Potsdam (dapd-bln). Der neue Eröffnungstermin für den Hauptstadtflughafen in Schönefeld steht nach Einschätzung des brandenburgischen EU-Abgeordneten Christian Ehler (CDU) nicht nur wegen bautechnischer Probleme infrage. Auch ein mögliches EU-Beihilfeverfahren könnte den Zeitplan negativ beeinflussen, sagte Ehler am Donnerstag. Ein Beihilfeverfahren würde die EU einleiten, falls die Gesellschafter der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) – der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg – aufgrund massiv steigender Baukosten neues Kapital für den Airport locker machen müssten. Ehler sagte, er werde in Brüssel auf eine zeitnahe Bearbeitung eines möglichen Beihilfeverfahrens dringen. Da sich der Kassensturz bei der FBB jedoch noch bis Mitte August hinziehe, sei der neue Eröffnungstermin 17. März 2013 schon jetzt anzuzweifeln. Die FBB und ihr neuer Technikchef Horst Amann wollen bei der nächsten Aufsichtsratssitzung am 16. August bekannt geben, ob der neue Zeit- und Kostenplan zu halten ist. Bei der letzten Sitzung hatte die FBB die möglichen Mehrkosten für den Flughafen aufgrund von Erweiterungen und Verzögerungen beim Bau sowie eines ausgeweiteten Schallschutzprogramms auf knapp 1,2 Milliarden Euro beziffert. Laut Ehler müssten eventuelle neue staatliche Beihilfen bei der EU-Kommission angemeldet werden. Für ein formelles Prüfverfahren seien höchstens 18 Monate vorgesehen. Die bisherige Finanzierung des Flughafens hatte die EU-Kommission im Mai 2009 nach einem sechsmonatigen Beihilfeverfahren genehmigt. Eine zeitliche und finanzielle Entlastung beim Bau des Flughafens bringt unterdessen ebenfalls eine Bestimmung der EU. Wie Flughafensprecher Ralf Kunkel am Donnerstag bestätigte, wird die EU noch nicht zu April 2013 die Sicherheitsbestimmungen für das Handgepäck von Passagieren ändern. Demnach müsse der Flughafen auch die zum Untersuchen von Flüssigkeiten vorgesehen neuen Scanner noch nicht installieren. „Das entspannt die Situation“, sagte der Sprecher. Nach der Aufsichtsratssitzung im August werden die Flughafenchefs erneut im Hauptausschuss des brandenburgischen Landtags erwartet. Der Ausschuss solle am 22. August informiert werden, sagte der Vorsitzende Ralf Holzschuher (SPD). Holzschuher informierte sich am Donnerstag wie zuvor schon die CDU-Fraktion auf der Flughafen-Baustelle. Nach Angaben von Amann werde die technisch problematische Brandschutzanlage in den kommenden Wochen intensiv getestet, sagte Holzschuher. Die bislang nicht voll funktionsfähige Anlage war Grund für die zweite Verschiebung der Flughafen-Eröffnung von Juni 2012 auf 2013. Amann wolle dem Aufsichtsrat im August einen belastbaren Zeitplan vorlegen, sagte Holzschuher. Es sei aber auch möglich, dass er etwas mehr Zeit für die Prüfungen brauche. Amman tritt sein Amt offiziell erst am 1. August an, ist aber jetzt schon häufig am neuen Airport. Holzschuher stellte klar, dass der Brandschutz am Flughafen vor der Eröffnung uneingeschränkt gewährleistet sein müsse. Zugleich schwärmte der SPD-Fraktionschef vom Terminal: Der Flughafen sei eine Sehenswürdigkeit. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Aus Spanien in den Wahlkampf
Berlin (dapd). Spaniens klamme Banken sind ihrer Rettung einen Schritt näher gekommen. Der Bundestag beschloss am Donnerstagnachmittag um 17.51 Uhr mit überwältigender Mehrheit milliardenschwere Hilfen. Für dieses „klare Signal an die Märkte“ hatten viele Abgeordnete ihren Urlaub unterbrochen. Ohne Begeisterung, aber diszipliniert. Die Entscheidung war für die meisten Parlamentarier von Union, SPD, FDP und Grüne einmal mehr alternativlos. Doch es wurde deutlich, dass das fraktionsübergreifende Ja zu Europa immer schwerer wird, je näher die Bundestagswahl 2013 rückt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble formulierte das Unausweichliche so: „Der eingeschlagene Weg ist nicht bequem, aber er ist gleichermaßen unvermeidlich wie erfolgversprechend.