Steinbrück spornt Merkel an

Steinbrück spornt Merkel an Berlin (dapd). Einfach ignorieren, diesen Kandidaten. Bitte ganz gelassen, lautet am Mittwoch das Motto auf der Regierungsbank bei der Bundestagsdebatte über den EU-Gipfel. Doch beim ersten parlamentarischen Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem nominierten SPD-Herausforderer gelingt es Peer Steinbrück dann schon noch, die schwarz-gelben Reihen zum Stöhnen zu bringen, mit einer Parallele zum Ende der Weimarer Republik. Aber auch die Kanzlerin überrascht in der Redeschlacht – nach lauem Start. Während Merkel ihre Regierungserklärung zum Europäischen Rat abgibt, sitzt Steinbrück in der ersten Oppositionsreihe und feilt noch an seiner Ansprache. Neben ihm twittert der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier rutscht mit dem Stuhl hin und her. Was die Kanzlerin den Sozialdemokraten erzählt, das kommt ihnen bekannt vor. Es ist nicht einfach für die Genossen, Merkel in der Euro-Debatte zu stellen, schließlich haben sie ja alle Rettungsschirme mit aufgespannt. Merkel, der gelegentlich mangelnde Leidenschaft für die europäischen Idee nachgesagt wird, nutzt den Friedensnobelpreis an die EU für einen pathetischen Aufschlag. Diese Auszeichnung sei für sie „Ansporn und Verpflichtung, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen“, bekräftigt die Kanzlerin und betont: „Dieser Euro ist weit mehr als eine Währung.“ Freude über „Fuchtelos“ „Es gab und es gibt nicht die Lösung, den einen Befreiungsschlag“, fährt Merkel in gewohnt vorsichtiger Manie fort. „Auch der Gipfel heute oder morgen wird nicht der letzte sein, der sich mit der Krise befasst.“ Die Rede dümpelt ein wenig. Der Applaus bleibt pflichtschuldig, nur ein Scherz über den Parlamentarischen Staatssekretär und Griechenland-Beauftragten Hans-Joachim Fuchtel (CDU), der in Athen „Fuchtelos“ genannt werde, belebt die schwarz-gelben Bänke. Gabriel twittert gelassen: „Merkel definiert Europa als ‚Technologie, Talente und Toleranz‘. Ich finde Europa ist mehr: die Verbindung aus Freiheit und Verantwortung.“ Aufmerksam dürfte dann aber auch der SPD-Chef verfolgt haben, wie die 40-minütige Rede der Kanzlerin zum Ende hin doch noch an Fahrt gewann. Sie wünsche sich, dass Griechenland im Euroraum bleibt, sagt Merkel und stellt sich dann überraschend klar hinter den Vorschlag ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU), in der EU eine Art Oberkontrolleur für die Länderhaushalte einzuführen. Alle Widerstände könnten nichts daran ändern, „dass wir uns weiter dafür stark machen“. So deutlich hat man die Kanzlerin selten gehört. „Sie haben laviert“ „Warum haben sie ein solchen Bekenntnis nicht im Sommer 2010 abgegeben?“, legt SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück in seiner Entgegnung den Finger in die Wunde. Stattdessen habe Merkel über Monate das „Mobbing“ diverser Koalitionspolitiker gegen Griechenland zugelassen. „Sie haben sich nicht bekannt, Sie haben laviert“, ruft Steinbrück in Richtung Regierungstribüne. Die gibt sich stoisch. Mit ihrer „Doppelrolle“ in Berlin und Brüssel habe Merkel das Ansehen der Bundesrepublik bei den Nachbarn beschädigt. „Selten war Deutschland in Europa so isoliert wie heute“, analysiert Steinbrück und wünscht sich ein soziales Europa mit Chancen für alle: „Europa muss sich neu konstituieren, neu erklären.“ Schäuble stützt seinen Kopf auf die Hand, die anderen Ressortchefs lesen geschäftig ihre Akten, die Kanzlerin sitzt versteinert da, wechselt nur gelegentlich ein Wort mit ihrem Vize Philipp Rösler (FDP). Dann schlägt Steinbrück zu. Stabilität durch Sparen, das sei doch schon die „Torheit“ des konservativ-nationalen Reichskanzlers Heinrich Brüning von der Zentrumspartei gewesen. Damals, vor der Machtergreifung der Nazis, habe in der Weimarer Republik der „Hunger die Demokratie zerstört“. Ein starker Herausforderer Die Brüskierung klappt. Die schwarz-gelben Abgeordneten sind empört. „Steinbrück hat glänzende Rede gehalten: Kein Technokratengerede, sondern ein Aufbruch zu einem sozial gerechten Europa mit Chancen für alle“, twittert Gabriel zufrieden mit seinem Kandidaten. Auch wenn der ehemalige Finanzminister im zweiten Teil seiner Ansprache gelegentlich im professoralen Duktus versinkt, an diesem Mittwoch wird im Bundestag deutlich: Steinbrück ist in der Eurodebatte der erwartet starke Herausforderer der Kanzlerin. Mit Moderationsfloskeln allein wird die CDU-Chefin diesen Wahlkampf jedenfalls nicht bestehen können. dapd (Politik/Politik)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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