Köln (dapd). Die Bundesbürger können sich von ihrer Arbeit durchschnittlich das Gleiche kaufen wie vor 20 Jahren. So erfordert wie schon 1991 der Preis für ein Bier eine Arbeitszeit von drei Minuten, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln am Dienstag mitteilte. Um ein Kilogramm Schweinekotelett kaufen zu können, genügte 2011 eine halbe Stunde Arbeit – vor 20 Jahren waren es den Angaben zufolge noch 36 Minuten. Auch Textilien und Schuhe verbilligten sich relativ. Anders ist die Entwicklung beim Benzinpreis: Für einen Liter Superbenzin muss nun sechs statt wie damals vier Minuten gearbeitet werden. Während die Löhne in dem Zeitraum den Angaben zufolge um 45 Prozent stiegen, zogen die Preise für Waren und Dienstleistungen um 43 Prozent an. Die für 1991 ermittelten Kaufkraftwerte beziehen sich laut IW auf Westdeutschland. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
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Koalition nach Moody’s-Entscheidung betont gelassen
Berlin (dapd). Die Regierungskoalition reagiert demonstrativ gelassen auf die Entscheidung der Ratingagentur Moody’s, den Ausblick für die deutsche Bonität herabzustufen. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betont die Stärke der hiesigen Wirtschaft, auch Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) hält das Land für „gut aufgestellt“. FDP-Haushälter Otto Fricke warnt allerdings davor weitere milliardenschwere Risiken für die Unterstützung anderer Euro-Länder zu übernehmen. Moody’s hatte in der Nacht zum Dienstag die Bestnote AAA für Deutschlands Kreditwürdigkeit bestätigt, den Ausblick für die Bonität aber auf negativ gesenkt. Ebenso erging es den Niederlanden und Luxemburg. Zu Begründung wurde das „Ausmaß der Ungewissheit über den Ausblick für den Euroraum“ angeführt. Wirtschaft „in sehr guter Verfassung“ Vizekanzler Rösler sagte der „Rheinischen Post“, auf europäischer Ebene bestünden die bekannten Risiken, „aber wir sind vom mittel- bis langfristigen Erfolg der umfangreichen eingeleiteten Maßnahmen zur Vertiefung der Stabilitätsunion überzeugt“. Die deutsche Wirtschaft sei zudem „weiterhin strukturell in sehr guter Verfassung“. Ähnlich äußerte sich in einer nächtlichen Stellungnahme das Bundesfinanzministerium. Auch Unions-Fraktionsvize Meister betonte Deutschlands Stärke. „Die Vergabe der Bestnote zeigt, dass Deutschland wirtschaftlich und finanzpolitisch gut aufgestellt ist“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe). Er zeigte sich optimistisch, dass der Ausblick bald wieder auf stabil gesetzt wird. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle bezeichnete die Moody’s-Entscheidung als „eher kurzfristig, vielleicht auch ein bisschen kurzsichtig“. Die Bundesrepublik habe ein solides Wirtschaftswachstum und die Beschäftigungslage sei „hervorragend“, sagte er der „Welt“. Die Märkte hätten großes Vertrauen in das Land. Michelbach hält weitere Hilfspakete für „schwer möglich“ Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Fricke, interpretierte die neue Einschätzung von Moody’s als Warnung. Die Entscheidung besage, wenn Deutschland für die Euro-Rettung „weitere Milliarden an Hilfen aufnimmt, ohne dass sich in den Ländern etwas ändert, dann geht es in eine negative Richtung“, sagte er dem Sender n-tv. Diese Einschätzung teilte CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. Die Herabstufung des Ausblicks sei ein Hinweis, „dass auch Deutschland nicht grenzenlos belastbar ist“, sagte der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union in Berlin. Deutschland habe „einen erheblichen Solidaritätsbeitrag“. Weitere Lasten zu übernehmen, sei nur „schwer möglich“ und „den Bürgern kaum zu vermitteln“. Deutschland befinde sich allerdings „auf einem stabilen Wachstumspfad“, sagte Michelbach und fügte hinzu: „Deshalb ist die neue Bewertung von Moody’s kein Grund zu Unruhe.