“ Mit nüchternen Worten berichtete der CDU-Politiker von der „übermäßigen Nervosität der Finanzmärkte“ und dem „Auf und Ab der Börsen“. Spanien sehe sich „nicht in der Lage, die Verwerfungen alleine zu bewältigen“, warnte Schäuble und forderte: „Wir müssen wieder und wieder erklären, welche Vorteile die europäische Integration für uns Deutsche hat.“ Eben diesen Willen sprach SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Bundesregierung ab. „Wer sich nicht erklärt, der wird auch nicht verstanden.“ Schwarz-Gelb erzähle Geschichten über „südeuropäische Hallodris“ und „rote Linien“. Wer sich aber mit seinen Geschichten zu weit von der Realität entferne, „dem glauben die Leute nicht mehr“. Schon mehrfach habe Regierungschefin Angela Merkel die Kanzlermehrheit verfehlt. „Es hat Kanzler und Regierungen gegeben, die haben andere Konsequenzen gezogen“, rief der Oppositionsführer unter rot-grünem Beifall. Es wurde lebendig im Reichstagsgebäude. „Sie profitieren davon, dass die Opposition nicht parteitaktisch agiert“, bescheinigte Steinmeier der Kanzlerin. Und dann fiel es ihm bei seinem kämpferischen Auftritt sichtlich schwer, die Kurve zum Ja zu kriegen. „Viele in meiner Fraktion sind überhaupt nicht davon überzeugt, dass wir das Richtige tun“, räumte der SPD-Politiker ein. Es mache aber keinen Sinn, Rettungsschirme zu bauen und sie dann nicht zu benutzen, „wenn sie gebraucht werden“. Da raunte es „Aaaaah“ aus den Reihen der Linken, die als einzige Fraktion mit Nein stimmte. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ging gleich zu Beginn seiner Rede in den Wahlkampfmodus über, mokierte sich über das „tote Rennen der Kanzlerkandidatur“ und den Streit über die Rente mit 67 in der SPD. „In der Sozialdemokratie sind die Machtfragen noch nicht gelöst“, analysierte Brüderle. „Jeder vermutet beim anderen den Dolch im Gewande.“ Zahlreiche SPD-Abgeordnete verließen das Plenum. Dann wurde es noch bunter. Linke-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht warf Merkel vor, das Geld der Steuerzahler im schwarzen Loch der Finanzmärkte zu versenken. Das bedeute „Sozialismus für die Bankvorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung“. Das wiederum trieb Unionsfraktionschef Volker Kauder die Zornesröte ins Gesicht. Das ökonomische Konzept der Linken habe schließlich in der DDR einst 17 Millionen Menschen in die Armut getrieben. Der CDU-Politiker zeigte sich dankbar für die Unterstützung von SPD und Grünen in der Euro-Krise, wenn er aber deren weitergehende Lösungsvorschläge höre, sei er dankbar dafür, dass es die christlich-liberale Koalition gebe. Die allerdings „in entscheidenden Abstimmungen keine Mehrheit mehr gehabt habe“, konterte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin und schlug Kauder, der in seiner Rede eine Kürzung staatlicher Investitionen angeregt hatte, das „milliardenschwere Betreuungsgeld“ um die Ohren. Wahlkampf pur. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte sich zu Beginn der lebhaften Sondersitzung für das voll besetzte Plenum bedankt. Stolze 94 Prozent der Abgeordneten waren anwesend. Durch die Gänge des Reichstages schleppten sich Parlamentarier auf Krücken. FDP-Haushälter Otto Fricke war am Mittwoch noch im Urlaubslook zur Sitzung des Haushaltsausschusses erschienen: sonnengebräunt und mit Dreitagebart. Der Linke-Politiker Steffen Bockhahn verbringt seine Ferien passenderweise in Spanien. „Auf dem Weg ins Bundestagsbüro. Ab heute Mittag dann Fraktionssitzung und Plenum zur Bankenrettung Spanien. Dann zurück in den Urlaub“, verkündete er via Twitter. Andere konnten im Kurznachrichtendienst nicht vom Kalauer lassen: „So einiges kommt mir noch ‚Spanisch‘ vor“, gestand der CDU-Abgeordnete Jens Koeppen. Unmittelbar vor der Sondersitzung waren die Parlamentarier in ihren Fraktionssälen zusammengekommen. Koeppen und die anderen Unionsabgeordneten durften sich über ein kleines Mittagessen freuen. Es gab Würstchen mit Kartoffelsalat. Euro-Kritiker Peter Gauweiler (CSU) verschmähte das kulinarische Angebot und forderte vor Mikrofonen stattdessen die „Rückkehr zum Recht“. Anstatt Milliarden nach Spanien zu verschieben, müssten die EU-Verträge eingehalten werden. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) dagegen griff herzhaft zu. Der frisch gebackene Ressortchef will in diesem Sommer gar nicht verreisen und sich allenfalls ein paar Tage auf „Balkonien“ gönnen. Bei den Sozialdemokraten gab es nichts zu essen, aber offenbar noch Gesprächsbedarf, daher konnte das Plenum erst mit einer halben Stunde Verspätung tagen. „Es fällt vielen schwer und ich verstehe diese Vorbehalte“, ächzte Fraktionschef Steinmeier. Doch dann rief er den Journalisten fröhlich zu: „Schön, dass sie alle zurückgekommen sind von ihrem Urlaub an südeuropäischen Stränden.“ dapd (Politik/Politik)
Schnäppchchendienst Groupon will sich von Berlin aus neu erfinden
Berlin (dapd-bln). Das Schnäppchenportal Groupon baut für die geplante Expansion seine Präsenz in Berlin aus. Dazu weihten Manager der aus den USA stammenden Internetplattform am Donnerstag ein neues Büro für bis zu 1.000 Mitarbeiter ein. Derzeit arbeitet das Unternehmen daran, sein Geld künftig nicht mehr allein mit dem Verkauf von Gutscheinen zu verdienen. „Groupon ist nicht mehr nur Rabattanbieter“, sagte der Chef des internationalen Geschäfts, Veit Dengler, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Statt dessen will Dengler Groupon zum Dienstleister auch für Unternehmen weiterentwickeln. „Wir sehen uns als Marktplatz für den lokalen Handel“, sagte er am Donnerstag. So sollen etwa Kosmetiksalons oder Restaurants ihr gesamtes Geschäft über das Portal verwalten können – und so enger ans Unternehmen gebunden werden. Er sei „froh, dass wir jetzt alle unterschiedlichen Abteilungen unter einem Dach haben“, sagte der Groupon-Manager für den deutschsprachigen Raum und die Schweiz, Jens Hutzschenreuter. Berlin ist nun größter Standort des Unternehmens außerhalb des Heimatmarkts USA. Bisher beschäftigt Groupon in Berlin etwa 850 Mitarbeiter an vier verschiedenen Standorten. Bisher vertreibt Groupon Schnäppchen im Internet, indem es Gutscheinangebote per E-Mail an angemeldete Nutzer verschickt. Für jeden verkauften Gutschein – im Englischen „Coupon“, daher der Name der Firma – bekommt Groupon eine Vermittlungsgebühr. Dieser Markt ist allerdings heiß umkämpft und bietet wenige Möglichkeiten, sich wirklich von der Konkurrenz abzusetzen. Deshalb setzt Dengler auf das neue Modell mit den lokalen Geschäftsleuten im Mittelpunkt. Selbst ein eigenes Bezahlsystem sei möglich. „Das ist eine ganz natürliche Weiterentwicklung“, sagte Dengler der dapd. In der Vergangenheit war Groupon immer wieder für Unregelmäßigkeiten in der Buchführung und unklare Angebote kritisiert worden. Im März hatte das Unternehmen etwa auf Druck des Büros für fairen Handel in Großbritannien zugesagt, Preise für Verbraucher transparenter anzuzeigen und Anbieter besser zu überprüfen. Im November 2011 war Groupon an die Börse gegangen, seitdem verlor die Aktie etwa zwei Drittel an Wert. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Neuer Strafbefehl gegen Holocaustleugner Williamson beantragt
