Die Mentalmeister vermitteln in ihren Kursen den achtsamen Umgang mit digitalen Medien – für mehr Produktivität in Unternehmen. (Foto: P. Pollmeier/FH Bielefeld)
Die Mentalmeister vermitteln in ihren Kursen den achtsamen Umgang mit digitalen Medien – für mehr Produktivität in Unternehmen. (Foto: P. Pollmeier/FH Bielefeld)

Digital detox: Weniger Stress, mehr Produktivität – FH-Startup schult in Unternehmen

Bielefeld – Die Mentalmeister aus Herford haben ein Kursprogramm entwickelt, das Menschen hilft, mit Smartphone, E-Mails und Meetings achtsamer umzugehen – und so produktiver zu arbeiten. Zielgruppe sind in erster Linie Unternehmen. Gefördert werden die beiden Initiatoren durch das „Gründerstipendium.NRW“, beraten werden sie vom Center for Entrepreneurship der FH Bielefeld.

Am Anfang stand die eigene, leidvolle Erfahrung: „Das Handy war für mich in der Corona-Zeit ein ziemlich großes Problem geworden“, bekennt Maik Abrams. Allein zu Hause am Schreibtisch ließ er sich immer wieder durch das mobile Gerät ablenken: Pling – eine neue Nachricht. Mal eben schauen, was auf Social Media los ist. Und gerade noch die Mails checken, kurzer Blick in die News – schon war der Vormittag vorbei, von der eigentlichen Arbeit aber kaum etwas geschafft. So geht es nicht weiter, beschloss Abrams. Inzwischen hat er nicht nur sein Problem erfolgreich gelöst, sondern zusammen mit Tobias Patzer aus der Lösung sogar ein Unternehmen gemacht: die Mentalmeister. Sie sind angetreten, die Ablenkungen durch digitale Medien in Unternehmen zu minimieren.

Ungezügelte Smartphone-Nutzung zerstört die Produktivität

Abrams hat ursprünglich Maschinenbau studiert, aber schnell gemerkt, dass ihn die betriebswirtschaftliche Seite eines Unternehmens mehr interessiert als die technische. Nach einem Jahr als Assistenz und im Projektmanagement bei einem namhaften Autobauer machte er sich selbstständig. „Eigene Projekte voranbringen und unabhängig arbeiten zu können, ist mir sehr wichtig“, erzählt der heute 25-Jährige. Wäre da nur nicht die Selbstorganisation! „Vor allem im Homeoffice während der Corona-Zeit fiel es mir tatsächlich schwer, für mich die passenden Strukturen zu finden. Hinzu kam die ständige Ablenkung durch das Handy, die meine Produktivität negativ beeinflusst hat.“ Abrams setzte sich mit Tobias Patzer zusammen, einem Freund aus Kindertagen.

Die Mental-Box: das Handy hinter Schloss und Riegel

Patzer brachte nicht nur Verständnis, sondern auch einen professionellen Blick mit: Der 24-Jährige studiert an der FH Bielefeld Wirtschaftspsychologie und hat ein Faible für Gewohnheitsbildung. Die beiden Freunde entwickelten ein Konzept, wie sie mit täglichen Zielsetzungen und Strukturen wieder fokussierter arbeiten konnten. Ein wichtiges Element: Das Handy musste weg. „Es stört mit seinen Nachrichten und Mitteilungen massiv den Flow, also die Phase des fokussierten, konzentrierten Arbeitens, die wesentlich für eine erfüllende Tätigkeit ist“, erklärt Patzer. „Wird der Flow ständig unterbrochen, führt das zu Unzufriedenheit und ungesundem Stress. Stummschalten oder das Handy im Nebenraum deponieren – das funktionierte nicht wie gewünscht. Also konstruierten Abrams und Patzer eine Art kleines Gefängnis für das Gerät: die Mental-Box. Eine Metalldose mit einem Zeitschloss, in der das Handy für eine festgelegte Zeit verschwindet.

Alles zusammen funktionierte so gut, dass Abrams und Patzer beschlossen: „Davon sollen auch andere profitieren!“ Das war die Geburtsstunde der Mentalmeister aus Herford. Die beiden Initiatoren recherchierten intensiv zum Einfluss von Medien auf Aufmerksamkeit, Stressempfinden und Psyche und entwickelten ein erstes Workshopkonzept, zunächst komplett in Eigenleistung. Dann hörten sie vom „Gründerstipendium.NRW“ und erhielten durch eine erfolgreiche Bewerbung und Jurysitzung eine 12-monatige finanzielle Förderung des Landes NRW. Das Center for Entrepreneurship (CFE) der FH unterstützt dabei als Gründungseinrichtung bei der Konkretisierung der eigenen Geschäftsidee. „Uns hat die Innovativität, die Risikobereitschaft und das Engagement der Gründer überzeugt“, sagt Lukas Gawor, Coach am CFE, zuständig für die Startup-Finanzierung.

