Berlin (dapd). Deutschland wird die milliardenschweren Hilfen zur Rettung der spanischen Banken mittragen. Das wurde am Donnerstag bei der Sondersitzung des Bundestages in Berlin deutlich. Bei aller Kritik kündigten SPD und Grüne an, dem Hilfspaket zuzustimmen. Lediglich die Linksfraktion wollte geschlossen Nein sagen. Zugleich legte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerin indirekt nahe, angesichts schwindender Unterstützung in den eigenen Reihen die Vertrauensfrage zu stellen. Steinmeier warf der Regierung vor, planlos zu agieren und ständig selbst gesetzte Grenzen zu überschreiten. Auch die Grünen hielten der Regierung einen falschen Kurs in der Euro-Krise vor. In Spanien gebe es keine Staatsschuldenkrise, sondern eine Bankenkrise infolge einer geplatzten Immobilienblase, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Für Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht versenkt die Regierung im Zuge der Euro-Rettung Geld „im schwarzen Loch des Finanzmarkts“, ohne den Menschen zu helfen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte derweil den eingeschlagenen Weg als unbequem, aber richtig. Die Lage im spanischen Bankensektor werde zu einem „Problem der Finanzstabilität der Eurozone“, warnte er. An einer Sanierung des angeschlagenen Bankensektors mit bis zu 100 Milliarden Euro führe kein Weg vorbei. Schließlich gebe es eine „extreme Verunsicherung“ an den Finanzmärkten. Somit sei die Lage im spanischen Bankensektor zu einem „Problem der Finanzstabilität der Eurozone“ geworden. Schäuble lobte zugleich die Reformanstrengungen Madrids. „Spanien ist auf einem guten Weg“, sagte er. „Aber die Erfolge sind durch die Unsicherheit im Bankensektor gefährdet.“ Die Hilfskredite gäben Spanien die Zeit, die für den Erfolg der Reformen gebraucht werde. Der Minister betonte mit Blick auf Diskussionen der vergangenen Tage, dass nicht die Banken direkt das Geld erhielten. Vielmehr bekomme der spanische Staat die Hilfen und hafte auch dafür. Das unterstrich auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die damit die Bedingungen ihrer Partei für die Milliardenhilfen erfüllt sah. Der Regierungserklärung von Schäuble schloss sich eine engagierte und teils hitzige Debatte an. Darin warf FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle der SPD Verrat an deutschen Interessen vor. Die Sozialdemokraten machten sich mit ihrer Zustimmung zu einer „Schuldenunion“ immer mehr „zum Sprachrohr der französischen Sozialisten“, sagte er. Auch sonst seien sie politische Wackelkandidaten. SPD-Fraktionschef Steinmeier warf der schwarz-gelben Regierung vor, im Kampf gegen die Euro-Krise ohne Plan und zunehmend auch ohne Rückhalt in der eigenen Koalition vorzugehen. „Mit bloßem Schulterzucken ist bisher noch jede rote Linie überschritten worden“, beklagte er. Mit Blick auf zwei verfehlte Kanzlermehrheiten fügte Steinmeier hinzu, es habe früher andere Politiker gegeben, die aus einer fehlenden Mehrheit „andere Konsequenzen gezogen“ hätten als zu schweigen und in die Sommerpause zu gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der Vergangenheit mehrfach eine Kanzlermehrheit in Fällen der Euro-Rettung als verzichtbar bezeichnet. dapd (Politik/Politik)
Schlagwort: in
Aigner fordert Senkung der Dispozinsen
Berlin (dapd). Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat Banken und Sparkassen zur Senkung der Zinsen auf Dispokredite aufgefordert. Sie legte am Donnerstag in Berlin eine Studie vor, derzufolge die Kreditinstitute teils weit überhöhte Zinsen verlangen, anstatt ihre günstigeren Refinanzierungsbedingungen weiterzugeben. Verbraucherverbände und SPD plädierten für eine gesetzliche Zinsdeckelung. Im Bundesrat will Baden-Württemberg dazu initiativ werden. Die Kreditwirtschaft lehnt das ab. Aigner kündigte für den Herbst ein Spitzengespräch an: „Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen.“ Laut Studie könnten die Geldhäuser schon mit Zinssätzen von zehn Prozent „profitabel arbeiten“. Verlangt würden derzeit aber teils mehr als 14 Prozent. 