Strategische Markenführung

Viele glauben, sie nicht zu brauchen. Einige glauben, sie schon zu haben. Wenige machen intuitiv bereits vieles richtig: Eine strategisch aufgebaute und geführte Unternehmensmarke ist für die meisten kleinen und mittleren B2B-Unternehmen heute noch Zukunftsmusik. Gerade deshalb ist jetzt der optimale Zeitpunkt, den richtungsweisenden Schritt vom Produkt zur Marke zu wagen.

Wem es in seinem Marktsegment als einem der ersten gelingt, seine Unternehmensmarke als authentischen und strahlkräftigen Leuchtturm in den Köpfen der Kunden zu verankern, der sichert sich einen entscheidenden Vorsprung vor seinen Wettbewerbern. Und wird schnell feststellen, wie eine strategisch geführte Marke, an der sich das gesamte Handeln eines Unternehmens nach innen und außen orientiert, nachhaltig zum eigenen Markterfolg beiträgt.

Wie markenbewußt sind KMU´s?
Ob man will oder nicht. Auch als kleines oder mittleres B2B-Unternehmen wird man am Markt über seine Produkte, seine Serviceleistungen oder das Auftreten seiner Mitarbeiter gegenüber den Kunden in ganz bestimmter Weise wahrgenommen. Man muss sich entscheiden: Will ich die Bilder im Kopf, die ganz automatisch bei meinen verschiedenen Bezugsgruppen entstehen, dem Zufall überlassen und so riskieren, als unscharfe Größe ohne echten Wiedererkennungswert wahrgenommen zu werden? Oder arbeite ich strategisch auf einen von den eigenen Werten getragenen trennscharfen Unternehmensauftritt hin, der im Markt als weithin sichtbarer Orientierungspunkt dient und mit seinem Vertrauens- und Identifikationspotenzial die Basis für eine dauerhafte Beziehung zu Kunden und zu Mitarbeitern schafft? B2B-Unternehmen arbeiten an ihrer Marke längst noch nicht so professionell wie an ihren Produkten.

Würden sie dies tun, so wäre sie ohne Frage ein wichtiger Wachstumstreiber für mehr Umsatz und Profit. Mittlerweile ist auch für den B2B-Sektor empirisch auf breiter Basis nachgewiesen: Markengetriebene Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher als Konkurrenten, die weiterhin rein auf die Überzeugungskraft ihrer Produkte bauen. So kommt eine Untersuchung von RTS Rieger Team unter Geschäftskunden aus dem Jahr 2010 zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen in den Anbieter einen entscheidenden Kaufgrund darstellt. Weitere Aspekte wie die Reputation des Anbieters und der Produkte rangieren ebenfalls auf den vorderen Plätzen. Eine wichtige Erkenntnis, auf die gerade kleine und mittlere Unternehmen bislang kaum reagiert haben.  Wie eine Studie von Hübner & Sturk von 2011 zeigt, verfügen nur 25,2 Prozent der 180 befragten KMUs nach eigenen Angaben über ein funktionierendes Markenmanagement. Bei gerade einmal 16,2 Prozent der Unternehmen werden markenspezifische Themen überhaupt systematisch diskutiert. Auch der Monitor Markenführung 2011 des Rates für Formgebung verdeutlicht, dass strategische Markenführung bei der Mehrzahl der B2B-Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckt: 46 Prozent der befragten Markenverantwortlichen vertreten die Meinung, dass kein enger Zusammenhang zwischen der Markenpositionierung und der gelebten Kultur des Unternehmens existiert. Und obwohl nach Einschätzung von 86 Prozent ein markenkonformes Mitarbeiterverhalten für die Markenführung immer wichtiger wird, geben 53 Prozent der Befragten an, dass die Mitarbeiter kein einheitliches Bild davon haben, wofür die Marke steht. Auch im B2B gilt: Markengetriebene Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher!

Die TOP 5 der Makenstereotypen
Nach wie vor wird die Haltung vieler kleinerer und mittlerer B2B-Unternehmen zum Thema Marke von einigen, sich hartnäckig haltenden Stereotypen bestimmt.

Vorurteil 1: Marke ist nur im B2C-Kontext relevant.
Wo in Zeiten globaler Märkte und Wirtschaftsströme die Informationsbeschaffung für Kunden immer komplexer, das Gesamtangebot immer unübersichtlicher wird, hängt auch der wirtschaftliche Erfolg von B2B-Unternehmen zunehmend davon ab, ob sie ihr individuelles Leistungsversprechen so bündeln und verdichten können, dass sie für Kunden als positiv besetzte Größe wahrnehmbar und speicherbar sind. Technik wird nicht von Maschinen, sondern von Menschen gekauft. Daher muss ihr Nutzwert nicht nur rational am objektiven Produktnutzen vermittelt werden, sondern auch subjektiv emotional erlebbar sein.

