Westerwelle appelliert an Verantwortliche in Ägypten

Westerwelle appelliert an Verantwortliche in Ägypten Berlin (dapd). Außenminister Guido Westerwelle hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Ägypten als einen „ganz wichtigen Schritt hin zur baldigen Übergabe der Macht in demokratisch legitimierte Hände“ bezeichnet. Die Bundesregierung setzte darauf, dass die Wahl ebenso wie die erste Runde frei, fair und friedlich verlaufe. „Hier stehen alle politisch Verantwortlichen in der Pflicht“, erklärte der FDP-Politiker am Samstag in Berlin. In Ägypten treten an diesem Wochenende der ehemalige Ministerpräsident Ahmed Schafik und der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, gegeneinander an. Die Stichwahl ist der letzte Schritt im Prozess der Machtübergabe vom Militärrat an die zivilen Institutionen im Land. Unsicherheit herrscht aber darüber, ob die Generäle tatsächlich am 1. Juli die Verantwortung auf den neu gewählten Präsidenten übertragen. Auch die überraschende Auflösung des Parlaments durch das ägyptische Verfassungsgerichts am Donnerstag hat für weitere Unsicherheit gesorgt. Westerwelle rief die Verantwortlichen dazu auf, „den eingeschlagenen Weg in Richtung Demokratie konsequent fortzusetzen.“ Die Arbeitsfähigkeit des ägyptischen Parlaments sollte so schnell wie möglich wieder hergestellt werden, forderte er. dapd (Politik/Politik)

EU will ältere Autos öfter zum TÜV schicken

EU will ältere Autos öfter zum TÜV schicken Hamburg/München (dapd). Ältere Autos sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission in Zukunft öfter beim TÜV vorfahren. Nach Medienberichten soll zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr künftig jedes Jahr eine Hauptuntersuchung fällig sein, wenn das Auto älter als sieben Jahre ist. Die „Financial Times Deutschland“ berichtete am Samstag in ihrer Online-Ausgabe, ein vertraulicher Entwurf von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas für eine neue EU-Verordnung sehe vor, dass bei neuen Pkw spätestens vier Jahre nach der Erstzulassung eine Hauptuntersuchung gemacht werden muss. Danach soll es die nächste Prüfung nach spätestens zwei Jahren geben. Ab dann aber soll sie jährlich Pflicht sein. Für Fahrzeuge, die bei der ersten Prüfung nach vier Jahren 160.000 Kilometer oder mehr auf dem Tacho haben, soll die jährliche Pflicht gleich greifen. Laut „Focus“ will die EU-Kommission Anfang Juli eine entsprechende Verordnung vorlegen. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Neuregelung sei noch ungewiss. Die EU strebe an, bis 2015 die Prüfpraxis in ihren Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. In Deutschland wären dem Magazin zufolge rund 25 Millionen Autos betroffen. Das Durchschnittsalter eines deutschen Pkw betrage 8,5 Jahre. Laut „Focus“ rechnet der Automobilclub ADAC mit Mehrkosten von insgesamt weit über einer Milliarde Euro, die pro Jahr auf deutsche Fahrzeughalter zukommen könnten. Eine Hauptuntersuchung für ein Auto kostet beim TÜV je nach Bundesland zwischen 53 und 83 Euro. Der ADAC halte kürzere Prüfintervalle für ältere Autos allerdings für überflüssig. Es gebe keine Untersuchung, die eindeutig beweise, dass ein höheres Fahrzeugalter auch ein höheres Unfallrisiko bedeute. Betroffen wären vor allem sozial schwache Bevölkerungsgruppen, da diese in der Regel ältere Autos besäßen. Prüfunternehmen wie TÜV und Dekra plädierten dem Magazin zufolge für eine Verkürzung der Prüffristen für ältere Fahrzeuge. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Wir sind bereit, euch zu überraschen