80 Prozent der Bürger halten nach einer ebenfalls von Aigner in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage das Dispozinsniveau für zu hoch. Etwa jeder vierte Verbraucher hat in diesem Jahr schon sein Girokonto überzogen. Jeder Dritte fühlt sich von seiner Bank über die Dispozinsen nicht gut informiert; nicht einmal jeder Zweite kennt die Höhe seines Dispozinses. Nach der Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung verfügen über 80 Prozent der Haushalte in Deutschland über einen Dispokredit-Rahmen. Jeder sechste Haushalt nimmt diesen regelmäßig in Anspruch. Nach früheren Untersuchungen der Stiftung Warentest schwanken die Dispozinsen bei Banken und Sparkassen in Deutschland zwischen 6 und 14,75 Prozent, der Durchschnitt liegt bei 11 bis 12 Prozent. Die Autoren der Studie ziehen die Begründungen der Geldhäuser für die hohen Zinsen in Zweifel: Weder habe sich der Bearbeitungs- und Verwaltungsaufwand in den vergangenen Jahren erhöht, noch seien die Ausfallquoten mit im Schnitt höchstens 0,3 Prozent auffallend hoch. Es liege nahe, dass die Erträge „zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet werden“. Die SPD will den Banken per Gesetz eine Zinsobergrenze für Dispokredite auferlegen, wie Parteichef Sigmar Gabriel der „Bild“-Zeitung (Freitagausgabe) sagte. Das grün-rot regierte Baden-Württemberg kündigte eine Bundesratsinitiative an. Der saarländische Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine sprach von „Wucherzinsen“ und forderte, der Jahreszinssatz für Überziehungskredite dürfe höchstens fünf Prozentpunkte über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank von derzeit 0,75 Prozent liegen. Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen, verlangte ebenfalls „eine gesetzliche Deckelung des Zinssatzes“. Er erklärte, Transparenz allein werde nicht ausreichen. „Die wenigsten Verbraucher würden ihre Hausbank wechseln, weil die Dispozinsen zu hoch sind. So bleibt den Verbrauchern oftmals gar nichts anderes übrig, als den überhöhten Zinssatz ihrer Bank zu schlucken.“ Die CSU-Ministerin äußerte sich kritisch zu den Gesetzesinitiativen: Eine Deckelung „hätte das Risiko, dass es unterm Strich für alle Kunden teurer wird – weil auch bisher günstige Banken die Obergrenze voll ausschöpfen würden und sich teure Banken das entgangene Geld über Gebührenerhöhungen wieder hereinholen“. Ein Gesetz lehnten auch die Zentralverbände der deutschen Kreditwirtschaft ab. Sie erklärten sich aber „bereit, den konstruktiven Dialog fortzuführen“. Im Übrigen verwiesen sie darauf, dass sich die Höhe der Dispozinsen durch das höhere Ausfallrisiko erkläre und der laufende Aufwand, „sie vorzuhalten und zu überwachen“, höher sei als bei anderen Krediten. (Studie und Forsa-Umfrage im Internet: www.bmelv.de/dispo ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Schäuble will Spanien Zeit kaufen
Berlin (dapd). Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat das geplante Hilfspaket für Spanien mit dem Hinweis auf die „extreme Verunsicherung“ an den Finanzmärkten verteidigt. Es gebe hier eine „Ausnahmesituation“, sagte Schäuble am Donnerstag in der Sondersitzung des Bundestages in Berlin. Dagegen warf SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Regierung vor, planlos zu agieren. Der Bundestag sollte am Nachmittag über die europäischen Hilfen zur Sanierung des angeschlagenen Bankensektors in Spanien entscheiden. Es geht um bis zu 100 Milliarden Euro an Darlehen aus dem Rettungsschirm EFSF, an dem Deutschland den größten Anteil trägt. Die Lage im spanischen Bankensektor werde zu einem „Problem der Finanzstabilität der Eurozone“, warnte Schäuble in seiner Regierungserklärung. Es könne zu „gravierenden Ansteckungseffekten in Europa“ kommen. Deswegen sei eine umfangreiche und schnelle Hilfe notwendig: „Wir leisten damit einen Beitrag zum Erhalt der Euro-Zone insgesamt.“ Schäuble lobte die Regierung in Madrid für ihre Reformanstrengungen. Es seien Arbeitsmarkt- und Rentenreformen eingeleitet worden, zudem habe die spanische Regierung Pläne für den Abbau des Staatsdefizits vorgelegt. „Spanien ist auf einem guten Weg“, sagte Schäuble. „Aber die Erfolge sind durch die Unsicherheit im Bankensektor gefährdet.