Persönlicher Drahtlos-Esel – Fahrrad aus dem 3D-Drucker

Um ein vernünftiges Fahrrad zu bauen, brauchte man bislang keine Professoren. Franz Höchtl tüftelt mit seinen Kollegen am Velo 2.0, dem Fahrrad von morgen.
Fahrrad aus dem 3D-Drucker (Bild: fandijki)

Die Verwissenschaftlichung von Handwerk und Industrie kennt keine Grenzen mehr. Um ein vernünftiges Fahrrad zu bauen, brauchte man bislang fähige Mechaniker und Designer, aber keine Professoren. Inzwischen unterhält die Technische Universität München ein Bike Competence Center, kurz BCC. Es gehört zur Professur für Sportgeräte und -materialien am Lehrstuhl für Ergonomie der Fakultät für Maschinenwesen. Das Forschungsspektrum umfasst „physiologische und biomechanische Designaspekte“, innovative Verbundwerkstoffe und deren zerstörungsfreie Prüfung.

Nur Banausen sind mit ihrem Rad zufrieden

Einen Alumnus dieser feinen akademischen Institution sah ich neulich bei „Einstein“, dem „Galileo“-Pendant des Schweizer Fernsehens: Franz Höchtl ist Münchner, Mountainbike-Enthusiast und leitender Gastarbeiter im Berner Oberland. Dort tüftelt er mit seinen Kollegen am Velo 2.0, dem Fahrrad von morgen. 200 Jahre nach dem Holper-Laufrad des Freiherrn von Drais will Höchtl das maßgeschneiderte Fahrrad bauen, dessen Rahmen perfekt zur Körpergeometrie des Käufers passt. So weit, so recht: Dass ich glaube, mein fachhandelsüblicher Aludrahtesel – bei einer Probefahrt nach Justage von Sattel und Lenker für gut befunden – sei wie für mich gemacht, ist selbstverständlich pure Einbildung. Mit 95 Prozent des Optimums begnügen sich nur Banausen.

Klebewohl, Polyamid!

Nun hätten wir nicht das Jahr 2017, wenn die Berner Bergradlschmiede von der Thömus AG für ihr Nonplusultra-Modell nicht auf irgendeine Form von 3D-Druck setzen würden. Was heißt überhaupt Radlschmiede? Wie altmodisch! Gewöhnen wir uns am besten gleich an die Bezeichnung Velodruckerei. Ja, aber funktioniert das denn, ein robustes Zweirad aus der Düse? Noch nicht so wirklich, musste Höchtl dem Reporter gestehen. Eigentlich würde er gerne einen Carbonrahmen bauen. Blöderweise kann man Carbon nicht drucken, noch nicht, vielleicht in zehn Jahren. Also experimentiert man mit Polyamid-, sprich: Plastikpulver. Das wird auch nicht wirklich gedruckt, sondern per Laserstrahl in millimeterdünn aufgestreuten Schichten aufgeschmolzen. Die einzelnen Rahmenteile müssen dann auch noch miteinander verklebt werden. So etwas Großes wie ein Herrenfahrradrahmen passt einfach nicht am Stück in die Maschine. Hatte ich eigentlich erwähnt, dass der Konstrukteur mit der Stabilität des Materials hadert?

Affe auf dem Schleifstein

Wenigstens ist der Polymer-Supervelo-Prototyp prohibitiv teuer in der Herstellung. Er taugt daher für einen Käufer, der das Exklusive sucht, inklusive perfektem Diebstahlsschutz ganz ohne Schloss: Wer das Rad klaut, fällt dem Kenner auf den ersten Blick als unrechtmäßiger Besitzer auf, weil er so ergonomiewidrig auf dem Gestell hockt wie der Affe auf dem Schleifstein. Wenn eines Tages mal Jeder auf so einem Teil durch die Gegend strampelt, braucht man die Polizei nur noch ein bisschen in Anatomie zu schulen und schon schnellt die Aufklärungsquote bei diesem Delikt von 0 auf 100 Prozent.

Rinks und lechts velwechsert

Noch sind das Träumereien. Bis die Velodrucker endlich Carbon verarbeiten können, bin ich Rentner. Genügsam, pragmatisch und ungeduldig, wie ich bin, wünsche ich mir statt dessen ganz rasch andere nette Hightech-Extras des Velo 2.0 für mein muskelkraftgetriebenes Feld-, Wald- und Wiesenfahrrad: die eingebaute elektrische Luftpumpe in der Hinterradnabe, die mir während der Fahrt den Reifendruck ans Terrain anpasst, wenn ich vom Feldweg auf den Asphalt holpere, oder auch die elektronisch gesteuerte Gangschaltautomatik. Ich gehöre ja zu denen, die nie wissen, ob sie besser mit Links oder mit Rechts schalten sollen.

Maßgeschweißtes fürs Ego

So, und jetzt schließen strenggläubige 3D-Druck-Evangelisten bitte rasch dieses Browserfenster, es sei denn, sie haben starke Nerven! Psst, liebe andere, hier kommt ein offenes Geheimnis: Metallhandwerker sind bereits heute in der Lage, die Profilrohre eines Fahrradrahmens auf jede beliebige Länge zuzuschneiden und in jedem sinnvollen Winkel miteinander zu verschweißen. Falls der Bedarf an 100-prozentig individuell geformten (und dabei robusten) Personal Bikes wirklich so groß ist, dass damit eine goldene Nase zu verdienen ist, bitte ich hiermit freundlichst um Überweisung von fünf Prozent der Verkaufserlöse als Tantieme für die öffentliche Überlassung der grandios simplen Geschäftsidee. Herzlichen Dank im Voraus!

Quelle: Diese Kolumne wurde von Ulf J. Froitzheim (freier Journalist) geschrieben.

www.ferchau.com/de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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