Berlin/Madrid (dapd). Die Bundesregierung hat die Entscheidung Spaniens begrüßt, zur Rettung seiner angeschlagenen Banken Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm zu beantragen. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler sprach am Sonntag in Berlin von einem „richtigen und notwendigen Schritt“. Er gehe davon aus, dass die Maßnahme „wesentlich dazu beitragen wird, Transparenz zu schaffen und das Vertrauen an den Finanzmärkten zu stabilisieren“. Die Regierung in Madrid hatte am Samstagabend nach hartem Ringen mit der Eurogruppe verkündet, sie werde Finanzhilfen für die von einer geplatzten Immobilienblase angeschlagenen Banken beantragen und dafür auch gerade stehen. Wirtschaftsminister Luis de Guindos nannte noch keine konkrete Summe. Den genauen Betrag werde die Regierung nach einer unabhängigen Prüfung des Bankensektors angeben, deren Ergebnis spätestens am 21. Juni vorliegen werde, erklärte er. Es solle genug Geld für die Rekapitalisierung der Banken plus ein Sicherheitspuffer in beträchtlicher Höhe beantragt werden. Der IWF hatte die Lücke am Freitag auf mindestens 40 Milliarden Euro beziffert. Die Eurogruppe hatte nach stundenlangen telefonischen Beratungen zuvor bereits bis zu 100 Milliarden Euro zugesagt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte wie seine europäischen Kollegen „die Entschlossenheit“ der Regierung, das Bankenproblem mithilfe der Euroschirme zu lösen. Zugleich betonte er, nicht die Banken, sondern Spanien bekomme das Geld. Damit hafte Madrid für die Milliardenhilfen und habe zugleich die Aufsicht über die Banken. Schäuble will erreichen, dass die Hilfe aus dem ESM kommt, und nicht aus dem EFSF. Das wäre „noch besser, weil der ESM effizienter ist“, erklärte er. Und deswegen sei eine rasche Ratifizierung notwendig. Im EFSF sind derzeit noch 250 Milliarden Euro verfügbar, der ESM hat noch 250 Milliarden Euro zusätzlich. Auch die Grünen sehen in den milliardenschweren Euro-Hilfen für Spanien eine richtige Entscheidung. „Es ist richtig, dass Spanien unter den Rettungsschirm geht. Das Geld ist aber ausschließlich zur Bankenrettung da und darf keinesfalls zur allgemeinen Haushaltssanierung verwendet werden“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Es müsse außerdem sichergestellt werden, dass das europäische Geld „nicht bedingungslos zur Rettung maroder spanischer Banken genutzt“ werde. Die angeschlagenen Banken müssen unter staatliche und mittelfristig unter europäische Kontrolle. Zugleich warf Trittin der Bundesregierung vor, auch in der spanischen Bankenkrise zu zögerlich gehandelt zu haben. Wieder einmal habe das „Merkelsche Prinzip“ gegolten: Zu wenig, zu spät, sagte er. Die Einrichtung eines europäischen Bankenrestrukturierungsfonds, mit dem man Staats- und Bankenkrise hätte trennen können, sei verhindert worden. Auch fehle nach wie vor eine gemeinsame Bankenaufsicht. Die EU-Kommission äußerte sich über die spanische Entscheidung ebenso erleichtert. Brüssel stehe bereit, nun rasch vor Ort die Bedingungen für den Finanzsektor auszuhandeln, teilten Kommissionschef José Manuel Barroso und Währungskommissar Olli Rehn mit. Lagarde erklärte, der Weltwährungsfonds stehe bereit, „um die Umsetzung und Überwachung dieser finanziellen Hilfe durch regelmäßige Berichterstattung zu unterstützen“. Die Euroländer – allen voran Deutschland – hatten Spanien zum Griff zum Eurotropf gedrängt. Analysten bewerteten die Entwicklung vorsichtig positiv. Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washington erklärte etwa, die Märkte hätten von der spanischen Regierung vor allem gewollt, dass sie die desaströse Lage des Bankensektors eingestehe. dapd (Politik/Politik) Bundesregierung hält Spaniens Hilfsantrag für notwendigen Schritt weiterlesen
