Hamburg (dapd). Stellen streichen und Preise heruntersetzen – mit dieser Doppelstrategie reagiert der Otto-Versand auf die immer aggressiveren Angriffe der neuen Konkurrenz aus dem Internet. „Wir werden Preise gezielt senken“, sagte Otto-Vorstandsvorsitzender Hans-Otto Schrader am Mittwoch in Hamburg. Gleichzeitig will der größte Versandhauskonzern Deutschlands seine drei Marken Otto, Schwab und Baur enger zusammenführen. „Dabei wird es auch zu Arbeitsplatzverlusten kommen“, sagte Schrader, nannte aber keine Größenordnung. Trotz leicht gesteigerter Umsätze von weltweit 11,6 Milliarden Euro brach bei dem Handels- und Dienstleistungskonzern im vergangenen Geschäftsjahr der Nettogewinn massiv ein auf nur noch 23 Millionen Euro. Der größte deutsche Versender reagiert mit der Preissenkung darauf, dass immer mehr Kunden über Suchmaschinen im Internet nach den billigsten Angeboten suchen und Otto dabei oft hinten liegt. Die Preissenkungen sollen ab Oktober rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft eingeführt werden. Schrader machte noch keine Angaben dazu, welche Produktgruppen billiger werden sollen. Der Otto-Versand zeigte zuletzt in Deutschland erhebliche Schwächen: Der Universalversender verzeichnete im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatzrückgang von 2,1 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro. Der gesamte deutsche Versandhandel legte dagegen um mehr als zwölf Prozent zu. Innerhalb der Otto-Gruppe liefern Spezialfirmen wie Sport-Scheck bessere Zahlen. Schrader will trotzdem am sogenannten Universalversand festhalten, der von Stützstrümpfen bis Computern alles bereithält. Nach seinen Angaben war der deutsche Otto-Versand trotz Umsatzverlusten profitabel. „Wir haben auf unprofitable Umsätze verzichtet“, sagte er. Nach Einschätzungen aus Handelskreisen machen vor allem Internet-Herausforderer wie der Schuhversand Zalando Druck auf Otto, weil sie weniger auf die Rendite achten und Marktanteile gewinnen wollen. Viel größer als in Deutschland sind die Probleme für Otto bei der französischen Tochter 3 Suisses. Bei einem um fast 6 Prozent gefallenen Umsatz von rund 2 Milliarden Euro fuhr die Tochter mehr als 100 Millionen Euro Verluste ein. „Wir wollen das in Ordnung bringen“, sagte Schrader und kündigte eine Sanierung an. Otto will sich dazu auch von unrentablen Geschäften in Frankreich trennen. Viel Freude macht dem Konzern dagegen die Dienstleistungstochter Hermes, die erstmals mehr als 1 Milliarde Euro umsetzte und profitabel ist. Die Finanzdienstleitungen, also vor allem Ratenkredite für Otto-Kunden, wuchsen sogar um 17 Prozent auf 530 Millionen Euro. Gut lief es auch im Wachstumsmarkt Russland: Der Umsatz stieg um 35 Prozent auf 490 Millionen Euro. Ein ähnliches Wachstum soll nun in Brasilien folgen, wo die Otto Group innerhalb von fünf Jahren auf ein Umsatzvolumen von 500 Millionen Dollar wachsen will. Die Zahl der Beschäftigten der Otto Group stieg im vergangenen Geschäftsjahr um rund 3.500 auf mehr als 53.100. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
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Caritas hält Zustand illegal Beschäftiger Pflegekräfte für untragbar
Berlin (dapd). Der Caritasverband verlangt von der Bundesregierung wegen der wachsenden Zahl illegal beschäftigter Pflegekräfte aus Osteuropa aktiv zu werden. „Ich verhehle nicht eine große Enttäuschung darüber, dass die Politik hier nicht in die Gänge kommt“, sagte Verbandspräsident Peter Neher am Mittwoch bei der Präsentation des Jahresberichts von Caritas International in Berlin. Schätzungen zufolge seien bis zu 200.000 Frauen aus Osteuropa in der Pflege beschäftigt, nur etwa 3.000 davon legal. Eine Reform sei nicht zuletzt notwendig, da das jetzige System auch Verlierer in Osteuropa schaffe, betonte der Verbandspräsident. Durch die Abwanderung von Fachkräften entstünden Versorgungslücken in den Herkunftsländern. Der