Der Bereich, in dem die eigentlichen Messungen erfolgen, ist mit nur 40 Millimeter ziemlich klein. Durch diese Zugangsöffnung erhält Stephan Sundermeier Zugriff. (Foto: FH Münster/Katharina Kipp)
Der Bereich, in dem die eigentlichen Messungen erfolgen, ist mit nur 40 Millimeter ziemlich klein. Durch diese Zugangsöffnung erhält Stephan Sundermeier Zugriff. (Foto: FH Münster/Katharina Kipp)

Forschen mit dem Windkanal: Projektstart an der FH Münster

Dampfturbinen sind wichtig für die Stromerzeugung – nicht nur mit Wasserdampf, sondern zunehmend auch mit organischen Dämpfen. In der Fachsprache nennt man das Organic Rankine Cycle (ORC). Mit dessen Hilfe lassen sich auch natürliche Wärmequellen, zum Beispiel Erd- oder Solarwärme, energietechnisch ausnutzen. Doch organischer Dampf hat eine besondere Herausforderung: Er verhält sich thermisch anders als etwa normales Gas oder Wasserdampf. Wie genau, untersucht ein deutsch-französisches Forschungsvorhaben mit dem deutschen Koordinator Prof. Dr. Stefan aus der Wiesche am Fachbereich Maschinenbau der FH Münster.

In seinem Labor für Wärme-, Energie- und Motorentechnik steht ein seit 2013 entwickelter gasdichter, geschlossener Windkanal speziell für die Untersuchung von organischen Dampfströmungen. Dieser war damals ein zentrales Element, um das Strömungsverhalten in Turbinen zu untersuchen. Und darauf baut das Team jetzt auf – im Forschungsvorhaben „REGAL-ORC: Realgaseinflüsse auf Verlustmechanismen von ORC-Turbinenströmmessungen“.

„Der ORC-Prozess existiert zwar schon seit den 60er Jahren, war aber lange eine Nischenanwendung. Inzwischen hat sich das geändert, vor allem wegen den erneuerbaren Energien, die immer wichtiger werden“, sagt aus der Wiesche. Felix Reinker, ehemals wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Fachbereich, hatte den Kanal damals zusammen mit Maximilian Passmann und vielen anderen Mitstreitern entworfen und in Betrieb genommen. Später übergab er das Projekt an Leander Hake und Stephan Sundermeier. Sundermeier untersucht nun, wie man optische Zugänge zum Windkanal schaffen kann. „Das ist unser Hauptproblem, denn wir können nicht sehen, was in dem Kanal passiert“, so Sundermeier, der inzwischen den Master Maschinenbau in Teilzeit absolviert. Zusammen mit Hake widmet er sich jetzt der Konstruktion, dem Öffnen und der Modifizierung des Kanals. „Wir haben zum Beispiel Siebe und Gleichrichter eingebracht, um die Turbulenzen im Kanal noch weiter zu reduzieren“, sagt Hake. Außerdem beginnen die beiden demnächst mit den komplizierten und zeitaufwendigen Messungen.

Dazu müssen sie den Kanal zunächst evakuieren, also ein Vakuum erzeugen, vorheizen und mit organischem Dampf befüllen. „Wir arbeiten mit dem organischen Dampf Novec 649“, erklärt Sundermeier, und der müsse allein schon aus Kostengründen nach den Messungen aus dem Windkanal auch wieder ordnungsgemäß entfernt werden. Für diese Rückgewinnung setzen sie flüssigen Stickstoff ein. „Wir lesen bei unseren Messungen nicht mal eben etwas ab, sondern das ist richtig zeitaufwendig“, so Hake. Der Bereich, in dem die eigentlichen Messungen erfolgen, ist mit nur 40 Millimetern zwar ziemlich klein, doch treten vielfältige gasdynamische Phänomene und Strömungsformen auf. „Auch deshalb haben kleinste Fehler große Auswirkungen“, sagt Promovend Passmann.

Am 15. Januar 2021 ist das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Agence national de la recherche (ANR) finanzierte Forschungsprojekt gestartet, und die verschiedenen Arbeitspakete sind auf mehrere Hochschulen verteilt: An der Universität Sorbonne und der ENSAM in Paris werden unter der Koordination von Prof. Paola Cinnella die Modellbildung und die numerischen Simulationen für organische Dampfströmungen entwickelt und umgesetzt. Die FH Münster führt die Windkanal-Versuche für die Validierung der Simulationen durch. Unterstützt wird sie dabei durch das Team von Prof. Dr. Steffen Strehle, TU Ilmenau, mit Hilfe eigens für das Vorhaben konzeptionierten Mikrosensoren. Als einzige Hochschule für angewandte Wissenschaften hat die FH Münster die Förderzusage der DFG für das dreijährige Projekt im Rahmen der Ausschreibungen für das prestigeträchtige DFG-ANR-Programm bekommen. „Das freut uns natürlich sehr“, so aus der Wiesche. Grundsätzlich funktioniere die internationale Zusammenarbeit prima, erschwert werde diese aber durch die Corona-Pandemie. „Normalerweise würden wir uns mit den anderen Teams auch mal treffen, weil vieles einfacher ist, wenn man es direkt sieht. Jetzt veranstalten wir nur Videokonferenzen oder arbeiten in unserem Labor.“ Schwierig sei es außerdem, Materialien für den Windkanal zu bekommen: Die Lieferzeiten sind derzeit länger als sonst.

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