OLG München hält an Zulassungsverfahren für NSU-Prozess fest

OLG München hält an Zulassungsverfahren für NSU-Prozess fest München/Berlin (dapd). Türkischen und griechischen Medien soll trotz wachsender Kritik die Berichterstattung vom NSU-Prozess in München nicht gewährleistet werden. Auch nach tagelanger Debatte hält das Oberlandesgericht München (OLG) an seinem Journalisten-Zulassungsverfahren fest. Wie der Bayerische Rundfunk unter Berufung auf Aussagen von OLG-Präsident Karl Huber berichtete, bleibt es bei der Liste, die das Gericht in der Reihenfolge der eingegangenen Anträge erstellt habe. Aus Platzgründen wurde nur den 50 Journalisten, die sich am schnellsten angemeldet hatten, feste Plätze zugesagt. Unter ihnen ist kein türkisches oder griechisches Medium, aus deren Ländern neun der zehn NSU-Opfer stammen. Das internationale Interesse an dem am 17. April beginnenden Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des rechtsextremen Terrornetzwerks Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ist bereits im Vorfeld enorm. Auch eine Videoübertragung der Verhandlung in einen anderen Raum verweigert das OLG, weil es einen daraus entstehenden Revisionsgrund fürchtet. Huber sagte dem Sender weiter, es sei jedem Journalisten überlassen, jeweils eine Viertelstunde vor Beginn des Prozesses seine Akkreditierung nicht wahrzunehmen und stattdessen wartenden Kollegen zu geben. Damit könnten auch Vertreter türkischer und griechischer Medien die Verhandlung verfolgen. Die Kollegen müssten einen solchen Platztausch aber selber organisieren. Mehrere Medien hatten sich am Mittwoch bereit erklärt, türkischen und griechischen Journalisten ihre festen Plätze für den Prozess zu überlassen. Dies hatte das Gericht aber ebenfalls abgelehnt. Ziel sei ein ordentliches Verfahren ohne Revisionsgründe, hieß es. Neben den 50 festen Plätzen für Medienvertretern gibt es im Saal noch weitere 50 Plätze für Zuschauer. Forderungen nach Videoübertragung der Verhandlungen Ob eine immer lauter geforderte Videoübertragung in einen anderen Raum tatsächlich ein Revisionsgrund wäre, ist auch unter Juristen umstritten. Während diese Lösung für das OLG von Anfang an ausschied, hält etwa der Münchner Strafrechtler Ulrich Schroth eine solche Lösung für zulässig. Entscheidend sei, dass die Gerichtsöffentlichkeit gewahrt werde und nicht die breite Öffentlichkeit den Prozess live verfolgen könne, sagte der Juraprofessor der Ludwig-Maximilians-Universität der Nachrichtenagentur dapd. Auch mehrere frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, darunter dessen ehemaliger Vizepräsident Winfried Hassemer, hatten bereits erklärt, dass sie eine solche Übertragung nicht für einen Revisionsgrund hielten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich ebenfalls für eine Übertragung aus. Wenn der Gerichtssaal zu wenige Plätze habe und der Prozess zugleich eine besondere Sensibilität erfordere, sollte es den ausländischen Medienvertretern auf diesem Weg ermöglicht werden, der Verhandlung zu folgen, sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut der dapd. Das Gesetz, wonach eine öffentliche Vorführung von Gerichtsverhandlungen unzulässig sei, sollte „sehr großzügig“ angewendet werden. Özdemir: Gericht muss Kontext des Prozesses beachten Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sprach sich für eine eindeutige gesetzliche Regelung zu Videoübertragungen aus. Für den NSU-Prozess komme diese aber zu spät. Sie verteidigte die OLG-Entscheidung. „Das Gericht muss mit aller Sorgfalt arbeiten, es muss mit aller Sorgfalt die Prozessregeln einhalten. Es muss ein Urteil fällen, das auch verfahrensrechtlich über alle Zweifel erhaben ist“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Auch Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) sprach sich für eine Neuregelung aus. Man müsse einen „Ausweg für kommende Verfahren finden“, sagte er dem WDR. Kauder warnt vor Schauprozess Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), schloss eine Übertragung ebenfalls aus. Diese hätte „ein bisschen was von Schauprozess und Public Viewing und wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde der Angeklagten“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) entgegnete: „Ich kann weder eine politische Einmischung in die Justiz, noch die Gefahr eines Schauprozesses erkennen.“ Die bayerische Justiz habe sich unabhängig in eine Misere manövriert und solle sich nun genauso unabhängig daraus befreien. Auch der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn kritisierte die Vergabe der Presseplätze. „Ich glaube, es ist unglücklich gelaufen“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag im Hörfunksender HR-Info und verwies auf das Unverständnis in der Türkei, in Griechenland und anderen Staaten über das Vorgehen des Oberlandesgerichts München. „Man sollte ein anderes Verfahren wählen, das gerichtsfest ist“, fügte Hahn nach Angaben des Rundfunksenders hinzu und sagte: „Dann wird bestimmt dabei herauskommen, dass zwei türkische und ein griechischer Kollege dabei sind.“ dapd (Politik/Politik)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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