Bischof auf verlorenem Posten

Bischof auf verlorenem Posten Trier (dapd-nrd). „Persönlich enttäuscht“ sei sie: Die Kirche erscheine wie ein „offenes Scheunentor für Sexualstraftäter“, ruft die Frau in den Saal. Das geht Stephan Ackermann zu weit: „Mit solchen Sprüchen kann ich nichts anfangen“, kontert er die Anwürfe. Ein Kirchenmann im Kreuzverhör: Vor einem Jahr stellt sich der Trierer Bischof seinen Mitarbeitern. Ausgerechnet die Leitung seines Bistums ist in Erklärungsnot geraten. Zu zögerlich war diese bei der Aufklärung eines Missbrauchsfalls vorgegangen, zu spät hatte man Konsequenzen gezogen. Fast auf den Tag genau ein Jahr später sitzt Ackermann am Mittwoch in Israel. Aus der Heimat stürmen die Interviewanfragen auf ihn ein. Erneut holt ihn seine Aufgabe als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ein. Fernab von der Heimat steht er im Nahen Osten Rede und Antwort, erklärt, warum die Bischofskonferenz nicht mehr mit dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer zusammenarbeiten möchte. Historiker: Einzelner Aufklärung nicht leisten In Trier gibt zur selben Zeit auch Thomas Schnitzler Interviews. Der Historiker wurde als Messdiener von einem Geistlichen missbraucht und ist Sprecher der Initiative „Missbrauch im Bistum Trier“, kurz MissBit. „Ein einzelner kann das gar nicht leisten“, kommentiert Schnitzler die Aufklärungsbemühungen im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. „Transparenz ist in der Kirche schon aus strukturellen Gründen nicht machbar“, glaubt er. Ist Ackermann also ein Bischof auf verlorenem Posten? Ackermann ist einer der jüngsten Bischöfe Deutschlands. Er war erst wenige Monate im Amt, da ereilte ihn ein undankbarer Auftrag. Nicht, dass der 49-Jährige sich beworben hätte, doch bezog der Trierer früh Position – für manche im Klerus zu früh. „Erschütternd und verheerend für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Kirche“ seien die Missbrauchsfälle, sprach er im Februar 2010 Klartext – als einer der ersten im deutschen Episkopat. „Eine Verharmlosung oder ein Vertuschen“ dürfe es nicht geben. Noch im selben Monat machten ihn die Bischöfe zu ihrem Missbrauchsbeauftragten. Doch Ackermann stieß rasch an Grenzen, geriet zwischen die Stühle – auch die der Bischöfe. Die von ihm ausgegebene „Null-Toleranz“-Linie gegenüber sexuellem Missbrauch weckte Erwartungen, die er nicht erfüllen kann. Viele Fragen sind bis heute ungeklärt; etwa die, wie der Klerus mit Straftätern aus den eigenen Reihen verfahren soll, deren Taten verjährt sind. Es werde kein „Guantanamo für kirchliche Täter“ geben, verstieg sich Ackermann einmal zu einem unglücklichen Vergleich. Ackermann ist kein Kirchenfürst Dabei nimmt man ihm die ehrliche Erschütterung über die Abgründe in seiner Kirche ab. Der Trierer Bischof ist kein Zyniker, sondern ein Mann mit Empathie. „Er ist der Realität sehr viel näher als die meisten seiner Kollegen, und er weiß genau, was die Menschen bewegt“, sagt einer, der ihn häufig aus nächster Nähe erlebt. Ackermann ist auch kein Kirchenfürst. Lässt es sein Terminplan zu, verzichtet er auf den Dienstwagen, geht zu Fuß oder nimmt das Fahrrad – schon, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Das tat zwar auch sein Vorgänger Reinhard Marx, doch haben der heutige Münchner Kardinal und Ackermann ansonsten wenig gemein. Dass Ackermann während der Heilig-Rock-Wallfahrt im Frühjahr 2012 ein Trierer Schwulenzentrum aufsuchte, wäre Marx nicht eingefallen. Auch dass der Trierer Bischof seinen damaligen Kommunikationschef nicht maßregelte, nachdem dieser in der ARD-Sendung „Wort zum Sonntag“ offen für die Abschaffung des Pflichtzölibats plädierte, spricht für einen anderen Stil. Ackermann könne Meinungen zulassen, auch wenn er sie nicht teile, sagen Mitarbeiter. Wenn er anderer Meinung ist, macht er dies indes auch deutlich. So auch im Streit mit Pfeiffer: Der Wissenschaftler habe „zwischendurch immer wieder Absprachen, die wir getroffen hatten, uminterpretiert“, sagte Ackermann am Mittwoch in Israel und kündigte an, dass die Aufarbeitung mit anderen Partnern fortgesetzt werden solle. dapd (Politik/Politik)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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