Zustand in der Pflege sei für alle Beteiligten untragbar, sagte der Caritaspräsident. Die osteuropäischen Pflegekräfte lebten häufig sozial isoliert und seien weder kranken- noch rentenversichert. Auf der anderen Seite befänden sich die deutschen Familien, die die Frauen beschäftigten, in einer Grauzone von „Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung“. Neher forderte den Gesetzgeber auf, diese Situation aufzulösen. Bürokratieabbau sei dazu ein erster Schritt. Auch auf die drastischen Lücken, die die Migration in das osteuropäische Sozialsystem reiße, verwies Neher. Die Alterung der Gesellschaft schreite dort wesentlich rasanter voran, weil die junge Generation zunehmend in den Westen abwandere. Entsprechend gebe es in diesen Ländern einen besonders hohen Bedarf an Pflegepersonal. Ein weiteres Problem sei die steigende Zahl sogenannter Sozialwaisen, fügte Neher an. Allein in der Ukraine lebten rund sieben Millionen Kinder auf der Straße, weil deren Eltern auf der Suche nach Arbeit das Heimatland verlassen hätten. „Es ist wichtig, zu erkennen, dass die Frage, wie wir Pflege in Deutschland organisieren, gravierende Folgen für die Herkunftsländer hat“, sagte der Caritaspräsident. Neben dem Thema Pflegemigration präsentierte Caritas International auch Eckdaten der Jahresbilanz 2011. Das Hilfswerk verzeichnete im vergangenen Jahr Einnahmen in Höhe von 63 Millionen Euro. 52 Millionen Euro seien in weltweite Projekte geflossen. Der Anteil der Verwaltungskosten habe 6,8 Prozent betragen. dapd (Politik/Politik)
E.on-Chef erwartet sinkenden Marktanteil
Hamburg (dapd). Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns E.on, Johannes Teyssen, rechnet mit einem Absatzrückgang des von ihm geführten Unternehmens auf dem Heimatmarkt. E.ons Marktanteil in Deutschland werde „zwingend und nachhaltig sinken“, sagte Teyssen der Wochenzeitung „Die Zeit“ laut einem Vorabbericht von Mittwoch. In einer „stärker dezentralisierten Energiewelt“ sei es nicht möglich, den Marktanteil von derzeit knapp 15 Prozent zu halten. Mit einem Ausstieg vom Atomausstieg rechne er dagegen nicht, sagte der Chef des größten deutschen Energieversorgers. Allerdings gehe er davon aus, dass Kernenergie weltweit für ein oder zwei Generationen „noch eine wesentliche Rolle“ spielen werde. Dass es in Folge des Atomausstiegs zu Stromausfällen kommt, hält Teyssen für unwahrscheinlich. „Trotzdem werden wir in den nächsten Jahren regionale, aber beherrschbare Engpässe erleben“, prophezeite er. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Frauen finden deutsche Automarken wenig attraktiv
Duisburg/Essen (dapd). Einheimische Automarken sind für Frauen in Deutschland nicht sonderlich attraktiv. Gerade mal ein Viertel der BMW-Käufer von Januar bis April sind weiblich, bei Audi sind es 28,8 Prozent, wie eine aktuelle Studie des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen ergibt. Noch schlechter sieht es bei Mercedes-Benz aus, wo nur 17,3 Prozent der Kunden Frauen sind. Insgesamt geht ein Drittel aller Neuwagen, die von Privatpersonen in Deutschland gekauft werden, an Frauen. Am beliebtesten sind die Marken Daihatsu und Mini, die auf einen Frauenanteil von über 50 Prozent kommen. Damit bewegt sich der Frauenanteil an den Autokäufen in Stuttgart seit Jahren nur knapp über der 30-Prozent-Marke. