Bluttest auf Down-Syndrom laut Gutachten illegal

Bluttest auf Down-Syndrom laut Gutachten illegal Berlin (dapd). Der geplante „Praena-Test“ zur Erkennung eines Down-Syndroms während der Schwangerschaft ist einem Gutachten zufolge illegal, wird aber vermutlich trotzdem bald auf den Markt kommen. Der Bluttest sei kein zulässiges Diagnosemittel nach dem Gendiagnostikgesetz, erklärte der Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz am Donnerstag in Berlin. Ein Verbot liegt demnach in den Händen der Länder, allerdings könnte der Hersteller klagen. Das Konstanzer Unternehmen erhielt Fördermittel des Bundes. Unionspolitiker protestierten scharf gegen den Test. Gärditz kommt in seinem Gutachten auch zu dem Schluss, dass der „Praena-Test“ gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstößt. Der Staat müsse verhindern, „dass behinderte Menschen vorgeburtlich routinemäßig ausgesondert werden“. Das Gutachten hatte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, in Auftrag gegeben. Der Test diskriminiere Menschen mit Behinderung und ermögliche eine „Rasterfahndung“, erklärte Hüppe. Es gehe bei dem Test „fast ausschließlich um die Selektion von Menschen mit Down-Syndrom“. Hüppe und Gärditz mussten allerdings eingestehen, dass sie den Verkauf des Produkts in Deutschland direkt nicht verhindern können. Laut Gärditz müssten die Bundesländer den Verkauf des Tests stoppen. Dieser werde als Medizinprodukt angeboten, eine Zulassung wie bei Medikamenten sei nicht erforderlich. Was bedeutet: Die Behörden müssten ein Verbot prüfen, das Unternehmen könnte dagegen beim Verwaltungsgericht klagen. Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Jeanne Nicklas-Faust, verwies darauf, dass bei Gentests allgemein der Arztvorbehalt gelte, diese Tests also nur von Ärzten vorgenommen werden dürfen. Zudem sei die Bundesrepublik durch die Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung in besonderer Weise zu schützen und zu achten. „Und dagegen verstößt dieser Test auf jeden Fall.“ Nicklas-Faust kritisierte, die finanzielle Unterstützung des Forschungsministeriums für den Test verstoße „ganz stark“ gegen den Grundsatz, dass das Leben eines Menschen mit Behinderung genauso viel Wert sei wie das Leben eine Menschen ohne Behinderung. Das Ministerium gab bis Donnerstagnachmittag auf Anfrage keine Stellungnahme ab. Es hatte sich allerdings bereits im August letzten Jahres gegen Vorwürfe Hüppes gewehrt. Damals hieß es, es sei „ethisch unvertretbar, die Weiterentwicklung einer in Deutschland angewandten Untersuchungsmethode nicht fördern zu wollen, die das ungeborene Leben und die werdende Mutter besser schützen könnte“. Die mögliche Anwendung des Verfahrens entbinde im Übrigen alle Beteiligten nicht von der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Einem Medienbericht zufolge flossen 230.000 Euro Unterstützung. Das Unternehmen Lifecodexx in Konstanz gab auf Anfrage unmittelbar nach der Pressekonferenz keine Stellungnahme ab. „Praena-Test“ kostet den Angaben zufolge 1.249 Euro und soll ab der 12. Schwangerschaftswoche „bereits aus einer Blutprobe der Schwangeren eine Trisomie 21 zuverlässig ausschließen oder bestätigen“. Nach Einschätzung der Behindertenbeauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, erhöht der Test den Druck auf Eltern behinderter Kinder. „Mit einem neuerlichen Testverfahren soll die Fahndung nach Kindern mit Behinderung im Mutterleib vorangetrieben werden“, erklärte die CDU-Politikerin. Es stehe außerdem zu befürchten, dass in Zukunft immer mehr Mütter, die ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt brächten, „in eine Rechtfertigungsschleife geraten, warum sie die entsprechende Diagnostik offenbar nicht genutzt haben“. Hüppe warnte, dass noch weitere Unternehmen mit anderen Tests auf dem Markt seien, „zeigt die Dimension auf, die in den nächsten Jahren auf uns zukommt“. Die stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitzenden Ingrid Fischbach (CDU) und Johannes Singhammer (CSU) erklärten, der Test leiste „der routinemäßigen Selektion menschlichen Lebens Vorschub“. Er sei ausschließlich auf Erkennung des Down-Syndroms ausgerichtet und ziele nicht auf therapeutische Maßnahmen zugunsten des Kindes, sondern auf den Abbruch der Schwangerschaft. „Dieses Aussortieren von Leben verstößt gegen die Menschenwürde. Der Druck auf werdende Eltern, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, wächst.“ Beide forderten die zuständigen Landesbehörden auf, den Verkauf des Tests zu unterbinden. ( www.behindertenbeauftragter.de/DE/Home/home_node.html ) ( http://www.lebenshilfe.de/de/index.php ) ( http://lifecodexx.com/lifecodexx-praenatest.html ) dapd (Politik/Politik)