“ Das sieht SPD-Fraktionsvize Joachim Poßähnlich. Er bezeichnete die Moody’s-Entscheidung im dapd-Interview als „wirtschaftspolitische Binse“, für die man keine Ratingagentur brauche. Dass sich vor allem die kurzfristigen Risiken für Deutschland zuletzt vergrößert hätten, sei allgemein bekannt. Poß unterstellte dem Unternehmen zugleich, absichtlich einen kritischen Zeitpunkt gewählt zu haben. Es falle auf, „dass sich Moody’s hervortut in Situationen, die besonders fragil sind“, sagte er mit Blick auf die Lage in der Eurozone. dapd (Politik/Politik)
Eurogruppe sichert Stabilität der Währungszone zu
Brüssel (dapd). Nach der Senkung des Bonitätsausblicks für Deutschland durch Moody’s hat die Eurogruppe ihr Bekenntnis zum Euro bekräftigt. „Vor diesem Hintergrund wiederholen wir unser starkes Bekenntnis, die Stabilität der gesamten Eurozone sicherzustellen“, erklärte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am Dienstagmorgen. Die Ratingagentur Moody’s hatte am späten Montagabend zwar die höchste Kreditwürdigkeit (AAA) für Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Finnland bestätigt. Zugleich senkte sie wegen erwarteter weiterer Lasten durch die Schuldenkrise ihren Ausblick für Deutschland, die Niederlande und Luxemburg auf „negativ“. Nur Finnland behielt den stabilen Ausblick. „Wir nehmen die Entscheidung von Moody’s zur Kenntnis“, erklärte Juncker. Er betonte zugleich, dass das AAA für alle vier Länder beibehalten worden sei. © 2012 AP. All rights reserved (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bank: Pleite Griechenlands könnte Deutschland 83 Milliarden Euro kosten
Düsseldorf (dapd). Eine Staatspleite Griechenlands würde die deutschen Steuerzahler nach einer aktuellen Schätzung der Dekabank kurzfristig 83 Milliarden Euro kosten. „Darin enthalten sind die deutschen Anteile an den Auszahlungen aus dem ersten und zweiten Rettungspaket für Athen von bisher 15 und 22 Milliarden Euro“, sagte Dekabank-Experte Carsten Lüdemann der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe). Hinzu kämen weitere 13 Milliarden Euro an Verpflichtungen, die sich für Deutschland ergäben, weil die Europäische Zentralbank (EZB) im Pleitefall wertlose griechische Staatsanleihen in ihren Büchern stehen hätte. Zudem müsse Deutschland 30 der 106 Milliarden Euro schultern, die die griechische Notenbank über das sogenannte Target-System der europäischen Notenbanken der Bundesbank schulde. Aus den Zahlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Griechenland ergäbe sich darüber hinaus für Deutschland ein Kostenanteil von drei Milliarden Euro. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Moody’s senkt Ausblick für Deutschland auf negativ