Wir sind bereit, euch zu überraschen Bochum (dapd). Die Bochumer Opelaner sind für eine deutliche Sprache und „klare Kante“ bekannt. Das bekommt am Samstag auch Opel-Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke zu spüren, als er sich auf der Betriebsversammlung im Ruhrcongress nicht zur Zukunft des Opel-Werks ab dem Jahr 2017 bekennen will. Spontan brechen die rund 2.000 Opel-Beschäftigten die Veranstaltung ab und lassen das Management im Saal zurück. Das Treffen ist bereits nach etwa 90 Minuten beendet. Eine geplante Rede von Personalvorstand Holger Kimmes fällt ins Wasser. Den Opelanern ist die Freude über diese provokante Aktion durchaus anzumerken. „Geschieht ihnen recht. Was anderes verstehen die ja nicht“, sagt einer. „Das war jetzt der erste Schritt, um zu zeigen, dass wir uns nicht mehr alles gefallen lassen“, sagt Dario Krockenberger, der bei Opel im Rohbau arbeitet. Ein Kollege ergänzt, dass er jetzt auf einen Streik hoffe. Der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel nimmt den ungewöhnlichen Ausgang der Versammlung mit Stolz auf. „Wir haben zur richtigen Zeit die richtige Antwort gegeben“, sagt er. Solange die Opel-Leitung die „Planspiele“ zur Schließung des Bochumer Werkes nach 2016 „nicht vom Tisch“ nehme, behalte man sich „kreative Aktionen“ vor. Wie die aussehen könnten, dazu möchte der Betriebsratschef hier und jetzt noch keine Angaben machen. Die Botschaft an das Opel-Management laute einstweilen: „Wir sind bereit, euch zu überraschen!“ Nach Ansicht von Einenkel liegt der Ball nun bei der Geschäftsführung, die die Planungen noch einmal überdenken sollte. Ziel müsse eine Standortgarantie für das Werk über 2016 hinaus sein. Das Bochumer Opel-Werk habe die „höchste Auslastung aller Werke“, betont Einenkel. Man fahre „volle Dreischichtigkeit“ bei der Produktion und lasse in diesem Jahr rund 140.000 Fahrzeuge vom Band laufen. Neben der drohenden Schließung treibt die Arbeiter aber auch die Vereinbarung um, für die Sanierung des angeschlagenen Autoherstellers vorübergehend auf die Tariferhöhung von 4,3 Prozent zu verzichten. „Die Leute sind enttäuscht. Sie haben immer wieder auf Geld verzichtet, die Arbeit wurde immer mehr – und nun sollen sie die Lohnerhöhung aussetzen“, kritisiert Vertrauensfrau und Ersatzbetriebsrätin Astrid Etzrodt. Jürgen Stein aus der Lackiererei fühlt sich vor allem von der Opel-Mutter General Motors (GM) hinters Licht geführt. „Die Glaubwürdigkeit von GM ist dahin. Die haben doch schon genug Geld, verlangen von uns aber einen Lohnverzicht.“ Zumindest in der Bevölkerung gibt es weiter viel Unterstützung für die Opelaner. So finden sich vor der Betriebsversammlung auch Angehörige und andere Bochumer, die ihre Solidarität zeigen möchten. Jeder, der will, kann seine Gedanken, Sorgen oder Kritik in ein Mikrofon sprechen. Über den Köpfen der Teilnehmer hängen große Banner: „Nein zum Tod auf Raten – Kampf um jeden Arbeitsplatz“ oder „45.000 Jobs in NRW – Wir bleiben!“ steht darauf. Wenn Opel in Bochum stirbt, dann hat das auch große Auswirkungen auf die Region, sind sich die Beteiligten sicher. „Die Stadt Bochum kann sich eine solche Schließung nicht leisten“, meint Dario Krockenberger. Es sei schön, zu sehen, dass die Probleme der Opelaner die Bevölkerung nicht kalt lassen: „Wir haben gemerkt, dass wir nicht allein stehen.“ dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Alltours hebt Prognose für das Sommergeschäft an

