Schäfer – ein aussterbender Berufsstand

Schäfer - ein aussterbender Berufsstand Aldingen (dapd-bwb). Noch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sah der Berufsalltag eines Schäfers ganz anders aus als heute: Die Hirten widmeten sich ganz ihrer Herde. Tagsüber trieben sie die Schafe langsam weiter, nachts schliefen sie meist in einem Wohnwagen neben der Weide, um sich im Notfall um ihre Schützlinge kümmern zu können. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie mit dem Verkauf der Wolle. „Damals hatte die Arbeit etwas von Freiheit und Romantik. Typische Schäfer sind wir aber schon lange nicht mehr“, sagt Lothar Lohmüller. Mit seinem Sohn Oliver wacht er in Aldingen am Fuße der Schwäbischen Alb über rund 950 Schafe. In das Geschäft seines Vaters stieg er Ende der 60er Jahre ein und übernahm es später ganz. „Heute besteht unsere Aufgabe zu einem Drittel aus Bürokratie und dem Ausfüllen von Subventionsanträgen. Vom Produkt allein können wir schon lange nicht mehr leben“, sagt der 58-Jährige. Rund 50 Prozent des Lohmüllerschen Einkommens sind Zuschüsse von der EU. Die andere Hälfte erwirtschaften die beiden Schäfer mit Getreideanbau, der Schlachtung von Schafen und dem Fleischverkauf. Die Wolle dagegen macht nur noch zwei Prozent des Lohns aus. Bruttoverdienst liegt zwischen 1.500 und 2.000 Euro Nach Angaben des Schafzuchtverbands Baden-Württemberg ist der Wollpreis seit den 90er Jahren drastisch gefallen. Während ein Schäfer damals noch umgerechnet 1,80 bis 2,30 Euro für ein Kilo bekam, sind es heute je nach Qualität nur noch 50 Cent. Die Schurkosten pro Schaf liegen mit drei Euro höher als der Erlös selbst. „Schuld ist die Industrie mit ihrer Kunstfaser-Produktion“, schimpft der 38-jährige Oliver Lohmüller. „Wenn man mal an seinen Kleidern runterschaut, fragt man sich: Was ist da noch Wolle?“ Für den jungen Schäfer war es eine Frage der Ehre, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten – trotz der Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden am Tag das ganze Jahr über bei einem monatlichen Bruttoverdienst zwischen 1.500 und 2.000 Euro. Doch viele junge Leute sind dazu längst nicht mehr bereit, den Schafzuchtverband im Südwesten plagen daher große Nachwuchssorgen. „In diesem Jahr gab es in Baden-Württemberg gerade mal drei Auszubildende, die sich entschieden haben, Tierwirt mit Schwerpunkt Schafhaltung zu werden“, bedauert die Geschäftsführerin des Verbands, Anette Wohlfarth. Dabei leisteten Schäfer einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft: Tag für Tag ziehen die Hüter mit ihren Tieren von Futterfläche zu Futterfläche. Nicht zu schnell, denn das würde einen Energieverlust und damit auch Fleischeinbußen bedeuten. Indem die Schafe fressen – rund sechs bis acht Kilo Grünmasse pro Tag – werden die Wiesen und kommunalen Flächen bewirtschaftet und gepflegt. „Durch die Schafe ist eine einmalige Pflanzenwelt entstanden. Beim Weiterziehen verteilen sie über ihre Wolle Pflanzensamen und tragen so zu einer Vielfalt bei, die mit einer Maschine gar nicht erreicht werden könnte“, ist Lothar Lohmüller sicher. Die Politik in Baden-Württemberg hat den Wert dieser Arbeit längst anerkannt, trotzdem fühlen sich die Schäfer in Baden-Württemberg vergessen. Die 180 hauptberuflichen Hirten wünschen sich ein Entgelt für ihre Landschaftspflege oder zumindest einen Wegfall der kommunalen Wiesen-Pacht. Auch eine Ausbildungsbeihilfe sei vonnöten. „Viele Betriebe können sich gar nicht leisten, einen Azubi aufzunehmen“, sagt Lohmüller senior. Zweite EU-Förderperiode läuft im kommenden Jahr an 2014 beginnt eine zweite EU-Förderlinie. Der Schafzuchtverband im Südwesten kämpft dafür, dass die Forderungen der Hirten Gehör finden. Das Ministerium für den Ländlichen Raum hat bereits gemeinsam mit den Schäfern eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Außerdem laufen den Angaben zufolge zurzeit unter anderem Projekte zur Verbesserung der Lammfleischqualität durch die Zucht. „Wir setzen uns aber auch als Land dafür ein, dass die Kommission in der neuen Förderperiode eine Weide-Prämie für die Schafhaltung zulässt. Eine solche besteht bislang für Milchkühe, aber nicht für Schafe“, sagte eine Ministeriumssprecherin auf dapd-Anfrage. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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