London/Berlin (dapd). Die Ratingagentur Moody’s gibt der Kreditwürdigkeit Deutschlands weiterhin die Bestnote Aaa, hat den Ausblick allerdings auf negativ gesenkt. Ebenso erging es inmitten der Krise in der Eurozone den Niederlanden und Luxemburg, wie Moody’s am Montag in London mitteilte. Besser erging es Finnland: Es behielt sein Aaa-Rating und einen stabilen Ausblick. Das Bundesfinanzministerium in Berlin erklärte, zunächst einmal habe Moody’s das höchst Rating für Deutschland basierend auf den anerkannten Stärken der deutschen Wirtschaft und Politik bestätigt. Die Senkung des Ausblicks auf „negativ“ mit Hinweis auf die „bekannten Risiken aus der europäischen Schuldenkrise“ nehme es als „Meinung von Moody’s“ zur Kenntnis. Längerfristige Stabilisierungsaussichten blieben aber unerwähnt. „Die Eurozone hat eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Eurozone führen werden“, betonte das Ministerium. Moody’s begründete in seiner Pressemitteilung den negativen Ausblick für Deutschland, die Niederlande und Luxemburg mit dem „Ausmaß der Ungewissheit über den Ausblick für den Euroraum“. Die möglichen Auswirkungen plausibler Szenarien über Mitgliedstaaten rechtfertigten nicht mehr einen stabilen Ausblick. So wäre nach Moody’s Einschätzung ein griechischer Austritt aus dem Euro „eine materielle Bedrohung für den Euro“. Kettenreaktion befürchtet Trotz einer starken Reaktion der Eurostaaten würde damit eine „Kettenreaktion von Schocks im Finanzsektor und ein Liquiditätsdruck auf Staaten und Banken“ in Gang kommen, die von der Politik nur zu einem sehr hohen Preis eingedämmt werden könnten. Zudem reagierten die EU-Staaten nur auf die Krise, was zu keinem stabilen Ergebnis führen werde. Das Risiko werde von der Schuldenlast Spaniens und Italiens und deren immer teurer werdenden Finanzierung erhöht. In Deutschland sei zudem der Bankensektor anfällig, sollte sich die Schuldenkrise in Europa verschärfen, schrieb Moody’s. Die deutschen Banken seien geschäftlich besonders mit Spanien und Italien verbunden, was das Risiko vergrößere. Das Rating für die deutsche Bad Bank FMS Wertmanagement wurde ebenfalls von stabil auf negativ gesenkt. Das Aaa-Rating der Anstalt wurde jedoch bestätigt. Eine Herabstufung droht Deutschland, sollte das Bankensystem gestützt werden müssen und damit die Staatsverschuldung steigen, erklärte Moody’s weiter. Gleiches gelte, wenn ein Land die europäische Währungsunion verlasse, was mit hohen Kosten für Deutschland verbunden wäre. Und auch wenn die Kosten für die Refinanzierung stark ansteigen würden, könnten Deutschland seine Topbewertung verlieren. Zu Finnland erklärte Moody’s, das Land betreibe eine konservative Haushaltspolitik und habe stets die Maastricht-Kriterien eingehalten. Das finnische Bankensystem sei gesund und hauptsächlich auf das Inland ausgerichtet. Finnland verkaufte zudem nur einen relativ kleinen Teil seiner Exporte in den Euroraum, was die Anfälligkeit für Turbulenzen dort reduziere. Spanien und Italien verbieten Leerverkäufe Angesichts der von neuen spanischen Hiobsbotschaften ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten hatten Spanien und Italien zuvor ein Leerverkäufe-Verbot verhängt. Dies sei angesichts der Volatilität an den europäischen Märkten beschlossen worden und solle für drei Monate gelten, teilte die spanische Börsenaufsicht am Montag mit. In Italien untersagte die Börsenaufsicht Leerverkäufe von Aktien, nachdem der Leitindex FTSE-MIB an der Mailänder Börse am Morgen vorübergehend um mehr als fünf Prozent abgestürzt war. Das Verbot soll eine Woche gelten. Der Handel mit Aktien einiger Banken und Finanzgruppen wurde nach starken Verlusten vorübergehend ausgesetzt. Grund für den Einbruch war die Furcht vor einer weiteren Verschärfung der Schuldenkrise in Europa. Investoren befürchten, dass auch Spanien unter den internationalen Rettungsschirm schlüpfen muss. Für eine Hilfe an Italien wäre dann nicht mehr ausreichend Geld vorhanden. In Spanien jagte zum Wochenauftakt eine schlechte Nachricht die nächste: Die Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal weiter – um 0,4 Prozent. Der Risikoaufschlag für zehnjährige Anleihen stieg auf ein kritisches Niveau. Und nach Valencia will nun offenbar auch die Region Murcia um finanziellen Beistand der Zentralregierung bitten. © 2012 AP. All rights reserved (Wirtschaft/Wirtschaft)