Alltours hebt Prognose für das Sommergeschäft an Düsseldorf (dapd). Der Duisburger Reiseveranstalter Alltours hebt seine Prognose für das Sommergeschäft an. „Wir liegen über Plan“, sagte der Chef und Gründer des fünftgrößten deutschen Reiseanbieters, Willi Verhuven, der „Wirtschaftswoche“. Vorgesehen war ein Plus bei den Gästen von 7,5 Prozent. „Ich gehe von einem guten Jahr aus, denn erfahrungsgemäß buchen die Kunden in Jahren mit Fußball-EM und Olympischen Spielen die Nachsaison immer stärker. Das kommt uns zugute“, sagte Verhuven laut einer Vorabmeldung vom Samstag. Das abgelaufene Geschäftsjahr 2010/2011 war für Alltours mit fast 1,7 Millionen Reisenden und 1,3 Milliarden Euro Umsatz ein Rekordjahr. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Chinesischer Solarmodul-Hersteller warnt vor Handelskrieg

Chinesischer Solarmodul-Hersteller warnt vor Handelskrieg Düsseldorf (dapd). Der Vorstandschef des chinesischen Solarmodul-Herstellers Yingli Solar, Miao Liansheng, warnt vor einem Handelskrieg. Er könne sich gut vorstellen, dass Peking mit neuen Zöllen auf Schweine-, Rind- und Hühnerfleisch aus den USA auf die Einführung von Strafzöllen für chinesische Solarmodule reagiert, sagte Miao der „Wirtschaftswoche“. „Das wäre dann ein Handelskrieg, und davor fürchte ich mich“, fügte er hinzu. Würden auch in Europa künftig Strafzölle auf billige Solarmodule aus China verhängt, wie dies derzeit die EU prüfe, gefährde das auch die deutsche Wirtschaft, warnte Miao. Yingli Solar gehört zu den drei größten Herstellern von Solarmodulen weltweit und machte 2011 fast die Hälfte seines Geschäfts in Deutschland. Die Preise für Solarmodule werden laut Miao künftig kaum noch sinken: „Ich glaube, die Talsohle ist bald erreicht.“ Zur Preisstabilisierung werde eine Marktbereinigung beitragen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

EU verlängert Flüssigkeits-Verbot im Flugzeug

EU verlängert Flüssigkeits-Verbot im Flugzeug Düsseldorf (dapd). Die EU-Kommission verlängert einem Magazinbericht zufolge das Verbot, Flüssigkeiten in mehr als 100 Milliliter großen Behältern im Handgepäck an Bord eines Flugzeuges mitzunehmen. Eigentlich sollte das Verbot im April 2013 aufgehoben werden. Jetzt aber macht die EU-Kommission nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ einen Rückzieher. Brüssel habe die Mitgliedstaaten unterrichtet, dass „die völlige Aufhebung des Verbots zum 29.04.2013 nicht möglich“ sei, heißt es laut Bericht in einem Vermerk des Bundesverkehrsministeriums für den Tourismus-Ausschuss des Bundestages. Hintergrund der Verschiebung sind laut „Wirtschaftswoche“ Probleme mit den Kontrollgeräten. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Merkel wirbt auf CDU-Parteitag für mehr Europa

Merkel wirbt auf CDU-Parteitag für mehr Europa Darmstadt (dapd). Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf dem hessischen CDU-Parteitag entschieden für mehr Europa plädiert. Vor den gut 300 Delegierten in Darmstadt rief die CDU-Vorsitzende am Samstag dazu auf, dafür notfalls auch einen gewissen Verlust an nationalstaatlichen Kompetenzen in Kauf zu nehmen. Im Interesse einer stabilen Währung und weiterer Wettbewerbsfähigkeit auch der deutschen Wirtschaft müssten die Stabilitätskriterien in Europa konsequenter beachtet werden. Dazu gehörten auch Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. Zu lange sei in der Vergangenheit die Einhaltung der vereinbarten Kriterien für eine stabile Währung nicht ernst genug genommen worden. „Deshalb sind wir dort, wo wir heute stehen“, monierte die Kanzlerin. In ihren Augen sei ein Klagerecht der EU-Kommision weiter sinnvoll, wenn Länder in Europa etwa bei der Schuldenaufnahme dagegen verstießen. Merkel bekannte sich erneut zum Fiskalpakt in Europa und forderte, auf diesem Weg weiterzugehen. dapd (Politik/Politik)