Vorurteil 2: Gute Produkte verkaufen sich von alleine.
In einem Markt, in dem bei steigender Wettbewerbsintensität die eigentlichen Produktleistungen immer austauschbarer werden und als Differenzierungskriterium an Bedeutung verlieren, muss man sich auf andere Weise von seinen Wettbewerbern abheben. Natürlich kann man sich über den Preis differenzieren. Wer jedoch als Unternehmen mit seinen Produktlösungen ein Mehrwertversprechen verbinden und auch einlösen kann, der ist in der Lage, langfristig höhere Preise als die Konkurrenz zu erzielen.

Vorurteil 3: Markenführung kostet viel Geld.
In der Tat kostet es Geld, Unternehmensmarken aufzubauen und zu führen. Aber es ist teurer, keine Marke zu haben. Wer bei der Ausrichtung jedes neuen Produktes und jeder neuen Imagekampagne immer wieder bei null anfängt, wer keine klar definierte Marke als Richtschnur hat, an der sich das gesamte Handeln im Unternehmen ausrichtet, der muss unter dem Strich deutlich mehr Zeit und auch Geld investieren. Auch wenn man als KMU nur über ein kleines Marketingbudget verfügt, kann man sich professionelle Markenführung leisten, indem man sich auf einige zentrale Botschaften, klar herausgefilterte Kundenbedürfnisse sowie eindeutig definierte Zielgruppen konzentriert.

Vorurteil 4: Marke ist nur etwas für große Unternehmen.
Auch kleine und mittlere Unternehmen können mit der richtigen Portion an Mut und konsequentem Handeln sowie der Beherrschung einiger zentraler Instrumente eine starke Unternehmensmarke aufbauen und nachhaltig etablieren. Während große Unternehmen bereits eine Reputation besitzen, Vertrauen genießen und über einen starken Kundenstamm verfügen, müssen kleinere Unternehmen sich diese Marktposition oft erst erkämpfen. Dies gelingt am besten mit einer eigenständigen und authentischen Positionierung, die dem Kunden besonderen Nutzen verspricht. Als KMU kann man hier oft sogar flexibler und erfolgreicher agieren als mit der Schwerfälligkeit eines großen Marketingapparats.

Vorurteil 5: Mein Logo ist meine Marke.
Ein modernes Logo und ein einheitlicher visueller Gesamtauftritt sind nur die „Spitze des Eisbergs“ einer Marke. Strategische Markenführung bedeutet vielmehr, nachhaltig an allen Berührungspunkten mit dem Unternehmen ein positives Image und Leistungsversprechen zu vermitteln, mit dem sich die Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen identifizieren können. Damit geht Markenführung weit über den Bereich der Werbung und Kommunikation hinaus, zieht sich wie ein roter identitätsstiftender Faden durch alle Aktivitäten und Bereiche eines Unternehmens hindurch.

Mehrwert einer starken Marke nach außen
Der Schritt vom Produkt zur Marke, die den objektiven Produktnutzen als einen Aspekt mit einschließt, ihn aber in ein umfassendes unternehmensspezifisches Mehrwertversprechen integriert, erweist sich in vielfacher Hinsicht als wertschöpfende Zukunftsinvestition. Das Angebot an hochpräzisen Bauteilen, innovativen Fertigungsanlagen oder spezialisierten Industriedienstleistungen wächst von Tag zu Tag. Und Tag für Tag fällt es selbst den erfahrensten Einkäufern ein wenig schwerer, auf diesem immer unüberschaubarer werdenden Markt der Möglichkeiten den Überblick zu behalten, um die mittel- und langfristigen Folgen einer mit hohen Investitionen verbundenen Kaufentscheidung abschätzen zu können. Insbesondere bei Erstkaufsituationen in nicht vertrauten Produktbereichen sucht man Orientierung und Sicherheit.

Eine starke Unternehmensmarke, die im Markt als echte Persönlichkeit mit eigenem unverwechselbarem Profil und Leistungsversprechen wahrgenommen wird, erfüllt diese Funktion eines Orientierungs- und Vertrauensankers. Eine klar besetzte Marke erleichtert im Vorfeld einer Kaufentscheidung die Informationssuche, indem sie implizite Schlüsselinformationen zur Qualität, Technik, Brauchbarkeit oder Zukunftsfähigkeit einer Produktlösung liefert. Für Kunden reduziert sich damit das Risiko, eine folgenschwere Fehlentscheidung zu treffen. Wenn ich als Käufer ein Angebot einer mir vertrauten, klar besetzten Marke erhalte, dann weiß ich exakt, was ich erwarten kann. Daraus entsteht Loyalität und Vertrauen, die zu einem hohen Maß an Kundenidentifikation und Kundenbindung führen.