Unionsfraktionsvize Meister lehnt drittes Griechenland-Paket ab
Düsseldorf (dapd). Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) lehnt ein drittes Rettungsprogramm für Griechenland ab. Die griechische Regierung will erreichen, dass vereinbarte Spar- und Reformziele nicht bis 2014, sondern erst bis 2016 umgesetzt werden müssen. „Wenn mehr Zeit auch mehr Geld bedeutet, halte ich das für nicht umsetzbar“, sagte Meister der Zeitung „Rheinische Post“ (Dienstagausgabe). Jetzt sei es an der griechischen Seite, „zu liefern“. dapd (Wirtschaft/Politik)
Koalitionspolitiker: Afghanen sollen nach Deutschland ausreisen können
Berlin (dapd). Nach dem Abzug der internationalen Schutztruppe ISAF aus Afghanistan könnten bis zu 1.700 Afghanen, die im Norden des Landes für die Deutschen arbeiten, ihre Jobs verlieren. Politiker der Koalition fordern nun die Bundesregierung auf, ihren moralischen Verpflichtungen diesen Menschen gegenüber nachzukommen und ihnen die Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen. „Viele der Ortskräfte, die für die Bundeswehr im Norden Afghanistans arbeiten, haben sich durch ihre Tätigkeit einer besonderen Gefährdung ausgesetzt“, sagte die FDP-Politikerin Elke Hoff der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstagausgabe). „Diese Menschen dürfen wir nach der Rückverlegung 2014 nicht einfach im Stich lassen.“ Ihr CDU-Kollege Ernst-Reinhard Beck sagte: „Wenn wir unsere Verantwortung nicht ernst nehmen, riskieren wir einen schweren Vertrauensverlust.“ Derzeit befasst sich eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe mit diesem Thema. Die Federführung liegt beim Bundesinnenministerium, das später auch für Visa zuständig wäre. Während viele Afghanen bereits auf eine Ausreise nach Deutschland hoffen, will die Bundesregierung ihnen aber eher vor Ort helfen. dapd (Politik/Politik)
Trittin verlangt weiter NPD-Verbot
Hamburg (dapd). Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verlangt trotz der Aktenvernichtung beim Verfassungsschutz ein NPD-Verbotsverfahren. Die NPD gehöre verboten, sagte Trittin dem „Hamburger Abendblatt“ (Dienstagausgabe). „Wir müssen weiter die Voraussetzungen für ein erfolgreiches NPD-Verbot schaffen“, ergänzte er. Zuvor hatte der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), das Verfahren für „so gut wie erledigt“ erklärt. Trittin erklärte hierzu: Wenn der Pfusch beim Verfassungsschutz das Vorhaben gefährde, dann sei dies eine schallende Ohrfeige für die Koalition und insbesondere die Union. „Sollte ein Verbotsverfahren wegen der Aktenvernichtung scheitern, würde der Innenminister dafür eine schwere Verantwortung tragen.“ dapd (Politik/Politik)
Dann ist der Euro nicht zu halten
