Kleine Zinsen – große Sorgen

(v. l.) Karsten Pohl (Leiter Private Banking der Volksbank Paderborn-Höxter- Detmold), Wirtschaftsclub- Vorsitzender Thomas Sprehe, Wolf-Dieter Jordan (Geschäftsführer OWL Vorsorge- und Versicherungsservice GmbH) und Georg Ilskens (Geschäftsführer Wirtschaftsclub Paderborn + Höxter). (Foto: Wirtschaftsclub Paderborn + Höxter)
(v. l.) Karsten Pohl (Leiter Private Banking der Volksbank Paderborn-Höxter- Detmold), Wirtschaftsclub- Vorsitzender Thomas Sprehe, Wolf-Dieter Jordan (Geschäftsführer OWL Vorsorge- und Versicherungsservice GmbH) und Georg Ilskens (Geschäftsführer Wirtschaftsclub Paderborn + Höxter). (Foto: Wirtschaftsclub Paderborn + Höxter)

„Wir erleben eine spannende Situation schon seit Jahren“, umschrieb Thomas Sprehe, Vorsitzender des zurzeit 193 Mitglieder zählenden Wirtschaftsclubs Paderborn + Höxter die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB). Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des Wirtschaftsclubs informierte er sich im Volksbank-Forum über die aktuelle Situation auf den Kapitalmärkten, die Geldpolitik und auch über Anlageideen für Unternehmen und Privatanleger. Karsten Pohl, Leiter Private Banking der Volksbank Paderborn-Höxter- Detmold referierte hierzu in seinem Vortrag „Kleine Zinsen – große Sorgen“.

Was in Sachen Anlegerschutz künftig mit MIFID II auf Verbraucher und Banken zukommt, erläuterte Pohl wie folgt: „Ab dem 01.01.2018 haben Banken noch mehr bürokratische Pflichten und Auflagen zu erfüllen. Das bisherige Beratungsprotokoll werde wohl durch eine vergleichbare Geeignetheitserklärung in Bezug auf Anlageempfehlungen abgelöst. Noch aufwändiger wird die verpflichtende Aufzeichnung telefonischer Beratungen sowie die exakte Vor- und Nachberechnung der kundenindividuell erhaltenen Zuwendungen. Dabei stellte Pohl infrage, ob diese Regelungen unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes wirklich noch Mehrwerte schaffen.

Politik und Wirtschaft

Die vielen Themen, die derzeit die Märkte bewegen, wurden diskutiert. Von den US-Wahlen, der Notenbankpolitik, den Konjunkturaussichten bis hin zu den Auswirkungen der zunehmenden Politikverdrossenheit weltweit. Der Zustrom der Protestparteien in Kombination mit den vor uns liegenden Wahlen in den nächsten 10 Monaten wird auch Bewegung an den Kapitalmärkte auslösen. Immerhin stehen wichtige Abstimmungen und Wahlen in Italien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland an. Einen Vorgeschmack sieht Pohl hier bereits in der Brexit-Entscheidung: „Wer ist schließlich so dumm und sägt den Ast ab, auf dem er sitzt?“ Erste englische Start-Ups orientieren sich bereits Richtung Berlin. Große Übersee- Konzerne dürften sich wohl ein zweites Standbein in der EU aufbauen.

„Das ist auch gut für deutsche Standorte“, so Pohl. Die Zentralbank der USA (FED) wird für Dezember/Januar mit einer leichten Zinserhöhung aufwarten, um die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren so der Volksbank-Leiter des Private Banking. Am 30. November tagt die OPEC – Pohl rechnet aber nicht mit einer wesentlichen Förderverknappung. Bei den vielen Themen mit offenem Ausgang werden die Kapitalmärkte weiter schwankungsreich bleiben, denn „Börsen lieben keine Unberechenbarkeit“. Die Wachstumsmärkte, wie zum Beispiel China, Russland und Brasilien, sieht Pohl positiv: „2017 kommen die Schwellenländer auch aufgrund der zuletzt festeren Rohstoffpreise weiter aus dem Tal der Tränen.“

Geldpolitik / Kapitalmärkte

Wer einen Blick auf die EZB-Geldpolitik wirft, kommt an ihrem Präsidenten Mario Draghi nicht vorbei. „Super- Mario wird bis März 2017 weitere 80 Milliarden Euro monatlich in die Märkte pumpen“, gab Karsten Pohl bekannt. Und das werde noch nicht das Ende der ultralockeren Geldpolitik sein. Pohl rät, die Inflationsraten in Deutschland, EU-Europa und den USA nicht zu überinterpretieren. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi sehe bei den geringen Inflationsraten in Europa und Deutschland momentan keinen Grund, die Niedrigzinspolitik zu beenden, analysierte der Volksbank-Berater. Als Profiteur sieht er eindeutig die verschuldeten Staaten und Unternehmen.