Porsche-Übernahme durch VW hinterlässt fast nur Gewinner

Porsche-Übernahme durch VW hinterlässt fast nur Gewinner Wolfsburg (dapd-bwb). „Na, seid ihr früh aufgestanden heute“, fragte der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn Mitarbeiter und Gäste, als er am Donnerstagmorgen bester Laune das VW-Unternehmensarchiv in Wolfsburg betrat. Der Konzern hatte den geschichtslastigen Ort ausgewählt, um über das neueste Kapitel seiner Entwicklung zu berichten: die endgültige Eingliederung von Porsche als zwölfte Marke des Konzerns. „Das ist eines der bedeutendsten Vorhaben in der Automobilbranche“, sagte Winterkorn zu dem 4,5-Milliarden-Euro-Geschäft, bei dem VW die noch ausstehende Hälfte des operativen Porsche-Geschäfts übernimmt. Bei der Verkündung strahlten Winterkorn und die anderen Konzernmanager wie Gewinner – was sie bei dem Deal auch sind. Wer aber ist außer ihnen noch Profiteur des Geschäfts, und wer ist Verlierer? Eine Übersicht: 1. Gewinner – Martin Winterkorn „Wiko“ ist nun wohl endgültig der wichtigste Konzernlenker der Autobranche. Zwölf Marken hat sein VW-Reich, mehr als eine halbe Million Mitarbeiter, er fährt Milliardengewinne ein. Mit dem Porsche-Geschäft rundet er den Konzernausbau ab. Seine Bewährungsprobe kam in den Jahren 2008/2009, als Porsche unter der Führung des machthungrigen Vorstandschefs Wendelin Wiedeking VW-Aktien anhäufte und den Giganten aus Wolfsburg schlucken wollte. Winterkorn kämpfte zusammen mit Betriebsrat und am Ende auch mit seinem Mentor, VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech, gegen den Angriff aus Stuttgart. Am Ende half auch die Autokrise 2009: Porsche verhob sich an VW und konnte die Schulden nicht mehr tragen. VW hatte dagegen immer vorsichtig bilanziert und hortete flüssige Mittel – mit denen Winterkorn Porsche vor dem Untergang bewahrte, sich gleichzeitig aber die profitable Marke und Produktion der legendären Sportwagen aus Zuffenhausen sicherte. – Ferdinand Piech Die Multimilliardär und Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche gilt als der Architekt des VW-Konzerns wie er heute aussieht: In den 80er Jahren schob der Techniker die VW-Tochter Audi als deren Vorstandschef in Richtung Oberklasse. Anfang der 90er Jahre wechselte er nach Wolfsburg, wo die Kernmarke VW in einer tiefen Krise steckte. Piech belebte die damals langweiligen Modelle und senkte durch einen Deal mit dem Betriebsrat die Kosten. Unter seiner Leitung – erst als Vorstandschef, dann als Aufsichtsratschef – übernahm VW die Luxusmarken Bentley, Lamborghini und Bugatti. Zusammen mit Porsche und Audi beherrscht VW damit heute das Luxussegment im Autobau – und hat sich freier gemacht von Absatzkrisen im Massenmarkt. Piech gewinnt auch privat durch die Porsche-Übernahme: Er ist Großaktionär der Porsche Holding SE (PSE), die nun den Rest ihres Sportwagenbaus verkauft. PSE steuert neben dem Kaufpreis auf Buchgewinne