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2009, als die Abwrackprämie den Kleinwagenabsatz nach oben trieb und dadurch der Frauenanteil auf mehr als 38 Prozent stieg. Durch die Entwicklung verschenken die Hersteller nach Worten von CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöffer ein riesiges Potenzial. „Würden Frauen im gleichen Maße wie Männer Neuwagen kaufen, könnten bis zu 120.000 Fahrzeuge pro Jahr in Deutschland zusätzlich abgesetzt werden“, sagte er. „Die Modell- und Markenausrichtung der deutschen Autobauer scheint in der früheren Männerwelt hängen zu bleiben“, nannte Dudenhöffer als Grund für das geringe Interesse von Frauen. Die deutschen Autobauer setzten sehr stark auf große und PS-starke Fahrzeuge. Moderne, schicke und agile Kleinwagen seien mit Ausnahme des Mini dagegen Mangelware. Zudem sei auch die Präsentation von Autos eher auf Männer ausgerichtet. Die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt und andere Messen würden von Männern für Männer gemacht. „Frauen werden auf Hostessen reduziert“, kritisiert Dudenhöffer. Kundengespräche und Produktdarstellungen bei Autohändlern seien stark auf Technikdaten fokussiert und erklärten zu wenig den Nutzen für den Kunden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
WestLB-Niedergang kostet die Steuerzahler 18 Milliarden Euro
Düsseldorf (dapd). Der Niedergang und die Abwicklung der WestLB wird den Steuerzahler am Ende rund 18 Milliarden Euro kosten. Das geht aus Berechnungen des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums hervor. Rund die Hälfte der Summe entfalle auf das Land, den Rest teilten sich der Bund und die öffentlich-rechtlichen Sparkassen, sagte der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD), am Mittwoch. In der Summe enthalten sind nach Angaben des Ministers alle Kosten von der Wertvernichtung durch den Niedergang der Bank in den vergangenen Jahren, über die Milliarden für Staatsgarantien bis hin zu den Pensionslasten. Die WestLB muss auf Druck der EU-Kommission zum Monatsende als Konsequenz jahrelanger milliardenschwerer Staatshilfen zerschlagen werden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Kommunalverbände gegen generelles Tempo-30-Limit in Städten
Berlin (dapd). Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund sind nach einem Zeitungsbericht gegen die Einführung eines generellen Tempo-30-Limits in Städten. Ein solches Vorhaben auf allen Straßen sei nicht sinnvoll, sagte Städtetag-Präsident Christian Ude (SPD) der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Die Welt“ laut Vorabbericht. Naheliegend wäre indes laut Ude, der zugleich Oberbürgermeister von München ist, ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern in Wohngebieten. Damit könne die Verkehrssicherheit erhöht werden. Nach Ansicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes wäre eine bundesweite Tempo-30-Regelung „eine Gängelung der Kommunen und würde immense Bürokratie verursachen – zumal das Personal für flächendeckende Kontrollen gar nicht zur Verfügung steht“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. In vielen Städten würde die Umweltbelastung sogar steigen, Staus würden zunehmen. Verkehrsexperten von SPD und Grünen hatten angekündigt, nach einem Wahlsieg im Bund innerorts überwiegend Tempo 30 einführen zu wollen. Die SPD-Spitze hatte solchen Forderungen bereits eine Absage erteilt. dapd (Politik/Politik)
Hipp will kritisierte Produkte vorerst im Handel belassen
Essen (dapd). Der Nahrungsmittelhersteller Hipp will die von der Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierten gezuckerten Kindertees im Handel lassen. „Wir nehmen die Produkte nicht vom Markt. Dafür gibt es keinen Grund, denn unsere Instant-Tees sind allesamt gute Erzeugnisse“, sagte Hipp-Sprecherin Sandra Hohenlohe den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe. „Dass wir unsere Produktpalette voraussichtlich im kommenden Jahr umstellen und auf Zucker in Tees für Kinder verzichten werden, ist schon länger geplant und hat nichts mit den Vorwürfen von Foodwatch zu tun.“ Mehrere Tees der Firma waren von Foodwatch mit dem Negativpreis „Goldener Windbeutel“ für dreiste Werbelügen ausgezeichnet worden. Hipp bewerbe die Tees trotz ihres Zuckergehaltes als für Kleinkinder ab dem zwölften Monat geeignet, hatte Foodwatch zur Begründung der Nominierung erklärt. Hipp sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
BayernLB: Gribkowsky und Schmidt sollen für HGAA-Desaster haften
