Ein neuer Lebensabschnitt für die Schlecker-Frauen

Ein neuer Lebensabschnitt für die Schlecker-Frauen Erdmannhausen (dapd). Als ihre eigene Chefin hat Bettina Meeh mit eigenen Problemen zu kämpfen. Wohin kommt der Kinderpunsch, ist zum Beispiel so eines. Annemarie Keller und sie entscheiden: „Nicht zu den Alkoholika.“ Also sortiert sie die Flaschen zwischen Bifi und Mineralwasser in ein Regal ihres Ladens. „Drehpunkt“ heißt der und ist der Nachfolger von Schlecker in Erdmannhausen. Meeh, Keller und ihre Kollegin Karin Meinerz haben im November den Nahversorger im Zentrum des Ortes eröffnet. Es ist der erste von mehreren genossenschaftlich organisierten Nahversorgern, die die Gewerkschaft ver.di gemeinsam mit ehemaligen Schlecker-Frauen in Baden-Württemberg eröffnen will. „Im Grunde genommen ist es fast das Gleiche, was ich früher gemacht habe“, sagt Meeh. Aber es sei doch ein neuer Lebensabschnitt. „Wir sind jetzt unsere eigenen Chefs“, freut sich die 47-Jährige über die neue Freiheit. Viel besser könne sie jetzt auf Kundenwünsche eingehen. Ein Büchlein liegt neben der Kasse, in das die Frauen Wünsche von Kunden eintragen. Vorher wurde der Einkauf zentral aus der Zentrale der inzwischen zerschlagenen Drogeriekette Schlecker in Ehingen gesteuert. Da ging das nicht so einfach. Aber auch sonst hat sich viel getan im Vergleich zu Schlecker. Die Gänge sind viel breiter geworden. Zwei Einkaufswagen passen bequem nebeneinander. Früher, berichtet Meeh, mussten Rollstuhlfahrer draußen bleiben und ihre Wünsche hineinrufen, weil es in der Filiale so eng war. Das Schlecker-Blau ist einem hellen Grün gewichen. „Unsere Farbe ist Grün“, sagt Meeh. „Das ist frisch und sieht einfach nach etwas anderem aus.“ Das sehen offenbar auch die Kunden so. „Hier gefällt es mir besser als vorher“, sagt Barbara Fuchslocher. Vor allem die breiteren Gänge findet sie gut. „Alles da, was man braucht“ „Es ist alles da, was man braucht“, findet M. Schmidt, die ihren Vornamen nicht nennen will und mit ihrem Sohn noch ein paar Besorgungen macht. Nachdem die Schlecker-Filiale schloss, musste sie immer nach Marbach ausweichen. „Man vermisst so einen Laden schon, wenn er weg ist“, sagt sie. Auch in anderen Orten sollen die Einwohner nicht weiter auf einen Nahversorger verzichten. Weitere „Drehpunkte“ sind in Vorbereitung. Ver.di hatte Bürger und Kommunen dazu aufgerufen, zu spenden und so bei der Finanzierung mitzuhelfen. Mit 80.000 Euro könne man einen Laden zum Laufen bringen. 50.000 davon würden die ehemaligen Schlecker-Frauen als Kredit aufnehmen. Der Rest muss bei den Beteiligungen eingesammelt werden. Die Erdmannhauser Frauen kannten sich bereits vorher. Meeh hatte 17 Jahre in einer Schlecker-Filiale in Murr gearbeitet und war dann als freigestellte Betriebsrätin tätig. Dort lernte sie auch Karin Meinerz kennen, die wiederum mit Annemarie Keller in einer Backnanger Filiale arbeitete. „Es muss ein Team sein“, findet Meeh. Das habe sie in ihren beiden Mitstreiterinnen gefunden. „Drehpunkt“ hat sie vermutlich vor einer schwierigen Arbeitssuche bewahrt. In zwei Entlassungswellen kamen nach der Schlecker-Pleite 25.000 ehemalige Beschäftigte auf den Arbeitsmarkt. Vier Bewerbungen im Monat musste Meeh schreiben, so verlangte es die Agentur für Arbeit. Noch heute seien bestimmt zehn Bewerbungen offen, auf die sie nicht einmal eine Antwort bekommen habe. „Das ist eigentlich traurig“, sagt sie. Doch die drei Frauen haben Arbeit gefunden – und zwar nicht zu knapp. „Wir standen die ersten zwei, drei Wochen von morgens bis abends zu dritt im Laden“, berichtet Meeh. Auch jetzt, über einen Monat nach Eröffnung des Ladens, ist noch viel zu tun. Paletten stehen in den Gängen, die Regale sind noch nicht voll eingeräumt. „Es hat anfangs noch etliches an Ware gefehlt, und wir haben die Leute vertrösten müssen“, sagt die 47-Jährige. Es gibt zwar eine Lieferkooperation mit der Rewe-Gruppe. Dennoch hätten sie für manche Artikel wie Schwämme oder Putztücher erst einmal den richtigen Lieferanten finden müssen. „Wir hoffen, dass es noch besser läuft, wenn alles da ist“, sagt Meeh. Eine Kundin kommt rein. „So langsam wird’s, oder?“ fragt sie. „Ja, so langsam“, antwortet Meeh. Rom sei ja auch nicht an einem Tag gebaut worden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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