von sieben Milliarden Euro aus dem Geschäft zu. Und weil PSE wiederum Hauptaktionär der VW AG ist, fließen auch Teile der bei VW erzielten Übernahmegewinne ihm zu. – Hans-Dieter Pötsch Der Finanzvorstand des VW-Konzerns hat seit dem Machtkampf mit Porsche leise und effizient die Übernahme vorangetrieben. Im Sommer 2009 handelte er die sogenannte Grundlagenvereinbarung aus, die den Weg in die gemeinsame Zukunft öffnete. Später umschiffte er Klippen, wenn etwa juristische Risiken einen neuen Kurs zur Übernahme erzwangen. Pötsch beziffert den heutigen Wert von Porsche auf mehr als 20 Milliarden Euro – bezahlt hat er dafür nur etwas über acht Milliarden. Bei der Verkündung der endgültigen Übernahme sah es fast aus, als gäbe es nur Gewinner. Richtig ist: Die Verlierer sind inzwischen kaum noch zu sehen, aber es gibt sie. 2. Die Verlierer – Wendelin Wiedeking und Holger Härter Der Ex-Porsche-Vorstandschef und sein Finanzvorstand hatten ab 2005 ein großes Rad gedreht: Porsche übernahm nach und nach VW-Aktien und stand im Herbst 2008 Millimeter vor dem Erfolg, als sie direkt und indirekt knapp unter 75 Prozent der Stammaktien unter Kontrolle hatten. Doch der Plan platzte, VW schlug zurück und die beiden mussten gehen – mit hohen Millionenabfindungen. Im Kern hatten sie wohl ein ähnliche Gebilde geplant, wie VW es jetzt mit den zwölf Marken geschaffen hat – aber unter Kontrolle des Porsche-Vorstands in Stuttgart und nicht von VW in Wolfsburg. Härter muss demnächst wegen Verdachts auf Kreditbetrug vor Gericht erscheinen, gegen Wiedeking und Härter ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Untreueverdachts. Außerdem drohen geschädigte Anleger mit Schadenersatzforderungen. – Börsenzocker im Herbst 2008 Im Jahr 2008 führte der Angriff auf VW zu kräftigen Ausschlägen im Aktienkurs. Spätestens ab Frühsommer hatte der Börsenkurs nur noch wenig mit dem echten Firmenwert zu tun. Das lockte Spekulanten an: Zocker setzten auf fallende Kurse und nutzen dazu sogenannte Leerverkäufe. Statt dessen stieg die Aktie weiter und führte zu Milliardenverlusten der Investoren. Einige versuchen derzeit, am Landgericht Braunschweig ihre Verluste von Porsche zurückzuholen, sie werfen den Stuttgartern Falschinformation vor. Der Richter deutete bereits an, dass er die Sache anders sehe. – Wolfgang Porsche Ebenfalls Multimilliardär und Enkel des Käfer-Erfinders. Porsche ist der Cousin von Ferdinand Piech, Mitbesitzer der PSE und auch schwerreich. In den Jahren der Auseinandersetzung stand er fest an der Seite von Wiedeking und Härter. Es war sein Cousin Piech, der 2009 den Stab über Wiedeking brach. Obwohl Wolfgang Porsche Aufsichtsratschef der PSE und Aufsichtsratsmitglied bei VW ist, gilt Ferdinand Piech bei Beobachtern heute als die führende Figur im Konzern und wahrscheinlich auch im Clan. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Russland bleibt in Syrien-Frage stur

