Berlin (dapd). Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) plant nach den Ermittlungspannen bei den Neonazi-Morden eine verstärkte Kontrolle des Verfassungsschutzes durch den Bundestag. Im „Spiegel“ kündigte der CSU-Politiker an: „Ich will die Transparenz gegenüber dem Parlament verstärken und weitere Möglichkeiten schaffen, die Arbeit der Geheimdienste zu begleiten.“ Er fügte hinzu: „Da werden wir mehr machen.“ Allerdings will Friedrich die Bundesbehörde nicht von Köln nach Berlin holen. „Ich mache die Leute jetzt nicht verrückt, ein Umzug ist nicht das Primäre“, sagte er dem Magazin. Stattdessen werde er bei einem Sondertreffen der Innenminister von Bund und Ländern auf mehr Kompetenzen für das Bundesamt dringen. Denkbar wäre eine ähnliche Regelung wie beim Bundeskriminalamt, nach der das Bundesamt in besonderen Situationen Fälle an sich ziehen kann. Möglich wäre überdies, sogenannte V-Leute zentral zu führen, schreibt das Blatt. Auch Innenpolitiker von Koalition und Opposition sprachen sich dafür aus, noch in dieser Wahlperiode die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes auszubauen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), sagte den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe: „Ich bin für eine verstärkte Kontrolle und offen für alle Vorschläge.“ Der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff kündigte an, die FDP werde nach der Sommerpause konkrete Vorschläge für Bund und Länder vorlegen. Vorstellbar seien sowohl eine personelle Verstärkung als auch neue Instrumente. Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann sagte den Zeitungen: „Wir müssen die Arbeit der Kontrollkommission im Bundestag auf ein solideres Fundament stellen.“ In der Praxis würden die Abgeordneten zwar erfahren, wenn etwas schief gelaufen sei, für die strukturelle Kontrolle gebe es aber zu wenige Personen. „Wie ein Hund vom Hof gejagt“ Friedrichs Vorgehen bei der Entlassung der Bundespolizeiführung steht derweil weiter in der Kritik. Uhl verteidigte zwar das Recht des Ministers, politische Beamte bei Vertrauensverlust ohne Begründung zu entlassen. Allerdings kritisierte er den Stil: „Was das Verfahren der Entlassung angeht, hätte das Innenministerium sicherlich eleganter vorgehen müssen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Der SPD-Abgeordnete Hartmann forderte Friedrich auf, sich zu den Gründen der Entlassung zu äußern. „Der Minister muss seine Motive nennen. Er kann keine wabernden Verdächtigungen im Raum stehen lassen“, sagte Hartmann der Zeitung. Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz kritisierte, Friedrich fehle das Gespür für sein Amt. Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland sagte, Friedrich habe selbst dafür gesorgt, dass es in der Bundespolizei nun eine geschlossene Front gegen ihn gebe. „Die Empörung in der Bundespolizei darüber, dass der Chef wie ein Hund vom Hof gejagt wurde, ist allgegenwärtig“, fügte Wieland hinzu. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, griff Friedrich scharf an und warf ihm mangelnde Führungskompetenz vor: „Innenminister Friedrich hat sein Ministerium nach wie vor nicht im Griff“, sagte Wendt der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Der Ressortchef versucht derweil, Vertrauen zurückzugewinnen. „Es gibt keinen Masterplan, die Bundespolizei näher an das Innenministerium zu rücken. Das ist Unfug“, sagte Friedrich und stellte im „Spiegel“ klar: „Auch eine Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei wird es nicht geben.“ dapd (Politik/Politik)