FDP will nun Korrekturen beim Betreuungsgeld

FDP will nun Korrekturen beim Betreuungsgeld Berlin (dapd). Nach der geplatzten Bundestagssitzung zum Betreuungsgeld wollen die Liberalen die umstrittene Familienleistung überdenken. Die Verabschiedung stehe „jetzt erst nach der Sommerpause an. Die Zeit sollte genutzt werden, um in Ruhe darüber zu sprechen, welche Veränderungen noch notwendig sind“, forderte der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler. Bundestagspräsident Norbert Lammert nahm derweil die Opposition gegen allzu harsche Kritik aus der Koalition in Schutz. Rösler sagte der „Bild am Sonntag“, es müsse „ein Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld“ vermieden werden. „Ich kann mir auch ein Gutscheinmodell gut vorstellen“, schlug der Bundeswirtschaftsminister vor. Das CDU-geführte Familienministerium reagierte umgehend auf Röslers Äußerung. Das Nebeneinander von Betreuungsgeld und Elterngeld sei vom FDP-geführten Justizministerium in der Ressortabstimmung „ausdrücklich gefordert worden, damit Alleinerziehende nicht benachteiligt werden“, sagte ein Ressortsprecher. Alleinerziehende müssten bei einem Wegfall des Nebeneinanders entweder auf zwei Monate Elterngeld oder auf zwei Monate Betreuungsgeld verzichten. Auch eine christdemokratische Kritikerin der Familienleistung will derweil die Verschiebung der parlamentarischen Beratungen für Korrekturen nutzen. Die CDU-Abgeordnete Monika Grütters sagte dem Magazin „Focus“, sie halte es für sinnvoll, „den Ländern freizustellen, ob sie das Betreuungsgeld einführen möchten.“ Der Bundestag hatte am Freitag in erster Lesung über das umstrittene Betreuungsgeld beraten sollen. Die Sitzung musste jedoch zuvor wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen werden. „Anders als die Opposition hatten wir keine Scheu vor der Parlamentsdebatte“, sagte Rösler dazu. Der CDU-Politiker Lammert gab allerdings zu bedenken, die Koalition müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, mit der Ansetzung des Tagesordnungspunktes Betreuungsgeld „etwas fahrlässig oder treuherzig“ umgegangen zu sein. Die Opposition habe bereits zuvor im Ältestenrat ihre Ablehnung des Zeitplans deutlich gemacht. „Das war sicher kein Höhepunkt des Parlamentarismus, aber es ist auch keine nicht mehr zu heilende Wunde entstanden“, sagte Lammert den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. „Was da stattgefunden hat, mag man als trickreich oder unangemessen empfinden, aber es ist zweifellos zulässig.“ Er erwarte durch den Eklat keine dauerhafte Belastung der Parlamentsarbeit. Unions-Fraktionsvize Günter Krings drohte der Opposition allerdings mit Konsequenzen. „Wir können nicht mehr von einem Miteinander in parlamentarischen und organisatorischen Fragen ausgehen“, sagte der CDU-Politiker der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sah die politischen Sitten in Gefahr. „Wer das Wesen der Demokratie so mit Füßen tritt, disqualifiziert sich für die Aufgabe als Abgeordneter“, urteilte sie in der „Passauer Neuen Presse“. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, viele in der Koalition wünschten sich, dass das Betreuungsgeld nicht komme. „Vielleicht war das auch der Grund, warum die Koalition nicht die notwendige Zahl ihrer Abgeordneten im Plenum hatte“, mutmaßte Steinmeier in der Zeitung „Die Welt“. Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von einer „stillen Form der Ablehnung“ viele Koalitionsabgeordneter. Das zeige, dass „erzwungene Gefolgschaft nicht funktioniert“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, mahnte, die Koalition sollte sich „die Gelassenheit des Bundestagspräsidenten Lammert zum Vorbild nehmen, statt jetzt – wie Krings – neue Gräben auszuheben“. dapd (Politik/Politik)

