Das größte und erfolgreichste Friedensprojekt der Erde

Das größte und erfolgreichste Friedensprojekt der Erde Brüssel (dapd). Inmitten der tobenden Schuldenkrise und zynischen Abgesänge auf die europäische Erfolgsgeschichte ist es eine Genugtuung sondergleichen: Nach über einem halben Jahrhundert enger Kooperation zwischen einstigen Kriegsgegnern ist die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. „Die EU und ihre Vorgänger tragen seit mehr als sechs Jahrzehnten zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa bei“, begründete das Nobelpreiskomitee seine Entscheidung am Freitag in Oslo. Quer durch Europa wurde die Auszeichnung begrüßt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bezeichnete die Würdigung in einer spontan anberaumten Pressekonferenz als „große Ehre für unsere 500 Millionen Bürger, alle Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen“. Sie sende zudem eine wichtige Botschaft in die Welt: „Dass die EU etwas sehr Kostbares ist, dass sie in Ehren gehalten wird, zum Wohl der Europäer und der ganzen Welt.“ EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy betonte, dass die Union einen durch zwei Weltkriege und den Ost-West-Konflikt gespaltenen Kontinent wieder geeint habe. Damit sei sie „die größte friedensstiftende Institution, die je in der Weltgeschichte geschaffen wurde“. Auch in Deutschland wurde das Votum des Nobelpreiskomitees wohlwollend aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer „wunderbaren Entscheidung“, die zudem unterstreiche, dass der unter großen Anstrengungen eingeführte und nunmehr kriselnde Euro „mehr ist als nur eine Währung“. Ihr Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) sieht keine Alternative zu Europa, auch wenn die dafür zu leistenden finanziellen Opfer noch nicht abzusehen seien. Und Altkanzler Helmut Kohl (CDU), einer der Väter der europäischen Einigung, lobte die „kluge und weitsichtige Entscheidung“. Auch die europäischen Volksvertreter reagierten euphorisch. „Wir im EU-Parlament sind tief bewegt“, erklärte dessen deutscher Präsident Martin Schulz. Die Verhandlungen mit weiteren Ländern über den Beitritt zur Union zeigten, dass diese trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen „ein Magnet für Stabilität, Wohlstand und Demokratie“ bleibe. Die Prinzipien und Werte der Versöhnung seien ein Vorbild für andere Weltregionen; vom Balkan über den Kaukasus diene die EU als „Leuchtturm für Demokratie und Versöhnung“. Amnesty International sieht EU in der Bringschuld Doch unter die Welle der Gratulationen mischte sich auch leise Kritik. Amnesty International sieht die EU durch den Friedensnobelpreis in der Bringschuld: „Sie muss vor allem ihre Rolle im weltweiten Flüchtlingsproblem überdenken“, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Die EU schotte ihre Grenzen ab, schicke Flüchtlinge zurück in Länder, in denen sie gefoltert würden, und lasse sie fallen. „Das ist jetzt nicht mehr hinnehmbar.“ Barroso hielt dem entgegen, dass Europa weit über den eigenen Kontinent hinaus Großartiges geleistet habe. Die EU stelle weltweit das mit Abstand meiste Geld für humanitäre Einsätze und Zahlungen an Entwicklungsländer bereit, im Kampf gegen den Klimawandel stehe sie an vorderster Front. „Dieser Friedensnobelpreis zeigt, dass die Europäische Union in schwierigen Zeiten eine Inspiration für Führer und Bürger in aller Welt bleibt.“ Schon während des Zweiten Weltkriegs war die Idee einer europäischen Gemeinschaft als übernationalem Zusammenschluss einst verfeindeter Staaten entstanden, der Kriege und Konflikte verhindern sowie eine friedens- und wohlstandsfördernde politische Ordnung garantieren sollte. Ironischerweise verhelfen ihr aber erst die verheerenden Kriegserfahrungen und der sich bereits anbahnende Ost-West-Konflikt zum Durchbruch. Mit den Römischen Verträgen wurde 1957 eine Erfolgsgeschichte eingeläutet, die zur Geburtsstunde der EU 1992 führte und bis heute ihresgleichen sucht. Mehr als 60 Jahre Frieden – und dann kam die Krise Nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 geriet das einst so stabile Gebilde jedoch zunehmend ins Wanken: Ganze Volkswirtschaften wurden in den Abwärtsstrudel gerissen, Zweifel am Zusammenhalt der europäischen Währungsfamilie ließen den Euro absacken, Arbeitslosigkeit und Staatsschulden schnellten europaweit in die Höhe. Für Barroso und den Rest der politischen EU kam der Nobelpreis daher gerade zur rechten Zeit: „Wir brauchten gute Neuigkeiten“, gestand der Kommissionschef am Freitag. Noch am Morgen habe er nicht erwartet, dass es „ein so guter Tag“ werden sollte. Tatsächlich waren Gerüchte über die Entscheidung schon im Laufe des Vormittags durchgesickert und hatten die Brüsseler Institutionen in freudige Aufregung versetzt. In Diplomatenkreisen wurde die absehbare Wahl zugunsten der EU schon vor der offiziellen Bekanntgabe als überraschend, aber durchaus verdient empfunden, „weil sie das größte und erfolgreichste Friedensprojekt der Erde ist“. Dass die mit acht Millionen schwedischen Kronen (923.000 Euro) dotierte Auszeichnung in diesem Jahr an eine Institution statt an eine Einzelperson vergeben wird, ist dabei keine Premiere. Neben Amnesty International (1977) gehören zu den früheren Preisträgern auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen (1999) sowie die Vereinten Nationen (2001) und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA, 2005). © 2012 AP. All rights reserved (Politik/Politik)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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