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Gabriel verlangt sozialen Patriotismus
Berlin (dapd). Mit einem Aufruf zu mehr „sozialem Patriotismus“ hat sich SPD-Chef Sigmar Gabriel einem Bündnis von Gewerkschaften und Sozialverbänden für eine neue Lastenteilung in Deutschland angeschlossen. Er forderte unter anderem die Streichung von Subventionen im Steuerrecht, die Erhöhung der Kapital-, Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung und einen höheren Spitzensteuersatz. Es sei gerechtfertigt, von den Wohlhabenden mehr zu verlangen. Hinter Reichtum stecke meist eine große persönliche Leistung. Andererseits werde niemand allein reich. „Immer gehört dazu auch ein Land mit guter Bildung, Rechtsstaat und sozialem Frieden“, sagte Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, verlangte, der „überflüssige Reichtum in den Händen weniger“ müsse „abgepumpt und in die Realwirtschaft umgeleitet werden“. Die Europäische Zentralbank sollte nur noch Anleihen solcher Länder kaufen, die eine Steuer auf Millionenvermögen einführten. Die Initiative „Umfairteilen“, ein Bündnis aus Sozialverbänden, Gewerkschaften und weiteren Organisationen, hatte am Freitag eine deutlich stärkere Steuerbelastung für Reiche und Vermögende verlangt. Damit sollten Staatsschulden beglichen und Investitionen etwa in die Bildung und die Energiewende bezahlt werden. „Steuerquellen sprudeln“ Der Bund der Steuerzahler stemmte sich gegen diese Forderungen. Er sehe keinen Bedarf für eine Steuererhöhung, sagte Präsident Reiner Holznagel am Samstag im Deutschlandfunk: „Die Steuerquellen sprudeln wie nie zuvor“. Es gebe auf der Einnahmenseite gar keine Probleme. Stattdessen müsse gespart werden. Es sei überdies fraglich, ob es wirklich möglich sei, die Superreichen zu treffen. Dieses Vermögen weniger Personen sei „sehr flexibel und sehr scheu“ und werde wahrscheinlich transferiert, gab der Präsident des Bundes der Steuerzahler zu bedenken. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sieht keinen Handlungsbedarf. „Wir haben in der großen Koalition mit der SPD ein Erbschaftssteuergesetz gemacht. Ich kann nicht erkennen, dass dieses Gesetz, das die SPD mit getragen hat, jetzt geändert werden müsse“, sagte Kauder im Deutschlandfunk. dapd (Politik/Politik)
Empörung über Irmers Kritik am Islam
Wiesbaden (dapd). Mit seinem Vorwurf, die bewusste Täuschung Ungläubiger gehöre zum Wesen des Islam, hat der hessische CDU-Politiker Hans-Jürgen Irmer Empörung ausgelöst. Irmers Äußerungen seien „blanker Unsinn und darüber hinaus schlicht unverschämt gegenüber den in Deutschland lebenden Muslimen“, erklärten die Grünen am Wochenende in Wiesbaden. Die SPD forderte eine Entschuldigung. Der bildungspolitische Sprecher der hessischen CDU-Landtagsfraktion hatte am Freitag dem Sender HR-Info gesagt, die bewusste Täuschung des Gegners oder des Ungläubigen gehöre zum Wesen des Islam und werde dort noch nicht einmal als etwas Unanständiges empfunden. „Sondern es liegt in der Sache, dass man aufgrund dieser von Allah gewollten Täuschung dem höheren Zwecke dient, nämlich die Ausbreitung des Islam weltweit zu fördern“, fügte Irmer hinzu. Irmer: Ditib kooperiert mit der türkischen Regierung Hintergrund seiner Äußerungen sind Überlegungen der Landesregierung, an hessischen Schulen einen islamischen Religionsunterricht einzuführen und unter anderem den muslimischen Dachverband Ditib als Partner mit ins Boot zu holen. Irmer sagte dem Sender, er halte Ditib nicht für einen geeigneten Partner für den Islamunterricht. Es gebe eine zu enge Kooperation zwischen der Organisation und der türkischen Regierung. Er wolle nicht alle