromversorgung vor
Berlin (dapd). Die Bundesregierung will die Stromversorgung im Winter notfalls durch ein Gesetz sichern. Die angestrebte und wünschenswerte Lösung sei aber, die Versorgungssicherheit durch eine Selbstverpflichtung der Kraftwerksbetreiber zu gewährleisten, sagte am Freitag in Berlin eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die Bundesregierung sei jedoch „kurzfristig in der Lage, gesetzgeberische Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um Versorgungssicherheit im Winter zu garantieren“, sagte sie und bestätigte damit einen Bericht der „Frankfurter Rundschau“. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) begrüßte eine gesetzliche Regelung. VZBV-Experte Holger Krawinkel sagte, der Eingriff sei notwendig. Die Strommarkt-Liberalisierung habe sich als Irrweg erwiesen. „Nun muss die Regierung vor den physikalischen Realitäten kapitulieren und bereitet die Rückkehr in die staatliche Energieplanwirtschaft vor“, sagte er dem Blatt. Die Ministeriumssprecherin sagte weiter, über eine Selbstverpflichtung der Kraftwerksbetreiber führe das Wirtschaftsministerium derzeit Gespräche mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Parallel dazu habe die Bundesregierung allerdings Anfang der Woche Ressort-Gespräche zu gesetzgeberischen Maßnahmen eingeleitet. Dabei erarbeitete Texte seien noch keine Gesetzentwürfe, die in das parlamentarische Verfahren gingen. „Die Versorgungssicherheit hat für uns aber absolute Priorität“, sagte die Sprecherin. Deswegen könne die Bundesregierung auch kurzfristig per Gesetz reagieren. So komme etwa eine verbindliche Meldepflicht für die Stilllegung von Kraftwerken infrage, sagte die Sprecherin zudem. Dies solle dann den Übertragungs-Netzbetreibern und der Bundesnetz-Agentur ausreichend Planungssicherheit geben. Zudem gehe es um die gesetzliche Möglichkeit, eine endgültige Stilllegung systemrelevanter Kraftwerke bei Gefährdung der Versorgungssicherheit zu verhindern. Dies könne gegen Entschädigung erfolgen. In Frage komme auch eine gesetzliche Absicherung der Belieferung systemrelevanter Gaskraftwerke bei Versorgungsengpässen. Alle Maßnahmen könnten notfalls in die bereits laufende Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes einfließen. Verbraucherzentralen für gesetzliche Regelung Dem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ zufolge sieht der mögliche Gesetzesvorschlag vor, dass die Bundesnetzagentur bis März eine Liste systemrelevanter Kraftwerke erstellt. Stilllegungen dieser Kraftwerke sollen die Betreiber ein Jahr im Voraus mitteilen müssen. Der Regierung gehe es vor allem um Gaskraftwerke in Süddeutschland mit einer Leistung von zusammen 3.900 Megawatt, hieß es. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) forderte angemessene Konditionen. Die Energiewirtschaft brauche zudem Planungs- und Investitionssicherheit und kein gesetzliches Provisorium, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. dapd (Politik/Politik)
Facebook knickt im Streit mit Datenschützern ein
Hamburg (dapd). Das soziale Internet-Netzwerk Facebook stellt nach Protesten von Datenschützern die automatische Gesichtserkennung von Nutzern in Europa ein. Bisher wurden die biometrischen Daten von Fotos erfasst, um dieselben Personen auf anderen Fotos automatisch zu erkennen. Dagegen hatten Datenschützer protestiert, auch der zuständige Datenschutzbeauftragte in Irland, wo Facebook seinen europäischen Sitz hat. Das Unternehmen kommt dieser Forderung nun nach, wie dapd am Freitag aus Kreisen des Unternehmens erfuhr. Es werden demnach keine neuen biometrische Daten mehr erfasst, bestehende Daten sollen bis zum 15. Oktober gelöscht werden. Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte hatte am Freitag eine Anordnung erlassen, um Facebook davon abzuhalten, die biometrischen Daten seiner Nutzer ohne deren Einverständnis zu erfassen. Zudem forderte er, dass Facebook seine Nutzer über die Risiken der automatischen Gesichtserkennung ausführlich informiert. Ministerium stellt Facebook „Armutszeugnis“ aus Das Bundesverbraucherschutzministerium in Berlin lobte „das Einlenken von Facebook“ als „großen Erfolg für den Verbraucherschutz“, wie ein Sprecher mitteilte. Dies zeige, dass bestehendes Recht die Möglichkeit biete, das global agierende Unternehmen zur Einhaltung von Datenschutzbestimmungen zu verpflichten. Gleichzeitig rügte das Ministerium Facebook, weil es erst unter massivem Druck der Datenschutzbehörden und des Bundesverbraucherministeriums reagiert habe. Dies sei ein „Armutszeugnis“. Bereits im vergangenen Jahr hatten die irischen Datenschützer in einem Bericht zahlreiche Kritikpunkte aufgelistet. Facebook-Nutzer sollten besser über die Verarbeitung ihrer Daten informiert werden und der Weitergabe von Informationen an Werbetreibende zustimmen müssen, hieß es darin. Würden persönliche Daten über Nutzer nicht mehr gebraucht, solle Facebook diese Informationen löschen. In einem aktuellen Bericht finden die irischen Datenschützer hingegen auch Lob für den Internetgiganten mit 900 Millionen Nutzern: Eine Reihe von Kritikpunkten seien behoben worden. „Die meisten unserer Empfehlungen wurden zu unserer vollen Zufriedenheit umgesetzt“, schreibt der stellvertretende Datenschutzbeauftragte Gary Davis in einem Prüfbericht, der am Freitag veröffentlicht wurde. Dazu gehört wohl auch Facebooks Rückzieher bei der automatischen Gesichtserkennung. dapd (Politik/Politik)
Jet-Tankstellenbetreiber unterliegt Bundeskartellamt
Bonn (dapd). Das Bundeskartellamt hat in seinem Kampf um mehr Wettbewerb auf dem deutschen Tankstellenmarkt Rückendeckung vom Oberlandesgericht Düsseldorf bekommen. Das Gericht entschied, dass der Betreiber der Jet-Tankstellen, ConocoPhillips, einen umfangreichen Fragenkatalog der Kartellwächter zu möglichen Wettbewerbsbehinderungen beantworten muss. Das bestätigte am Freitag ein Justizsprecher der Nachrichtenagentur dapd. Die Wettbewerbshüter ermitteln wegen des Verdachts der Behinderung freier Tankstellen gegen die fünf großen Mineralölkonzerne – Deutsche BP/Aral, Exxon/Esso, ConocoPhillips, Shell und Total. Die großen Mineralölkonzerne sollen den freien Tankstellen Kraftstoff zu Preisen verkauft haben, die noch über denen lagen, die sie von ihren eigenen Endkunden an der Zapfsäule verlangten. Das Kartellamt hatte deshalb in einem Auskunftsbeschluss von den fünf Unternehmen Antwort auf 19 Fragen etwa zu den Eigentumsverhältnissen an den Marken-Tankstellen, zur Preishoheit und zu Rabatten gefordert. ConocoPhillips hatte als einziges Unternehmen die Herausgabe der Daten abgelehnt und Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Das Unternehmen warf dem Bundeskartellamt vor, sein Auskunftsersuchen basiere auf völlig haltlosen Vermutungen. Der 2. Kartellsenat des Oberlandesgerichts hatte jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunftsbegehrens. Schon die bei den Wettbewerbshütern eingegangenen Beschwerden freier Tankstellen begründeten einen Anfangsverdacht und rechtfertigten die Ermittlungen, urteilten sie. Dabei entscheide allein die Wettbewerbsbehörde, ob und welche Ermittlungen zur Wahrung ihrer Aufgaben anzustellen seien. Der Ermessensspielraum der Behörde sei dabei notwendigerweise weit gespannt, entschied das Gericht. ConocoPhillips muss dem Urteil zufolge nun bis zum 8. Oktober die Fragen des Bundeskartellamtes beantworten. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Unionsstreit über Betreuungsgeld offenbar beigelegt