Schlagwort: und
Eine große Geste
Lidice (dapd). Das Schreiben von Bundespräsident Joachim Gauck zum 70. Jahrestag der NS-Massaker in den Dörfern Lidice und Lezáky stößt in Tschechien auf große Resonanz. Bei der zentralen Gedenkfeier für die 340 Toten des Massakers von Lidice zeigten sich sowohl Tschechiens Regierungschef Petr Necas als auch die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Miroslava Nemcová, dankbar für Gaucks Brief. Necas äußerte in seiner Ansprache seine Wertschätzung für das Schreiben, mit dem Gauck seine Trauer und Scham über die Auslöschung von Lidice und Lezáky ausgedrückt und die geschichtliche Verantwortung der Deutschen anerkannt habe. Nemcová dankte Gauck für seine ausgestreckte Hand. Der Leiter der Gedenkstätte von Lidice, Milous Cervencl, sprach im tschechischen Fernsehen, von einer „großen Geste“ des Bundespräsidenten. Gauck hatte in einem Brief an Tschechiens Präsidenten Václav Klaus seine Betroffenheit über die verwerflichen Terrorakte ausgedrückt. Klaus zeigte sich am Freitag in seiner Antwort dankbar für Gaucks neuen Impuls, Reste des Misstrauens auf beiden Seiten der Grenze zu überwinden. 1942 hatten die Nationalsozialisten die Dörfer Lidice und Lezáky aus Rache für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, dem Erdboden gleichgemacht. dapd (Politik/Politik) Eine große Geste weiterlesen
Neuer Vorstoß für die Frauenquote
Hamburg (dapd). In der Union verschärft sich offenbar der Streit über die Einführung einer Quote für Frauen in Führungspositionen. Einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ zufolge erwägen die Unionsfrauen im Bundestag einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag, der auch von den Quotenbefürwortern in den Reihen von SPD und Grünen unterstützt werden könnte. „Das letzte Wort über die Quote hat der Bundestag, nicht Herr Rösler“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker dem Magazin. Sie reagierte damit auf eine bekannt gewordene Äußerung von FDP-Chef Philipp Rösler in einem Spitzentreffen mit Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer in der vergangenen Woche, wonach er in dieser Legislaturperiode jedes Gesetzesvorhaben zur Quote blockieren werde. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) lehnte einen Gruppenantrag indes ab, und stellte zugleich eine neue Initiative in Aussicht: „Ich werde beim Thema Frauen in Führungspositionen nicht nachlassen und bis zum Ende des Jahres einen Frauenkarriereindex auf den Weg bringen“, sagte Schröder dem „Spiegel“. „Anhand dieser Skala können Frauen erkennen, wie sehr sich Firmen bei der Förderung von weiblichen Angestellten engagieren“, fügte sie hinzu. dapd (Politik/Politik) Neuer Vorstoß für die Frauenquote weiterlesen
Bartsch watscht innerparteiliche Gegner ab
Berlin (dapd). Der bei der Wahl zum Linke-Vorsitz unterlegene Kandidat Dietmar Bartsch kritisiert das Verhalten seiner innerparteilichen Gegner. Es sei „Ausdruck unerhörter Kulturlosigkeit“, dass diese nach seiner Wahlniederlage auf dem Göttinger Parteitag am vergangenen Wochenende die „Internationale“ angestimmt und das Kampflied „Ihr habt den Krieg verloren“ gesungen hätten. „Das ist deutlich unter der Gürtellinie und geht gar nicht“, sagt Bartsch dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ laut Vorabbericht. Der Vize-Fraktionsvorsitzende bekräftigte außerdem, dass in der linken Bundestagsfraktion „Hass“ und „pathologische Zustände“ herrschten: „Das ist leider zutreffend.“ Eine Spaltung der Partei, vor der Fraktionschef Gregor Gysi gewarnt hatte, will Bartsch jedoch vermeiden: „Sie würde den Tod der Linken bedeuten.“ dapd (Politik/Politik) Bartsch watscht innerparteiliche Gegner ab weiterlesen