Muslime unter Generalverdacht stellen, doch gesunde Skepsis gegenüber islamischen Religionsverbänden sei mit Sicherheit angebracht. „Ditib repräsentiert ja nur einen kleinen, überschaubaren Prozentsatz der Muslime“, fügte Irmer hinzu. SPD und Grüne reagierten entsetzt auf Irmers Äußerungen. Der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gerhard Merz, erklärte, Irmers Ausfälle gegen den Islam und islamische Religionsgemeinschaften seien „zunehmend unerträglich“. Ein Machtwort der CDU-Spitze und eine Entschuldigung bei den islamischen Verbänden sei unabdingbar. Dass ein führender CDU-Landespolitiker einer Organisation wie dem Ditib-Landesverband bewusste Täuschung unterstelle und damit der Landesregierung gleichzeitig unterstelle, sie habe sich hinters Licht führen lassen, sei „selbst für Irmer’sche Verhältnisse ein starkes Stück“, betonte Merz. Irmer beleidige damit nicht nur einen wichtigen Partner im Verhältnis zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, sondern er stelle auch der eigenen Landesregierung ein Armutszeugnis aus. „Das müsste eigentlich in einer Partei und in einer Koalition, die auch nur einen Funken Selbstachtung hat, zu Konsequenzen führen“, fügte Merz hinzu. Die Grünen forderten die Landesregierung dazu auf, sich „schnell und unmissverständlich“ von Irmers Aussagen zu distanzieren. Die Vorwürfe des Unions-Politikers machten überdeutlich, dass die hessische CDU den islamischen Religionsunterricht nicht wolle und auch weiterhin gegen jede Vernunft versuche, die Einführung zu verhindern, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Mathias Wagner. Dabei sei das Angebot eines Religionsunterrichts – egal für welche Religion – kein Gnadenakt von Politikern, sondern ein Rechtsanspruch, der sich unmittelbar aus der Verfassung ergebe. dapd (Politik/Politik)
Wagenknecht gegen Austritt Griechenlands aus Eurozone
Berlin (dapd). Die Linke-Vizechefin Sahra Wagenknecht hat sich gegen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone ausgesprochen. „Wenn Griechenland aus dem Euro austritt, wird es seine Schulden nicht mehr bezahlen können. Das wird Deutschland 80 Milliarden Euro kosten“, sagte Wagenknecht der Zeitung „Bild am Sonntag“. Sie fügte hinzu: „Hätte die Bundesregierung Griechenland vor zwei Jahren bankrottgehen lassen, hätten Banken und Hedgefonds geblutet. Jetzt blutet der Steuerzahler.“ Die Linke-Politikerin kritisierte zudem scharf die Sparauflagen für das Land: „Die brutale Kürzungspolitik bei Arbeitnehmern und Rentnern hat die Wirtschaftskrise dramatisch verschlimmert. Damit steigen die Schulden weiter. Eine sinnvolle Auflage wäre es gewesen, eine hohe Vermögenssteuer für die griechische Oberschicht einzuführen.“ Wagenknecht weiter: „Das Defizit muss verringert werden. Aber nicht durch Renten- und Lohnkürzungen, sondern durch Millionärssteuern. Reiche zahlen in Griechenland praktisch nichts. Das ist ein Skandal.“? dapd (Politik/Politik)
Polizeigewerkschafter Wendt attackiert Innenminister Friedrich
Berlin (dapd). Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) scharf angegriffen und ihm mangelnde Führungskompetenz vorgeworfen. „Innenminister Friedrich hat sein Ministerium nach wie vor nicht im Griff“, sagte Wendt am Samstagabend der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Wendt reagierte damit auf einen „Focus“-Bericht, demzufolge Leibwächter der Bundespolizei im Auslandseinsatz über Jahre hinweg Überstunden falsch abgerechnet haben sollen. „Offensichtlich wird mit diesen erneuten öffentlichkeitswirksam aufbereiteten Vorwürfen gegen die Bundespolizei jetzt von den