“ Die Hilfskredite gäben Spanien die Zeit, die für den Erfolg der Reformen gebraucht werde. Zugleich versicherte der Minister, dass nicht die Banken direkt das Geld erhielten. Vielmehr erhalte der spanische Staat die Hilfen und hafte auch dafür. Das sei wichtig für die Rückzahlungen. Die Haftungsfrage hatte in den vergangenen Tagen immer wieder für Diskussionen gesorgt. Schäuble kritisierte die Darstellung scharf, direkte Geldströme aus dem Rettungsschirm an die Banken ohne Haftung der jeweiligen Staaten stünden bereits kurz bevor. Beim jüngsten EU-Gipfel war beschlossen worden, dies zu ermöglichen. Schäuble stellte nun klar, dass es sich um langfristige Planungen handele, deren Details noch unklar seien. Wer jetzt über unmittelbar bevorstehende Bankenrekapitalisierungen „schwadroniert“, werde der Ernsthaftigkeit der anstehenden Fragen nicht gerecht. Steinmeier hingegen warf Schäuble und der Regierung insgesamt vor, im Kampf gegen die Euro-Krise ohne Plan und zunehmend auch ohne Rückhalt in der eigenen Koalition vorzugehen. Er legte Schwarz-Gelb daher vorgezogene Neuwahlen an Herz. Es habe früher andere Politiker gegeben, die hätten aus einer fehlenden Kanzlermehrheit „andere Konsequenzen gezogen“ als zu schweigen und in die Sommerpause zu gehen, sagte Steinmeier. „Mit bloßem Schulterzucken ist bisher noch jede rote Linie überschritten worden“, beklagte der SPD-Politiker. Doch die „Mär von einer europäischen Disziplinlosigkeit“ überzeuge nicht einmal mehr alle Abgeordneten von Union und FDP. Er forderte einen eigenen Banken-Rettungsschirm, der über eine Bankenabgabe und nicht über Steuergelder finanziert werde solle. Die Bankenrettung über die Euro-Rettungsschirme dürfe keine Dauerlösung werden, warnte Steinmeier und forderte, auch Bankenpleiten in Betracht zu ziehen. „Es darf keine Bankenrettung um jeden Preis geben!“ Banken, die nicht zu sanieren seien, müssten vom Markt verschwinden. dapd (Politik/Politik)
BAG: Wiederholte Vertragsbefristung kann unwirksam sein
Erfurt (dapd). Befristete Arbeitsverträge dürfen nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ohne genaue Prüfung nicht unbegrenzt erneuert werden. In einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil entschieden die Richter in Erfurt, dass vor einer erneuten Befristung genau zu prüfen sei, wie oft und wie lange bereits verlängert wurde. Vor allem eine sehr lange Gesamtdauer oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprächen für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs. Dann sei die Befristung unwirksam. Eine konkrete Grenze für solche Kettenbefristungen nannten die Richter aber nicht. Das Gericht gab mit seiner Entscheidung einer Frau Recht, die mit 13 aufeinanderfolgenden Verträgen elf Jahre lang beim Amtsgericht Köln beschäftigt worden war. Sie hatte dort jeweils Justizangestellte vertreten, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befunden hatten. Schließlich klagte sie auf eine unbefristete Festanstellung, unterlag aber zunächst am Landesarbeitsgericht in Köln. Im Januar hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg in dem Fall entschieden, dass Kettenbefristungen auch bei wiederkehrendem oder ständigem Vertretungsbedarf nicht generell gegen EU-Recht verstoßen. Sie dürften allerdings nicht rechtsmissbräuchlich sein. In einem ähnlich gelagerten Fall entschieden die Richter dagegen im Sinne des Arbeitgebers. Sie wiesen die Klage einer Frau ab, die mit vier aufeinanderfolgenden Verträgen über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren beschäftigt wurde. Zahl und Gesamtdauer der Arbeitsverhältnisse gäben in dem Fall keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch, urteilten die Richter. (Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 18. Juli 2012, AZ.: 7 AZR 443/09, 7 AZR 783/10) (BGA-Pressemitteilung: http://url.dapd.de/g9LJCO ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Opel-Aufsichtsratsmitglied erwartet fünfjährige Dauer der Sanierung