Justizminister wollen neuen Straftatbestand Datenhehlerei
Wiesbaden (dapd-hes). Die Justizminister der Länder wollen auf ihrer bevorstehenden Konferenz in Wiesbaden das deutsche Rechtssystem sowie die Arbeit von Richtern und Staatsanwälten in wichtigen Punkten modernisieren. Der hessische Ressortchef und Gastgeber Jörg-Uwe Hahn (FDP) kündigte im Interview der Nachrichtenagentur dapd dazu mehrere Vorstöße an. So soll ein Strafttatbestand der Datenhehlerei eingeführt werden. Zudem wollen die Justizminister die Umstellung von Papierakten auf elektronische Kommunikation im Gerichtswesen voranbringen. Hahn hat in diesem Jahr den Vorsitz der Justizministerkonferenz von Bund und Ländern inne, die am Mittwoch und Donnerstag in der hessischen Landeshauptstadt zusammenkommt. Zur Aufnahme der Hehlerei mit gestohlenen Daten ins Strafgesetzbuch will er seinen Amtskollegen einen konkreten Vorschlag präsentieren. Damit solle eine bestehende Lücke im deutschen Strafrecht geschlossen werden, sagte er. Zur Zeit sei zwar der Datendiebstahl selbst strafbar, nicht aber die Weitergabe und Veräußerung der entwendeten Daten durch Dritte. Erst derjenige, der am Schluss der Kette mit den gestohlenen Daten etwa jemanden erpresse, mache sich wieder strafbar. Nach Auffassung Hahns muss aber auch die Hehlerei, also der Handel mit den gestohlenen Daten, unter Strafe gestellt werden. Ziel sei, dass Hehlerei strafrechtlich verfolgt werde, gleich ob es sich um den Handel mit gestohlenen Gegenständen oder Daten handele, sagte er in dem Interview. Nur so könnten der Diebstahl und missbräuchliche Handel mit illegal im Internet erworbenen Daten wirksam eingedämmt werden. Der hessische Vorschlag dazu sei in Abstimmung mit Wissenschaftlern aus diesem Bundesland entstanden, und er rechne mit einer Zustimmung auf der Justizministerkonferenz für einen Gesetzentwurf im Bundesrat, fügte der FDP-Politiker hinzu. Acht Bundesländer, darunter wiederum Hessen, hätten zudem einen Vorstoß erarbeitet, auf dem Weg zur papierlosen Gerichtsakte deutlich voranzukommen und die Möglichkeiten der Netzkommunikation stärker zu nutzen. Dazu könnten irgendwann auch elektronische Postfächer gehören, insgesamt sollten Richter und Staatsanwälte von Papierarbeit entlastet werden. Irritationen habe bei einigen Ressortchefs ausgelöst, dass das Bundesjustizministerium zu diesem Thema kurzfristig einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt und nicht auf die Vorarbeit der Länderkollegen zurückgegriffen habe, merkte Hahn kritisch an. dapd (Politik/Politik) Justizminister wollen neuen Straftatbestand Datenhehlerei weiterlesen
Nahles wirbt für Wählen ab 16 Jahren
Berlin (dapd). SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat die Forderung ihre Partei nach einer Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre bekräftigt. „Die jungen Leute heute sind – entgegen vielen landläufigen Behauptungen – politisch interessiert und wollen mitreden. Deswegen wollen wir, dass sie schon ab 16 wählen und damit auch mitbestimmen dürfen“, sagte Nahles der Nachrichtenagentur dapd. Es sei gefährlich, dass sich viele von der Politik insgesamt nicht mehr angesprochen führen. Die SPD mache daher mit ihrer Forderung deutlich, „dass wir die Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten von Jugendlichen ausbauen wollen“, sagte Nahles. Auch an Schulen, Hochschulen und in der Ausbildung müssten Jugendliche zudem stärker mitbestimmen können. Die Einführung einer Jugendquote für den teils überalterten Funktionärsapparat der SPD hält die Generalsekretärin derweil „nicht für zwingend“. Nahles betonte: „Mit unserer Jugendorganisation, den Jusos, haben wir eine einflussreiche Gruppe junger Menschen in unserer Partei, deren Einfluss mit der Parteireform auch deutlich größer geworden ist.“ dapd (Politik/Politik) Nahles wirbt für Wählen ab 16 Jahren weiterlesen
