Christian und Petra Kulessa freuen sich mit André Schulenberg vom WIGOS-UnternehmensService (rechts) über die Aufträge aus der internationalen Raumfahrt. (Foto: Sandra Joachim-Meyer)
Christian und Petra Kulessa freuen sich mit André Schulenberg vom WIGOS-UnternehmensService (rechts) über die Aufträge aus der internationalen Raumfahrt. (Foto: Sandra Joachim-Meyer)

Satelliten-Membrane aus Melle startet ins All

Der Gummitechnik-Spezialist Grahneis liefert Systeme für die Raumfahrt / WIGOS begleitete Innovationen

Melle. Ob in der Pharmaindustrie, im Maschinenbau, in der Lebensmittelbranche und vielen anderen Bereichen: Die Innovationen des Gummitechnik-Spezialisten Grahneis GmbH aus Melle kommen seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt zum Einsatz. In naher Zukunft wird ein Gummiteil aus dem Osnabrücker Land sogar durch das All schwirren:

Der mittlerweile qualifizierte Systemlieferant für die internationale Raumfahrttechnik produziert eine großvolumige Membrane für Satellitentanks. Damit ist Grahneis europaweit der einzige Systemlieferant für diese Bauteile. „Der Einstieg als Systemlieferant für die Raumfahrt zeigt, dass wir Hochleistungs-Gummiteile fertigen können, die höchsten Qualitätsanforderungen standhalten“, erklärte Geschäftsführer Christian Kulessa beim Besuch von André Schulenberg vom UnternehmensService der WIGOS Wirtschaftsförderungsgesellschaft Osnabrücker Land. Da die Membranen jetzt in Serie gehen sollen, plant das Unternehmen den Bau einer neuen Halle. Bei der Entwicklung der Innovationen und dem Bauvorhaben wurde der Systemlieferant von der WIGOS auch hinsichtlich der Fördermöglichkeiten beraten und begleitet.

„Es ist beeindruckend, welche Hochleistungsprodukte im Osnabrücker Land hergestellt werden. Das Unternehmen Grahneis kann stolz darauf sein, dass seine Hochleistungsteile bald auch im Weltall präsent sind. Wir freuen uns, dass wir von der WIGOS das Unternehmen schon bei den Vorbereitungen auf die Weltraumkarriere begleiten durften“, betonte André Schulenberg vom WIGOS-UnternehmensService.

„Noch sind wir nicht im All“, erläuterte Christian Kulessa lächelnd. Den künftigen Start im Weltraum bereitet der Spezialist für besonders anspruchsvolle und präzise Produkte jedoch seit nahezu zehn Jahren vor. 2014 sei die MT Aerospace AG aus Augsburg auf Grahneis mit einer Anfrage zugekommen. Diese liefert Systeme und Baugruppen für Satelliten und Raketen, unter anderem die Ariane. „Der Kunde hatte Schwierigkeiten mit dem Altlieferanten und ist dann auf Empfehlung auf uns zugekommen. Das war für uns eine Riesenchance, die wir ergriffen haben.“

Das 1903 in Leipzig gegründete Unternehmen Grahneis wurde 2003 von Christian Kulessa übernommen, in Melle-Gerden ist der Hersteller für Gummitechnik seit 2008 ansässig. Besonderes Know-how und große Erfahrung hat das Unternehmen in der Fertigung von Gummi-Metallverbindungen. „Wir können 99 Prozent der Artikel auf dem Markt liefern, nur nicht zu China-Preisen. Viele Teile sehen nach nichts aus, sind aber hochspeziell und haben es in sich“, sagte der Gummitechnik-Spezialist. Zu den Kunden zählen namhafte Produzenten in der Mess- und Regeltechnik, von Armaturen, Landmaschinenhersteller sowie Maschinen- und Anlagenbauer. Kaum bis gar nicht Teil der internationalen Kundenstruktur ist der Bereich Automotive. „Wir machen alles aus Gummi, bis auf Reifen und Gummistiefel“, ergänzte Prokuristin Petra Kulessa.

Um jedoch Hochleistungs-Teile für die Raumfahrt produzieren und liefern zu können, musste sich das Unternehmen einer umfassenden aufwändigen Qualifizierung unterziehen. Eine solche spezielle Qualifikation sei sehr kostenintensiv. In Europa gebe es auch daher keine weiteren qualifizierten Lieferanten, erklärte der Geschäftsführer, der als ausgebildeter Konstrukteur gemeinsam mit seinem Betriebsleiter selbst Tag und Nacht Hand an die Entwicklung der Satelliten-Membrane legte. Die nur 2,3 Kilogramm schwere Gummi-Membrane hat die Aufgabe, den Treibstoff für die Steuerung des Satelliten herauszupressen. Das Teil mit einer Wandstärke von nur zwei Millimetern hat einen Durchmesser von 600 Millimetern – und muss für den Einsatz im All höchste Anforderungen erfüllen. „Die Membrane durchläuft bei uns harte Tests. Wir simulieren den Vorgang, bei dem Treibstoff herausgedrückt wird, im Dauertest. Sie muss diesen Vorgang mindestens 250 Mal durchlaufen, unsere Membrane kann diesen Vorgang fast 1.000 Mal durchlaufen. Im Einsatz muss die Membrane dies nur einmal leisten. Das macht deutlich, wie hochqualitativ und belastbar das Material ist.“

Die Entwicklung wie der gründliche Herstellungsprozess nehmen viel Zeit in Anspruch. So überwachten der Geschäftsführer und der Grahneis-Betriebsleiter auch nachts den Produktionsprozess. Eine besonders große Bedeutung spielt dabei die Reinheit des Gummimaterials: Die Materialmischung, aus der die Membrane gefertigt wird, muss sehr sauber sein. Bei der maschinellen Fertigung der Membrane darf diese auf keinen Fall verschmutzt werden, zum Beispiel mit Rußpartikeln. „Es gibt in den Produktionshallen auch viel Dreck, den man mit bloßem Auge nicht sieht. Für uns ist es jeden Tag eine Herausforderung, den Betrieb sauber zu halten. Für eine gummiverarbeitende Firma sind wir extrem sauber“, unterstrich Christian Kulessa. So waren der Grahneis-Chef und der Betriebsleiter bei der Fertigung der Membrane und dem Schneiden der Rohlinge in Papieranzüge gehüllt und mit Schutzbrillen und Mundschutz ausgestattet. Ob dann doch eine winzige Verunreinigung da war, offenbarte sich dann beim Durchleuchten zum Schluss: „Da sah man auch eine winzige Wimper, die dort nicht hingehört“, so Christian Kulessa. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bei der Entwicklung des Prototyps mitgefiebert. Das war schon beeindruckend“, ergänzte Petra Kulessa. 

Die hohen Anforderungen an die Sauberkeit und das gestiegene Auftragsvolumen aus der Raumfahrttechnik waren auch der Grund für das Unternehmen, den Bau einer neuen Halle zu planen, die direkt an die Betriebsstätte angrenzt. Wie Christian Kulessa erläuterte, soll die Betriebsstätte um 1.440 qm erweitert werden. „Wir können die Halle für die Raumfahrt so noch sauberer halten und haben dann künftig mehr Platz für die Produktion. So können wir mit den Membranen in Serie gehen und haben zudem die Möglichkeit, anstehende Großaufträge abzuwickeln. Projekte wie die Aufträge aus der Raumfahrtindustrie bringen uns auch neue Kunden, denen wir ebenso höchste Qualität liefern möchten.“

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WIR Redaktion

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