Rüsselsheim/Würzburg (dapd). Die Sanierung des kriselnden Autoherstellers Opel wird nach Ansicht eines Aufsichtsratsmitglieds noch einige Jahre anhalten. „Ich gehe davon aus, dass es etwa drei bis fünf Jahre dauern wird, bis Opel wieder auf der Erfolgsspur ist“, sagte Jaap Timmer, Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des europäischen Opel-Händlerverbandes, dem in Würzburg erscheinenden Fachmagazin „Kfz-Betrieb“. Auf dem Weg zurück in die Gewinnzone müsse Opel „mehr verkaufen und Kosten sparen. Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten wie den Einkauf zu optimieren und Bürokratie abzubauen, man muss nicht unbedingt Mitarbeiter entlassen“, sagte der Holländer. Ein Sprecher des Unternehmens äußerte sich nicht zu den Aussagen. Opel schreibt seit Jahren Verluste in Milliardenhöhe. Die General-Motors-Tochter hatte am Mittwoch einen Kahlschlag im Management angekündigt: Nach dem Abgang von Karl-Friedrich Stracke als Vorstandsvorsitzender und zwei weiteren Vorstandsmitgliedern sollen zusätzlich zahlreiche Führungskräfte das Unternehmen verlassen. Die Rede ist von 500 Managern. Opel-Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug erwartet trotz der zahlreichen Umbesetzungen in der Konzernführung um den gerade ernannten Interimschef Thomas Sedran Kontinuität auf dem Weg der Sanierung. Aus Sicht des Betriebsrats ändere sich nichts, sagte Schäfer-Klug am Rande einer Opel-Veranstaltung in Rüsselsheim. Das Unternehmen präsentierte sich dort als neuer Sponsor des deutschen Fußballmeisters Borussia Dortmund. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
MTH Retail kauft über 100 Märkte der Schlecker-Tochter Ihr Platz
Ulm (dapd). Nach der Schlecker-Insolvenz geht der Verkauf von Filialen der Tochterfirma Ihr Platz weiter. Ein Sprecher von Insolvenzverwalter Werner Schneider bestätigte am Donnerstag auf dapd-Anfrage einen Bericht des „Handelsblatts“ (Onlineausgabe), wonach bis zu 109 Märkte an die österreichische Handelsgruppe MTH Retail Group verkauft werden. Dabei handele es sich in erster Linie um Filialen mittlerer Größe mit Ladenflächen zwischen 250 und 350 Quadratmetern. Die Verträge seien noch nicht unterschrieben. Dies solle aber am Freitag erfolgen, sagte der Sprecher. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die Drogeriemarktkette Rossmann 104 Filialen des insolventen Konkurrenten aufkauft. Für die jetzt verbleibenden knapp 280 Ihr-Platz-Filialen würden in den nächsten Tagen weitere Gespräche mit potenziellen Investoren geführt, sagte der Schneider-Sprecher. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Straßburg tastet deutsche Sterbehilfe-Regelungen nicht an
Straßburg/Berlin/Zürich (dapd). Die restriktiven deutschen Sterbehilfe-Regelungen können in Kraft bleiben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied am Donnerstag nicht inhaltlich über die Weigerung deutscher Behörden, einer gelähmten Patientin den Erwerb eines tödlichen Medikaments zu genehmigen. Eine dagegen gerichtete Beschwerde ihres Ehemanns wurde als „unzulässig“ verworfen. Der Kläger erzielte jedoch einen „verfahrensrechtlichen“ Erfolg und bekam eine Entschädigung zugesprochen. Die Bundesärztekammer begrüßte es, dass der EGMR „die in Deutschland gültigen Regelungen zum assistierten Suizid unangetastet“ ließ. Die umstrittene Sterbehilfeorganisation „Dignitas“ in der Schweiz kritisierte hingegen, der Gerichtshof schweige „zu konkreten Fragen der Beihilfe zum Suizid“. Der Mann aus Braunschweig klagte dagegen, dass die deutschen Behörden es seiner querschnittsgelähmten Ehefrau verweigert hatten, eine tödliche Medikamentendosis für einen Selbstmord zu erwerben. Dadurch habe Deutschland das Recht der Frau auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, insbesondere ihr Recht auf einen würdevollen Tod verletzt, argumentierte er. Der EGMR entschied jedoch, dass der Mann „nicht im Namen seiner Frau klagebefugt war“. Der Gerichtshof wies diesen Teil der Beschwerde als unzulässig zurück und „beschränkte“ sich nach eigenen Angaben „auf die Prüfung des Falles unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten“. Und hier sei der 1943 geborene Kläger in