Essen (dapd). Nach den neuesten Enthüllungen über Steuerhinterziehung in sogenannten Steueroasen weist der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, eine Mitverantwortung der Geldinstitute zurück. „In erster Linie sind es Privatpersonen und Organisationen, die ihr Geld in den Steueroasen anlegen“, sagte Schmitz den Zeitungen der WAZ Mediengruppe. Die Banken könnten bei diesen Transaktionen die Steuerehrlichkeit der Kunden nicht überprüfen, weil ihnen die hoheitlichen Befugnisse dazu fehlten. „Es ist daher nicht richtig, die Banken hierfür an den Pranger zu stellen.“ Eine anonyme Quelle hatte Medien Informationen darüber zugespielt, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle große Vermögen verstecken und zweifelhafte Geschäfte verschleiern. Am Donnerstag hatten „Süddeutsche Zeitung“ und der NDR über einen Datensatz berichtet, der 130.000 Steuerflüchtlinge aus mehr als 170 Ländern auflistet. Der Bankenpräsident betonte, Steuerhinterziehung sei ein „kriminelles Delikt“, das bestraft werden müsse. „Darüber darf es gar keine Diskussion geben“, sagte Schmitz. Die europäischen Banken, auch die in der Schweiz und Luxemburg, setzten seit mehreren Jahren auf eine sogenannte „klare Weißgeld-Strategie“. Diese werde über kurz oder lang zu mehr Steuerehrlichkeit beitragen. dapd (Politik/Politik)
Kategorie: Politik
Der NPD geht das Geld aus
Hamburg (dapd). Die rechtsextreme NPD hat wegen finanzieller Probleme sämtliche Mitarbeiter der Parteizentrale in Berlin entlassen. Betroffen seien sieben Angestellte, berichtete „Spiegel Online“ am Donnerstag. Die Kündigungen seien „vorbehaltlich und werden sofort aufgehoben, sobald der Bundestag den Auszahlungsstopp aufhebt“, sagte Parteisprecher Frank Franz dem Magazin. Die Bundestagsverwaltung hatte Ende Februar Zahlungen an die Partei eingestellt, weil sie eine Strafe über 1,27 Millionen Euro nicht beglichen hat. Der Betrag wurde fällig, weil die NPD für das Jahr 2007 einen fehlerhaften Rechenschaftsbericht vorgelegt hatte. Die Partei habe bisher keine Angebote unterbreitet, wie und wann sie diese Strafe begleichen wolle, sagte ein Sprecher der Bundestagsverwaltung dem Magazin. Deshalb erhalte sie keine Abschlagszahlungen mehr. Der NPD stehen demnach 303.400 Euro pro Quartal zu. Wegen der Entlassungen wirft der frühere NPD-Vorsitzende Udo Voigt der neuen Parteiführung Versagen vor. „Dass alle Mitarbeiter entlassen wurden, macht mich wütend, das ist erschütternd“, sagte Voigt „Spiegel Online“. Die NPD sei in einem „unmöglichen Zustand“. dapd (Politik/Politik)
Ansturm vor der Ruhe
Kassel-Calden (dapd). In der Abflughalle herrscht reges Kommen und Gehen – an den meisten Flughäfen ein normales Bild. „So viel ist hier nie mehr los“, scherzt ein Besucher. Am Eröffnungstag des umstrittenen Regionalflughafens Kassel-Calden sind Tausende Besucher gekommen, die die ersten Maschinen starten und landen sehen wollen. Ab Freitag wird es dann vermutlich jedoch deutlich ruhiger. Bereits am zweiten offiziellen Betriebstag wurde der einzige planmäßige Flug mangels Passagieren gestrichen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) trotzt den Kritikern, die das Bauprojekt für zu teuer, unrentabel und überflüssig halten. Er verteidigt die Ausgaben von 271 Millionen Euro bei seiner Eröffnungsrede vor rund 500 Ehrengästen als Investition in die Zukunft der Region Nordhessen. Der Norden des Landes habe sich zu einem Zentrum für Mobilität, Transport und Logistik entwickelt, sagt Bouffier. „Der Luftverkehr ergänzt das Straßen- und Schienennetz optimal“, fügt er an. Damit werde die gesamte Region für Unternehmen attraktiver – davon ist er nach eigenem Bekunden überzeugt. Millionen verschleudert In ähnlicher Weise rechtfertigt auch Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) den umstrittenen Bau. Die 271 Millionen Euro seien vertretbar. Das Schicksals Nordhessens hänge zwar nicht von Kassel-Calden ab, aber der Flughafen sei ein wichtiger Baustein für dessen künftige wirtschaftliche