Polstermöbel-Vorstand tagt bei PM Oelsa und entdeckt Dresden

Betriebsbesichtigung der Polstermöbel Oelsa mit der nach eigener Darstellung „flächenproduktivsten Fertigung der Branche in Deutschland“ (Foto: FB Müller).

In diesen Tagen war wieder öfter die Rede von den vielzitierten „blühenden Landschaften“ im vormaligen Beitrittsgebiet. Wenn diese Aussage uneingeschränkt Geltung haben darf, dann für die sächsische Kleinstadt Rabenau mit der geschichtsträchtigen Polstermöbel Oelsa GmbH als gewerblichen Mittelpunkt.

Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens reicht zurück ins Jahr 1869 und auch die „Wende-Wirren“ Anfang der 1990er Jahre wurden mit seltener Bravour gemeistert. Ein guter Grund, am 21. Juni dort die diesjährige Frühjahrssitzung des VdDP-Vorstands durchzuführen.

Mit launigen, erfrischenden Worten begrüßte Inhaber und Geschäftsführer Dr. Andreas Käppler die angereisten 20 Gäste im Sitzungszimmer seiner Firma, die auf den Grundmauern der Trutzburg „Rabenau“ aus dem 13. Jahrhundert hoch über dem Oelsagrund auf einem Felsen thront. Bereits um 1600 begannen die Einwohner der waldreichen, aber erz- und kohlearmen Region rund um Rabenau mit der Fertigung von Stühlen.

Unternehmensgeschichte zwischen kurzweilig und dramatisch

Was Wunder, so Dr. Käppler in seinem Eingangsstatement, wenn später unter Nutzung des Bugholzverfahrens die Produktion industrialisiert und ab 1869 mit SHI, dem unternehmerischen Vorläufer der PM Oelsa, auch institutionalisiert wird. Diese Sächsische Holzindustriegesellschaft produzierte mit gelegentlichem Auf und Ab bis 1945 Stühle sowie später Polstermöbel. 1946 wurde der Betrieb demontiert und als Kriegsreparation nach der UdSSR verbracht. Doch bereits 1950 lief die Produktion mit Kastenmöbeln wieder an und gipfelte in den 1980er Jahren in der Firmierung als „Stammbetrieb“ (Konzernmutter) des 1979 geschaffenen VEB Polstermöbelkombinats Oelsa-Rabenau.

Jenes wurde bereits 1986 wieder aufgelöst, sodass der Betrieb mit nunmehr 1.600 Beschäftigten an das damalige Möbelkombinat Dresden- Hellerau fiel. 1990 dann die bekannte Zäsur auch in Mitteldeutschland, die am 1. Juli zur Gründung einer GmbH und zur Zuordnung zur Treuhandanstalt Berlin führte. Ein westdeutscher Polstermöbelhersteller nahm frühzeitig Kontakt zu Treuhand und Unternehmen auf, man kooperierte recht erfolgreich, doch wenige Tage vor der Übernahme springt der Investor überraschend ab.

Alles oder nichts: Salto Mortale in die Marktwirtschaft

Das war zur damaligen Zeit nicht außergewöhnlich, zog aber für Dr. Käppler als Geschäftsführer und sein Leitungsteam das Treuhand- Ultimatum nach sich: Übernahme innerhalb von vier Wochen – oder Liquidation! Zusammen mit Margit Titze und Paul Prediger wagten die drei Führungskräfte den Schritt in die Selbstständigkeit und wurden am 1.7.1992 Gesellschafter der Firma. Der Einsatz: hoch riskant! Denn nach reichlich negativen Erfahrungen fordern die Banken im Beitrittsgebiet für unternehmerische Aktivitäten private Höchstbetragsbürgschaften von den Übernehmern und – zur erweiterten Absicherung – zusätzlich von deren Lebenspartnern ein.

Doch der Deal gelingt. Das Unternehmen schreibt seit jenem Tag durchgängig schwarze, oder zumindest graue Zahlen, es wurde mit zweistelligem Millionenbetrag saniert, erweitert und mit neuem Maschinenpark ausgestattet. Heute werden in zwar historischer, aber logistisch durchgängig gestalteter Produktion über 5.000 verschiedene Polstermöbel und Varianten gefertigt. Die Fertigungstiefe ist außergewöhnlich hoch, rund 240 Arbeitnehmer werden beschäftigt. Auf sein Lebenswerk ist Dr. Käppler zu Recht stolz, denn von den einst nach Ende der DDR über 140 zu Verkauf und Übernahme stehenden Polstermöbelunternehmen im Osten Deutschlands hat nur ein einziges überlebt: sein PM Oelsa!

Projekte zum 3D-Druck für die Polstermöbelindustrie

Nach diesen emotionalen Einführungsworten durch den Gründungsvater des heuten Unternehmens und im Anschluss an einen Betriebsrundgang unter Führung von Heiko Langer, Geschäftsführer Marketing/Vertrieb, eröffnete Vorstandsvorsitzender Dirk-Walter Frommholz die Sitzung – mit herzlichen Wünschen an Dr. Käppler, sowohl für weiteren Erfolg seines Unternehmens als auch zu dessen Geburtstag. Den fachlichen Aufschlag übernahm dann Tony Gausel vom IHD in Dresden mit spannenden Ausführungen zur generativen Fertigung von Polstermöbelkomponenten und zum „BioxXPrint“-Verfahren.