eigenen Rechten verletzt worden. Denn die deutschen Behörden hätten seine Beschwerde „in der Sache prüfen müssen“. Deutschland müsse ihm deshalb 2.500 Euro für den „erlittenen immateriellen Schaden“ und 26.736 Euro für die entstandenen Kosten zahlen. Der EGMR wies darauf hin, dass unter den 47 Mitgliedstaaten des Europarats „kein Konsens hinsichtlich der Zulässigkeit jeglicher Form der Beihilfe zur Selbsttötung besteht“. Ärzten sei es in nur vier von 42 untersuchten Staaten erlaubt, Patienten ein tödliches Medikament zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Die Frau des Klägers war nach einem Sturz vor dem eigenen Haus im Jahr 2002 querschnittsgelähmt und auf künstliche Beatmung angewiesen. Sie wollte daher ihrem Leben ein Ende setzen. Nach Weigerung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn, ihr die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Medikamentendosis zu erteilen, nahm sie sich am 12. Februar 2005 mithilfe der Sterbehilfeorganisation „Dignitas“ in der Schweiz das Leben. Das Ehepaar war 25 Jahre verheiratet. Der Mann sah sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dadurch verletzt, dass er gezwungen gewesen sei, in die Schweiz reisen, um es seiner Frau zu ermöglichen, Selbstmord zu begehen. Zudem war er der Ansicht, die deutschen Gerichte hätten sein Beschwerderecht verletzt, indem sie ihm das Recht absprachen, die Weigerung des Bundesinstituts anzufechten. Dem folgten die Straßburger Richter. Sie sahen wegen des „persönlichen Engagements“ des Mannes eine „Ausnahmesituation“ gegeben. Der Kläger sei daher von der Behörden-Weigerung „direkt“ betroffen. Zudem betreffe der Fall grundlegende Fragen von allgemeinem Interesse. Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung hatte anlässlich des Falles bereits betont, es gebe „aus guten Gründen kein Recht auf Tötung“. Deshalb sollten „Tötungsmittel in Deutschland auch weiterhin nicht frei verfügbar sein“. dapd (Politik/Politik)
Politik will gegen überhöhte Dispozinsen vorgehen
Berlin (dapd). Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat Banken und Sparkassen zur Senkung der Zinsen auf Dispokredite aufgefordert. Sie legte am Donnerstag in Berlin eine Studie vor, derzufolge die Kreditinstitute teils weit überhöhte Zinsen verlangen, anstatt ihre sinkenden Refinanzierungskosten an die Kunden weiterzugeben. Die SPD machte sich für eine gesetzliche Zinsobergrenze stark. Im Bundesrat will Baden-Württemberg eine solche Initiative starten. Aigner kündigte für den Herbst ein Spitzengespräch an. „Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen.“ Laut Studie könnten die Geldhäuser schon mit Zinssätzen von zehn Prozent „profitabel arbeiten“. Verlangt würden derzeit aber mehr als 14 Prozent. Die Banken sollten für „faire Konditionen und volle Transparenz“ sorgen, verlangte sie. Es sei nicht vermittelbar, dass die Institute sich zu historisch niedrigen Zinsen Geld besorgen könnten, bei ihren Kunden aber zum Teil heftig zulangten, sagte die Ministerin. 80 Prozent der Bürger empfinden nach einer ebenfalls von Aigner in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage (vom 13. bis 16. Juli unter 1.001 Befragten) das durchschnittliche Dispozinsniveau als unangemessen. Etwa jeder vierte Verbraucher hat in diesem Jahr schon sein Girokonto überzogen. Jeder Dritte fühlt sich von seiner Bank über die Dispozinsen nicht gut informiert. Der Forsa-Umfrage zufolge kennt nicht einmal jeder zweite Bankkunde die Höhe seines persönlichen Dispozinses. Nach der vom Ministerium beauftragten Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung verfügen über 80 Prozent der Haushalte in Deutschland über einen Dispokredit-Rahmen. Jeder sechste Haushalt nimmt diesen regelmäßig in Anspruch. Nach früheren Untersuchungen der Stiftung Warentest schwanken die Dispozinsen bei Banken und Sparkassen in Deutschland zwischen 6 und 14,75 Prozent, der Durchschnitt liegt bei 11 bis 12 Prozent. Die Autoren der Studie ziehen die Begründungen der Geldhäuser für die hohen Zinsen in Zweifel: Weder habe sich der Bearbeitungs- und Verwaltungsaufwand in den vergangenen Jahren erhöht, noch seien die Ausfallquoten mit im Schnitt höchstens 0,3 Prozent auffallend hoch. Es liege nahe, dass die Erträge „zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet werden“. Die SPD will den Banken per Gesetz eine Zinsobergrenze für Dispokredite auferlegen. Parteichef Sigmar Gabriel sagte der „Bild“-Zeitung (Freitagausgabe): „Die Banken können sich für ein Prozent Zinsen Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) besorgen. Aber die Kunden in Deutschland müssen für ihren Dispo-Kredit im Durchschnitt über zehn Prozent zahlen. Das ist Abzocke.