üblichen Verdächtigen der Versuch unternommen, im Nachhinein die stil- und würdelose Entlassung des Bundespolizeipräsidenten Seeger zu rechtfertigen“, sagte Wendt weiter. Friedrich hatte den Behördenpräsidenten Matthias Seeger und dessen beiden Stellvertreter ohne nähere Angabe von Gründen von ihren Aufgaben entbunden. Dem Nachrichtenmagazin zufolge sollen Personenschützer der Bundespolizei an deutschen Botschaften in Kabul und Bagdad ihre Überstundenabrechnungen manipuliert haben. Der entstandene Schaden summiere sich auf mehrere Hunderttausend Euro, schreibt das Blatt unter Berufung auf Fachbeamte. Das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium hätten die Leitung der Bundespolizei auf die Missstände hingewiesen, berichtet das Magazin. Wendt rügt „Schmutzkampagne“ DPolG-Chef Wendt hatte die Absetzung der kompletten Spitze der Bundespolizei bereits unmittelbar nach Bekanntwerden scharf kritisiert. Wendt appellierte erneut an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), „sich jetzt eindeutig vor ihre Bundespolizei zu stellen und mit der Faust auf den Tisch zu hauen, damit endlich Schluss ist mit dieser unerträglichen Schmutzkampagne gegen die Bundespolizei“. Wendt ergänzte: „Auf ihren Innenminister, der sich lieber im Glanz der olympischen Sommerspiele in London auf dem Traumschiff MS Deutschland zeigt und die Erklärungen für die Absetzung der gesamten Bundespolizeiführung weiter schuldig bleibt, können die Bundespolizisten sich ja offensichtlich nicht mehr verlassen, deshalb wird es die Kanzlerin wieder einmal persönlich richten müssen.“ Auch verwundere es nicht, dass sich bislang kein Nachfolger für den Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, habe finden lassen, „denn eine Führungsfunktion unter diesem Bundesinnenministerium zu übernehmen, gleicht doch einem beruflichen Himmelfahrtskommando“, kritisierte Wendt. Ziercke war Mitte Juli 65 Jahre alt geworden und müsste eigentlich schon im Ruhestand sein. dapd (Politik/Politik)
Ergo-Chef wehrt sich gegen den Vorwurf überhöhter Provisionen
Berlin (dapd). Der Vorstandsvorsitzende des Versicherungskonzerns Ergo, Torsten Oletzky, verteidigt sich gegen den Vorwurf überhöhter Provisionen. „Unsere Vermittler leisten eine gute Arbeit, die bezahlt werden muss. Und sie sind mit Sicherheit nicht überbezahlt“, sagte Oletzky der „Berliner Zeitung“. Verbraucherschützer hatten zuletzt immer wieder moniert, dass die Beiträge für langlaufende Kapitalversicherungen in den ersten Jahren fast nur der Begleichung von Verwaltungs- und Vermittlungsgebühren dienten. Als derzeit größte Herausforderung bezeichnete Oletzky die Kapitalanlage, denn die niedrigen Zinsen machten es bei der Neuanlage sehr schwer, rentabel zu arbeiten. So bringt eine deutsche Staatsanleihe mit zehn Jahren Laufzeit zurzeit 1,4 Prozent Rendite. Zugleich garantieren Versicherungen ihren Kunden aber einen Zinssatz von mindestens 1,75 Prozent. „Die Politik der Europäischen Zentralbank, die Märkte mit Geld zu fluten und die Zinsen so künstlich niedrig zu halten, geht zu Lasten aller Sparformen und damit auch der Lebensversicherung“, sagte der Ergo-Chef dem Blatt. Trotz der schlechten Rahmenbedingungen halte sein Konzern an der Jahresprognose fest. „Die Ergebnisziele, die wir uns zu Jahresbeginn gesetzt haben, halten wir auch heute noch für realistisch“, sagte Oletzky. Das Geschäft bei den Neuabschlüssen von Lebens- und Rentenversicherungen laufe derzeit aber nicht so, wie es sollte. „Dennoch wollen wir beim operativen Gewinn leicht zulegen. 2011 haben wir nach Steuern 349 Millionen Euro verdient. Für 2012 wollen wir bereinigt um Einmal- und Sondereffekte einen Gewinn von 400 Millionen Euro erzielen“, sagte Oletzky. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bad Nenndorfer protestieren gegen Neonazi-Aufmarsch
