Marcel Stender, Marten Kirchhoff, Cornel Röfe und Simon Danne (v.l.n.r.) studieren Wirtschaftsingenieurwesen an der HSBI und haben sich mit der Challenge von Parker Hannifiin beschäftigt. (Foto: K. Starodubskij/HSBI)
Marcel Stender, Marten Kirchhoff, Cornel Röfe und Simon Danne (v.l.n.r.) studieren Wirtschaftsingenieurwesen an der HSBI und haben sich mit der Challenge von Parker Hannifiin beschäftigt. (Foto: K. Starodubskij/HSBI)

Beim Makeathon von InCamS@BI entwickeln HSBI-Studierende für Unternehmen aus OWL neue Lösungsansätze zur zirkulären Wertschöpfung

Bielefeld – 60 Studierende, 10 Challenges, 7 Tage Zeit: Beim Makeathon des Projekts InCamS@BI haben HSBI-Studierende innerhalb einer Woche Ideen und Lösungsansätze für Unternehmen aus der Region entwickelt. Die Herausforderungen drehten sich um zirkuläre Wertschöpfung und Nachhaltigkeit. Die Ergebnisse reichen von CO2-Bilanzierungen über alternative Mehrwegprodukte für Produktionsprozesse, Photovoltaik- und Wallbox-Konzepte bis zu einem Rücknahmesystem für Zitzengummis.

„Wenn wir von zirkulärer Wertschöpfung reden, heißt das: Wir denken in Kreisläufen – also ‚zirkulär‘. Beim ‚Wert‘ geht es um den materiellen Gehalt der Rohstoffe und Ressourcen. Und ‚Schöpfung‘ zeigt, dass es ein kreativer und innovativer Prozess ist“, erklärt Katharina Schnatmann im voll besetzten Konferenzbereich der Hochschule Bielefeld (HSBI). Schnatmann ist Mitarbeiterin im ITES, dem Institut für Technische Energie-Systeme der HSBI, und Technologiescout im Projekt InCamS@BI, dem Innovation Campus for Sustainable Solutions. InCamS@BI und ITES richten heute einen Makeathon für HSBI-Studierende aus. Das Konzept eines Makeathons: Unternehmen bringen Problemstellungen, sogenannte Challenges, mit, für die dann innerhalb einer definierten Zeitspanne von studentischen Teams Lösungsansätze entwickelt werden. Die Teams bilden sich spontan vor Ort. 

Alle Wege führen zum „R“: Die Grundprinzipien der Circular Economy
Da sich alle Herausforderungen mit Circular Economy beschäftigten, stellt Schnatmann zu Beginn die Grundprinzipien der Circular Economy, also der zirkulären Wertschöpfung, vor. Diese „R-Strategien“ beziehen ihren Namen durch den gemeinsamen Anfangsbuchstaben: Refuse, Rethink, Reduce, Replace, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle und Recover heißen sie und zielen allesamt darauf, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu verringern. Aus Sicht von Katharina Schnatmann ist besonders Replace hervorzuheben, da es ein bislang relativ wenig beachtetes „R“ darstellt – Rohstoffe und Materialien werden in dem Fall durch umweltfreundliche Alternativen ersetzt.

Die Herausforderungen des Tages kommen durchgängig von regionalen Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Unter den teilnehmenden Firmen finden sich Traditionshersteller wie Ludwig Weinrich, die Dr. Wolff Group und mit der Hebie sogar eines der ältesten Bielefelder Unternehmen. Außerdem sind mit Parker Hannifin, Adelt, GEA Group, Wöhler Technik und Bio-Circle Surface Technology Anbieter teilweise hochspezialisierter Technologielösungen dabei. Sie alle suchen in den mitgebrachten Aufgaben („Challenges“) nach zirkulären Lösungen für ihre Produkte und Prozesse und hoffen auf wertvollen „Input“ der HSBI-Studierenden. 