Gründerstipendium.NRW und CFE-Beratung bringen das Startup nach vorn

Seit April werden die Mentalmeister gefördert, auch mit dem geballten Know-how des CFE. Gestartet wurde mit dem Gründercamp, ein Grundlagentraining auch mit externen Experten. „Das war enorm hilfreich, um über alle Seiten des Gründens Bescheid zu wissen“, sagt Tobias Patzer. Für ihn ist das CFE ein kleines Sprungbrett. „Es gibt hier zu allen Bereichen die passenden Experten. Die Kontaktmöglichkeiten, die sich hier eröffnen, sind äußerst wertvoll.“ Im Einzelcoaching mit Lukas Gawor ging es dann speziell um die Mentalmeister. Welche Ressourcen gibt es? Welches Know-how? Wo gibt es Bedarf an Informationen? An Kontakten? „Gerade die rechtliche und steuerliche Ebene ist für viele junge Gründer noch ein unbeschriebenes Blatt“, weiß Gawor aus vielen Beratungsgesprächen. Für die Mentalmeister brachte das professionelle Feedback die Erkenntnis, den Fokus auf Unternehmen als Zielgruppe zu richten und auf maßgeschneiderte Workshops. „Unsere Mental-Box bleibt aber als schöne Zugabe für die Kursteilnehmenden erhalten“, sagt Maik Abrams.

Workshops mit mehreren Modulen für Unternehmen

Die Workshops der beiden sind modular aufgebaut und können je nach Möglichkeit in den Unternehmen umgesetzt werden. In zwei Basismodulen vermitteln Patzer und Abrams die Grundlagen der Handynutzung und der Gewohnheitsbildung. „Der exzessive Handykonsum ist eine Gewohnheit. Wir erklären, wie es dazu kommt, und zeigen Strategien auf, diese Gewohnheit zu ändern“, erklärt Abrams. Im nächsten Schritt werden die Kursteilnehmenden über fünf Wochen begleitet und mit regelmäßigen Aufgaben darin unterstützt, neue Gewohnheiten zu etablieren. „Zum Beispiel durch Anleitungen für bewusste, handylose Pausen oder regelmäßige Feedbackrunden im Kollegenkreis.“ Abrams ist sich sicher: „Eine achtsame Mediennutzung senkt den Stress und verbessert die Kommunikation. Das fördert auch die Gesundheit der Mitarbeitenden.“ Insbesondere, wenn noch eines der Zusatzmodule absolviert wird: E-Mail-Nutzung, Meetings oder Achtsamkeitstraining. „Wer abends nicht mehr als letztes aufs Handy guckt und morgens nicht als erstes die Nachrichten checkt, ist entspannter und fokussierter“, weiß Abrams auch aus eigener Erfahrung.

Wichtig war den Gründern das wissenschaftliche Fundament ihrer Inhalte: „Wir nehmen neueste wirtschaftspsychologische Erkenntnisse in unser Konzept auf, fachliche genauso wie methodische“, erklärt Patzer. Dazu nutzen die beiden auch den engen Kontakt zur FH und tauschen sich regelmäßig vor allem mit Prof. Dr. Jan Schilling aus, im Fachbereich Wirtschaft zuständig für das Lehrgebiet Personal- und Organisationspsychologie, insbesondere Leadership und Organisationsentwicklung. „Die Gründer profitieren enorm von der Nähe zu Wissenschaft und Forschung am CFE“, sagt Lukas Gawor. „Und andersherum tragen sie auch immer wieder neue Ideen und Erkenntnisse in die Forschung zurück. Es gibt einen echten Wissenstransfer.“

In den sind manchmal alle eingebunden: Maik Abrams und Tobias Patzer haben ihr Konzept auch am CFE erprobt, Gawor selbst war einer der Teilnehmenden: „Es hat mir tatsächlich geholfen, meinen Handykonsum weniger impulsgetrieben zu gestalten.“ Derzeit werten die beiden Gründer die Probephase ihrer Workshops aus und arbeiten an der Validierung. In diesem Jahr beginnt dann eine neue Phase, die ersten Unternehmen haben die Mental-Meister bereits gebucht. Gawor ist zuversichtlich: „Langfristig wird das ein Erfolg.“ 

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WIR Redaktion

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