Berlin (dapd). Im Streit über das Betreuungsgeld steht innerhalb der Union offenbar eine Einigung bevor. „Wir sind einer Lösung nahe. Ich bin sehr zuversichtlich“, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am Freitag auf dapd-Anfrage nach einem Treffen mit Unionsfraktionschef Volker Kauder und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (beide CDU) mit Familienpolitikern der Fraktion. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der Unionsfraktion. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge einigten sich die Beteiligten auf wesentliche Korrekturen beim umstrittenen Betreuungsgeld. Zu der Vereinbarung gehört den Berichten von „Rheinischer Post“ und „Passauer Neuen Presse“ zufolge, dass die Auszahlung des Betreuungsgeldes an die Pflicht zu medizinischen Vorsorgeuntersuchungen der Kinder geknüpft wird. Eine entsprechende Arztbescheinigung oder ein Eintrag im „gelben Heft“ sollen Eltern dem Amt vorlegen. Zudem sollen die Eltern wählen können, ob sie den Zuschuss in bar ausbezahlt bekommen wollen oder der Zuschuss mit einem Bonus von zehn bis 20 Euro pro Monat direkt als Beitrag zur kapitalgedeckten Altersvorsorge, der sogenannten Riester-Rente, gezahlt wird. Beide Zeitungen berichten, die Union wolle nun zügig mit der FDP über die Vorschläge beraten. Mitte Oktober soll das Gesetz im Bundestag abschließend beraten werden. Kritik von SPD und Grünen Die Opposition bekräftige ihre Kritik am den Koalitionsplänen: „Das Betreuungsgeld kann man küssen so oft man will – es bleibt eine Kröte“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Ziegler. Der vorgesehene Kompromiss ändere nichts daran, „dass das Betreuungsgeld bildungs-, gleichstellungs- und integrationspolitisches Gift ist“. Mit der Verknüpfung von Betreuungsgeld und Vorsorgeuntersuchungen werde möglicherweise die Zustimmungspflicht durch den Bundesrat ausgelöst. „Dann steigen die Chancen, dem Unsinn Betreuungsgeld ein Ende zu bereiten“, sagte Ziegler. Auch die Grünen wiederholten ihre Kritik. „Dass die Auszahlung des Betreuungsgeldes an die Pflicht zu medizinischen Vorsorgeuntersuchungen der Kinder geknüpft werden soll, macht es nicht besser“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Es bleibe absurd, dass Schwarz-Gelb lieber Geld für die Nichtinanspruchnahme staatlicher Leistungen zahlen möchte, als seiner Verpflichtung nachzukommen, die quantitativ und qualitativ bestmögliche Kinderbetreuung aufzubauen. dapd (Politik/Politik)
Niederlage für Ex-Rüstungslobbyist Schreiber zu Prozessbeginn
Augsburg (dapd). Im neu aufgerollten Prozess wegen Steuerhinterziehung gegen den früheren Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber hat der 78-Jährige vor dem Augsburger Landgericht eine Niederlage erlitten. Ein Befangenheitsantrag Schreibers gegen die Besetzung des Gerichts wurde abgelehnt, wie die Vorsitzende Richterin am Freitag, dem zweiten Verhandlungstag, mitteilte. Anschließend wurde die Verhandlung unterbrochen und soll am 11. Oktober (10.00 Uhr) fortgesetzt werden. Schreiber, der als Schlüsselfigur in der CDU-Spendenaffäre der 1990er Jahre gilt, hatte zum Prozessauftakt am Montag einen Befangenheitsantrag gegen die richterliche Besetzung der 10. Strafkammer eingelegt. Das Landgericht Augsburg hatte Schreiber bereits im Jahr 2010 zu einer achtjährigen Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Der Bundesgerichtshof machte allerdings im vergangenen Jahr eine Reihe von Rechtsfehlern aus und verwies das Verfahren zur Neuverhandlung an das Landgericht zurück. 