Mehrweg statt Einweg: Reuse in der Schokoladenfabrik
Das Familienunternehmen Ludwig Weinrich GmbH & Co.KG aus Herford produziert eine der beliebtesten Süßigkeiten: Schokolade. Was macht ein solches Unternehmen beim Makeathon für Circular Economy? „Die Herstellung unterliegt wie bei allen Lebensmitteln hohen hygienischen Anforderungen“, berichtet Nadesha Gudi, Umweltmanagerin und Energiebeauftragte von Weinrich. „Um diese einzuhalten, wird in der Produktion oft zu Einwegprodukten wie Handschuhen, Folien, Haarnetzen und Co gegriffen. Da sie mit Schokolade in Berührung kommen, müssen wir sie hinterher als gemischten Abfall abgeben.  Wir möchten aber weg vom Einweg. Jetzt wollen wir wissen: Gibt es vielleicht Mehrwegprodukte, die wir im Produktionsprozess einsetzen können?“

Das Team für diese Herausforderung hat sich schnell gefunden: Drei Studentinnen aus dem fünften Semester Wirtschaftsingenieurwesen treffen auf zwei Studenten der Regenerativen Energien, ebenfalls fünftes Semester: Amra Meier, Lea Uyanik, Aysenur Yesil und Tobias Komander mit Erik Hüdepohl. Direkt nach der Auftaktveranstaltung setzt sich das Team zusammen und überlegt sich das Vorgehen für die kommende Woche. Schnell ist klar, dass die Gruppe sich aufteilt, damit jede und jeder sich mit einzelnen Produkten beschäftigt: Die Wirtschaftsingenieurinnen betrachten Hauben, Handschuhe und Bartschutz, die Studenten der Regenerativen Energien setzen sich mit Jutesäcken und Eimern auseinander. All diese Produkte werden in der Schokoladenproduktion eingesetzt und bisher nach dem Gebrauch weggeworfen.

Eine Woche später präsentiert das Team Weinrich seine Resultate beim Ergebnis-Pitch: Es gibt zahlreiche Alternativen zu Einwegprodukten – zum Beispiel Bartschutze und Hauben, die im medizinischen Bereich eingesetzt werden und gewaschen werden können. „Die müssten ja eigentlich auch die Vorgaben der Lebensmittelindustrie erfüllen“, hat sich das Team überlegt. Ob das jedoch wirtschaftlich und hinsichtlich des Wasserverbrauchs nachhaltiger ist, gilt es noch zu untersuchen. Ihre Überlegungen stellen sie bei der Abschlussveranstaltung in einer zehnminütigen Präsentation vor. Die biologisch abbaubaren Jutesäcke beispielsweise, in denen Kakaobohnen transportiert werden, werden zurzeit nach der Benutzung weggeworfen. „Die könnte man auch für andere Zwecke nutzen: Für Feuerwehren als Sandsäcke, zum Transport von Obst und Gemüse, als Dämmstoff oder von Gärtnereien zum Kompostieren oder als Winterschutz“, schlägt Erik Hüdepohl vor.

„Wir haben beim Makeathon einiges gelernt: darüber, wie man einen kreativen Prozess anstoßen kann, dass man eine große Hürde am besten in kleine Schritte aufteilt und natürlich jede Menge über die Schokoladenproduktion“, erzählt Lea Uyanik. In ihrer Projektarbeit wollen alle fünf das Thema vertiefen und dafür auch das Unternehmen in Herford besuchen. Umweltmanagerin Gudi selbst ist begeistert, über die im Sprint entstandenen Gruppenergebnisse: „Der Makeathon hat sich für uns sehr gelohnt. Die Studierenden haben einen frischen Blick und Zeit, sich auf andere Art und Weise mit unseren Herausforderungen zu beschäftigen. Ich freue mich sehr darauf, mit dem Team weiterzuarbeiten!“

Reparieren statt Wegwerfen: Repair für Parker Hannifin
Vier junge Studenten des Wirtschaftsingenieurwesens widmeten sich in der Makeathon-Woche einer ganz anderen Aufgabe: Die Firma Parker Hannifin GmbH möchte wissen, wie eine zirkuläre Wertsteigerung für ein spezielles Handmessgerät erzeugt werden kann. „Diese Geräte sind oft im Außeneinsatz. Wir möchten wissen: Wie können wir das Produkt so gestalten, dass es besser repariert werden kann? Sollte man das Gerät recyceln können? Können wir vielleicht sogar Rezyklat bei der Herstellung einsetzen?“, erklärt Sven Patzwald. Er ist Environment, Health and Safety Manager bei Parker Hannifin, einem der weltweit führenden Hersteller in der Antriebs- und Steuerungstechnologie. Für ihn und seinen Kollegen Necat Kurt ist der Makeathon eine gute Gelegenheit, neue Perspektiven zu gewinnen.