Entwicklung. Kritiker habe es auch bei anderen Infrastrukturprojekten in der Region gegeben – dem Ausbau der Autobahn und beim Bau des ICE-Bahnhofs, merkt Hilgen an. Den einen oder anderen Nörgler habe er auch jetzt „wieder erkannt“. Und genau wie damals seien sie „auf der falschen Seite“. Parallelen ziehen an diesem Tag aber auch andere: „Schwachsinn“, regt sich ein älterer Mann vor dem Flughafengebäude auf, der mit einem Bekannten diskutiert. „Eine Brücke zu bauen, die kaum ein Mensch benutzt“, sagt er. Und in Kassel-Calden sei das ganz genauso. „Da haben die Millionen verschleudert“, schimpft er und zeigt über das Gelände vor ihm. Unrealistische Bedarfsprognose Dieselbe Kritik kommt auch von Verkehrsexperten: Der ökologische Verkehrsclub VCD Hessen monierte die in Calden „drastisch“ unterschätzten Baukosten. „Zudem halten wir die prognostizierten 561.000 Fluggäste im Jahr für unrealistisch“, sagt der hessische VCD-Vorsitzende Martin Mützel. Auch der VCD-Bundesvorsitzende Michael Ziesak bezeichnet den Bau als Verschwendung von Steuergeldern. „Es kann nicht sein, dass einzelne Landesfürsten überall Flughäfen bauen können, ohne dass überprüft wird, ob diese überhaupt notwendig sind“, kritisiert er. Die Grünen im hessischen Landtag bezeichnen den Airport als überflüssig. „Rings um Kassel liegen die Flughäfen Hannover, Frankfurt und Paderborn – mit Auto und Bahn sind die alle schnell erreichbar“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Karin Müller. Mit dem in den Flughafen Calden investierten Geld hätte man viel mehr für Nordhessen erreichen können, betont sie. Verhaltener Applaus In den vergangenen Tagen hat sich der mangelnde Bedarf an dem neuen Airport offenbar bereits gezeigt: Einen Tag vor der Eröffnung meldet der Reiseanbieter Rewe-Touristik, noch immer nach einer Airline zu suchen, die ab Mitte April die Ziele Mallorca, Fuerteventura oder Teneriffa anfliegen soll. „Wir stehen immer noch in Verhandlungen“, sagt ein Sprecher. Außerdem sind mindestens zwei Flüge anderer Anbieter, am 5. und 10. April, ab Calden mangels Passagieren bereits gestrichen worden – in der Woche vor der Eröffnung. „Nach den Meldungen der letzten Tage scheint außer dem Eröffnungstermin überhaupt nichts zu funktionieren“, kommentiert die Grünen-Politikerin die Bedarfslage. Zumindest der ging – fast – reibungslos von statten. Das erste Passagierflugzeug landet mit zehn Minuten Verspätung um 11.10 Uhr. Und auch der erste Abflug verzögert sich um nur acht Minuten. Die 30 Urlaubsgäste, die den ersten Flug gebucht hatten, starteten um 16.08 Uhr gen Antalya. Verhalten klatschen einige Zuschauer, als die Maschine vom Rollfeld abhebt. dapd (Politik/Politik)
Streit über Platzvergabe im NSU-Prozess beschäftigt Karlsruhe
Karlsruhe (dapd). Der Streit um reservierte Plätze im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München geht bis vor das Bundesverfassungsgericht. Die türkische Zeitung „Sabah“ mit Sitz in Deutschland kündigte an, unter Berufung auf die Pressefreiheit in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Das Blatt fühlt sich in seinem Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzt. Das Oberlandesgericht verwies am Donnerstag auf die angekündigte Klage und verkündete, Anfragen zur Platzvergabe zunächst nicht mehr zu beantworten. Der stellvertretende „Sabah“-Chefredakteur Ismail Erel sagte dem ZDF: „Wir denken, dass die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit auch für die türkischsprachigen Journalisten hier in Deutschland gelten.“ Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis hält die angekündigte Klage für aussichtsreich. „Ich könnte mir vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht die Klage zum Anlass nimmt, darauf hinzuweisen, dass die geltenden Gesetze auch etwas großzügiger ausgelegt werden können“, sagte Battis der „Berliner Zeitung“ (Freitagausgabe). „Man muss das nicht so rigide handhaben, wie das Oberlandesgericht München es tut“, sagte Battis. So sehe er durchaus die Möglichkeit, den Prozess per Videokamera in einen weiteren Saal zu übertragen. Die OLG-Pressestelle bat die Journalisten, bis auf weiteres von Anfragen abzusehen, da sie diese vorerst „weder schriftlich noch mündlich/telefonisch bearbeiten kann“. „Mehr Sensibilität“ erwünscht Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, forderte vom Oberlandesgericht mehr Fingerspitzengefühl. Er respektiere die Unabhängigkeit des Gerichts, sagte er im ZDF. Aber „auf der anderen Seite muss man auch mit mehr Sensibilität die ganze Sache angehen“. Auch für den Botschafter ist im Gerichtssaal kein Platz reserviert. Acht seiner Landsleute seien von einer rassistischen Gruppe ermordet worden, sagte Karslioglu. Es sei seine Pflicht, die Opferfamilien zu begleiten. Der Botschafter wies auch den Vorwurf zurück, die türkischen Medien hätten die Anmeldefrist beim Gericht verschlafen. Das Anmeldeverfahren sei nicht so ganz durchsichtig gewesen, sagte er. In drei Stunden seien bereits alle Plätze vergeben gewesen. Das erste türkische Medium habe sich nach fünf Stunden gemeldet. Da könne nicht von Verschlafen von Fristen gesprochen werden. Er würde nicht so weit gehen zu sagen, dass das deutsch-türkische Verhältnis beschädigt sei, erklärte der Botschafter. Aber er wünsche sich ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl. Zehn Angehörige kommen nicht zum Prozessbeginn Nach Einschätzung der Ombudsfrau der Bundesregierung für Angehörige der Neonazi-Opfer, Barbara John, könnte der türkische Botschafter einen Platz von einem der Nebenkläger erhalten. John sagte dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ (Freitagsausgabe): „Von den vom Gericht eingeplanten 71 Nebenklägern werden definitiv zum Prozessbeginn am 17. und 18. April zehn Angehörige nicht erscheinen.“ Sie wollten erst kommen, wenn die Morde an ihren Angehörigen verhandelt werden. „Einige wollen Frau Zschäpe auch nicht sehen“, sagte John. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte daraufhin in der selben Zeitung ein Umdenken des Gerichts: „Wenn jetzt Plätze frei werden, dann hat das Gericht eine neue Chance, um ein anderes Signal auszusenden“, sagte er. Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy (SPD), bezeichnete in den „Nürnberger Nachrichten“ (Freitagausgabe) das Verhalten des OLG dem türkischen Botschafter gegenüber als „unsensibel“. Allerdings müsse man sich immer vor Augen halten, dass das Gericht ausschließlich für die Klärung der strafrechtlichen Vorwürfe gegen fünf Beschuldigte zuständig sei. Das sei schwer genug. SPD-Parteizeitung soll auf Platz verzichten Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, forderte die SPD auf, die Akkreditierung der Parteizeitung „vorwärts“ für den NSU-Prozess zurückzugeben. „Es gehört eine ziemliche Unverfrorenheit dazu, das Oberlandesgericht München wegen der Vergabe der Journalistenplätze für den anstehenden NSU-Prozess scharf zu kritisieren, während man einen der knappen Plätze mit seinem Parteiblatt blockiert“, kritisierte Müller. Vor dem Oberlandesgericht München muss sich ab 17. April die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Daneben angeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Dem NSU werden Morde an neun Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin angelastet. Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. dapd (Politik/Politik)
König-Prozess beginnt mit scharfer Kritik an Staatsanwaltschaft