München (dapd). Im juristischen Ringen um Schadenersatz von ihren ehemaligen Vorständen darf die Bayerische Landesbank allenfalls auf einen Teilerfolg hoffen. Wegen des milliardenschweren Fehlkaufs der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) können vermutlich nur der damalige BayernLB-Vorstandsvorsitzende Werner Schmidt und Ex-Risikovorstand Gerhard Gribkowsky haftbar gemacht werden, wie das Landgericht München zum Prozessauftakt am Dienstag feststellte. Die Zivilkammer schlug einen Vergleich vor, wonach die beiden Ex-Manager zusammen 25 Millionen Euro Schadenersatz leisten sollen. Die Bayerische Landesbank will mit ihrer Klage von insgesamt acht früheren Vorständen 200 Millionen Euro eintreiben. Das Geldinstitut wirft seiner einstigen Führungsriege vor, beim Erwerb der HGAA im Jahr 2007 Pflichtverletzungen begangen und die Bank zu einem überteuerten Preis gekauft zu haben. Nach Einschätzung der Kammer hatten sich aber nur Schmidt und Gribkowsky, die federführend über den HGAA-Deal verhandelt hatten, leicht fahrlässig verhalten. Das Gericht vertagte sich auf den 23. Oktober. Die Kammer regte den Vergleich an, um das komplexe Verfahren abzukürzen. Ansonsten könne sich der Rechtsstreit jahrelang hinziehen, hieß es. Durch den Kauf der HGAA hatte Deutschlands zweitgrößte Landesbank 3,7 Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Der Freistaat Bayern hatte die marode Kärntner Bank Ende 2009 für einen symbolischen Euro an die Republik Österreich verscherbeln müssen. Die Vorsitzende Richterin Isabel Liesegang verwies darauf, dass die Expansion der BayernLB von der früheren CSU-Staatsregierung ausdrücklich gewünscht war. Die Banker hätten sich damals dem „politischen Willen“ gebeugt. Dennoch spreche nach vorläufiger Bewertung zumindest bei Gribkowsky und Schmidt einiges für den Vorwurf der BayernLB, dass die Manager damals nicht sorgfältig genug prüften, wie es um das Kärntner Geldinstitut stand. Vor allem für Gribkowsky ist die Einschätzung der Kammer eine neue Hiobsbotschaft: Der frühere Risikovorstand sitzt schon seit Monaten in Untersuchungshaft, weil er Bestechungsgelder von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone kassiert haben soll. Ein Urteil in dem Korruptionsprozess wird in den kommenden Wochen erwartet. Sechs Ex-Vorstände können dagegen aufatmen, weil sie in der HGAA-Affäre vermutlich ungeschoren davonkommen. Darunter ist auch Michael Kemmer, der später die Chefposition bei der BayernLB übernahm und derzeit Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken ist. Für den Prozess hatte er sich wie fast alle anderen Ex-Vorstände entschuldigen lassen, einzig Dieter Burgmer war im Gerichtssaal erschienen. Die Schadenersatzklage gegen die einstigen Vorstände war vor einem Jahr vom BayernLB-Verwaltungsrat unter Vorsitz des damaligen Finanzministers Georg Fahrenschon (CSU) beschlossen worden. Der derzeitige BayernLB-Vorstand entschied später im Gegenzug, von Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) und dem ehemaligen Sparkassenpräsidenten Siegfried Naser Schadenersatz in Millionenhöhe zu verlangen. Beide standen zum Zeitpunkt des HGAA-Erwerbs an der Spitze des Verwaltungsrats. Die von der Zivilkammer vorgeschlagene Schadenersatzsumme beinhaltet keine möglichen Ansprüche der BayernLB gegen Gribkowsky in der Formel-1-Affäre. Im Vergleichsvorschlag von 25 Millionen Euro berücksichtigt wurden allerdings die Fehlspekulationen der Landesbank mit Immobilienpapieren, die die BayernLB an den Rand der Pleite gebracht hatten. Der Freistaat Bayern hatte das Institut Ende 2008 mit zehn Milliarden Euro vor dem Kollaps bewahrt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Rund 2,7 Milliarden Euro Schaden durch Ladendiebstahl
