Altmaier stellt Förderung von Ökostrom auf den Prüfstand

Altmaier stellt Förderung von Ökostrom auf den Prüfstand Berlin (dapd). Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will steigende Strompreise aufgrund der Ökostromförderung nicht tatenlos hinnehmen. Am Donnerstag präsentierte der Minister daher einen Vorschlag für eine grundlegende Reform des Gesetzes zur Förderung der erneuerbaren Energien (EEG), mit der deren „stetiger und berechenbarer“ Ausbau gewährleistet werden soll. Doch selbst die FDP kritisierte, dass konkrete Maßnahmen fehlen. Zentraler Punkt der von Altmaier angestrebten Neufassung des EEG sind „zeitliche und quantitative Ausbauziele“ für die erneuerbaren Energien. Der CDU-Politiker hält am Ziel fest, bis 2050 einen Anteil von 80 Prozent der Erneuerbaren an der Stromversorgung zu erreichen – derzeit sind es 25 Prozent. Grundsätzlich soll dieses Ziel über Förderinstrumente wie etwa die derzeit geltende Einspeisevergütung erreicht werden. Aber auch Quotenmodelle, wie beispielsweise die FDP sie fordert, sollen geprüft werden. Allerdings soll die Förderung nicht mehr unbegrenzt gewährt werden. Nachdem mit der letzten Novelle für die Photovoltaik ein Auslaufen der Einspeisevergütung festgeschrieben wurde, sobald 52 Gigawatt an installierter Leistung erreicht werden, „bieten sich ähnliche Festlegungen auch für Wind und Biomasse an“, sagte der Minister, ohne weiter ins Detail zu gehen. Auf jeden Fall müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien auf den Ausbau der Netze abgestimmt werden. Zeitplan für die Reform offen Ob die Reform noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 umgesetzt werden kann, ließ Altmaier offen. Jedenfalls müsse man sich für die Neuregelungen „ausreichend Zeit nehmen“. Nur wenn Änderungen im Einvernehmen mit allen Parteien und den Bundesländern gelängen, halte eine Reform länger als fünf oder sechs Jahre. Lob hierfür erhielt er von der Energiewirtschaft. In den vergangenen Jahren sei versucht worden, Fehlentwicklungen des EEG teilweise überstürzt zu korrigieren, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller. Vor diesem Hintergrund unterstütze ihr Verband den Ansatz, künftige Änderungen des Gesetzes „sorgfältig fachlich vorzubereiten“. Doch der Koalitionspartner FDP reagierte zurückhaltend. Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP) kritisierte, dass es „an ganz konkreten Maßnahmen“ fehle, wie die Stromkosten künftig im Griff behalten werden könnten. Zugleich bekräftigte er die Forderung seiner Partei nach einem Quotenmodell. Der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Michael Kauch, forderte als Sofortmaßnahme die Senkung der Stromsteuer in dem Ausmaß, wie der Bund von zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen aus dem Anstieg der EEG-Umlage profitiere. Kritik an Ausnahmeregelungen für die Industrie SPD, Linke und Grüne beklagten indes Flickschusterei und Klientelpolitik. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber warf der schwarz-gelben Koalition vor, „keinerlei energiepolitisches Konzept“ zu haben. Nicht der Zuwachs der erneuerbaren Energien sei Preistreiber bei den Stromkosten, sondern vielmehr „die Bedienung der Lobby“. Ähnlich äußerte sich Linke-Chefin Katja Kipping. „Die sogenannte Reform von Bundesumweltminister Altmaier ist ein Kniefall vor den Stromkonzernen“, sagte sie. Hintergrund der Kritik sind Begünstigungen für energieintensive Unternehmen, die im EEG geregelt sind. Zum Schutz ihrer Wettbewerbsfähigkeit müssen diese lediglich einen Anteil an der sogenannten EEG-Umlage zahlen, der je nach Verbrauch zwischen einem und zehn Prozent der Abgabe liegt. Nach Angaben des Öko-Instituts sind die Ausnahmeregelungen für 17 Prozent des Strompreisanstiegs zwischen 2003 und 2013 verantwortlich. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte Altmaier auf, die Ausnahmeregelungen deutlich zu reduzieren. „Es ist wirtschaftlich unsinnig und gesellschaftlich unfair, wenn beispielsweise Golfplätze keine Umlage zahlen müssen und dann Privathaushalte und energiesparende Unternehmen solche Freizeitvergnügen subventionieren dürfen“, sagte er. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) verlangte eine Einschränkung der Privilegien. „Statt die Lasten immer stärker den Verbrauchern zuzuschieben, muss die Bundesregierung Vergünstigungen für Unternehmen deutlich einschränken“, forderte vzbv-Chef Gerd Billen. Entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende sei die faire Verteilung der Kosten. Altmaier äußerte sich zurückhaltend auf die vorgebrachte Kritik. Insgesamt halte er die Regelung für richtig, allerdings sollten einzelne Punkte noch einmal überprüft werden. Bis zur kommenden Bundestagswahl sollten keine weiteren Ausnahmen geschaffen werden. dapd (Politik/Politik)