Dresden/Erfurt (dapd). Mehr als zwei Jahre nach den Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden hat am Donnerstag unter großem öffentlichen Interesse der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59-Jährigen unter anderem schwereren aufwieglerischen Landfriedensbruch vor. Er soll sich aktiv daran beteiligt haben, dass es am 19. Februar 2011 bei der Demonstration zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Gegendemonstranten kam. Königs Verteidiger Johannes Eisenberg wies die Vorhalte zurück und griff unter anderem die Anklagevertreterin Ute Schmerler-Kreuzer scharf an. Hauptpunkt der Anklage: Laut Staatsanwaltschaft ist der Kleinbus, den König damals steuerte, Treff- und Sammelpunkt für Linksautonome gewesen. Der Theologe habe von dort aus Menschenketten dazu bewegt, gegen Polizeiabsperrungen vorzudrängen, sagte Schmerler-Kreuzer. Außerdem habe er durch „Musik mit aggressiv-aufreizendem Charakter“ die Gewaltbereitschaft der Menschenmenge „gezielt befördert“ und darüber hinaus versucht, einen Steine werfenden Mann vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. König: Tief getroffen von Anschuldigungen Eisenberg wies die Vorwürfe in einer Erklärung zurück. König habe an diesem Tag nicht darauf hingewirkt, dass es zu Gewalt gegen Polizisten komme. Vielmehr habe er sich immer wieder bemüht, dieser entgegenzuwirken, indem er beruhigend auf Menschengruppen eingeredet habe. Damals hatten bis zu 20.000 Demonstranten gegen den Aufmarsch von rund 3.000 Neonazis protestiert. Bei Ausschreitungen waren mehr als hundert Polizisten verletzt worden. Später wurde bekannt, dass die Behörden an dem Tag mehr als eine Million Handydaten im Zusammenhang mit Neonazi-Aufmärschen und Gegendemonstrationen erfasst hatten. Eisenberg erklärte weiter, dass einzelne Tatvorwürfe „erstunken und erlogen“ und andere „böswillig“ seien. Mehrfach könne er nachweisen, dass die von der Staatsanwaltschaft unterstellten Äußerungen und Handlungen Königs schlicht unwahr seien. Insgesamt zeige die Anklage „einen massiven Amtsmissbrauch der Ermittlungsbehörden“. Sie sei von den Vorurteilen der Staatsanwaltschaft gegen König geprägt und enthalte zusätzlich schwere handwerkliche Fehler. König erklärte, dass ihn die Anschuldigungen zum Teil tief getroffen hätten. „Ich will es gar nicht verhehlen: Manches hat mir regelrecht weh getan, wie ich da eingeschätzt werde“, sagte er. Es sei ihm unverständlich, dass ihn die Staatsanwaltschaft als Straftäter sehe, der zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben soll. „Ich frage mich, Frau Staatsanwältin, warum können Sie in mir keinen Pfarrer sehen, der da hingefahren ist, weil er sich für die Demokratie und die jungen Menschen einsetzen will.“ Diejenigen, die mit ihm im Februar 2011 in Dresden gegen den Aufmarsch protestiert hätten, seien keine gewaltbereite Menge gewesen. „Das waren Leute, von denen ich überzeugt bin, dass wir sie ganz, ganz dringend brauchen“, sagte er weiter. Viele Unterstützer im Gerichtssaal Vor Beginn der Verhandlung am Amtsgericht hatte sich König zufrieden gezeigt, dass der Prozess endlich beginne. Nun könne er endlich seine Sicht der Dinge darlegen. In den bisherigen Ermittlungen sei er niemals befragt worden. Vor dem Gerichtsgebäude in der sächsischen Landeshauptstadt hatten sich am Morgen Unterstützer Königs versammelt. Als Prozessbeobachter reisten unter anderem Thüringens Linksfraktionschef Bodo Ramelow und Jenas SPD-Oberbürgermeister Albrecht Schröter nach Dresden. Der bundesweit für Aufsehen sorgende Prozess sollte ursprünglich bereits am 19. März am Amtsgericht Dresden beginnen. Königs Anwalt hatte jedoch in den Prozessakten kurz zuvor ihm unbekannte Dokumente entdeckt. Daraufhin verschob das Gericht die Prozesseröffnung. Ramelow sprach erneut von einem schweren Verfahrensfehler. Dass der Richter sich dazu nicht geäußert und daraus auch keine Konsequenzen gezogen habe, „das geht gar nicht“. Der Prozess soll nun am 24. April fortgesetzt werden. Bislang sind sechs weitere Termine bis Mitte Juni anberaumt. dapd (Politik/Politik)
Die exotischen Geldverstecke der Superreichen