Regensburg (dapd-bay). Gegen den Holocaustleugner Richard Williamson ist ein neuer Strafbefehl wegen Volksverhetzung beantragt worden. Der entsprechende Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg sei bereits am 11. Juli an das dortige Amtsgericht gegangen, wie ein Sprecher der Anklagebehörde am Donnerstag auf dapd-Anfrage mitteilte. Der britische Traditionalistenbischof Williamson hatte im November 2008 einem schwedischen Fernsehsender ein Interview gegeben und darin die Existenz von Gaskammern während der NS-Zeit bestritten. Wegen des Vorfalls war Williamson im April 2011 in zweiter Instanz vom Landgericht Regensburg wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 6.500 Euro verurteilt worden. Der Richterspruch war jedoch bei der Revisionsprüfung durch das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg aus formaljuristischen Gründen kassiert worden. Die Richter des OLG hatten damals moniert, dass im Strafbefehl gegen den Bischof der ultrakonservativen Piusbruderschaft kein hinreichender Anklagesachverhalt geschildert worden sei. Allerdings hatte auch das OLG keinen Zweifel an der Strafbarkeit der Äußerungen Williamsons. Die Vorgaben des Oberlandesgerichts seien bei der Abfassung des jetzt neu eingereichten Antrags auf Erlass eines Strafbefehls berücksichtigt worden, betonte der Sprecher der Regensburger Staatsanwaltschaft, Wolfhard Meindl. Das Amtsgericht Regensburg bestätigte am Donnerstag den Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls. Mit einer Entscheidung sei in den kommenden Wochen zu rechnen, sagte ein Sprecher des Gerichts. Williamson hatte in dem Fernsehinterview unter anderem gesagt: „Ich glaube, es gab keine Gaskammern.“ Und weiter: „Ich glaube nicht, dass sechs Millionen Juden in Deutschland vergast wurden.“ Das Interview mit dem schwedischen Sender war am Rande einer Priesterweihe der Piusbrüder im oberpfälzischen Zaitzkofen aufgezeichnet worden. Es wurde im schwedischen Fernsehen gezeigt und später im Internet veröffentlicht. Im ersten Verfahren gegen Williamson ging es maßgeblich um die Frage, ob der Bischof damit rechnen konnte, dass seine in der Bundesrepublik strafbaren Äußerungen über das Internet verbreitet und damit auch in Deutschland zu sehen sein würden. dapd (Politik/Politik)
Die Krise ist für uns auch eine Chance
Frankfurt/Main (dapd). Die Schwarz-Gruppe, zu der die Lebensmitteldiscounter Lidl und Kaufland gehören, will in diesem Jahr ihren Umsatz um gut 2,5 Milliarden Euro auf 66 Milliarden Euro steigern. Das berichtete das Fachmagazin „Lebensmittel Zeitung“ (Onlineausgabe) am Donnerstag. Im zurückliegenden, bis Ende Februar dauernden Geschäftsjahr habe das Unternehmen sein Umsatzziel von 64 Milliarden Euro aufgrund von Währungsverlusten somit nicht ganz erreicht, habe aber um sechs Prozent beim Umsatz zugelegt. „Die Krise ist für uns auch eine Chance“, sagte der Leiter der Gruppe, Klaus Gehrig, der Zeitung. „Wir kommen in vielen Ländern jetzt stärker an die Mittelschicht heran, die früher bei uns nicht eingekauft hat.“ Das neu erweckte Interesse dieser „finanzkräftigeren Klientel“ könne helfen, den Marktanteil des Discounts in vielen Ländern Europas deutlich zu erhöhen. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Gewerkschaft räumt Neckermann trotz Insolvenz Zukunftschancen ein
Frankfurt/Main (dapd). Trotz der beantragten Insolvenz des Versandhändlers Neckermann sieht die Gewerkschaft ver.di Zukunftschancen für viele Beschäftigte. „Insolvenz bedeutet nicht automatisch Kündigung und Verlust des Arbeitsplatzes“, sagte Gewerkschaftssekretär Bernhard Schiederig am Donnerstag in Frankfurt am Main. Am selben Tag wurden zwei vorläufige Insolvenzverwalter bestellt. Michael Frege ist nach Angaben des Frankfurter Amtsgerichts für Neckermann.de zuständig, Joachim Kühne für die Logistik. Die beiden Frankfurter Rechtsanwälte schauten sich nun die Verhältnisse im Unternehmen an und prüften etwa, wie viel Vermögensmasse noch vorhanden sei. Sie hätten vier Wochen Zeit, um ein Gutachten vorzulegen und den Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Neckermann wollte zunächst keine Stellungnahme zu der Entscheidung abgeben. Ver.di begrüßte die schnelle personelle Entscheidung. Schiederig kündigte an, dem künftigen Insolvenzverwalter vorzuschlagen, ein