“ Das grün-rot regierte Baden-Württemberg kündigte eine Bundesratsinitiative an. Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagte im selben Blatt, gemeinsam mit Landesverbraucherschutzminister Alexander Bonde (Grüne) werde er ein „Gesetz für eine Zinsobergrenze für Dispokredite auf den Weg bringen“. Der saarländische Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine sprach von „Wucherzinsen“ und forderte seinerseits ein Gesetz, nach dem der Jahreszinssatz für Überziehungskredite höchstens fünf Prozentpunkte über dem Basiszins der EZB liegen darf. Zu den Gesetzesinitativen äußerte sich Aigner kritisch: „Eine gesetzliche Obergrenze hätte das Risiko, dass es unterm Strich für alle Kunden teurer wird – weil auch bisher günstige Banken die Obergrenze voll ausschöpfen würden und sich teure Banken das entgangene Geld über Gebührenerhöhungen wieder hereinholen.“ (Studie und Forsa-Umfrage im Internet: www.bmelv.de/dispo ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Nach Nürburgring-Pleite bleibt die Ungewissheit
Mainz (dapd). Nach der beschlossenen Insolvenz am Nürburgring geht das Zittern in der Eifel weiter. „Es gibt natürlich große Sorgen. Keiner weiß, wie es weitergeht“, sagte der Referent der Gewerkschaft ver.di, Jürgen Jung, am Donnerstag auf dapd-Anfrage. Für Donnerstagmittag sei eine Betriebsversammlung mit den 30 Beschäftigten der staatlichen Nürburgring GmbH angesetzt. Unterdessen ist bisher noch kein Antrag auf Insolvenz beim Amtsgericht in Bad Neuenahr-Ahrweiler eingegangen. Nach Angaben von ver.di gibt es in der gesamten Region große Existenzängste. Dennoch seien die Mitarbeiter an der Rennstrecke weiter hoch engagiert. „Wir müssen schauen, dass das Geschäft aufrechterhalten wird, damit Folgeschäden verhindert werden“, sagte Jung. Darum gingen auch die Angestellten „verantwortungsvoll mit dem Ring um“. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass die landeseigene Rennstrecke mit angrenzenden Immobilien in die Insolvenz gehen muss. Die Schuld für das Scheitern des Prestigeprojekts gab die rot-grüne Landesregierung der EU-Kommission wegen deren Weigerung, eine neuerliche Finanzspritze des Landes über 13 Millionen Euro bis Ende Juli zu genehmigen. Die Nürburgring GmbH als Besitzerin des Nürburgrings ist ohne die Rettungsbeihilfe wegen ausbleibender Pachtzahlungen der privaten Betreiber nicht mehr liquide und kann einen 330-Millionen-Euro-Kredit bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) nicht mehr bedienen. Dafür springt nun das Land als Bürge und damit der Steuerzahler ein. Darum erwartet die CDU strafrechtliche Konsequenzen für Beck und einige seiner Minister. Es sei nahe liegend, dass sie sich der Untreue schuldig gemacht hätten, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christian Baldauf, dem Südwestrundfunk (SWR). Die Regierung habe die Bürgschaft übernommen, obwohl sie hätte wissen müssen, dass die Einnahmen nicht ausreichten, um den Kredit zu bezahlen, sagte Baldauf. So habe die Regierung das Vermögen des Landes gefährdet. Er erwarte, dass die Staatsanwaltschaft ein Vorprüfungsverfahren einleite. Wie es am Nürburgring weiter geht, ist derweil noch unklar und hängt von der Art des Insolvenzverfahrens ab. Der Antrag sei noch nicht gestellt worden, sagte der Direktor der Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler, Jürgen Powolny, der Nachrichtenagentur dapd. Erst dann ist aber klar, mit welchem Verfahren der Nürburgring abgewickelt werde. Für die Nürburgring GmbH bleiben