Brüssel (dapd). Hat ein Euro-Austritt Athens tatsächlich „längst seinen Schrecken verloren“, wie FDP-Chef Philipp Rösler gerade im Sommerinterview daher plauderte? Sollte die Eurozone das Wagnis eingehen, den Hellenen den Geldhahn zuzudrehen und das Land in die Pleite zu schicken? In Griechenland sorgen die Aussagen aus Deutschland für Wut, an den Märkten für neue Verunsicherung. Denn auch wenn die Währungsunion inzwischen besser für einen radikalen Schritt gewappnet scheint als vor zwei Jahren: Für den Ernstfall rechnen Experten mit massiven Attacken gegen Spanien, Italien und Co., weil ein Austritt plötzlich möglich scheint. Beim „Grexit“ steht die Zukunft des Euros auf dem Spiel – noch immer. Richtig ist: Viele Unternehmen haben sich eingestellt auf den Exit des griechischen Intensivpatienten. Die ausländischen Banken haben sich inzwischen weitgehend aus Südeuropa zurückgezogen. Die Pleite Athens würde also für die deutschen oder französischen Banken nicht notgedrungen einen Lehman-Effekt haben. Doch während die Geldinstitute weitgehend verschont blieben, müsste der Steuerzahler umso stärker bluten: Mit rund 45 Milliarden Euro steht Athen über die laufenden Programme bei der Bundesrepublik in der Kreide – das Geld wäre futsch. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat laut Schätzungen für 50 Milliarden Euro griechische Anleihen gekauft, für rund ein Viertel davon haftet Berlin. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat die Gesamtkosten eines Griechenland-Austritts für Deutschland beziffert: Auf 86 Milliarden Euro. Die größte Gefahr liegt indes nicht in den als schmerzhaft aber verkraftbar anmutenden Abschreibungen. Die größte Gefahr liegt in der Ansteckungsgefahr für andere Wackelkandidaten. Die Zinsen für Spanien schossen am Montag prompt auf ein neues Rekordhoch von 7,46 Prozent, das ist weit im roten Bereich. Auch Italien steht das Wasser bis zum Hals. Zwar wird dafür – bei grünem Licht vom Bundesverfassungsgericht – der dauerhafte Rettungsschirm ESM aufgespannt. „Doch selbst mit dem ESM wird die Eurozone dem Druck nicht lange standhalten können, weil auch im ESM die Mittel zu begrenzt sind“, meint Guntram Wolff, Vizedirektor des Brüsseler Thinktanks Bruegel. Spätestens nach einem Jahr müsste die Grundsatzentscheidung getroffen werden: „Bleiben wir in einem gemeinsamen Währungsraum und nehmen diese Länder komplett vom Markt – oder der Zerfall geht weiter und Spanien und Italien würden den Euroraum verlassen.“ Dass der politische Wille für die erste Variante in Berlin, in Helsinki oder Den Haag groß genug ist, ist mehr als fraglich. Aber ohne diesen unbegrenzten politischen Willen wären die Folgen nicht zu kontrollieren, mein Wolff. „Dann ist der Euro nicht zu halten.“ Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist das keine Option, sie hat den Euro als „Schicksalsgemeinschaft“ bezeichnet. Wie weit Rösler bei seinen Zündeleien gedacht hat: Ob er nach Athen auch den Euro fallen lassen würde, oder nur den Verdruss über Griechenland bedienen wollte, sei dahin gestellt. Die Hellenen selbst sind empört. Wie sollen etwa die Privatisierungen vorangetrieben werden, wenn zugleich heftig über die Staatspleite spekuliert wird? Denn das würde die Wirtschaft erst mal ins Chaos stürzen – und alle Investitionen sinnlos machen. Dessen ungeachtet gibt es auch unter Fachleuten Befürworter eines Griechenland-Austritts. So meint etwa Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts, nur durch die Einführung einer abgewerteten Drachme könne das Land wieder auf die Beine kommen. Doch damit das klappt, bräuchten die Hellenen Exportgüter, die massenhaft im Ausland gekauft würden. Die sind bisher nicht gefunden. Und die Idee, die Nordländer könnten dem Südland seinen Sonnenstrom abkaufen, wurde auch von Deutschland schon begraben. Das Land steckt in der Sackgasse, und damit auch die Eurozone. Und auch nach zweieinhalb Jahren ist das Licht am