Russland bleibt in Syrien-Frage stur Moskau (dapd). Russland ist in der Syrien-Frage nicht zum Einlenken bereit. Bei einem Treffen mit dem deutschen Chefdiplomaten Guido Westerwelle in Moskau machte der russische Außenminister Sergej Lawrow mit deutlichen Worten klar, dass sein Land anders als der Westen keinen Regimewechsel in Syrien anstrebe. Das syrische Volk müsse selbst über die Zukunft des Landes entscheiden – „ohne Einmischung von außen“. Eine Intervention werde Russland nicht unterstützen. Westerwelle räumte ein, er sei nicht mit der Hoffnung auf einen Durchbruch nach Moskau gekommen. Die russische Führung hat eine Resolution gegen das syrische Regime im UN-Sicherheitsrat bislang blockiert und lehnt auch Rücktrittsforderungen an den syrischen Präsidenten Baschar Assad kategorisch ab. Lawrow rief dazu auf, nicht in die „Angelegenheiten von anderen Staaten“ einzugreifen. Alle syrischen Kräfte müssten den Übergangsprozess in ihrem Land selbst gestalten. Die Versuche einiger Partner, Vorbedingungen für diesen Prozess zu stellen, lasse Russland nicht zu. Während andere Staaten einen friedlichen Übergang in Syrien nur ohne Assad und die bisherige Führungsriege für möglich halten, will Russland die bisherige Regierung bei diesem Prozess nicht ausschließen. Die syrische Opposition lehnt einen Dialog mit der Regierung allerdings ab. Lawrow würdigte die Gesprächsbereitschaft des Assad-Regimes und beklagte, eine ähnliche Offenheit vermisse er bei der Opposition. Die Führung in Syrien habe sicher Fehler gemacht, aber unter den Gegnern gebe es auch jene, die für einen Regimewechsel seien, „nur um selbst an die Macht zu kommen“. Außerdem verbinde ein erheblicher Teil der Syrer die eigene Sicherheit mit dem jetzigen Präsidenten. „Es ist unzulässig, dass diese Stimme nicht gehört wird“, mahnte er. „Wir sind für Frieden und nicht für Gewalt“, betonte der russische Außenminister. Eine Einmischung von außen dürfe es aber nicht geben. Deutlich dementierte Lawrow auch internationale Medienberichte, wonach der syrische Machthaber in Russland ins Exil gehen könnte. Solche Meldungen seien entweder ein „Versuch der Irreführung“ oder offenbarten ein „Unverständnis des Sachverhalts“. Lawrow sagte, er hoffe, kein Geheimnis zu verraten. Aber derartige Überlegungen seien erstmals von deutscher Seite beim Antrittsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Juni bei Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgekommen. „Wir dachten, das sei ein Scherz“, sagte Lawrow. Und dabei solle man es auch belassen. Westerwelle räumte ein, er sei nicht mit der Erwartung nach Moskau gereist, einen gemeinsamen Durchbruch im Syrien-Konflikt zu erreichen. „Wichtig ist aber, dass wir im Gespräch bleiben.“ Deutschland und Russland seien sich einig in dem Wunsch nach einer politischen Lösung. Es sei aber nicht zu verschweigen, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Wege dahin gebe. Die Beziehungen beider Länder seien so freundschaftlich, „dass wir in der Lage sind, auch unterschiedliche Positionen auszutauschen“. Der deutsche Chefdiplomat mahnte, der Austausch müsse weitergehen. Es sei besonders wichtig, Russland bei der politischen Lösung des Konflikts mit an Bord zu haben. „Sonst wird es kaum gelingen.“ Von Moskau aus wollte Westerwelle direkt weiter nach Paris fliegen, wo am Freitag das dritte Treffen der „Freunde Syriens“ ansteht. Angesichts der eskalierenden Gewalt in Syrien hatten sich zahlreiche Länder zum Jahresbeginn in dieser Runde zusammengeschlossen, um den Druck auf Assad zu erhöhen und dem Blutbad ein Ende zu setzen. Seit dem Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März 2011 wurden laut Schätzungen von Aktivisten mehr als 14.000 Menschen getötet. In Paris werden Vertreter von rund 100 Staaten und internationalen Organisationen erwartet. dapd (Politik/Politik)

