(un)möglich! Künstler als Architekten

Was passiert, wenn sich KünstlerInnen mit Architektur beschäftigen? Können sie innovativer und radikaler sein, wenn sie sich nicht um Bauvorschriften, Machbarkeit und Investorenwünsche kümmern müssen? Mit Träumen von (un)möglichen Räumen, begehbaren Raumkonstruktionen und Zeichnungen utopischer Stadtentwürfe geht Marta Herford diesen Fragen in einer ersten Überblicksausstellung im Jubiläumsjahr 2015 nach.

Gregor Schneider ist mit dem „Total isolierten Gästezimmer“ aus dem Haus u r vertreten, Dai Goang Chen präsentiert einen Lichtturm aus übereinander geschichtetem Styropor. Jan de Cock hat mit „Everything for you, Herford“ einen ortsspezifischen Beitrag entwickelt. Und Michael Pohl entwarf für die Stadt Herford sogar ein neues, fiktives Museum.

Marta Herford ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Architekten ihre Bauten bisweilen wie Skulpturen denken. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums kehrt das Museum die gewohnte Perspektive von Architekten als Künstler um. Mit einem eindrücklichen wie außergewöhnlichen Projekt thematisiert Marta Herford das Phänomen, das seit den 1960er Jahren immer mehr Künstler an der Schnittstelle von Kunst und Architektur arbeiten.

Ein Großteil der Werke wurde eigens für diese Ausstellung entwickelt, wie die Installationen von Isa Melsheimer (mit der sie an die Architekten von „Die Gläserne Kette“ erinnert) und Stephen Craig, der ein ganzes Universum von Kassenhäuschen in Miniaturformat gebaut hat. Sieben ortsspezifische Beiträge von Michael Pohl, Dai Goang Chen, Christine Rusche, Heike Mutter/ Ulrich Genth, Jan de Cock, Pedro Cabrita Reis und Caroline Bayer setzen sich mit der skulpturalen Form der Gehry-Architektur auseinander. Und direkt gegenüber von Marta Herford erhebt sich ein Bauschild, das bei einigen Passanten für Irritation sorgen dürfte: Es präsentiert ein „Neues Museum Herford“ von Michael Pohl.

Auf der Rückwand der Langen Galerie lässt Christine Rusche eine Wandzeichnung entstehen, die den realen mit einem fiktiven Raum in Beziehung setzt. Im Dom des Museums hat der koreanische Künstler Dai Goang Chen einen begehbaren Lichtturm aus Styropor errichtet. In dessen Inneren erlebt der Besucher nicht nur ein faszinierendes Lichtspiel, sondern auch ein besonderes akustisches Phänomen. Im gleichen Raum nebenan hat das Künstlerpaar Heike Mutter/ Ulrich Genth eine Installation geschaffen, die im Rahmen des Marta Preises der Wemhöner-Stiftung entstand und sich mit dem subtilen ästhetischen Reiz von Oberflächen aus der ortsansässigen Küchenindustrie beschäftigt.

Seit 1985 baut Gregor Schneider an seinem Haus u r, das er fortwährend bearbeitet und umgestaltet. Während das Äußere des Hauses unverändert bleibt, wiederholt Schneider die Raumfolge im Inneren durch immer neue Räume. Für die Ausstellung im Marta verpflanzt er das „Total isolierte Gästezimmer“ nach Herford. Der luftgefüllte „White Cube“ von Johannes Wohnseifer bewegt sich zwischen Skulptur, historischem Bild und politischem Zeichen. Er fungiert als ein fragiles, begehbares Gebilde und verweist zugleich auch als eine Art „Urhütte der Moderne“ auf die globalisierte Kunstwelt. Auch tierische Unterkünfte sind Teil der von Künstlern erdachten Räume: Das Künstlerkollektiv Atelier van Lieshout entwarf eine „Utopische Hundehütte“ für Korea, wo Hunde auch auf der Speisekarte stehen.

Ein besonderer Verdienst der Ausstellung ist es, dass sie die Thematik von Künstlern als Architekten epochenübergreifend und facettenreich beleuchtet. Sie spannt einen Bogen von historischen Ansätzen aus dem frühen 20. Jahrhundert von Wenzel Hablik oder El Lissitzky über Arbeiten der Nachkriegszeit von Walter Jonas bis in die Gegenwart mit zahlreichen Beiträgen zeitgenössischer KünstlerInnen. Das Spektrum reicht von begehbaren Raumkonstruktionen über gezeichnete Architekturutopien, visionäre Stadtentwürfe, ortsbezogene Wandarbeiten und Architekturmodelle bis hin zu Dokumentationen tatsächlich realisierter Gebäude.

www.marta-herford.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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