Berlin (dapd). Briefkastenfirmen in der Karibik, anonyme Stiftungen in der Südsee: Ein Tippgeber hat den Erfindungsgeist offengelegt, mit dem Millionäre, Oligarchen und Diktatorenclans ihr Geld vor den Behörden verstecken. Vor mehr als einem Jahr wurde die riesige Datensammlung anonym dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) zugespielt. Am Donnerstag veröffentlichten unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ und der Norddeutsche Rundfunk (NDR), wie Vermögende weltweit ihr Geld in Steueroasen verschieben. Politiker forderten eine bessere Zusammenarbeit gegen Steuertricks. Prominentester Fall ist der Wahlkampfmanager des französischen Präsidenten François Hollande. Jean-Jacques Augier besitzt Aktien an zwei Briefkastenfirmen auf den Cayman-Inseln in der Karibik, die als Steuerparadies gelten. Der in Deutschland bekannteste Steuersünder dürfte der 2011 verstorbene Millionenerbe Gunter Sachs sein. Der Hinweisgeber hat den Angaben zufolge eine Festplatte mit Daten über Finanzdienstleister dem ICIJ in Washington zukommen lassen. Die von den Journalisten „Offshore-Leaks-Dokumente“ getauften Unterlagen stammten von zwei Firmen, die auf die Errichtung von Offshore-Gesellschaften spezialisiert sind. Zu den Daten im Umfang von 260 Gigabytes zählen Bilder, verschlüsselte Dateien in diversen Formaten und mehr als zwei Millionen Emails von etwa 130.000 Personen und 122.000 Briefkastenfirmen. Um die Datenmenge zu bewältigen, recherchierten 86 Journalisten aus Medien in 46 Ländern 15 Monate lang. Beteiligt sind unter anderem der britische „Guardian“, die französische „Le Monde“ und die „Washington Post“. Dirki in Panama, Tantris auf Rarotonga Hollandes Wahlkampfschatzmeister Augier bestätigte, Anteile an Briefkastenfirmen auf den Cayman-Inseln zu besitzen. Er habe aber kein Konto auf den Inseln eröffnet und auch nicht persönlich direkt in die beiden Firmen investiert. „Nichts ist illegal“, versicherte Augier „Le Monde“. Hollande hat sich den Kampf gegen Steuersünder zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht. Der Industriellenerbe Sachs soll auf den Cook-Inseln zwischen Hawaii und Neuseeland anonyme Briefkastenfirmen gegründet haben. Diese wiederum wachten über fünf Vermögensverwaltungen (Trusts), in denen er Teile seines Geldes versteckte. Die Firmenkonstrukte erhielten Namen wie Tantris, Moon Crystal und Sequoia. In Panama gründete Sachs eine Firma mit dem Namen Dirki Finance S.A. Außerdem soll er Anteile an Firmen auf den Britischen Jungferninseln, der Kanalinsel Jersey und in Luxemburg gehalten haben. Die fünf auf der Insel Rarotonga angemeldeten Trusts hat Sachs in seiner letzten Steuererklärung nicht angegeben. Dessen Nachlassverwalter versicherten laut „Süddeutscher Zeitung“, sie hätten zwar nicht die Trusts deklariert, wohl aber das darin enthaltene Vermögen. Die Schweizer Steuerbehörden argumentierten dagegen, wenn die Existenz des Trusts nicht nachgewiesen sei, könnten sie auch nicht prüfen, wie viel Geld darin liege. In den Offshore-Dokumenten tauchen auch die Tochter des früheren philippinischen Machthabers Ferdinand Marcos, Maria Imelda, die spanische Kunstsammlerin Carmen Thyssen-Bornemisza, die Familie des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und Olga Schuwalowa, die Frau des russischen Vizeministerpräsidenten Igor Schuwalow, auf. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, sagte der „Bild“-Zeitung (Freitagausgabe) laut Vorabbericht: „Nach unseren Schätzungen sind weltweit rund 400 Milliarden Euro unversteuertes Geld aus Deutschland angelegt.“ Er forderte die Bundesregierung auf, genauso hart gegen Steueroasen vorzugehen wie die USA. „Die USA trocknen Steueroasen aus, indem sie alle Geschäftsverbindungen zu diesen Ländern kappen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Steuerliche Lockangebote DGB-Chef Michael Sommer sieht die EU in der Pflicht. „Ich halte es für einen Skandal, dass selbst innerhalb der EU die Staaten miteinander um den geringsten Unternehmenssteuersatz konkurrieren“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Die Linke verlangte eine Quellensteuer von 50 Prozent auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben, die von Deutschland in Staaten fließen, die nicht mit den deutschen Steuerbehörden kooperieren. Doppelbesteuerungsabkommen mit unkooperativen Staaten sollten sofort gekündigt und ihren Banken die Lizenz in Deutschland entzogen werden, forderte Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht. Die Grünen dringen auf einen europäischen Steuerpakt, mit dem Standards festgelegt werden sollen. Europa müsse Licht in „dieses Schattenreich der Finanzindustrie“ bringen, erklärten Fraktionschef Jürgen Trittin und der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Gerhard Schick. Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, das Thema Steueroasen im Ecofin-Rat für Wirtschaft und Finanzen ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. „Auch innerhalb der Eurozone gibt es steuerliche Lockangebote, die dieses System erst möglich machen“, sagte der SPD-Fraktionsvize. Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) sagte, das Problem gehe weit über die Möglichkeiten des deutschen Gesetzgebers hinaus. „Deshalb sind international abgestimmte steuerliche Regelungen und Standards erforderlich“, sagte er. (Der ICIJ-Bericht: http://url.dapd.de/poKyjy ) © 2013 AP. All rights reserved (Politik/Politik)
DGB sieht wegen Steuerhinterziehung die EU-Staatschefs gefordert
Berlin (dapd). Nach den jüngsten Enthüllungen über Steueroasen hat der DGB-Vorsitzende Michael Sommer die Europäische Union zum Handeln aufgefordert. „Steueroasen und Steuerdumping gehört dringender denn je auf die Tagesordnung der europäischen Staats- und Regierungschefs“, sagte Sommer der Zeitung „Die Welt“. „Ich halte es für einen Skandal, dass selbst innerhalb der EU die Staaten miteinander um den geringsten Unternehmenssteuersatz konkurrieren.“ Eine anonyme Quelle hatte Medien Informationen darüber zugespielt, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle große Vermögen verstecken und zweifelhafte Geschäfte verschleiern. dapd (Politik/Politik)
Saar-Grüne fordern Abschied von Kohlekraftwerken
Saarbrücken (dapd). Als Konsequenz aus der Greenpeace-Studie über die gesundheitlichen Folgen der Emissionen deutscher Kohlekraftwerke haben die Saar-Grünen einen schrittweisen Ausstieg aus dieser Technologie gefordert. Die Landesregierung müsse gemeinsam mit Kraftwerksbetreibern und Anbietern erneuerbarer Energien den Masterplan Energie Saarland weiter vorantreiben, sagte Fraktionsvize Simone Peter am Donnerstag in Saarbrücken. Die Studie habe erneut bestätigt, dass auch von den bestehenden saarländischen Kraftwerken eine hohe Luftverschmutzung ausgehe, die die Gesundheit gefährde und das Klima erheblich belaste. Alte, emissionsintensive Kraftwerke müssten „in den kommenden Jahren und Jahrzehnten“ durch schadstoffärmere Kraftwerke ersetzt werden. Nur durch einen Umstieg könne die Wettbewerbsfähigkeit im Strom- und Wärmesektor gesichert werden. dapd (Politik/Politik)
Anfragen zur Platzvergabe im NSU-Prozess derzeit unerwünscht
Karlsruhe/München (dapd). Das wegen der Platzvergabe beim NSU-Prozess in die Kritik geratene Oberlandesgericht (OLG) München zieht sich vorerst weiter zurück. „Bis auf Weiteres“ könne die OLG-Justizpressestelle Anfragen zum Akkreditierungsverfahren und zur Sitzplatzvergabe „weder schriftlich noch mündlich/telefonisch bearbeiten“, teilte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel am Donnerstag in München mit. Dies geschehe „nicht zuletzt im Hinblick auf die angekündigte Einlegung einer Verfassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang“. Bis zum Donnerstagnachmittag war zwar noch keine Verfassungsbeschwerde eines türkischsprachigen Mediums beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingegangen. Doch „Sabah“, eine türkische Zeitung mit Sitz in Deutschland, hatte bereits am Mittwochabend im ZDF angekündigt, Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Der Grund: Für den NSU-Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei, woher acht NSU-Opfer stammen, erhielten keine reservierten Plätze. Ob dieses „Windhund“-Verfahren bei diesem weltweit beachteten Strafprozess mit dem Grundgesetz vereinbar ist, muss nun voraussichtlich Karlsruhe entscheiden. Die Begründung der türkischen Zeitung für ihre Verfassungsbeschwerde klang bisher noch sehr pauschal: Der stellvertretende Chefredakteur Ismail Erel sagte dem ZDF: „Wir denken, dass die Pressefreiheit und die Informationsfreiheit auch für die türkisch-sprachigen Journalisten hier in Deutschland gelten.