Köln (dapd). Durch Ladendiebstahl entstehen dem deutschen Einzelhandel jährlich Schäden in einer Gesamthöhe von 2,7 rund Milliarden Euro. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Kölner Instituts für Handelsforschung EHI hervor. Täglich verschwinden danach Waren im Wert von über sechs Millionen Euro aus den Regalen. Den Löwenanteil des Schadens verursachen der Studie zufolge unehrliche Kunden, die Waren im Wert von rund 1,9 Milliarden Euro mitgehen lassen. Weitere 800 Millionen Euro an Schaden werden diebischen Mitarbeitern angelastet. Gerne geklaut werden der Studie zufolge vor allem kleine, teure Waren vom Parfüm bis zum Smartphone, aber auch Markenbekleidung und Dessous. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Hipp will Vorwurf der Werbelüge bei Kindertees nicht gelten lassen
Berlin/Pfaffenhofen (dapd-bay). Der Nahrungsmittelhersteller Hipp hat den Vorwurf einer Werbelüge im Zusammenhang mit gezuckerten Kindertees zurückgewiesen. Hipp bewerbe diese Produkte nicht, und auf den Packungen der von der Organisation Foodwatch kritisierten Tees sei der Zuckergehalt deutlich ausgewiesen, teilte die Firma am Dienstag im oberbayerischen Pfaffenhofen mit. Im zubereiteten Getränk erreiche der Zuckergehalt knapp vier Prozent, was dem einer dünn gemischten Apfelsaftschorle entspreche. Hipp habe auch eine Reihe von zuckerfreien Instant-Getränken im Sortiment, die besonders zahnschonend seien. Mehrere Tees der Firma Hipp waren von der Verbraucherorganisation Foodwatch mit dem Negativpreis „Goldener Windbeutel“ für dreiste Werbelügen ausgezeichnet worden. Bei der am Dienstag zu Ende gegangenen Abstimmung im Internet hätten mehr als 44.000 Verbraucher (34,1 Prozent) für die Zuckergranulat-Tees „Früchte“, „Waldfrüchte“ und „Apfel-Melisse“ von Hipp gestimmt, teilte die Organisation mit. Insgesamt beteiligten sich 129.229 Menschen auf der Internetseite abgespeist.de, um über die dreisteste Werbelüge 2012 abzustimmen. Platz zwei belegte die Viva Vital Hackfleisch-Zubereitung von Netto (27,5 Prozent). Auf Rang drei folgte die Margarine Becel pro activ von Unilever (22,2 Prozent) vor Clausthaler-Bier von Radeberger (10,1 Prozent). Auf Rang fünf lag Tee der Marke Teekanne „Landlust Mirabelle & Birne“, für den 6,1 Prozent der Nutzer stimmten. Hipp bewerbe die Tees trotz ihres Zuckergehaltes als für Kleinkinder ab dem zwölften Monat geeignet, hatte Foodwatch zur Begründung der Nominierung erklärt. Sie enthielten umgerechnet zweieinhalb Stück Würfelzucker pro Tasse. Experten empfählen aber, Kinder ausschließlich ungesüßte Tees trinken zu lassen. Foodwatch-Mitarbeiter Oliver Huizinga sagte: „Eltern ein solches Produkt für Kleinkinder zu empfehlen, ist unverantwortlich und passt in keiner Weise zu dem so oft betonten Anspruch von Hipp, ‚kindgerechte‘ und ‚gesunde‘ Produkte anzubieten.“ Der Foodwatch-Preis sollte noch am Dienstag am Unternehmenssitz des Herstellers in Pfaffenhofen übergeben werden. Bereits Ende Mai hatte Hipp angekündigt, die Tees bis zum Jahresende aus dem Sortiment zu nehmen. Das Unternehmen hatte bestritten, dass ein Zusammenhang der Entscheidung mit der Foodwatch-Aktion bestehe. Der Geschäftsführer von Foodwatch, Thilo Bode, forderte die Bundesregierung in einem dapd-Interview auf, den Markt für Kinderlebensmittel zu regulieren. „Es dürfen nur noch Produkte, die wirklich geeignet für Kinder sind, als solche beworben werden“, sagte er. Mit einem entsprechenden Gesetz hätte es die gezuckerten Tees für Kleinkinder gar nicht erst gegeben. Die vielen Fälle von Verbrauchertäuschung sagten nicht nur etwas über die Praktiken der Unternehmen aus, sondern auch über das Versagen des Staates beim Schutz der Verbraucher, erklärte Bode. Täuschung sei im Lebensmittelrecht zwar verboten – in der Praxis aber sehe es anders aus. „Es fehlt überall an Transparenz, bei den Herkunftsangaben, bei den Zutaten, der Tierhaltung, beim Einsatz von Gentechnik“, sagte Bode. Es würden Gesetze gebraucht, die dem legalen Etikettenschwindel ein Ende bereiteten. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)