Merkel sagt Libanon Hilfe bei Grenzsicherung zu

Merkel sagt Libanon Hilfe bei Grenzsicherung zu Berlin (dapd). Deutschland will Libanon helfen, sich aus dem Syrien-Konflikt herauszuhalten. Sie begrüße es, dass das Nachbarland eine „eigenständige Entwicklung“ verfolge, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin nach einem Treffen mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati. „Deutschland möchte Libanon auf diesem Weg unterstützen.“ Das gelte für „die Grenzsicherung zu Syrien“ ebenso wie für die UNIFIL-Mission, sagte die Kanzlerin. Der Bundestag hatte erst kürzlich mit großer Mehrheit den Bundeswehreinsatz vor der libanesischen Küste um ein Jahr bis Juni 2013 verlängert. Mikati bedankte sich für die Verlängerung der UNIFIL-Mission. Nach dem Treffen im Kanzleramt fügte er hinzu, er habe Merkel „beruhigt. Wir haben jetzt Stabilität im Libanon“, sagte Mikati. Zuletzt hatten Gefechte zwischen Unterstützern und Gegnern des Regimes von Syriens Präsident Baschar Assad mehrfach auf den Norden des Nachbarlandes übergriffen. Die Kanzlerin bekräftigte, es müsse für die Lösung des Syrien-Konflikts einen „friedlichen Weg“ geben. Zugleich warf sie Machthaber Assad erneut vor, Verantwortung für die „dramatische Gewalt“ und die Menschenrechtsverletzungen in Syrien zu tragen. dapd (Politik/Politik)

Schienenfreunde müssen bluten

Schienenfreunde müssen bluten Bonn (dapd). Wegen Preisabsprachen beim Verkauf von Schienen an die Deutsche Bahn hat das Bundeskartellamt insgesamt 124,5 Millionen Euro Bußgeld gegen vier europäische Stahlkonzerne verhängt. Gut ein Jahr nach Aufdeckung des Kartells, das sich „Schienenfreunde“ nannte, traf die höchste Strafe mit 103 Millionen Euro ThyssenKrupp Gleistechnik, wie das Kartellamt am Donnerstag in Bonn mitteilte. Kartellamtschef Andreas Mundt kündigte an, die Ermittlungen auch auf Lieferungen an regionale Unternehmen auszudehnen. ThyssenKrupp nahm die Strafe an. Bußgeldbescheide in Millionenhöhe ergingen außerdem gegen die seit 2010 zum Vossloh-Konzern gehörende Firma Stahlberg Roensch und gegen die Voestalpine-Tochterunternehmen TSTG Schienen Technik und Voestalpine BWG. Voestalpine hatte das Verfahren mit einer Selbstanzeige ins Rollen gebracht. Mundt, sagte die Kartellmitglieder hätten jahrelang Quoten und Preise abgesprochen. Dem Staatskonzern soll dadurch Medienberichten zufolge ein Schaden von deutlich mehr als 500 Millionen Euro entstanden sein. Das entspricht in etwa der für das vergangene Jahr ausgeschütteten Dividende. Bahn-Vorstand Gerd Becht kündigte an, die Bahn erwarte von den am Kartell beteiligten Firmen einen vollständigen Ausgleich des Schadens und werde die Ansprüche notfalls auch vor Gericht durchsetzen. „Mit den Bußgeldbescheiden steht jetzt zweifelsfrei fest, dass die DB über Jahre systematisch betrogen wurde“, sagte der Chefjurist des Konzerns. ThyssenKrupp akzeptierte das Bußgeld sofort. Die Sachlage sei eindeutig, berichtete das Unternehmen. Bei internen Ermittlungen habe sich der Verdacht gegen einzelne Mitarbeiter des Tochterunternehmens bestätigt. Der Stahlkonzern betonte, er sei im Mai 2011 von den kartell- und strafrechtlichen Ermittlungen völlig überrascht worden. Danach habe das Unternehmen aber im Sinne von „null Toleranz“ hart durchgegriffen und personelle Konsequenzen gezogen. Mehrere Vertriebsverantwortliche, ein Geschäftsführer sowie der zuständige Bereichsvorstand mussten das Unternehmen verlassen. ThyssenKrupp verfolge Schadenersatzansprüche gegen die elf betroffenen Mitarbeiter, berichtete der Konzern. Mit den Bußgeldbescheiden, die noch nicht rechtskräftig sind, ist lediglich ein erster Teil des Verfahrens abgeschlossen. „Das Bundeskartellamt wird den Schwerpunkt der Ermittlungen im Schienenfall künftig auf weitere Bereiche verlagern“, kündigte Mundt an. Dazu gehörten Schienen und Weichen für regionale und lokale Nachfrager. Der Fall zeige erneut, dass auch die Auftraggeber gerade bei Ausschreibungen im öffentlichen Bereich besonders wachsam sein sollten, sagte Mundt. Das Bundeskartellamt arbeitet im „Schienenfreunde“-Verfahren eng mit der Staatsanwaltschaft Bochum und der Kriminalpolizei Bochum zusammen, da es sich um Kartelle handelt, die öffentlich ausgeschriebene Produkte und Dienstleistungen betreffen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dabei wegen Verdachts auf Submissionsbetrug gegen die verantwortlichen Manager. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dirk Fischer, sprach von einem „skandalösen Gebaren“ der Unternehmen, mit dem der deutsche Steuerzahler geschädigt worden sei. Für ihn beweist der Fall, „dass monopolistische Strukturen, die es zu überwinden gilt, derartige Vorgänge begünstigen und eine wettbewerblich gestaltete Struktur diese eher zu verhindern geeignet ist“. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Chef des Verfassungsschutzes gibt schwere Niederlage zu

