Astrid Drexhage, Geschäftsführerin der Weber Data Service IT GmbH, und Prof. Dr. Hans Brandt-Pook, Professor für Wirtschaftsinformatik an der FH Bielefeld, haben gemeinsam das neue Transferprojekt gestartet. (Foto: Sarah Jonek/FH Bielefeld)
Astrid Drexhage, Geschäftsführerin der Weber Data Service IT GmbH, und Prof. Dr. Hans Brandt-Pook, Professor für Wirtschaftsinformatik an der FH Bielefeld, haben gemeinsam das neue Transferprojekt gestartet. (Foto: Sarah Jonek/FH Bielefeld)

it’s OWL-Projekt für KI in der Logistik:

FH und Weber Data Service gemeinsam gegen den Fachkräftemangel

Bielefeld (fhb). Disponenten gelten in der Logistikbranche als immer seltener werdende „Ressource“. Die FH Bielefeld und der Softwareanbieter Weber Data Service starten nun ein Transferprojekt, um ihnen den monotonen Teil der Arbeit abzunehmen – mit Künstlicher Intelligenz (KI). Auch in puncto Nachhaltigkeit glänzt die KI.

Ohne Logistik funktioniert unsere Wirtschaft nicht. Letztendlich ist es immer ein Fahrzeug, das eine Ware an ihren Bestimmungsort bringt. Ein Fahrzeug, das professionell gesteuert und disponiert werden muss. Aber das sollte mehr und mehr nachhaltig geschehen – und sich für die Transportunternehmen bei steigendem Kostendruck und Fachkräftemangel weiterhin rentieren.

An zukunftsorientierten Lösungen hierfür arbeitet etwa die Weber Data Service IT GmbH aus Bielefeld. „Mit unserer innovativen Software gehören wir zu den erfahrensten Anbietern der Branche“, sagt Astrid Drexhage, die die Firma 2003 gegründet hat. „Aber klassische Tourenoptimierungssysteme funktionieren regelbasiert und müssen daher von ihren Anwendern aufwändig gepflegt werden, damit sie gute Ergebnisse erzielen.“ Darum forscht Drexhages Unternehmen jetzt zusammen mit der Fachhochschule (FH) Bielefeld an Künstlicher Intelligenz (KI).

KI-Lösung für den Mittelstand möglich machen

KI ist an der Fachhochschule unter anderem das Spezialgebiet von Prof. Dr. Hans Brandt-Pook und seinem Team. „Mit dem Thema beschäftigte ich mich seit 1996“, sagt der Wirtschaftsinformatiker. Schon seine Doktorarbeit befasste sich mit dem automatischen Verstehen gesprochener Sprache. „Inzwischen liegt mein Fokus auf der Implementierung von KI-Lösungen im Mittelstand.“

Entscheidend ist Beschaffung und Qualität der Daten

Kennengelernt haben sich Astrid Drexhage und Hans Brandt-Pook auf dessen Vortrag über KI bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld im Herbst 2019. Bereits ein dreiviertel Jahr später starteten sie ihr erstes gemeinsames Projekt bei einer Spedition in Baden-Württemberg. „Es ging um die KI-gestützte Erfassung von Daten aus eingehenden E-Mails“, sagt Drexhage. Auftragsdatensätze sollten so vollkommen automatisch generiert werden. Eine der wesentlichen Erkenntnisse dabei: Alles steht und fällt mit der Beschaffung und der Qualität der Daten.

Das hilft nun beim nächsten Transferprojekt der beiden Logistikexperten, das abermals vom Technologie-Netzwerk Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe („it’s OWL“) finanziert wird. „Wir konnten dafür unseren Kunden P.H.L. Logistik aus Wardenburg als Partner gewinnen“, berichtet Malte Konersmann, Projektleiter bei Weber Data Service. Die Fahrzeuge dieses Transportunternehmens liefern jeden Tag unterschiedlichste Produkte im Nahverkehr aus. 650 Touren mit jeweils bis zu 15 Stationen kommen so im Monat zusammen.