Ist man als Lösungsanbieter erst einmal im Relevant- Set der Kunden verankert und ist damit eine nachhaltige Vertrauensbasis hergestellt, dann haben es Konkurrenten schwer. Wo die eigentliche Produktleistung entweder zunehmend austauschbar oder aber nicht vergleichbar ist, gelingt es auch im B2B-Bereich immer weniger, sich rein über die Produkte von seinen Wettbewerbern abzuheben. Daher erweist sich insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die aufgrund überschaubarer Werbebudgets nicht durch ein permanentes mediales Grundrauschen auf sich aufmerksam machen können, die eigene Unternehmensmarke als echte Chance. Diese muss das individuelle Leistungsversprechen sauber und trennscharf kommunizieren und in praktischen Kundennutzen umsetzen. Dies ist nicht der Fall, wo sich Markenauftritte an allgemeinen Branchentrends und -entwicklungen ausrichten oder versuchen, die erfolgreichen Positionierungen ihres Konkurrenten in abgewandelter Form nachzuahmen. Dadurch werden sie in erster Linie eines: austauschbar, wenig aussagekräftig und nicht wertschöpfend.  Eine trennscharfe Unternehmensmarke hat eine Herkunft, eine Zukunft, sie stiftet Sinn und stellt eine differenzierbare Leistung dar. Wer als Unternehmen auf diesem festen Fundament seinen Markenleuchtturm aufbaut, der schafft die Voraussetzungen dafür, dass Interessenten zu neuen Kunden werden und zufriedene Kunden sich immer wieder aufs Neue für das eingelöste individuelle Mehrwertversprechen entscheiden. Unternehmen, die keine Marke besitzen, verkaufen nur Güter. Das hauptsächliche Differenzierungskriterium ist dann der Preis. Wer beginnt, sich über den niedrigeren Preis von seinen Wettbewerbern absetzen zu wollen, der biegt schnell auf die Verliererstraße ab.

Die Alternative ist eine strategisch aufgebaute und geführte Unternehmensmarke, die sich nicht über den Preis, sondern durch Vertrauen differenziert. Wer mit seinem Unternehmen und seinen Produkten im Vergleich zur Konkurrenz einen echten Mehrwert verbinden kann, der muss die Preisschraube nicht nach unten mitdrehen. Die Beschäftigung mit den Wünschen und Anforderungen der Zielgruppe liefert wertvolles Wissen, was von den Produkten erwartet wird, worin sie überzeugen und wo Optimierungsbedarf besteht. Mit einem verbesserten Serviceangebot, das von der Angebotserstellung bis hin zu den After-Sales-Services reicht, strahlt man im Markt umfassende Kompetenz aus und gewinnt auf Kunden- und Einkäuferseite nachhaltig Sympathie und Vertrauen.

Setzt der Kunde diesen praktischen Mehrwert in ein Verhältnis zum höheren Preis, erscheint dieser mehr als gerechtfertigt. In Zeiten des drohenden Fachkräftemangels müssen gerade kleinere und mittlere Unternehmen neue Wege gehen, um die passenden unter den besten Köpfen auf sich aufmerksam zu machen und an sich zu binden.
Ein vielversprechender strategischer Lösungsansatz ist es, seine Markenwelt um die Dimension einer attraktiven Arbeitgebermarke zu erweitern, die ihr einzigartiges Leistungsversprechen authentisch nach außen kommuniziert und auch einlöst. Wo dies gelingt, sichert man sich als Unternehmen nicht nur langfristig seine wichtigste Ressource, sondern schafft auch die Voraussetzungen dafür, dass aus Interessenten und Bewerbern Mitarbeiter und aus Mitarbeitern echte Überzeugungstäter und begeisterte Markenbotschafter werden.

Die Zukunft gehört starken B2B-Marken
Der beste Zeitpunkt, auf einen strategischen Zukunftszug aufzuspringen, ist immer dann, wenn die Konkurrenten sich über dessen Bedeutung noch gar nicht bewusst sind. Oder, wie die Mehrheit kleiner und mittlerer B2B-Unternernehmen, noch keine konkreten Schritte in diese Richtung unternommen hat. Wem es in seinem Marktsegment als einem der ersten gelingt, als authentische Markenpersönlichkeit die Köpfe und Herzen seiner Mitarbeiter, Kunden und sonstiger Partner zu erobern, der schafft sich auf den ersten Markenmetern einen entscheidenden Erfahrungs- und Wahrnehmungsvorsprung, dem die Konkurrenz lange hinterherlaufen wird.

Auszug aus dem Whitepaper „Das Mehr ist die Marke“ des Bundesverband Industrie Kommunikation e.V. (bvik). Das gesamte Whitepaper können Leser der WIR unter der E-Mail geschaeftsstelle@bvik.org anfordern.

www.bvik.org

Veröffentlicht von

Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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