Chef des Verfassungsschutzes gibt schwere Niederlage zu Berlin (dapd). Der scheidende Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, hat bei seiner Befragung vor dem NSU-Untersuchungsausschuss gravierende Fehler eingeräumt. Die Mordserie der Neonazi-Terrorzelle sei „eine schwere Niederlage für die deutschen Sicherheitsbehörden“, sagte Fromm am Donnerstag vor dem Bundestagsgremium. Seine eigene Behörde habe möglicherweise zu „borniert“, zu „engstirnig“ ermittelt. Der Verfassungsschutz sei zudem durch die Akten-Affäre in seinem Ansehen erheblich geschädigt worden. Die Folgen für die Funktionsfähigkeit der Behörde seien kaum vorhersehbar. Er könne sich immer noch nicht erklären, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. Fromm bekräftigte, mit seinen Rücktritt habe er den Weg für einen „personellen Neuanfang“ freimachen wollen. Auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hatte bei seiner Befragung durch den Ausschuss vor einer Woche eingestanden: „Wir haben versagt.“ Der Verfassungsschutz steht wie die Polizei seit Monaten wegen Ermittlungsfehlern im Fall der im November aufgeflogenen Neonazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in der Kritik. Die Gruppe agierte mehr als ein Jahrzehnt unentdeckt von den Behörden im Untergrund und ermordete bundesweit zehn Menschen. Vergangene Woche war überdies bekannt geworden, dass im Verfassungsschutz just nach Auffliegen der Terroristen Akten zum Fall des NSU geschreddert wurden. Fromm hatte daraufhin seinen Rückzug vom Amt zum Ende des Monats angekündigt. Die Befragung des für die Aktenvernichtung verantwortlichen Referatsleiters des Verfassungsschutzes durch den Ausschuss führte nicht zu mehr Klarheit. Der Ausschussvorsitzende, Sebastian Edathy (SPD), sagte nach der Vernehmung, der Verfassungsschützer habe sich auskunftswillig gezeigt, jedoch zu Einzelheiten seine Aussage verweigert. Gegen den Beamten wird derzeit dienstrechtlich ermittelt. Der frühere Koordinator der Nachrichtendienste im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer, empfahl, das Spitzenpersonal des Verfassungsschutzes auszuwechseln. „Um einen Neuanfang möglich zu machen, sollte sich der Verfassungsschutz personell an der Spitze komplett erneuern“, sagte Schmidbauer der Nachrichtenagentur dapd. Der CDU-Politiker hält nichts davon, den Stellvertreter des scheidenden Präsidenten Heinz Fromm, Alexander Eisvogel, ins höchste Leitungsamt aufsteigen zu lassen. „Jetzt Stellvertreter zu Nachfolgern zu machen wäre der falsche Weg“, sagte Schmidbauer. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte angekündigt, sich bei der Personalentscheidung Zeit lassen zu wollen. dapd (Politik/Politik)