Kipping: 100-Prozent-Steuer ab 40.000 Euro im Monat

Kipping: 100-Prozent-Steuer ab 40.000 Euro im Monat Frankfurt/Main (dapd). Monatseinkommen über der Grenze von 40.000 Euro sollen nach den Vorstellungen der neuen Linken-Chefin Katja Kipping künftig komplett an den Staat fließen. „Kein Mensch braucht mehr als das Vierzigfache des Mindesteinkommens“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Alles, was darüber liegt, kann man getrost mit 100 Prozent besteuern.“ Einkommenszuwächse in diesem Bereich würden „in die Beeinflussung von politischen Entscheidungen durch Bestechung oder in zerstörerische Finanzspekulationen“ fließen, argumentierte sie. dapd (Politik/Politik)

Bücken und Buckeln am Rande der Fanmeile

Bücken und Buckeln am Rande der Fanmeile Berlin (dapd). Gerd sitzt vor dem Eingang zur Berliner Fanmeile und sortiert seine Beute. Sorgsam pult er die Etiketten von den Faschen in der pinkfarbenen Plastikkiste auf seinem Schoß und lächelt in die Abendsonne. Zum Strahlen hat der Berliner mit dem grauen Spitzbart und der Deutschlandkappe an diesem Tag auch allen Grund. Denn wenn sich hier hinter der Absperrung gleich Hunderttausende Fußballfans zur schwarz-rot-goldenen Fußballfete vor der Großleinwand am Brandenburger Tor treffen, hat Gerds Gewerbe Hochkonjunktur. Gerd, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist Pfandsammler, und zwar einer mit ausgeklügeltem Marketingkonzept: Er betreibt die „erste mobile Flaschen-Annahme“. So steht es auf dem handgeschriebenen Pappschild, das die Frontpartie seines Rollstuhls ziert. In seinem Gefährt sitzt Gerd an diesem Tag vor dem Eingangsbereich der Berliner Fanmeile. Glasflaschen sind hinter der Barriere gar nicht, Plastikflaschen nur eine pro Besucher erlaubt. Gut für Gerds Geschäfte. Säuberlich sortiert liegen die von ihm aufgesammelten Flaschen in seiner Kiste wie die Ölsardinen in der Büchse. „Alles Fuffzehner“, erläutert Gerd. „Ein paar 25er sind auch dabei.“ „Fuffzehner“. So heißen im Fachjargon der Flaschensammler die Plastikflaschen aus dem Coca-Cola-Konzern. Pfand- und Sammlerwert: 15 Cent. Sie aufzulesen, um sie zu Geld zu machen? Auf den ersten Blick ein mühsames Geschäft. Nicht für Gerd. „Wenn Sie mal durchzählen wollen“, sagt er. „13, 14, 15 Flaschen.“ Macht mal 15 Cent unterm Strich 2,25 Euro. Nicht schlecht für vier Stunden Sammelarbeit, sagt er. Bierflaschen dagegen bringen nur acht Cent. Sie kosten wertvollen Platz in der Kiste. Also lässt Gerd sie lieber links liegen oder schenkt sie seinen Kollegen. Stundenlang bücken und buckeln für ein paar Euro Aber lohnt sich für sie die Mühe, das Wühlen in Müllkübeln, das stundenlange Bücken und Buckeln, das Krummmachen für ein paar Euro? „Offensichtlich schon“, sagt der Soziologe Sebastian Moser, der sich seit 2006 wissenschaftlich mit diesem Phänomen beschäftigt. Kürzlich hat er zu diesem Thema eine Doktorarbeit an der Universität Freiburg vorgelegt. Im Zuge seiner Recherche hat er 20 Flaschensammler in deutschen