“ Deswegen wolle man den Prozess live erleben. „Gerichtsverfahren müssen öffentlich sein – auch für türkischstämmige Mitbürger in Deutschland“, sagte Erel. Zulässige Verfassungsbeschwerde braucht rechtliche Substanz Die Verfassungsbeschwerde, die wohl mit einem Eilantrag verbunden sein wird, müsste jedoch über solche allgemeinen Formulierungen hinausgehen. Sie muss rechtliche „Substanz“ haben, um zulässig zu sein und Aussicht auf Erfolg zu haben. Es muss dargelegt werden, worin „im Einzelnen“ die Grundrechtsverletzung gesehen wird. Eine Verfassungsbeschwerde sollte sich auch mit der bisherigen Rechtsprechung auseinandersetzen – die im vorliegenden Fall im Grundsatz schon gefestigt ist. Weil es wohl um keine völlig neue Rechtsfrage geht, ist auch zu vermuten, dass sich beim Bundesverfassungsgericht eine aus lediglich drei Richtern bestehende Kammer des Ersten Senats mit dem Eilantrag und der Verfassungsbeschwerde befassen wird – und nicht der gesamte Senat aus acht Richtern. Als Berichterstatter zuständig wäre voraussichtlich der Verfassungsrichter Johannes Masing. In sein Dezernat fällt die Informations- und Pressefreiheit (Artikel 5 GG). Bei „neuen Entwicklungen“ geht das OLG an die Öffentlichkeit Aber nicht nur zum rechtlichen, sondern auch zum „tatsächlichen“ Streitfall muss eine Verfassungsbeschwerde „Stoff“ enthalten – also zur konkreten Art der Platzvergabe: Wann waren die Akkreditierungsbedingungen klar? Hat das OLG diese ausreichend kommuniziert? War grundsätzlich eine Chancengleichheit für alle Medien bei der Anmeldung gegeben? Hätte für türkische Medien ein eigener „Topf“ gebildet werden müssen? Das Bundesverfassungsgericht muss im Eilverfahren keine eigene Sachaufklärung betreiben. Daher benötigt es alle relevanten Unterlagen, um innerhalb weniger Tage und im Zuge einer „Folgenabwägung“ vorläufig entscheiden zu können, ob die erhobenen Rügen berechtigt sind. Denn auch das OLG sieht sich im Recht: Das Münchner Gericht betonte bereits am 26. März, dass die Akkreditierungsbedingungen, insbesondere die Berücksichtigung der Akkreditierungsgesuche in der Reihenfolge ihres Eingangs, „von Anfang an klar“ und „allen Medien bekannt“ gewesen seien. Am Donnerstag teilte das OLG mit, es werde sich zu diesem Komplex erst wieder an die Öffentlichkeit wenden, sobald hierzu „neue Entwicklungen“ oder „Erkenntnisse“ vorlägen. dapd (Politik/Politik)
Wowereit fordert Zulassung ausländischer Beobachter im NSU-Prozess
Berlin (dapd). Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat den Streit um die reservierten Plätze im NSU-Prozess bedauert und eine „unbürokratische Lösung“ gefordert. „Mir ist völlig unverständlich, warum uns tagelang diese abstruse Debatte zugemutet wird“, sagte Wowereit am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Es müsse sichergestellt werden, dass türkische und griechische Journalisten unter fairen Bedingungen berichten können. „Und selbstverständlich muss auch der türkische Botschafter die Möglichkeit bekommen, den Prozess zu beobachten“, fügte der Regierungschef hinzu. Vor dem Oberlandesgericht München muss sich ab 17. April die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Ferner sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund angeklagt. Dem NSU werden Morde an neun Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln und einer Polizistin angelastet. Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei – woher acht NSU-Opfer stammen – erhielten keine reservierten Plätze. Wowereit kritisierte die Vergabepraxis. „Die bisherige Debatte schadet dem Bild eines weltoffenen Landes“, sagte er. Es gehöre zur Glaubwürdigkeit eines „konsequenten rechtsstaatlichen Vorgehens gegen rechtsradikale Mörder“, dass auch der internationalen Öffentlichkeit eine Transparenz angeboten werde. dapd (Politik/Politik)