Bundeskanzlerin weist Kritik von Ökonomen scharf zurück

Bundeskanzlerin weist Kritik von Ökonomen scharf zurück Berlin (dapd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Protestbrief von 160 Ökonomen gegen die jüngsten EU-Beschlüsse scharf zurückgewiesen. Deutschland gehe durch die Brüsseler Gipfelergebnisse keinerlei zusätzliche Verpflichtungen ein, es habe sich dadurch „nichts geändert“, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. „Jeder sollte sich die Beschlüsse gut anschauen.“ Es gehe um „eine bessere Bankenaufsicht“ und „überhaupt nicht um eine zusätzliche Haftung“, betonte Merkel. Eine Haftung für Kreditinstitute sei nach wie vor ebenso „verboten wie für Staaten“. Zuvor hatten die 160 Ökonomen, darunter Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn und der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen, die Bürger in einem offenen Brief aufgefordert, sich gegen die Pläne zu wehren. Sie befürchten „den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet“. dapd (Wirtschaft/Politik)

Industrie fordert mehr Hilfe von der Politik für Elektromobilität

Industrie fordert mehr Hilfe von der Politik für Elektromobilität Berlin (dapd). Die Autoindustrie hat die europäische Politik zu besserer Unterstützung bei der Durchsetzung von Elektroautos aufgefordert. Zwischen den einzelnen Konzernen gingen die Ansichten über die Art der Hilfen am Donnerstag bei einer ADAC-Veranstaltung in Berlin allerdings auseinander. Opel-Entwicklungschefin Rita Forst verlangte wegen der derzeit hohen Preise Erleichterungen beim Autokauf. „Wir verkaufen wesentlich mehr Amperas in Ländern, in denen es Subventionen gibt“, sagte sie und nannte die Niederlande, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Der Opel Ampera ist ein Elektroauto mit Reichweitenverlängerer, das nach Ende der Batterielaufzeit mit einem benzingetriebenen Generator weiterfährt. Karl Schlicht von Toyota gab zu bedenken, dass zu hohe Subventionen die Kunden am Ende zu sehr verwöhnten. Die Vergünstigungen müssten „fair, neutral und nicht zu hoch“ sein. Schlicht riet zu erhöhter Aufmerksamkeit, was den chinesischen Markt betrifft. Er rechne damit, dass die dortige Regierung auf die ersten Proteste gegen übermäßige Luftverschmutzung mit scharfen Umweltauflagen für Autos reagieren werde. Carlos Tavares von Nissan-Renault kritisierte Europa für mangelndes Engagement bei der Einführung von Elektromobilität: „Ich sehe keine Anzeichen, dass die EU zum Leitmarkt werden will.“ Es komme nicht nur auf das Geld an, sagte er. Abgesehen von den großen Städten fehle oft das Know-how zur Einrichtung der Infrastruktur für solche Fahrzeuge. VW-Vorstandsmitglied Ulrich Hackenberg kündigte die Serienfertigung von Elektroautos auf der Basis des Up und des Golf für das kommende Jahr an. Er lehnte es im Gegensatz zu Forst ab, „das Auto um den neuen Antrieb herum zu bauen“. Da könnte möglicherweise sofort ein perfektes E-Auto herauskommen, „aber ein unbezahlbares Auto nutzt niemandem“, sagte er. EU-Industriekommissar Antonio Tajani sagte der europäischen Autoindustrie besonderen Schutz bei Verhandlungen über Freihandelszonen zu. „Ich will die Autoindustrie nicht für andere Bereiche opfern“, sagte er. „Wir müssen den Export steigern, aber wir dürfen die Autoindustrie nicht bestrafen.“ Vor dem Abschluss von Verhandlungen mit anderen Ländern werde die europäische Industrie einem Wettbewerbstest unterworfen, ob sie die ausgehandelten Bedingungen auch erfüllen könne. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Richter gibt Duogynon-Schadenersatzklage wenig Chancen