bereits im April vorgelegtes Fortführungskonzept „objektiv und ernsthaft zu prüfen“. Dieses sieht unter anderem den Erhalt eines eigenständigen Textilsortiments und der Logistiksparte vor. Neckermann hatte am Mittwoch Insolvenzantrag gestellt. Zuvor waren Verhandlungen mit ver.di über einen Sanierungsplan gescheitert. Zwar waren sich Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung einig geworden. Eigentümer Sun Capital hielt das Ergebnis der Verhandlungen allerdings für nicht tragfähig und stellte keine weiteren Mittel für die Finanzierung zur Verfügung. In den Verhandlungen war es um den vom Management beabsichtigten Abbau von 1.380 der rund 2.400 Stellen in Deutschland gegangen. Unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlungen hatte Neckermann angekündigt: „Die Geschäftsführung wird alles daran setzen, das laufende Geschäft auch im vorläufigen Insolvenzverfahren aufrecht zu halten.“ Ver.di hatte sich enttäuscht von der Haltung des Eigentümers Sun Capital gezeigt. Vorwürfe, ver.di habe in den Verhandlungen den Bogen überspannt und trage damit eine Mitschuld an der beantragten Insolvenz, wies Schiederig am Donnerstag zurück. Ohne den in den Verhandlungen angestrebten neuen Sozialplan habe Neckermann für die geplanten Kündigungen etwa 30 Millionen Euro an Abfindungen zu leisten, sagte der Gewerkschaftssekretär. Die Rechtsgrundlage dafür bilde eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2005. Durch den neu verhandelten, aber nicht abgenickten Sozialplan hätte sich dieser Anspruch auf knapp neun Millionen Euro reduziert. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Sovello schickt die Hälfte der Belegschaft in eine Transfergesellschaft
Thalheim (dapd). Der angeschlagene Solarmodulhersteller Sovello aus Sachsen-Anhalt trennt sich von knapp der Hälfte seiner Mitarbeiter. Sovello könne sich den anstehenden Herausforderungen kurzfristig nur noch mit 495 Beschäftigten stellen, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Reiner Beutel. Auf einer Belegschaftsversammlung habe Beutel für die anderen 475 Mitarbeiter den Übergang in eine Transfergesellschaft angekündigt, teilte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag in Thalheim mit. Die Solarfirma hatte Mitte Mai im Zuge der Solarkrise wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz angemeldet. Damals waren noch etwa 1.250 Mitarbeiter für den integrierten Solarmodulhersteller tätig, der Solarwafer, -zellen und -module unter einem Dach produziert. Seither hätten bereits zahlreiche Beschäftigte den Betrieb von sich aus verlassen, sagte der Sprecher. Sovello setzt unterdessen die Gespräche mit möglichen Investoren fort. „Um wieder wettbewerbsfähig und profitabel wirtschaften zu können, müssen wir die technologischen Stärken mit Unterstützung eines passenden Investors weiter ausbauen“, betonte Beutel. Die Investorenlösung müsse „innerhalb weniger Wochen“ unterzeichnet sein, um rund 500 Arbeitsplätze bei Sovello und die Perspektiven für den Solarstandort Bitterfeld-Wolfen zu erhalten. Derzeit sei aber noch nicht abzusehen, ob zum 1. August die Verhandlungen mit einem Investor erfolgreich abgeschlossen werden können. Die Finanzierung der Transfergesellschaft, die die Mitarbeiter beschäftigen, qualifizieren und vermitteln soll, sei noch nicht abschließend geklärt, erklärte Beutel den Angaben zufolge. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Schallkanone soll Piraten in die Flucht schlagen