Cornel Röfe ist im ersten Semester, Simon Danne, Marten Kirchhoff und Marcel Stender im fünften – sie bilden das Team, das sich mit der Parker-Challenge beschäftigt. Sie verabreden, in der Woche mit einer Chatapp zu kommunizieren, um auch einen direkten Kommunikationskanal zu den beiden Ansprechpartnern im Unternehmen zu halten. Im Lauf der Woche tauschen sie sich fast täglich aus, um die Herausforderung meistern zu können. „Das Schwierigste für uns war, den Startpunkt zu finden. Als die Aufgaben klar verteilt waren und wir alle Informationen zusammenhatten, fiel es uns leichter“, berichtet Cornel Röfe über den Findungs- und Lösungsprozess der Gruppe. Einzelarbeitsphasen und Informationsaustausch wechselten sich ab. Bei Parker in Bielefeld konnte das Team sich die Montage der Messgeräte anschauen. „Dieser Einblick in die Praxis war für uns sehr wertvoll. Wir haben in der Woche gesehen, was man schaffen kann, wenn man sich intensiv und regelmäßig mit einem Thema beschäftigt“, ist das Fazit von Simon Danne.

Am Montag, 30. Oktober, ist es auch für das Team soweit: Die jungen „Wings“, wie die Wirtschaftsingenieure an der Hochschule oft abgekürzt werden, präsentieren ihre Ideen aus der Arbeitswoche, die im Makeathon auch „Sprint“ genannt wird: „Unser Vorschlag zielt darauf, einzelne Komponenten am Gerät austauschbar zu machen. Dazu gehören der Bildschirm und auch feste Anschlüsse. Wenn diese Teile repariert werden können, verlängert sich die Lebensdauer der Geräte. Aus alten und kaputten Geräten könnte man brauchbare Teile wiederverwerten – dafür müssten die Kundinnen und Kunden natürlich ihre alten Geräte an Parker zurückschicken. Und: Es wäre für die Fertigung hilfreich, weitere Statistiken zu führen. Dadurch kann Parker die Langlebigkeit seiner Komponenten gezielt verbessern.“ 

Wie die meisten anderen Teams wollen sich die vier während des Wintersemesters in einer Projektarbeit weiter mit der Challenge des Unternehmens beschäftigen und das Konzept vertiefen. Auch Patzwald und Kurt sind zufrieden mit den Ergebnissen: „Die Studenten haben uns auf neue Ideen gebracht: Wir werden für unser Messgerät künftig weitere Statistiken erheben, um erfassen zu können, wie wir uns weiter optimieren können. Bislang werden kaputte Geräte komplett ersetzt. In Hinblick auf zirkuläre Wertschöpfung wollen wir, wie von den Studenten vorgeschlagen, die R-Strategie Repair stärker anwenden.“

HSBI-Studierende eröffnen Unternehmen neue Perspektiven
Auch die anderen Teams haben spannende Ansätze ausgearbeitet: Für GEA, einen der weltweit führenden Hersteller und Anbieter von ganzheitlichen Melklösungen, gab es den Vorschlag, Zitzengummis für Kühe in ein Rücknahmesystem zu überführen und erste Ansätze, wie ein „Second Life“ für die Produkte nach dem Ausscheiden aus dem System aussehen könnte. Hebie, ein Hersteller für Anbaukomponenten für Fahrräder, war auf der Suche nach Photovoltaik-Modulen und Wallboxen. Die Studierenden haben verschiedene Modelle mit Vor- und Nachteilen sowie ein System zur Einbindung vorgestellt. Und für den regionalen Medizin- und Kosmetikhersteller Dr. Wolff gibt es ein Konzept für eine Station, an der Mitarbeitende für die nachhaltige Nutzung von Energie sensibilisiert werden sollen. Beim Elektronikgerätehersteller Wöhler haben drei Studentinnen die Anforderungen an eine Materialliste für die Erstellung einer CO2-Bilanz analysiert und Ideen zur Kreislaufführung von Messgeräten entwickelt.

Fazit: Die Gesamtbilanz des ersten InCamS@BI Makeathons fällt durchweg positiv aus: Neben verschiedenen Studierendenprojekten gehen beide Seiten mit einer ganzen Reihe neugewonnener Perspektiven aus der Premiere.

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WIR Redaktion

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