Richter gibt Duogynon-Schadenersatzklage wenig Chancen Berlin (dapd). Behinderte mit Schädigungen durch das Hormonpräparat Duogynon können sich vorerst wenig Hoffnung auf Zahlungen des Herstellers machen. Im ersten Duogynon-Schadenersatzprozess gegen die Bayer Pharma AG ging das Berliner Landgericht am Donnerstag von einer Verjährung der Ansprüche aus. „Nach meiner vorläufigen Meinung nach Aktenlage ist der Anspruch verjährt“, sagte Zivilrichter Holger Matthiessen. Gegen die Firma, die Nachfolger des Duogynon-Herstellers Schering ist, hatte ein 1976 mit schweren Behinderungen geborener Lehrer geklagt. Das Gericht will am Nachmittag (gegen 16.00 Uhr) eine Entscheidung in dem Rechtsstreit verkünden. Die Mutter des Klägers hatte 1975 das auch als Schwangerschaftstest verwendete Duogynon genommen. Der heute 36-Jährige, der als Sprecher eines Zusammenschlusses von Duogynonopfern fungiert, kam mit Missbildungen der Blase und des Harnleiters zur Welt. Er fordert Schadenersatz und mindestens 50.000 Euro Schmerzensgeld. Wenn das Urteil wie angedeutet ausfalle, werde man in die nächste Instanz gehen, sagte sein Anwalt Jörg Heynemann. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Junge Menschen leiden verstärkt unter unsicheren Jobs

Junge Menschen leiden verstärkt unter unsicheren Jobs Berlin (dapd). Unsichere und prekäre Beschäftigung junger Menschen ist laut einer Umfrage der Gewerkschaft IG Metall ein wachsendes Problem. Sie „erleben Arbeitslosigkeit, ungewollte Arbeitsplatzwechsel und Befristungen als große Belastungen“, sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Detlef Wetzel, am Donnerstag bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Anders als von den Wirtschaftsunternehmen behauptet, habe sich die wirtschaftliche Lage junger Arbeitnehmer mit dem Konjunkturaufschwung nach dem Krisenjahr 2009 nicht gebessert. Eine repräsentative Befragung im Auftrag der IG Metall habe ergeben, dass heute 32 Prozent der Arbeitnehmer bis 34 Jahren in Leih- oder Zeitarbeit, in befristeten oder von der Arbeitsagentur bezuschussten Arbeitsverhältnissen wie ABM- oder SAM-Stellen beschäftigt sind. Bei der ersten solchen Befragung 2009 seien es noch 28 Prozent gewesen. Bei den Arbeitern und Angestellten jenseits von 34 Jahren sei der Anteil dagegen von 16 auf elf Prozent zurückgegangen. Werkverträge würden von den Unternehmen zunehmend dazu genutzt, Beschäftigung unsicher und prekär zu gestalten, sagte Wetzel. „Es sind Millionen, die unter diesen Bedingungen beschäftigt sind.“ „In Deutschland haben zu viele Menschen keine guten Zukunftsperspektiven“, sagte Wetzel. Von „spanischen Verhältnissen“ seien die jungen Menschen in Deutschland aber noch weit entfernt. Für die Studie hatte die IG Metall mehr als 1.000 Menschen im Alter von 14 bis 34 Jahren befragt. Zudem flossen die Antworten von 776 Menschen ab 35 Jahren in die Untersuchung ein. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)