2010 hatte es das Landgericht als erwiesen angesehen, dass Schreiber von 1988 bis 1993 rund 7,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen hatte. Er habe in diesem Zeitraum rund 33 Millionen Euro an Provisionen für die Vermittlung von Airbus-Flugzeugen nach Thailand und Kanada sowie von Panzern des Typs „Fuchs“ nach Saudi-Arabien kassiert, diese aber nicht versteuert. Schreiber riskiert höhere Strafe In der Neuauflage des Prozesses soll nun geprüft werden, ob Schreiber weiterhin wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden kann. Im Detail muss geklärt werden, ob Schreiber zu der Zeit in Deutschland oder in Kanada, wo er damals gelebt hat, steuerpflichtig war. Da nicht nur Schreibers Revision erfolgreich war, sondern auch die der Staatsanwaltschaft, könnte die Strafe für Schreiber letztlich höher ausfallen. So könnte noch eine Verurteilung wegen Bestechung hinzukommen. Mit einem schnellen Prozessende ist nicht zu rechnen. Insgesamt sind allein bis Mitte November zwölf Verhandlungstage angesetzt. Dabei sollen auch prominente Zeugen gehört werden. So ist für den 16. Oktober der Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, Max Josef Strauß, geladen. Am 22. Oktober soll außerdem der wegen betrügerischen Bankrotts zu einer Gefängnisstrafe verurteilte ehemalige Verteidigungsstaatssekretär und Verfassungsschutzpräsident Ludwig-Holger Pfahls aussagen. dapd (Politik/Politik)
Gericht erklärt ehemaligen KZ-Arzt Heim für tot
Baden-Baden (dapd). Das Landgericht Baden-Baden hat einen der meistgesuchten NS-Verbrecher für tot erklärt und das Strafverfahren gegen ihn eingestellt. Das Landgericht Baden-Baden kam nach langwierigen Untersuchungen zu dem Schluss, dass der ehemalige KZ-Arzt Aribert Heim 1992 in Ägypten starb. Heim galt lange Jahre als die Nummer Eins der noch am Leben vermuteten NS-Verbrecher. Im Konzentrationslager Mauthausen soll er 1941 mehr als 300 Menschen auf bestialische Weise umgebracht haben. Nach dem NS-Mediziner wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht. Er war Revierarzt im österreichischen Konzentrationslager Mauthausen. Dort soll er laut Gericht im Zeitraum Oktober bis November 1941 in zahlreichen Fällen Häftlinge durch Spritzen oder nicht notwendige Operationen grausam getötet haben. Ihm wird vorgeworfen, beispielsweise gesunden Häftlingen bei vollem Bewusstsein Organe entnommen zu haben. Nach dem Krieg arbeitete Heim zunächst unbehelligt weiter, bis 1962 hatte er in Baden-Baden eine gynäkologische Praxis. Dann tauchte er unter. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden erhob gegen Angeschuldigten 1979 Anklage. Heim konvertierte zum Islam und änderte Namen Nach Auffassung der Baden-Badener Schwurgerichtskammer ist davon auszugehen, dass Heim nach seiner Flucht in Ägypten untergetaucht und 1980 zum islamischen Glauben konvertiert ist. Unter dem fortan von ihm geführten Namen Tarek Hussein Farid sei er im Alter von 78 Jahren am 10. August 1992 in Kairo verstorben. Anfang Februar 2009 war eine gemeinsame Recherche von ZDF und „New York Times“ bekannt geworden, wonach der ehemalige KZ-Arzt bereits 1992 in Kairo an Darmkrebs gestorben sein soll. Einige Tage später wurden dem Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg über einen Mittelsmann Unterlagen über den angeblich toten Nazi-Verbrecher zugespielt. Die Aktentasche mit Unterlagen, die Heim gehört haben sollen, bewerten die LKA-Fahnder als echt. Nach den Unterlagen soll der Gesuchte Anfang 1963 unter seinem zweiten Vornamen Ferdinand mit einem Touristenvisum nach Ägypten eingereist sein. Das Landgericht Baden-Baden geht davon aus, dass sich der NS-Verbrecher zunächst über Jahre hinweg unter dem Namen Ferdinand Heim in Kairo verborgen gehalten hat. Gericht hat keine Zweifel