Nach langem Zögern: Spanien wird unter Rettungsschirm schlüpfen
Madrid/Brüssel (dapd). Nach massivem Druck der Europartner schlüpft Spanien als viertes Land unter den Rettungsschirm. Die Regierung werde Hilfe für seine angeschlagenen Banken beantragen, kündigte Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Samstagabend auf einer Pressekonferenz an. De Guindos selbst nannte keine konkrete Summe. Die Eurogruppe sagte nach stundenlangen telefonischen Beratungen bereits bis zu 100 Milliarden Euro zu. Der Betrag müsse die notwendige Rekapitalisierung und einen Sicherheitspuffer abdecken und solle vom befristeten Schirm EFSF oder vom dauerhaften Schirm ESM überwiesen werden, hieß es in einer Erklärung von Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. De Guindos will vor dem offiziellen Antrag eine weitere Bestandsaufnahme der Finanznot der Banken abwarten, womit in den kommenden zwei Wochen gerechnet wird. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte die Lücke am Freitag auf mindestens 40 Milliarden Euro beziffert. De Guindos betonte, dass die Finanzhilfe sich auf das Bankensystem Spaniens beschränken werde und das Geld für das Land kein Rettungspaket sei, wie es Griechenland, Irland und Portugal erhalten hatten. Tatsächlich muss sich Madrid keinem umfassenden Sanierungsdiktat der Troika aus IWF, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) beugen. Geld laut Schäuble nicht für Banken, sondern Spanien Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte wie seine Kollegen „die Entschlossenheit“ der Regierung, das Bankenproblem mit Hilfe der Euroschirme zu lösen. Zugleich betonte er, nicht die Banken, sondern Spanien bekomme das Geld. Damit hafte Madrid für die Milliardenhilfen und habe zugleich die Aufsicht über die Banken. Schäuble will erreichen, dass die Hilfe aus dem ESM kommt, und nicht aus dem EFSF. Das wäre „noch besser, weil der ESM effizienter ist“, erklärte er. Und deswegen sei eine rasche Ratifizierung notwendig. Im EFSF sind derzeit noch 250 Milliarden Euro verfügbar, der ESM hat noch 250 Milliarden Euro zusätzlich. Mehrere Nordländer wollten Madrid zu weiteren Reformen zwingen, was De Guindos aber erfolgreich abwehren konnte. Die Bedingungen blieben auf den Finanzsektor beschränkt, heißt es in der Erklärung der Eurogruppe. Die Euroländer – allen voran Deutschland – hatten Spanien zum Griff zum Eurotropf gedrängt. Dort sind viele Geldhäuser nach dem Platzen der Immobilienblase mit faulen Krediten vollgesogen. Wegen der Unsicherheit ist die Kreditwürdigkeit des Staates angekratzt, das Land muss bedrohlich hohe Zinsen zahlen. Die Euroländer wollten Madrid noch vor der Griechenland-Wahl am nächsten Sonntag abschirmen, wenn sich die Krise bei einem Sieg der radikalen Kräfte verschlimmern könnte. Nun wird Spanien nach Griechenland, Irland und Portugal als viertes Land mit Notkrediten gerettet. Für die drei Länder springen die Europartner bereits mit 192 Milliarden Euro in die Bresche, wie der EFSF mitteilte. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik) Nach langem Zögern: Spanien wird unter Rettungsschirm schlüpfen weiterlesen
Hinterlässt ein virtuoser Personalstreit eine zerrissene Partei?