Bad Nenndorf (dapd). Ein breites bürgerliches Bündnis hat am Samstag im niedersächsischen Bad Nenndorf friedlich gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen protestiert. An der Aktion „Bad Nenndorf ist bunt“ beteiligten sich bis zu 700 Menschen, wie ein Polizeisprecher auf dapd-Anfrage in der Kurstadt sagte. Weiteren Gegendemonstranten gelang es indes, die Ankunft der Neonazis für mehrere Stunden zu verzögern. Es kam zu Blockaden am Bahnsteig in Bad Nenndorf, wo sich unter anderem acht Protestler mit Fahrradschlössern am Hals aneinandergekettet hatten und somit den anreisenden Bahnverkehr vorübergehend lahmlegten. Das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ unterstützen auch der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, und der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Dabei forderte Trittin eine offene Auseinandersetzung mit dem Rassismus im Alltag. Das Spiel konservativer Politiker wie dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer mit fremdenfeindlichen Vorurteilen mache Neonazis salonfähig, sagte er. Ferner sprach sich Trittin erneut für ein Verbot der NPD aus und forderte mit Blick auf die Mordserie der NSU, „beim Verfassungsschutz neu anzufangen anstatt nur ein paar Führungsleute auszuwechseln. Seit 2006 ziehen Rechtsextremisten aus dem In- und Ausland jeden Sommer zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee nach dem Zweiten Weltkrieg ein Verhörzentrum für gefangene Nationalsozialisten eingerichtet. „Aus Tätern sollen Opfer gemacht werden“, sagte Trittin weiter und warf den Neonazis „eine grandiose Geschichtsfälschung“ vor. Nach Einschätzung von Bad Nenndorfs Bürgermeisterin Gudrun Olk (SPD) sind Neonazis „ausdrücklich nicht erwünscht“ in der Stadt. „Bad Nenndorf bleibt ein Ort der Demokratie und Toleranz, in der Feinde der Demokratie keinen Platz haben“, sagte sie. Rechtsextremismus nicht als Normalität akzeptieren „Wir sind weder bereit, unsere Straßen und Plätze diesen Menschenfeinden zu überlassen, noch die Herzen und Köpfe der nachwachsenden Generation“, sagte Edathy. Rechtsextremismus sei zwar ein Stück Realität in unserem Land, doch er dürfe von Demokraten nicht als Normalität akzeptiert werden. Die Polizei war am Samstag mit etwa 2.000 Kräften und einer Drohne für Übersichtsaufnahmen im Einsatz. Die Lage sei bis zum Nachmittag weitgehend ruhig geblieben, sagte der Sprecher. Im Vorfeld hatten die Einsatzkräfte mit rund 2.000 Gegendemonstranten gerechnet. Auf Seiten der Rechtsextremen zählten die Beamten am Nachmittag etwa 400 bis 500 Teilnehmer. 2011 waren 580 Rechtsextreme nach Bad Nenndorf gekommen, 2010 mehr als 1.000. Mindestens ein Busfahrer des Schienenersatzverkehrs soll sich am Samstag geweigert haben, die Rechtsextremen in den Kurort zu fahren. So musste ein Teil der Neonazis zu Fuß von Haste nach Bad Nenndorf laufen. Blockade mit Pyramide Bereits seit Freitag hatten sich vier Gegendemonstranten mit ihren Armen an eine sogenannte Blockade-Pyramide gekettet. Die Aktivisten lagen nach eigenen Angaben seit Freitagabend um 20.00 Uhr auf dem Platz vor dem Wincklerbad. Die Außenhülle der Pyramide besteht der Polizei zufolge aus Metall. Mit einer Endoskopkamera blickten die Beamten am Morgen ins Innere und überprüften den Aufbau. Auch wurden die unter einem Zelt vor Regen geschützten Angeketteten ärztlich untersucht und später auch