an Identität des Toten Zunächst gab es Zweifel, ob es sich bei dem Verstorbenen Tarek Hussein Farid um den Gesuchten handelt. Den Richtern lagen zunächst keine gesicherten Unterlagen über die Konvertierung und den Namenswechsel vor. Im Frühjahr 2012 habe schließlich der Verteidiger des Heims neben weiteren Unterlagen eine Konvertierungsurkunde vorgelegt, heißt es in der Erklärung des Gerichts. Untersuchungen des Landeskriminalamts Baden-Württemberg hätten die Echtheit dieser Urkunde bestätigt. De Schwurgerichtskammer vernahm auch den Sohn des Verstorbenen als Zeugen. Dieser habe glaubhafte Angaben gemacht. Nach Auffassung der Richter verblieben keine Zweifel, dass Heim mit der Person Tarek Hussein Farid identisch ist und 1992 infolge eines Krebsleidens starb. Das ZDF begrüßt die offizielle Bestätigung für seine Recherchen zum Verbleib des NS-Verbrechers. Ein Großteil der Dokumente und Informationen, die für die Entscheidung des Gerichts jetzt relevant gewesen seien, stammten aus oder basierten auf den Recherchen von „New York Times“ und ZDF, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. „Wir sind froh, dass wir so zur Aufklärung des Geheimnisses um Aribert Heim beitragen konnten.“ dapd (Politik/Politik)
Hamburger Datenschützer erlässt Anordnung gegen Facebook
Hamburg (dapd-nrd). Im Streit über die automatische Gesichtserkennung beim sozialen Internet-Netzwerk Facebook hat der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar eine Verwaltungsanordnung gegen das Unternehmen erlassen. Damit soll Facebook davon abgehalten werden, biometrische Daten seiner Nutzer ohne deren Einverständnis zu erfassen und zu speichern, wie der Datenschutzbeauftragte am Freitag mitteilte. Zudem fordert er, dass Facebook seine Nutzer über die Risiken der automatischen Gesichtserkennung ausführlich informiert. Facebook hat einen Monat Zeit, Widerspruch einzulegen. Danach wäre die Anordnung rechtskräftig und die bereits erhobenen Daten von Hamburger Facebook-Nutzern müssten gelöscht werden. Laut Caspar kündigten auch andernorts Datenschützer entsprechende Verfahren an. dapd (Politik/Politik)
Magazin: Steinbrück wird Kanzlerkandidat
Berlin (dapd). Die SPD-Spitze hat am Freitag einen Medienbericht zurückgewiesen, wonach Ex-Finanzminister Peer Steinbrück Kanzlerkandidat werden soll. „Es gibt definitiv keinen neuen Stand in der K-Frage der SPD. Daran ändern auch die verschiedensten Medienveröffentlichungen nichts“, betonte Generalsekretärin Andrea Nahles in Berlin. Zuvor hatte das Magazin „Cicero“ (Oktoberausgabe) gemeldet, dass die Sozialdemokraten mit Steinbrück an der Spitze in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen. Darauf liefen die Gespräche zwischen Parteichef Sigmar Gabriel, Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Steinbrück hinaus. Mit dem 65 Jahre alten Steinbrück als Spitzenkandidat rechne sich die Troika gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die größten Wahlchancen aus. Nach „Angaben mehrerer mit dem Vorgang vertrauter Sozialdemokraten“ solle der Kanzlerkandidat noch vor Weihnachten ausgerufen werden, hieß es weiter. Dies solle der SPD rechtzeitig vor der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar 2013 einen Schub geben, um Ministerpräsident David McAllister (CDU) abzulösen und mit einem Erfolg ins Wahljahr zu starten. Zudem solle dem CDU-Bundesparteitag Anfang Dezember in Hannover etwas entgegengesetzt werden. Steinbrück hatte ebenso wie Steinmeier vor einigen Tagen definitiv ausgeschlossen, wieder Minister in einem Kabinett Merkel zu werden. Nach offiziellem Fahrplan will die SPD ihren Kanzlerkandidaten spätestens nach der Niedersachsen-Wahl bestimmen. dapd (Politik/Politik)