EuGH-Urteil zur Weservertiefung – Aus für jedes industrielle Vorhaben oder Infrastrukturvorhaben?

Prof. Dr. Dippel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, BRANDI Paderborn. (Foto: BRANDI Paderborn)
Prof. Dr. Dippel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, BRANDI Paderborn. (Foto: BRANDI Paderborn)

Mit seinem Urteil zur Weservertiefung vom 01.07.2015 – Rs. C-461/13 – hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf eine Vorlageentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) eine weitreichende Entscheidung zur wasserrechtlichen Beurteilung der geplanten Weservertiefung zur Ermöglichung der Durchfahrt größerer Containerschiffe zu den Häfen Bremerhaven, Brake und Bremen getroffen.

Der EuGH legt die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG so aus, dass die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächengewässers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustandes eines Oberflächengewässers gefährdet. Der EuGH trifft damit eine (nicht nur auf den ersten Blick) sehr weitreichende Aussage, wenn er ausführt, die Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG enthalte nicht nur Zielvorgaben für die Gewässerbewirtschaftungsplanung sondern gewissermaßen „harte“ Kriterien für die genehmigungsrechtliche Prüfung einzelner Vorhaben. Die Entscheidung kommt nicht überraschend. Auf denselben Standpunkt zu beiden Fragen hatte sich bereits das BVerwG in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH vom 11.07.2013 gestellt.

Die Entscheidung kann für jedes wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren, für Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) von Bedeutung sein. Es können also auch andere Infrastrukturträger, Industrieunternehmen oder auch die Kommunen mit ihren Kläranlagen von dieser Entscheidung betroffen sein. Auch Einzelvorhaben, die nicht die Reichweite einer Weservertiefung haben müssen, sind an der Wasserrahmenrichtlinie zu messen, die in Deutschland durch die §§ 25 ff. WHG in deutsches Recht umgesetzt ist.

Genehmigungen, deren Ausnutzung sich auf den Zustand eines Oberflächengewässers auswirken würde, dürfen deshalb grundsätzlich nicht erteilt werden, wenn sie eine Verschlechterung des Zustandes verursachen können oder wenn sie die Erreichung eines guten Zustandes eines Oberflächengewässers gefährden. Soll ein Vorhaben dennoch zugelassen werden, so bedarf es – wie im Naturschutzrecht für Vorhaben mit Beeinträchtigungen von Fauna-Flora-Habitat-Gebieten – einer Ausnahme, die nur unter strengen Voraussetzungen erteilt werden darf. Diese Entscheidung betrifft alle Vorhaben, die sich auf ein Oberflächengewässer auswirken, also z. B. auch Genehmigungen für die Einleitung von behandeltem Wasser (Schmutzwasser oder Niederschlagswasser) in Gewässer, sei es aus industriellen oder gewerblichen Betrieben, oder sei es aus öffentlichen Kläranlagen.

Die Entscheidung hat noch einen zweiten Schwerpunkt, der die Frage betrifft, wann denn eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächengewässers vorliegt. Das ist der Fall, wenn sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente nach der Wasserrahmenrichtlinie um eine Klasse verschlechtert. Diese Kriterien sind in der Richtlinie aufgeführt.

Für die behördliche Zulassungspraxis und für die „Wünsche“ von Industrie und Kommunen ist diese Rechtsprechung begrifflich erst einmal ein harter Brocken. Andererseits muss beachtet werden, dass die Bewirtschaftungsplanung für Oberflächengewässer in Deutschland nicht „bei Null“ steht, sondern dass sich die Zulassung von Einzelvorhaben in der Praxis schon sehr weit nach den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie ausrichtet, auch soweit die Ziele noch nicht in geltenden Wasserbewirtschaftungsplänen formalisiert sind. Es ist also bekannt, an welchen wasserwirtschaftlichen Kriterien sich entsprechende Vorhaben auszurichten haben.

Praxishinweis: Jeder Antragsteller, sei es aus dem kommunalen oder sonstigen öffentlichen Bereich, sei es aus dem Bereich gewerblicher Unternehmen, tut gut daran, sich an den in Aufstellung befindlichen oder schon geltenden Bewirtschaftungsplänen für „sein“ Gewässer auszurichten, wenn z. B. Erlaubnisse für die Einleitung geklärten Abwassers in ein Oberflächengewässer beantragt werden sollen. Das setzt in der Praxis voraus, dass der Zustand des Gewässers bekannt ist und dass weiterhin gutachterlich geprüft ist, wie sich die Abwassereinleitung auf den Zustand des Gewässers auswirken würde, insbesondere ob sie zu einer Verschlechterung des Gewässerzustandes führen würde. Ohne eine solche Prüfung werden z. B. wasserrechtliche Erlaubnisse zur Einleitung von geklärtem Schmutz- oder Niederschlagswasser nicht erteilt werden können.

www.brandi.net

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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