Ende des Tunnels noch nicht in Sicht. Weil der Zusammenbruch des Euro zu riskant ist, empfiehlt Schuldenfachmann Wolff, einen anderen Schlussstrich zu ziehen: Nach den privaten müssten auch die öffentlichen Gläubiger – allen voran Deutschland – Griechenland seine Schulden erlassen. Beim Staatsbankrott und Euro-Rauswurf wäre das Geld schließlich auch verloren. „Die Forderungen, die wir aus dem jetzigen Hilfsprogramm haben, die werden wir sowieso nicht zurückbekommen“, sagt er. Ein Schuldenerlasse für Athen: Das würde Griechenland retten. Für die Koalition in Berlin wäre es dagegen der Todesstoß. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
Wolff: Unsere Forderungen bekommen wir sowieso nicht zurück
Brüssel (dapd). Bevor die Griechen pleitegehen, verzichten wir lieber von uns aus – diese Haltung empfiehlt der Brüsseler Thinktank Bruegel den Euro-Partnern des hoch verschuldeten Landes. „Unsere Forderungen aus dem jetzigen Hilfsprogramm bekommen wir sowieso nicht zurück“, sagte Vizedirektor Guntram Wolff der Nachrichtenagentur dapd. „Es wäre für Griechenland und den Euro-Raum deshalb sinnvoller, diesen Schuldenüberhang durch einen Gläubigererlass der Geberländer zu bekämpfen, weil der bei einem Euro-Austritt oder Staatsbankrott letztlich sowieso kommen würde.“ Unter dem jetzigen Rettungsprogramm werde Athen seine Schuldenquote keinesfalls auf die anvisierten 120 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 drücken können, glaubt Wolff. Insofern sollten die internationalen Geldgeber lieber bessere Bedingungen für Griechenland definieren, ihre Forderungen größtenteils abschreiben und die fälligen Kreditrückzahlungen zeitlich nach hinten strecken. Athen steht nicht nur mit gut 45 Milliarden Euro für die beiden Rettungspakete bei der Bundesrepublik in der Kreide. Darüber hinaus hat die Europäische Zentralbank (EZB) Schätzungen zufolge für 50 Milliarden Euro Staatsanleihen aufgekauft. Der deutsche Haftungsanteil dafür liegt bei einem guten Viertel. Über das komplizierte Verrechnungssystem Target II zwischen den nationalen Notenbanken schuldet Griechenland der EZB noch einmal mehr als 100 Milliarden, an denen Deutschland beteiligt ist. Notlieferungen für Griechenland und Kritik an Rösler Aber auch für Athen hätte eine Pleite gravierende Folgen, glaubt Wolff. „Griechenland wäre erst einmal vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten.“ Im Falle ihrer Wiedereinführung würde die Drachme zudem um mindestens 50 Prozent abwerten, dem Land drohe ein wirtschaftliches Chaos. „Das bedeutet auch, dass Energie- und Arzneimittelimporte unglaublich teuer würden und man dann wahrscheinlich sogar mit den großen Energie- und Pharmakonzernen Notlieferungen vereinbaren müsste“, sagte Wolff. Die Regierung werde jedenfalls große Probleme haben, die öffentliche Sicherheit und Grundversorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Sollte Griechenland tatsächlich aus dem Euro austreten, drohe der wankenden Eurozone zudem eine regelrechte Kettenreaktion. „Die Investoren werden denken, der nächste ist vielleicht Spanien, vielleicht Italien, vielleicht Portugal“, sagte Wolff. Die Zukunft des Euroraums stehe „auf Messers Schneide“, deshalb trügen Äußerungen wie die von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) „schon auch zur Ansteckung bei“. Der Vize-Kanzler hatte in einem ARD-Interview gesagt, ein griechischer Euro-Austritt sei durchaus denkbar und habe „längst seinen Schrecken verloren“. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)