Kassel/Staufenberg (dapd). Ohren zuhalten ist zwecklos. Sofort setzt ein stechender Kopfschmerz ein, die Schädeldecke vibriert und das Sichtfeld verengt sich zu einem schmalen Tunnel. „Freiwillig geht da keiner näher heran“, sagt Diplom-Ingenieur Hans-Karl von Engel. Der technische Leiter des Kasseler Unternehmens Hügin Group International hat die Pfeife mit entwickelt, die den unerträglichen Ton erzeugt. Die Idee: Piraten beim Versuch, ein Schiff zu kapern, sollen von dem Pfeifton in die Flucht geschlagen werden. Das Geräusch erinnert an einen pfeifenden Teekessel – nur ist es sehr viel lauter. Der Ton der sogenannten Herbertzpfeife liege im Eigenfrequenzbereich des menschlichen Ohrs, erklärt Geschäftsführer Lothar Hügin am Donnerstag bei der Präsentation des Geräts im niedersächsischen Staufenberg. Wegen der extremen Lautstärke „hält das kein Mensch aus“, glaubt er. Das Herbertzhorn solle vor dem Mannschaftsschutzraum von Schiffen angebracht werden. Bei einem Piratenangriff erzeuge es einen Schallpegel von bis zu 175 Dezibel. Selbst mit Gehörschutz sei das derart unerträglich, dass Angreifer sofort die Flucht ergriffen. Akustische Abwehrsysteme seien nichts Neues, sagt Hügin. Die Herausforderung bestehe darin, so nah wie möglich an die physikalische Grenze heranzukommen. Diese liege bei rund 192 Dezibel. Bisher erreiche seine Schallkanone rund 175 Dezibel, wobei die Marke von 180 Dezibel durch Verbesserungen am Kompressor noch durchbrochen werden soll. Ein Lastwagenhänger dient als Versuchsraum, der den gepanzerten Schutzraum eines Schiffs simulieren soll. Im Innern pfeifen zwei Abwehrhörner, die ein Kompressor von der Größe eines Kleinbusses mit Druckluft befeuert. Zu den Mutigen, die sich bei der öffentlichen Präsentation der Schallkanone bis an die Heckklappe des Containers wagen, zählt der Leiter der Polizeiflugstaffel Fuldatal, Thomas Nagler. Einen Fuß hinein setzt er nicht. „Unbeschreiblich unangenehm“, schildert er seine Empfindungen. Ein Flugzeugstart erzeuge etwas mehr als 100 Dezibel, sagt Ingenieur Engel. Eine Steigerung um zehn Schalldruckeinheiten bedeute eine gefühlte Verdopplung der Lautstärke, erklärt er – das Herbertzhorn sei entsprechend 14-mal lauter als ein abhebender Urlaubsjet. Seit 2007 sei die Forschungsabteilung des eigentlich auf Brandschutz spezialisierten Unternehmens mit der Entwicklung der Anti-Piratenpfeife befasst, erläutert Hügin. Eine abgemilderte Version werde für die Polizei angeboten – als Ersatz für Wasserwerfer bei Demonstrationen. Ziel sei die internationale Vermarktung beider Schallkanonen. Ob das System zur Sicherung von Schiffen eingesetzt wird, ist aber noch fraglich. Bislang seien akustische Abwehrgeräte nicht zielgenau genug und leicht zu überlisten, sagt ein Sprecher des Verbands Deutscher Reeder auf dapd-Anfrage. Deshalb fänden sie bisher kaum Anwendung. Ähnliches gilt für den Einsatz bei der Polizei. Flugstaffel-Leiter Nagler sagt: „Das wird eine Frage von rechtlichen und taktischen Überlegungen sein, wie und ob dieses System überhaupt eingesetzt werden kann.“ dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Raucher lassen Industriezigaretten im Regal
Hamburg/New York (dapd). Die Raucher in Europa lassen wegen der Schuldenkrise und hoher Arbeitslosigkeit immer öfter die Markenzigaretten in den Regalen: Im ersten Halbjahr ging der EU-weite Absatz an Industriezigaretten um 5,8 Prozent zurück, wie der größte Tabakkonzern der Welt Philip Morris International am Donnerstag mitteilte. Noch viel deutlicher verzichten die Raucher in den Krisenländern des Südens auf industriell hergestellte Zigaretten: In Griechenland beträgt der Rückgang fast 20 Prozent, in Spanien 10 Prozent und in Frankreich 4 Prozent. Für Deutschland nannte der Hersteller nur einen 1,3 Prozent kleineren Markt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Deutsche Branchenkreise bestätigten den Trend. Der Konzern führte den EU-weiten Einbruch auf die höheren Arbeitslosenzahlen zurück, die ein „Schlüsselindikator“ für den Absatz von Fabrikzigaretten seien. Allerdings bedeuten die Rückgänge nicht zwangsläufig, dass auch weniger geraucht wird: Philip Morris berichtet gleichzeitig von kräftig steigendem Absatz an Drehtabak. Dazu kommt der unübersehbare Bereich