Großstädten auf ihren Streifzügen begleitet. Aber: „Kein Pfandsammler, mit dem ich gesprochen habe, bestreitet zu 100 Prozent seinen Lebensunterhalt nur aus Pfandsammeln“, berichtet Moser. Doch der Lohn der Mühe ist nicht nur Geld. Fast genauso wichtig wie der finanzielle Gewinn sei es, „einer Tätigkeit nachzugehen, die an Erwerbsarbeit erinnert“, sagt Moser. Dazu komme für viele „die Möglichkeit, am sozialen Leben teilzunehmen“. Das kann Gerd, der Praktiker, bestätigen: „Das ist Bewegungstherapie und man kommt unter Leute“, erzählt er. „Das kann schon lustig sein.“ Aber Geduld und gute Augen zahlen sich unter Umständen auch aus. Die Verdienstmöglichkeiten für Flaschensammler schwanken, je nach Ort und Jahreszeit. Im Winter liefen die Geschäfte eher schlecht, sagt Gerd, weil die Leute da lieber zu Hause oder in der Kneipe trinken. Sommerliche Großveranstaltungen wie Musikfestivals und Fanfeste sind dagegen ein gefundenes Fressen. „Leute, die jetzt auf der Fanmeile unterwegs sind, werden natürlich einen Tagesverdienst haben, der weiter über dem liegt, was sie zum Beispiel an einem Januar-Montagnachmittag in Kreuzberg verdienen können“, gibt der Pfandforscher zu bedenken. „Ich habe mit Leuten gesprochen die 1,50 Euro pro Tag verdienen, und andere, die angeben, 200 bis 250 Euro pro Monat zu verdienen.“ Flaschensammer kommen aus allen Gesellschaftsschichten Möglich gemacht hat das Geschäft mit leeren Dosen und Flaschen, das schnell zur Massenbewegung wurde, die rot-grüne Bundesregierung mit der Einführung des Einwegpfands 2003. Dies führte zwar nach Ansicht des Mehrwegverbandes Genossenschaft Deutscher Brunnen und der Deutschen Umwelthilfe nicht zu nachweisbaren Auswirkungen auf die Umweltbilanz der fünf Milliarden Flaschen, die nach Schätzungen von Branchenkennern zeitgleich im Umlauf sind, wohl aber zum Entstehen des Phänomens „Flaschensammler“. Diese rekrutierten sich entgegen den gängigen Klischees aus allen Schichten der Gesellschaft, sagt Moser. Sie alle sind Mitspieler in einem in sich geschlossenen Schattenwirtschaftssystem, das eigenen Regeln gehorcht. Dazu gehörte bisher auch, dass der eine Sammler dem anderen kein Auge aushackt, wie Gerd berichtet. Aber auch immer mehr gewerbliche Pfandsammler, die das Altglas gleich in Kleintransportern abtransportieren, werden in jüngster Zeit von ihm gesichtet. Sie kämen meist von außerhalb und machten auch vor dem Plündern von Großcontainern nicht halt. Bei den Pfandsammlern der ersten Stunde sind sie nicht sonderlich beliebt. „Schlecht fürs Image“, sagt Gerd. Er kommt nicht mehr dazu, die Begründung nachzuliefern, denn der Schiedsrichter auf der Großleinwand bläst in diesem Moment in seine Pfeife: Halbzeitpause für die Fußballfreunde auf der Fanmeile, Feierabend für Gerd, den Flaschensammler. Jetzt wird er nach Hause fahren, die Tagesausbeute sortieren, um sie am nächsten Tag am Pfandautomaten im Supermarkt zu barer Münze zu machen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)