drei Optionen: Sie kann ein klassisches Insolvenzverfahren stellen, bei dem ein Verwalter bestellt wird. Die zweite Möglichkeit ist eine Insolvenz in Eigenverantwortung, bei der die bisherigen Geschäftsführer zwar im Amt bleiben, aber ebenfalls von einem Verwalter kontrolliert werden. Als letzte Variante steht ein Schutzschirmverfahren im Raum, bei dem in höchstens drei Monaten ein Insolvenzplan vorgelegt werden muss. Egal welche Option letztlich gewählt wird, das Land wird die Zukunft in der Eifel nicht mehr alleine gestalten. Es gebe in jedem Fall einen externen Verantwortlichen, betonte Richter Powolny. Und: „Der hält schon die Hand drüber.“ Eine zentrale Rolle spiele aber der Gläubigerausschuss, der auch einen Insolvenzverwalter festlegen könne, fügte Powolny hinzu. Hauptgläubiger ist das Land Rheinland-Pfalz. Den Angaben des Gerichts zufolge muss bereits im Antrag die Art der Insolvenz aufgezeigt werden. Danach entscheidet das Gericht gemeinsam mit dem Gläubigerausschuss über das weitere Vorgehen. Dies können aber binnen einer Woche nach Eingang des Insolvenzantrags festgelegt werden. dapd (Politik/Politik)
Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ist verfassungsgemäß
Karlsruhe (dapd). Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die vorbehaltene Sicherungsverwahrung eines Straftäters zulässig, wenn dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bei seiner Verurteilung noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht. Nach dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Zweiten Senats verstößt die Androhung der Sicherungsverwahrung weder gegen die Menschenwürde noch gegen das Freiheitsgrundrecht. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 4. Mai 2011 die alten Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt, weil zwischen Haft und der anschließenden Sicherungsverwahrung kein ausreichender Unterschied bestand. In seinem aktuellen Beschluss stellt der Zweite Senat klar, dass bei Einhaltung des Abstandsgebots keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vorbehaltene Unterbringung eines Straftäters bestehen. Bei Vorbehalt der Sicherungsverwahrung wird die Gefährlichkeit eines Täters am Ende seiner Haftzeit in einer weiteren Hauptverhandlung geprüft. Dabei wird auch das Verhalten in der Haft berücksichtigt und ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Bei hinreichender Sicherheit, dass der Verurteilte weitere schwere Straftaten mit körperlichen und seelischen Schäden potenzieller Opfer begeht, wird die Sicherungsverwahrung verhängt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird ein Straftäter in solchen Fällen zwar während eines großen Teils seiner Haft über sein weiteres Schicksal im Ungewissen gelassen. Das führe aber nicht zu Belastungen, die als unmenschlich, grausam oder erniedrigend zu werten seien. Vielmehr habe der Betroffene die Vermeidung einer späteren Sicherungsverwahrung „weitgehend selbst in der Hand, indem er etwa durch Mitwirkung an einer Therapie zu einer für ihn günstigeren Gefährlichkeitsprognose beitragen kann“, heißt es in der Begründung wörtlich. Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung sei auch verhältnismäßig. Denn sie werde am Ende der Haftzeit nur bei naheliegender Gefährlichkeit des Täters und bei zu erwartenden Taten verhängt, bei denen potenzielle Opfer körperlich und seelisch schwer geschädigt werden. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs sei die vorbehaltene Sicherungsverwahrung zulässig. In dem jetzt entschiedenen Fall hatte die Verfassungsbeschwerde eines Sexualstraftäters, der mehr als zwanzig Jahre im In- und Ausland Jungen schwer missbraucht hatte, dennoch einen Teilerfolg. Die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung war noch unter altem Recht erfolgt, das vom Bundesverfassungsgericht 2011 für verfassungswidrig erklärt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) muss nun die Sicherungsverwahrung für den ehemaligen Lehrer unter den neuen Voraussetzungen erneut prüfen. (Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1048/11) dapd (Politik/Politik)