der Schmuggelzigaretten. Philip Morris International hat unterdessen im ersten Halbjahr Umsatz und Gewinn gesteigert. Der Umsatz erhöhte sich um 3,3 Prozent auf 15,6 Milliarden Dollar, der Betriebsgewinn stieg um 4,5 Prozent auf 7 Milliarden Euro, wie der US-Zigarettenhersteller mitteilte. Fallende Absätze in Europa wurden laut Unternehmen durch bessere Verkäufe in Asien sowie dem Nahen Osten und Afrika mehr als ausgeglichen. Zum Konzern gehören Marken wie Marlboro oder L&M, die von 78.000 Mitarbeitern in 56 Fabriken hergestellt werden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Deutschland steht zu Spanien-Hilfen
Berlin (dapd). Deutschland wird die milliardenschweren Hilfen zur Rettung der spanischen Banken mittragen. Das wurde am Donnerstag bei der Sondersitzung des Bundestages in Berlin deutlich. Bei aller Kritik kündigten SPD und Grüne an, dem Hilfspaket zuzustimmen. Lediglich die Linksfraktion wollte geschlossen Nein sagen. Zugleich legte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerin indirekt nahe, angesichts schwindender Unterstützung in den eigenen Reihen die Vertrauensfrage zu stellen. Steinmeier warf der Regierung vor, planlos zu agieren und ständig selbst gesetzte Grenzen zu überschreiten. Auch die Grünen hielten der Regierung einen falschen Kurs in der Euro-Krise vor. In Spanien gebe es keine Staatsschuldenkrise, sondern eine Bankenkrise infolge einer geplatzten Immobilienblase, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Für Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht versenkt die Regierung im Zuge der Euro-Rettung Geld „im schwarzen Loch des Finanzmarkts“, ohne den Menschen zu helfen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte derweil den eingeschlagenen Weg als unbequem, aber richtig. Die Lage im spanischen Bankensektor werde zu einem „Problem der Finanzstabilität der Eurozone“, warnte er. An einer Sanierung des angeschlagenen Bankensektors mit bis zu 100 Milliarden Euro führe kein Weg vorbei. Schließlich gebe es eine „extreme Verunsicherung“ an den Finanzmärkten. Somit sei die Lage im spanischen Bankensektor zu einem „Problem der Finanzstabilität der Eurozone“ geworden. Schäuble lobte zugleich die Reformanstrengungen Madrids. „Spanien ist auf einem guten Weg“, sagte er. „Aber die Erfolge sind durch die Unsicherheit im Bankensektor gefährdet.“ Die Hilfskredite gäben Spanien die Zeit, die für den Erfolg der Reformen gebraucht werde. Der Minister betonte mit Blick auf Diskussionen der vergangenen Tage, dass nicht die Banken direkt das Geld erhielten. Vielmehr bekomme der spanische Staat die Hilfen und hafte auch dafür. Das unterstrich auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die damit die Bedingungen ihrer Partei für die Milliardenhilfen erfüllt sah. Der Regierungserklärung von Schäuble schloss sich eine engagierte und teils hitzige Debatte an. Darin warf FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle der SPD Verrat an deutschen Interessen vor. Die Sozialdemokraten machten sich mit ihrer Zustimmung zu einer „Schuldenunion“ immer mehr „zum Sprachrohr der französischen Sozialisten“, sagte er. Auch sonst seien sie politische Wackelkandidaten. SPD-Fraktionschef Steinmeier warf der schwarz-gelben Regierung vor, im Kampf gegen die Euro-Krise ohne Plan und zunehmend auch ohne Rückhalt in der eigenen Koalition vorzugehen. „Mit bloßem Schulterzucken ist bisher noch jede rote Linie überschritten worden“, beklagte er. Mit Blick auf zwei verfehlte Kanzlermehrheiten fügte Steinmeier hinzu, es habe früher andere Politiker gegeben, die aus einer fehlenden Mehrheit „andere Konsequenzen gezogen“ hätten als zu schweigen und in die Sommerpause zu gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der Vergangenheit mehrfach eine Kanzlermehrheit in Fällen der Euro-Rettung als verzichtbar bezeichnet. dapd (Politik/Politik)