Lag die Staatsverschuldung in Deutschland 2002 noch bei 779 Milliarden Euro, waren es 2015 bereits 1.051 Milliarden Euro – rund ein Drittel mehr. Die Zinskosten halbierten sich dank der Niedrigzinspolitik nahezu von 37 auf 21 Milliarden Euro. Wo liegen aber die Vor- und Nachteile der EZB-Maßnahmen für jeden einzelnen Wirtschaftsteilnehmer? Im Volksbank-Forum erarbeiteten die Wirtschaftsclub-Mitglieder die von Pohl gestellte Frage in einer Positiv- und Negativliste, die dem heimischen CDU-Bundestagsabgeordneten und Wirtschaftsclub-Senator Karl-Heinz Wange übergeben wurde. Nach Beendigung des Brainstormings stand auf der Liste, dass die fallenden Zinsen das beabsichtigte Kreditwachstum nur bedingt gefördert haben.

Unternehmen und Staaten haben ihre Zinskosten zu Lasten der Sparer senken können. Die mit der Negativzinspolitik einhergehende Abwertung des Euro hat die Exportwirtschaft gefördert. Nationen mit hoher Produktivität profitieren dabei stärker als Schwächere – zum Beispiel die deutsche Automobilwirtschaft stärker als die italienische. Die Auflistung der negativen Aspekte fiel insgesamt deutlich länger aus. Banken, die ihren Kunden Negativzinsen ersparen wollen, müssen weiterhin nach anderen Renditequellen suchen. Immerhin zahlen Banken für Tagesgeld Negativzinsen in Höhe von 0,4 Prozent.

Auch mehrjährige Interbankenzinssätze, Bundesanleihen, Pfandbriefe und gute Unternehmensanleihen sind mit Negativzinsen belegt. Gleich mehrfach betroffen ist die Altersvorsorge. Viele Rentner und Privatiers, die bisher von ihren Zinserträgen leben oder einen Teil ihres Lebensunterhalts davon bestreiten konnten, gehen jetzt leer aus und müssen ihr Kapital aufzehren. Die Altersvorsorge wird immer schwieriger. Arbeitgeber haften für Pensionszusagen, können kalkulierte Renditen aber nicht mehr risikolos am Kapitalmarkt verdienen. Versicherungen müssen ihren Garantiezins senken. Die Versorgungslücke für die Versicherten vergrößert sich. Und nicht zuletzt werden alle Sparer enteignet, weil die Inflationsrate zusätzlich die Kaufkraft schwächt. Doch wie kann man auf diese Situation reagieren?

Karsten Pohl präsentierte den Anwesenden einige Anlageideen – für Privatpersonen und Unternehmen. Dabei zeigte er von festgeldähnlichen Anlagen ausgewählter Versicherungsgesellschaften über breit aufgestellte vermögensverwaltende Lösungen bis hin zu Dividendenaristokraten ein umfassendes Konzept auf. Ergänzen konnte ihn inhaltlich Wolf-Dieter Jordan, der Geschäftsführer der OWL Vorsorge- und Versicherungsservice GmbH, einer Tochter der Volksbank Paderborn-Höxter- Detmold. Ruhestandsplanung müsse schon früh und gut überlegt werden, sagte Jordan. 2017 sinke der Garantiezins deutscher Versicherungen von 1,25 Prozent auf 0,9 Prozent. Es entstehen Lücken bei den künftigen Renten. Da aber gerade im Alter verlässliche Kapitalströme wichtig sind, regte er an, bestehende Konzepte überprüfen zu lassen. Die Absicherung müsse vielfach dringend ergänzt werden. Dabei steuerliche Möglichkeiten bei der Vorsorge zu prüfen und zu berücksichtigen sowie nicht zuletzt die Kosten zu senken, betrachtet er als das Gebot der Stunde.

www.wj-pb-hx.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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