Die Angst der Schwarzen vor dem Regenbogen

Die Angst der Schwarzen vor dem Regenbogen Berlin (dapd). Als vor ein paar Wochen zum Christopher Street Day bunte Wagen mit wummernden Bässen durch Berlin zogen, stand der „Law and Order“-Mann der CDU mitten zwischen den Schwulen und Lesben. Innensenator Frank Henkel folgte mit Tausenden anderen der Regenbogenflagge, dem Symbol der schwul-lesbischen Gemeinschaft. Viele Spitzenpolitiker gibt es derzeit nicht in der Union, die ähnliches tun würden. Der Streit über den Status gleichgeschlechtlicher Partnerschaften macht deutlich, wie groß die Homophobie bei CDU und CSU ist. Im Gegensatz zu Hamburgs früherem Erstem Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der inzwischen offen mit seiner Homosexualität umgeht, fällt vielen Unionspolitikern der Umgang mit dem Thema schwer. Es gibt einen Bundesverband der Lesben und Schwule in der Union, Politprominenz findet sich im Vorstand nicht. Dabei dürfte es einige Homosexuelle in der Union geben. Er sei „sicher nicht der einzige Schwule in der CDU – es gibt viele, die mir sagen: So wie du könnte ich in meinem Wahlkreis nicht auftreten“, erklärte der CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann im „Spiegel Online“-Interview. Die Angst sitzt tief. Sie sitzt tiefer als die Angst vor einem Modernisierungskurs der Partei und hat nur wenig mit dem Grad des Konservatismus eines jeden Abgeordneten und Funktionsträgers zu tun. So wetterte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, jüngst in einem Interview, er lehne „die Initiative zur steuerlichen Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften klar ab.“ Müller ist Jahrgang 1975, Ehemann und Vater einer Tochter, ein pfiffiger Kopf und nach vorne denkender Mensch. Obwohl sich die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl der Forderung von 13 CDU-Kollegen zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften beim Ehegattensplitting anschloss – die CSU ist in der Union der Hardliner. „Die CSU lehnt die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe und ein entsprechendes Adoptionsrecht ab“, bügelt das Grundsatzprogramm der Partei langjährige Forderungen von Schwulen und Lesben brüsk ab. Immerhin kann sich die CSU noch abringen, dass sie „anerkennt, wenn in diesen Partnerschaften Menschen füreinander einstehen und verlässlich Verantwortung und Sorge füreinander übernehmen.“ In der CSU verweisen sie zudem auf den Koalitionsvertrag: Der in diesen Tagen viel zitierte Passus auf Seite zwölf handele nicht von gleichgeschlechtlichen Paaren. In der Tat will die Koalition lediglich „die gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen“. Karlsruhe ist den Christsozialen Mahner genug, sie wollen die Sache nicht noch politisch forcieren. Es sei nicht nötig, vor einem möglichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesetzlich initiativ zu werden, betonte Stefan Müller. Wasser auf die CSU-Mühlen ist die Haltung in Teilen des Koalitionspartners FDP. Dessen Finanzexeperte Hermann Otto Solms trat offen gegen FDP-Chef Philipp Rösler auf, der sich für eine steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe ausspricht. Solms erklärte, es gebe weder im Koalitionsvertrag noch in den Koalitionsgesprächen eine Vereinbarung zur Ausdehnung des Ehegattensplittings auf gleichgeschlechtliche Paare. Die große Schwester CDU verpackt ihre Ablehnung etwas freundlicher. „Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen“, heißt es im CDU-Grundsatzprogramm. Die Partei erkenne an, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt würden, die grundlegend für die Gesellschaft seien. Dies gilt nicht nur für nichteheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern. „Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.“ Eine Gleichstellung mit der „Ehe zwischen Mann und Frau als Kern der Familie“ lehnt die CDU allerdings ab, ebenso wie ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Nicht auszuschließen, dass sich die Delegierten auf dem Parteitag Anfang Dezember in Hannover mit dem Thema befassen werden. Der CDA-Bundesvorsitzende Karl-Josef Laumann plädiert dafür, die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehe dort zu beraten. „Das Thema ist zu wichtig, um es ausschließlich im Tagesgeschäft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu behandeln“, erklärte er. Bislang gibt es noch keinen Ansatz in diese Richtung. Die Chancen stehen allerdings so schlecht nicht, dass das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und in Hannover eine Trendwende eingeleitet wird. Immer wieder gibt es an der Basis Vorstöße der Mitglieder für eine umfassende Gleichstellung, zuletzt scheiterte ein solches Ansinnen im CDU-Landesverband Sachsen. Möglicherweise gibt das Beispiel USA der Union Auftrieb. Präsident und Wahlkämpfer Barack Obama sprach sich dort für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen aus. Hilfreich wäre auf alle Fälle eine nüchterne Betrachtung der Fakten. Nach den letzten verfügbaren Zahlen des Statistischen Bundesamtes gab es 2009 in Deutschland mehr als 63.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, davon rund 37.000 schwule und fast 27.000 lesbische Paare. Bezogen auf alle Paare in Deutschland war ihr Anteil allerdings verschwindend gering: Er betrug nur 0,3 Prozent. Keine Zahl, vor der man Angst haben müsste. Im vergangenen Sommer war Renate Köcher, die Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach, zu Gast bei der Klausurtagung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Es ging um den Markenkern der Partei, und Köcher legte den Abgeordneten interessante Zahlen vor. Demnach sind 38 Prozent und damit die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare verheirateten Paaren „völlig gleichgestellt“ werden sollen. Angesichts der Homophobie in der Fraktionsführung müsste man schließen, die Anhänger der CDU/CSU sähen dies völlig anders. Weit gefehlt: 32 Prozent von ihnen waren ebenfalls dieser Meinung. dapd (Politik/Politik)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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