verpflegt. Um sie nicht zu verletzen, wurden die vier Protestler zunächst nicht aus der Pyramide befreit. Auch habe die Blockade den Aufmarsch der Rechtsextremen nicht gestört, sagte der Polizeisprecher weiter. Auch in Hannover wollten sich die Rechtsextremen am Samstagabend versammeln. Ein Demonstrationszug durch die Innenstadt wurde aber von den Behörden verboten. Stattdessen sollte es eine Kundgebung hinter dem Bahnhof geben. In der niedersächsischen Landeshauptstadt sind ebenfalls Gegenveranstaltungen angemeldet worden. dapd (Politik/Politik)
Berliner Politik ringt um Euro-Rettungskurs
Berlin (dapd). Der mögliche Staatsanleihenkauf der Europäischen Zentralbank (EZB) und eine Verschlimmerung der Lage in Griechenland heizen die Debatte über den Kurs der Euro-Rettung an. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) trat im „Tagesspiegel“ für einen Zusammenhalt der Eurozone ein und widersprach damit Vizekanzler Philipp Rösler (FDP), der sich skeptisch zu den Chancen auf einen Verbleib Athens im Euro geäußert hatte. Unterdessen berichtete die „Welt“, die EZB habe einen Bankrott Griechenlands offenbar vorerst abgewendet. Der Notenbankrat habe in seiner Sitzung am Donnerstag eine Zwischenfinanzierung Athens mit zusätzlichen Notkrediten der griechischen Zentralbank sichergestellt. Dadurch sei es der griechischen Regierung möglich, sich bis zu vier Milliarden Euro zusätzlich zu besorgen, die letztlich aus Zentralbankmitteln stammen. Spanien schloss derweil einen Hilfsantrag an den Euro-Rettungsschirm entgegen früherer Aussagen nicht mehr aus. Ministerpräsident Mariano Rajoy gab am Freitagabend bekannt, seine Regierung wolle mit einem 102,2 Milliarden Euro schweren Sparpaket das Vertrauen in die Staatsfinanzen wieder herstellen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) lehnte im „Focus“ eine Aufstockung des ESM-Rettungsfonds ebenso ab wie den verstärkten Ankauf europäischer Staatsanleihen. Von Griechenland forderte er mehr Tempo und Disziplin. Der Schlüssel dafür, dass Griechenland im Euroraum bleibt, liege in Athen. „Eines geht nicht: Hilfsprogramme vereinbaren, aber die zugesicherten Reformen infrage stellen.“ Gegen die Euro-Rettung formiert sich indes Widerstand in beispielloser Größe. Knapp 36.000 Bundesbürger hätten Vertretungsvollmachten für die von ihr vertretenen Verfassungsklagen gegen die umstrittenen Verträge zur Euro-Rettung unterzeichnet, sagte die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) der „Augsburger Allgemeinen“. Damit gilt die von zahlreichen Organisationen unterstützte Verfassungsbeschwerde des Vereins „Mehr Demokratie“ als größte Massenverfassungsklage in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Debatte über den möglichen Kauf von Anleihen angeschlagener Eurostaaten durch die EZB ging derweil weiter. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) kritisierte die Ankündigung des EZB-Präsidenten Mario Draghi scharf. „Die EZB geht einen gefährlichen Weg. Sie darf sich nicht vom Währungshüter zur Inflationsbank entwickeln“, sagte Söder der Zeitung „Bild am Sonntag“ einem Vorabbericht zufolge. Diesen Vorwurf bezeichnete wiederum SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Unverschämtheit, von der sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) distanzieren müsse. Steinmeier argumentierte, Draghi tue genau das, „was die europäischen Regierungschefs samt Merkel erwarten“. Die Kanzlerin selbst habe den erneuten Weg zu Anleihekäufen der EZB eröffnet. Der Philosoph Jürgen Habermas und zwei weitere prominente Autoren fordern mehr Macht für Brüssel zulasten der einzelnen EU-Staaten und die Einberufung eines Verfassungskonvents in Deutschland. Nur mit einer Vertiefung der europäischen Integration lasse sich die derzeitige Krise überwinden und Europas Einfluss in der Welt sichern, heißt es in einem gemeinsamen Beitrag des Philosophen und seines Kollegen Julian Nida-Rümelin sowie des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Von der Leyen (CDU) erklärte im „Tagesspiegel“: „Wir müssen das Vertrauen stärken, dass die Eurozone zusammenhält.