Berlin (dapd). Der Regierungschef blieb stur. 45 Sekunden spendeten die Genossen dem SPD-Linken Jan Stöß nach dessen Bewerbungsrede für den Landesvorsitz Beifall – 45 Sekunden saß Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bewegungslos auf dem Podium. Mit verschränkten Armen und nicht gewillt, in den Jubelchor um den Herausforderer von Amtsinhaber Michael Müller einzustimmen. Geschadet hat der öffentliche Liebesentzug Stöß aber nicht. Nach einer mehrstündigen Auseinandersetzung wählte am Samstag eine knappe Mehrheit der Delegierten den 38-Jährigen auf einem Parteitag zum neuen Landeschef – und damit zum Nachfolger von Müller. Vorausgegangen war der Abstimmung ein monatelanger Machtkampf, der die Partei vielleicht noch stark prägen könnte. Denn trotz der formal getroffenen Entscheidung ist es nicht ausgeschlossen, dass ihr eine lange Zerreißprobe droht – und das ohne Not, wie die Kritiker von Stöß bemängeln. Aus Sicht der Müller-Befürworter ist die SPD eigentlich in einer komfortablen Situation gewesen. Zum dritten Mal in Folge stelle man seit der Abgeordnetenhauswahl 2011 die stärkste politische Kraft. Trotzdem seien die Personalstreitigkeiten „virtuos“ herbeigeführt und Gräben aufgerissen worden, beklagte zum Beispiel Frank Zimmermann aus Tempelhof. Das Kuriose daran: Inhaltlich gab es kaum Unterschiede zwischen den Kontrahenten, zumindest galten die Differenzen nicht als unüberbrückbar. Trotzdem ist die Partei in zwei Lager gespalten. Der Riss geht dabei mitunter quer durch die Ortsverbände. Diese Spaltung ist das Ergebnis einer wochenlangen Auseinandersetzung, in der Müller und Stöß bei Veranstaltungen die Basis im Duell um das Spitzenamt jeweils für sich zu gewinnen suchten. Der Streit wurde hart geführt, mitunter begleitet von persönlichen Verletzungen. Die Kritiker aus dem Stöß-Lager warfen Amtsinhaber Müller vor, als Senatsmitglied das sozialdemokratische Profil in der großen Koalition nicht genug geschärft und die parteiinterne Kommunikation stark vernachlässigt zu haben. Müller selbst zeigte sich beim Parteitag selbstkritisch und räumte ein, dass er beim innerparteilichen Dialog besser werden müsste. Es war aber ein Versprechen, das zu spät kam. Die Partei vertraut jetzt einem Mann, der großen Teilen der Berliner Bevölkerung bis jetzt unbekannt ist. Der 38-jährige Verwaltungsrichter, der seit 1990 der SPD angehört, sicherte den Genossen zu, dass er für die Erneuerung der Partei stehe und die Gremienarbeit wieder stärken wolle. Thierse warnt vor Dauerkonflikt Doch ein Selbstläufer wird das nicht. Sein angekündigtes Programm wird er nicht dauerhaft gegen das unterlegene Lager durchsetzen können. Er wird sich erst einmal um Geschlossenheit bemühen müssen. Nicht wenige glauben, dass ihm das nicht allzu schnell gelingen dürfte. Zwar bemühten sich alle Beteiligten am Samstag durchaus vordergründig darum, die Debatte zu versachlichen und die Wogen zu glätten. Es dürfe am Ende keine Sieger und Besiegten geben, warnten Fraktionschef Raed Saleh und Arbeitssenatorin Dilek Kolat. Doch allen Treueschwüren zum Trotz – der Machtkampf hat die Partei möglicherweise mehr aufgewühlt, als sich das viele Genossen eingestehen wollen. Als einer der wenigen fand Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse deutliche Worte: „Ich fürchte die Institutionalisierung eines Dauerkonflikts“, sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Das vom Stöß-Lager oftmals beschworene Argument, dass die Nominierung von mehreren Kandidaten auch als ein Ausdruck demokratischer Kultur verstanden werden könne, ließ er nicht gelten. Das sei nur sinnvoll, wenn die Kandidaten für inhaltlich unterschiedliche Positionen stünden, sagte Thierse. Aber bei Müller und Stöß sei das ja nicht der Fall. „Es wird sicherlich dauern, bis die Luft aus dem Streit raus ist“, räumte auch Bildungsstaatssekretär Mark Rackles ein, der sich für Stöß starkgemacht hatte. Im Gegensatz zu