Der erste Vortragsteil widmete sich dem 3D-Druck von Unterfederungssystemen. Das von ihm betreute Projekt hat sich zum ehrgeizigen Ziel gesetzt, nach den nächsten 3-5 Jahren diese Komponenten industriell zu konkurrenzfähigen Kosten drucken zu können. Der wesentliche Vorteil liegt in der Simulation und anschließender Generierung einstellbarer, sprich exakt definierter Federelemente für den jeweiligen Einsatzzweck. Das „BioxXPrint“- Verfahren seinerseits zielt auf den Druck von Polster-Formteilen mit gradierbaren, biobasierten Kunststoffen.

Küchenwohntrends 2018 – Messe für Einrichten in Lebensräumen

Michael Rambach, Geschäftsführer des Messeveranstalters Trendfairs, berichtete anschließend über das grundlegende neue gestaltete Event „Küchenwohntrends 2018“ in München. Die Premiummesse für Küche und Wohnen weist als ein Alleinstellungsmerkmal die Beschränkung auf qualitatives Wachstum aus. Wie ernst Rambach und sein Team diese Veranstaltungsphilosophie nehmen, zeigte die beeindruckende Präsentation. Es kann an dieser Stelle nur auf die neue Location Zenith- Halle, Kohlebunker und Kesselhaus im Stadtteil Schwabing-Freimann verwiesen werden. Denn einerseits sagen Bilder mehr als tausend Worte, andererseits dürfte die Realität im kommenden Mai jede Bildreproduktion in den Schatten stellen.

Mit dem Besuch der Sitzung durch den Vizepräsidenten des VDM, Michael Stiehl, wurde dessen Erläuterungen zur anstehenden Neuordnung des Dachverbands HDH sowie der branchenbezogenen Verbandslandschaft mit Schwerpunkt VDM im Tagungsprogramm vorgezogen. Nach lebhafter Diskussion stellten sich die Vertreter der Polstermöbelbranche auf den 7. Juli ein, wo in einer größeren Konferenz die geplanten Vereinsstrukturen final einem Konsens zugeführt werden sollen.

Statistische Divergenzen müssen weiter auf Klärung warten

Der Bericht von Dr. Lucas Heumann, Hauptgeschäftsführer des VdDP, stand im Mittelpunkt der Sitzung. Nach verbandsinternen wirtschaftlichen Eckzahlen hat sich die Polstermöbelindustrie 2016 besser entwickelt als die Küchenmöbelindustrie. Dagegen weist die Bundestatistik ein Minus um 5 % aus.

Einmal mehr appellierte die Geschäftsstelle an die VdDP-Mitglieder, den Verband mit einem Namensabgleich beim Bundesamt für Statistik zu bevollmächtigen. Denn bereits bei den bisher erfolgten 13 Stichproben erwiesen sich fünf Unternehmen als der falschen Branche zugeordnet und weitere zwei wurden von Destatis doppelt geführt.

Im juristischen Themenblock des Geschäftsberichts schlugen Dr. Heumann und Andreas Ruf den Bogen vom Kartellverfahren gegen LKW- Hersteller über Haftungsfragen bei Complianceverstößen – weswegen die Möbelindustrie ein eigenes CMS aufbauen wird – bis hin zur deutlichen Besserstellung Dritter im Insolvenzrecht und dem neuesten Dienstleistungsangebot der Möbelverbände „AGB-Begutachtung“.

Update Formaldehydgrenzwerte: verschoben ist nicht aufgehoben

Dr. Olaf Plümer, verantwortlich bei den Möbelverbänden Herford für Technik und Umwelt, resümierte den Sachstand hinsichtlich Formaldehydemissionen in wichtigen Exportmärkten. Sowohl die USA als auch Frankreich haben ihre teils überambitionierten Vorhaben zeitlich leicht verschoben, aus inhaltlicher Sicht jedoch nicht. Zusätzlich ist Dänemark in diesen Kreis nationalstaatlicher Abschottung getreten. Von allen Beteiligten wurde daher erneut die Forderung erhoben, endlich eine europäische Harmonisierung in die Wege zu leiten.

Einen wichtigen Tagungsordnungspunkt bildeten die Ausführungen von Dr. Heumann zu den verschärften gesetzlichen Regelungen zur Zeitarbeit. Durch die vielfältigen Änderungen im Arbeitnehmer- Überlassungsgesetz zu Lasten der Arbeitgeberseite empfahl der Hauptgeschäftsführer jedem Unternehmen, Vertrag für Vertrag mit Entleihfirmen genau zu prüfen und jene explizit in die Pflicht zu nehmen.

Die Sitzung endete mit dem einstimmigen Beschluss zum Haushalt 2016 und zum Entwurf des laufenden Jahres. Danach begleitete Heiko Langer alle Sitzungsteilnehmer in die nahe Landeshauptstadt Dresden und zeigte in einem kurzen Rundgang durch die Altstadt die barocken Highlights der Elbmetropole.

www.vhk-herford.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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