“ Es irritiere die europäischen Partner und die Märkte, wenn in der Eurokrise aus der deutschen Politik unterschiedliche Signale kämen. dapd (Politik/Politik)
Grüne warnen vor Kauf bewaffneter Drohnen
Berlin (dapd). Die Grünen beurteilen die geplante Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr mit großer Skepsis. Besonders in Zeiten knapper Kassen sollte erst grundsätzlich über die Notwendigkeit und die Gefahr solcher unbemannten Flugzeuge diskutiert werden, erklärten am Samstag in Berlin die Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour und Agnieszka Brugger. Anlass sind Äußerungen von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), der den Kauf bewaffneter Drohnen befürwortet. Ethische Bedenken hat er dabei nicht. „Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen?“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“. Kritiker warnen hingegen davor, dass Drohnen zu illegalen Tötungseinsätzen missbraucht werden. Als Beispiel gilt die gezielte Jagd der US-Armee auf mutmaßliche Islamisten in Pakistan. Die Bundeswehr hat derzeit in Afghanistan die unbewaffnete Version der israelischen Heron-Drohne im Einsatz. Im Gespräch für ein bewaffnetes Modell ist die US-Drohne Predator B. Entschieden werden soll frühestens im Herbst. Nouripor und Brugger erklärten, die ethische Dimension einer solcher Beschaffung müsse bei der Debatte im Vordergrund stehen. „Der Hinweis des Ministers über die ethische Neutralität von Waffen ist schlicht falsch. Das hat die schreckliche Erfahrung der letzten Jahrzehnte auch mit konvenionellen Systemen wie Streumunition oder Anti-Personen-Minen gezeigt.“ Nach den Worten de Maizières erwägt die Bundeswehr von 2014/2015 an eigene unbemannte Luftfahrzeuge zu kaufen. Eine Umrüstung der auf dem Weltmarkt hauptsächlich verfügbaren bewaffneten Drohnen mache dabei aus seiner Sicht „wenig Sinn“. Laut de Maizière arbeitet die Bundesrepublik zudem mit Frankreich und Großbritannien an der Entwicklung einer europäischen Drohne. Eine solche könne „hoffentlich in den Jahren nach 2020 auch einsatzfähig verfügbar“ sein, sagte der Minister. dapd (Politik/Politik)
Philosoph Habermas fordert mehr Macht für Brüssel
Frankfurt/Main (dapd). Der Philosoph Jürgen Habermas und zwei weitere prominente Autoren fordern mehr Macht für Brüssel zulasten der einzelnen EU-Staaten und die Einberufung eines Verfassungskonvents in Deutschland. Nur mit einer Vertiefung der europäischen Integration lasse sich die derzeitige Krise überwinden und Europas Einfluss in der Welt sichern, heißt es in einem gemeinsamen Beitrag des Philosophen und seines Kollegen Julian Nida-Rümelin sowie des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der Text solle Grundlage für das nächste SPD-Programm sein. Der Bundesregierung werfen Habermas, Bofinger und Nida-Rümelin Perspektivlosigkeit und eine falsche Diagnose der Krisenursachen vor. Es handele sich weder um eine Euro- noch um eine Schuldenkrise. Vielmehr leide Europa an einer Refinanzierungskrise einzelner Staaten, die ihren Grund in der mangelnden institutionellen Absicherung habe. dapd (Politik/Politik)