Thierse zeigte er sich aber optimistisch, dass dem neuen Parteichef die Befriedung der Partei gelingen kann. Ein erstes Zeichen der Annäherung setzte Stöß eine halbe Stunde nach seiner Wahl. In diesem Moment nahm er auf dem Podium neben Wowereit Platz. Der Regierungschef war ein enger Verbündeter von Müller und hatte sich im Vorfeld für seinen langjährigen Weggefährten, der auch als sein Kronprinz galt, ausgesprochen. Die ersten Stunden des Parteitages hatten die beiden Vertrauten noch Seite an Seite gesessen. Nun war Müller weg – und stattdessen plauderte Stöß ein wenig mit dem Regierungschef. Wowereit lächelte kurz, sagte ein paar Sätze. Ein Dauergespräch wurde es aber nicht. Nach wenigen Minuten stand Stöß auf und ging. Zurück blieb der Regierende Bürgermeister, der am Ende nur einen kurzen Appell an den Neuen richtete: „Ich erwarte, dass Jan Stöß die Kontinuität in der Zusammenarbeit zwischen Partei, Senat und Fraktion bewahrt.“ dapd (Politik/Politik) Hinterlässt ein virtuoser Personalstreit eine zerrissene Partei? weiterlesen
Europa rüstet sich für spanisches Banken-Desaster
Brüssel/Berlin (dapd). Trotz massiven Drucks der Europartner hat Spanien einen Antrag auf Finanzhilfe für seine angeschlagenen Banken weiter hinausgezögert. Die Euro-Finanzminister berieten am späten Samstagnachmittag in einer Telefonkonferenz dennoch über die Bedingungen für einen möglichen Hilferuf Madrids. „Man will vorbereitet sein, falls eine Anfrage kommt“, sagte der Sprecher von Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker. Berichten zufolge könnten die Euroländer zur Rettung der spanischen Banken bis zu 100 Milliarden Euro ins Fenster stellen. Diese Summe werde als Maximalbetrag im Entwurf für die Eurogruppen-Erklärung genannt, schrieb das „Wall Street Journal“ am Samstag in seiner Onlineausgabe unter Berufung auf EU-Diplomaten. Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt sagte, es werde über ein Rettungspaket in Höhe von bis zu 80 Milliarden Euro gesprochen. Es gehe um „eine der größten finanziellen Rettungsaktionen, die die Welt gesehen hat“. Sein Land ist allerdings nicht in der Währungsunion. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte den Refinanzierungsbedarf für die spanischen Banken bis zum kommenden Jahr am Freitagabend mit 40 Milliarden Euro beziffert. Die Ratingagentur Fitch geht dagegen davon aus, die Geldhäuser bräuchten zwischen 90 und 100 Milliarden Euro, um sicher durch die Krise zu kommen. Seit dem Morgen hatten zunächst die Finanzstaatssekretäre telefonisch über den spanischen Patienten beraten. Doch sie konnten sich zunächst weder auf eine Summe für ein mögliches Hilfspaket noch auf die Bedingungen einigen. Da aber nun der Finanzbedarf der spanischen Institute auf dem Tisch liege, wollten die Europartner das Land „so schnell wie möglich unter dem Rettungsschirm sehen“, verlautete es aus der Delegation eines größeren Eurolandes. Damit will sich die Eurozone auch gegen eine weitere Zuspitzung der Lage wappnen, wenn am nächsten Sonntag die radikalen Kräfte die Wahl in Griechenland gewinnen und ein Euro-Ausstieg Athens drohen könnte. Kauder: Spanische Banken brauchen Hilfen Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler ermunterte Spanien, den Euro-Rettungsschirm in Anspruch zu nehmen. „Wenn Spanien bei der Bankenstabilisierung Hilfe benötigt, sollte es diese zügig bei der EFSF beantragen – das Instrumentarium dazu ist da“, sagte der Vizekanzler und FDP-Chef der „Rheinischen Post“. Nach Einschätzung von Unionsfraktionschef Volker Kauder wird Spanien die Finanzprobleme seiner Banken nicht aus eigener Kraft lösen können. Daher rechne er mit einem Antrag des Landes auf Unterstützung, sagte Kauder der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Das betreffe aber nur die Rekapitalisierung der Banken. Spanien insgesamt müsse indes nach Ansicht Kauders nicht unter den Rettungsschirm. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier warnte Spanien indes davor, sich zu spät unter den europäischen Rettungsschirm zu begeben. „Der Schritt unter den europäischen Rettungsschirm ist unvermeidlich und darf nicht wegen missverstandener Ehre zu spät erfolgen“, sagte er. Auch der mögliche Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, empfahl dem Land die Nutzung des Rettungsschirms. „Spanien kann und sollte den Rettungsschirm in Anspruch nehmen und mit diesen Mitteln seinen Bankensektor restrukturieren“, sagte Steinbrück dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Die Forderung der spanischen Regierung nach einer direkten Hilfszahlung aus dem Rettungsfonds ESM an seinen notleidenden Finanzsektor lehnte er jedoch strikt ab. Spanien wäre 4. Land am Euro-Tropf Würde Madrid sein Zögern aufgeben und unter den Schirm schlüpfen, wäre Spanien nach Griechenland, Irland und Portugal das vierte Land am Euro-Tropf. Allerdings braucht Spanien nur Hilfe für seine maroden Banken, die mit faulen Immobilienkrediten vollgesogen sind. Dafür ist im EFSF das Instrument der gezielten Restrukturierungshilfe vorgesehen. Dabei müsste sich die Regierung nicht einem umfassenden Sanierungsprogramm unterwerfen, dass von der Troika diktiert wird. Die US-Ratingagentur Moody’s droht Ländern der Eurozone mit einer Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit, sollte Spanien den Rettungsschirm in Anspruch nehmen oder Griechenland aus dem Euro aussteigen. Das Unternehmen erklärte am Freitag, es schätze derzeit die Folgen eines spanischen Hilfegesuchs für die Gläubiger ab. Sollte Griechenland die Euro-Zone verlassen, könnte dies die Ratings anderer Länder der Region gefährden. © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik) Europa rüstet sich für spanisches Banken-Desaster weiterlesen
VW könnte Porsche steuerfrei übernehmen
Düsseldorf (dapd). Ein spitzfindiger Steuertrick könnte Volkswagen und Porsche auf dem holprigen Weg zu ihrem lange geplanten Zusammenschluss entscheidend voranbringen. Laut einem Bericht haben die Autohersteller eine Möglichkeit gefunden, ihre Fusion ohne eine milliardenschwere Steuerzahlung umzusetzen. Das Finanzamt Stuttgart habe VW und Porsche rechtsverbindlich versichert, dass die von ihnen gewählte Konstruktion der Übernahme steuerfrei sei, berichtete die „Wirtschaftswoche“ unter Berufung auf Informationen aus Kreisen des Finanzministeriums in Baden-Württemberg. Für das Einbringen ihrer Tochter Porsche AG würde die Holding Porsche SE 4,5 Milliarden Euro von VW erhalten. Im Falle einer Steuerpflicht hätte Porsche SE dafür schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro Körperschafts-, Gewerbe- und Grunderwerbsteuer an den Fiskus zahlen müssen, schrieb das Wirtschaftsmagazin. Das Finanzamt habe aber Steuerfreiheit gewährt, weil Porsche SE für die Porsche AG nicht nur Geld, sondern auch eine einzige VW-Stammaktie erhalten soll. Damit geht es laut dem Bericht aber steuerrechtlich nicht mehr um einen Verkauf, sondern um eine Umstrukturierung, die wiederum von der Steuer befreit sei. Ein Sprecher des baden-württembergischen Finanzministeriums sagte auf Anfrage, das Ministerium könne keine Auskunft in einem steuerlichen Einzelfall erteilen. Schadenersatzklagen verhindern bisher Verschmelzung VW und Porsche streben schon seit langem eine Fusion an. VW-Konzernchef Martin Winterkorn betont immer wieder, dass „der integrierte Konzern von Volkswagen und Porsche“ kommen werde und ein logischer Schritt sei. Die Verschmelzung war bislang an Milliardenklagen von Investoren in den USA und an deutschen Gerichten gescheitert. Hintergrund ist die geplatzte Übernahme von VW durch das kleinere Unternehmen Porsche in 2008. Die Anleger klagen derzeit auf Schadenersatz, weil sie sich nicht ausreichend über Porsches Übernahmepläne informiert sahen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft) VW könnte Porsche steuerfrei übernehmen weiterlesen