Disponenten sind überlastet – KI kann sie unterstützen

Die Aufgabe der KI wird es sein, diese Touren möglichst effizient zu planen. Dafür braucht sie zunächst alle Daten zu den Aufträgen und Destinationen. „Aber auch die Information, wie hoch etwa der Deckungsbeitrag der Tour ist“, sagt Konersmann. „Mit der Zeit lernt das KI-Modell dann, immer bessere Vorschläge zu generieren.“

Das gelingt der KI, weil sie in die Zukunft schaut – anders als regelbasiert mit Algorithmen arbeitende Tourenoptimierungssoftware, die es schon am Markt gibt. Die KI hingegen macht sich Erfahrungen der Vergangenheit zunutze bei ihrer Zukunftsprognose. Sie „weiß“ beispielsweise, dass die erfahrenen Disponenten des Unternehmens, in der Vergangenheit eine bestimmte Route gemieden haben, weil dort schlagartig zu einer gewissen Zeit Staus entstehen. Oder die KI berücksichtigt bei der Nahverkehrsplanung die Öffnungszeiten und die offenen Schalter bei einer Firma, die beliefert werden muss.

Es geht bei alledem nicht darum, den Disponenten durch die KI zu ersetzen. „Er wird vielmehr an entscheidender Stelle unterstützt, weil er nur noch für den Feinschliff der Tour sorgen muss“, erklärt Geschäftsführerin Drexhage. Aus Erfahrung weiß sie, dass Disponenten in Speditionen chronisch überlastet sind. „Die bisherige manuelle Datenerfassung kostet sie viel Aufwand. Das ist Kapazität, die am Ende für Kundenpflege und Service fehlt.“

Logistikbranche würde für junge Menschen wieder interessanter werden

Außerdem ließen sich in Zukunft dank KI die Arbeitszeiten attraktiver gestalten, wenn der repetitive Teil des Jobs wegfiele. „Fragen Sie mal jemanden unter 20, ob er oder sie als Disponent um 3 Uhr früh aufstehen würde, um eine Nahverkehrstour zu planen“, sagt Projektleiter Konersmann. „Ich sehe hier die große Chance, das Transportgewerbe für die junge Generation wieder interessanter zu machen.“

KI als Mittel gegen den Fachkräftemangel? „Das ist in Deutschland sicherlich eine der wichtigsten ökonomischen Aufgaben, für deren Lösung wir als Fachhochschule durch den Transfer unseres Know-hows einen Beitrag leisten wollen“, sagt Professor Hans Brandt-Pook. „Aber wir stellen uns auch ökologischen Herausforderungen. Konkret heißt das bei unserem Projekt, dass Verfahren des Maschinellen Lernens die Nachhaltigkeit des Güterverkehrs erhöhen können.“ Denn effizientere Lkw-Touren bedeuten weniger CO2-Emissionen und führen zu weniger Fahrzeugen auf der Straße.

KI schlägt Algorithmus – ein Prinzip, das sich am Markt durchsetzen wird

Die enge Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft fördert nebenbei auch den akademischen Nachwuchs. Tjark Nitsche hat mit gerade mal 22 Jahren seinen praxisintegrierten Bachelor of Science in Wirtschaftsinformatik an der FH Bielefeld gemacht und betreut nun auf Seiten der Fachhochschule das Projekt bei Weber Data Service. „Das Thema KI begeistert mich schon länger“, sagt Nitsche. „Ich finde es faszinierend, wie die KI in Daten nach Mustern sucht, anstatt wie Algorithmen lediglich Bedingungen und Folgen zu analysieren.“ Seine Aufgabe ist es nun, bis zum Frühjahr 2023 das Modell so zu trainieren, dass es in der Praxis voll einsatzfähig ist. Am Ende steht dann ein Produkt, das Astrid Drexhage ihren Kunden anbieten kann. Und nicht nur sie: „Ich bin davon überzeugt, dass sich KI-Lösungen in allen Bereichen der Logistik durchsetzen werden.“

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WIR Redaktion

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