E.on beantragt Rückbau des AKW Unterweser

E.on beantragt Rückbau des AKW Unterweser Hannover (dapd). Das Atomkraftwerk Unterweser soll stillgelegt werden. Der Energiekonzern E.on habe den Rückbau des Meilers beim niedersächsischen Umweltministerium beantragt, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Donnerstag und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht des NDR. Bis allerdings mit der Stilllegung begonnen werden kann, wird noch einige Zeit vergehen. Nach Angaben des Umweltministeriums wird es wegen der Vorgaben des Atomgesetzes aber etwa vier Jahre dauern, bis eine Genehmigung zum Rückbau vorliege. Die Stilllegung selbst werde dann vermutlich auch noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. dapd (Politik/Wirtschaft)

Wirtschaftsforscher: Griechenland nicht zu retten

Wirtschaftsforscher: Griechenland nicht zu retten Berlin (dapd). Griechenland braucht nach Einschätzung von deutschen Wirtschaftsforschern einen zweiten Schuldenschnitt und der Euroraum die Möglichkeit einer geordneten Staatsinsolvenz. „Wir vermuten, dass Griechenland nicht zu retten ist“, sagte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des Herbstgutachtens der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Trotz des Schuldenschnitts von etwa 100 Milliarden Euro sei bereits im Frühjahr klar gewesen, dass das Land trotz struktureller Reformen insolvent ist, sagte Kai Carstensen vom Ifo-Institut in München. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, plädierte in Tokio dagegen dafür, Athen zwei Jahre länger zu geben, damit es sein Konsolidierungsprogramm angehen könne. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollte Lagardes Forderung nicht kommentieren. Er lehnte es jedoch ab, dass Griechenland durch einen Forderungsverzicht staatlicher Gläubiger geholfen werden sollte, wie das „Handelsblatt“ in seiner Online-Ausgabe berichtete. dapd (Wirtschaft/Politik)

China und Deutschland feiern 40 Jahre diplomatische Beziehungen

China und Deutschland feiern 40 Jahre diplomatische Beziehungen Peking (dapd). Mit einer Festgala im chinesischen Nationaltheater in Peking haben Deutschland und China am Donnerstag die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 40 Jahren gefeiert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erinnerte daran, dass damit ein Signal des Friedens inmitten des Kalten Krieges gesetzt worden sei. China habe vor drei Jahrzehnten den politischen und den wirtschaftlichen Aufbruch gewagt, fügte Westerwelle hinzu. Heute sei das Reich der Mitte zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht aufgestiegen. Daraus ergebe sich aber auch eine gewachsene Mitverantwortung zur internationalen Problemlösung, sagte der Minister, ohne direkt die Blockade Pekings im UN-Sicherheitsrat in der Syrienfrage anzusprechen. Der chinesische Außenminister Yang Jiechi betonte unterdessen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, „ohne die Unterschiede zu verwischen“. Damit sei eine strategische Partnerschaft erreicht worden zwischen beiden Ländern, die 40 Jahre nach Beginn der diplomatischen Beziehungen „an einem neuen historischen Ausgangspunkt“ angelangt sei. dapd (Politik/Politik)

Verbände fordern volle Übernahme der Stromkosten in Hartz IV

Verbände fordern volle Übernahme der Stromkosten in Hartz IV Berlin (dapd). Wegen der steigenden Strompreise treten Paritätischer Wohlfahrtsverband und Deutscher Mieterbund gemeinsam für höhere staatliche Zuschüsse für Einkommensschwache ein. Die „Preisexplosion auf dem Energiemarkt wurde bei der Berechnung der Leistungen für Familien in Hartz IV bisher in keiner Weise angemessen berücksichtigt“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, am Donnerstag in Berlin. Beide Verbände fordern, dass die Stromkosten von Hartz-Empfängern in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Zudem soll nach einem Konzept des Mieterbundes das Wohngeld für Haushalte knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze von 120 auf 160 bis 180 Euro steigen. Die Kosten für die vorgeschlagenen Maßnahmen beziffern die Verbände auf 790 bis 920 Millionen Euro. „Wenn wir verhindern wollen, dass hunderttausende Familien in diesem Winter im Dunkeln sitzen, muss die Bundesregierung zügig handeln“, sagte Schneider. Nach Schätzungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist im vergangenen Jahr rund 100.000 Hartz IV-Haushalten der Strom abgestellt worden. dapd (Politik/Politik)

FDP fordert Abschaffung der Erbschaftssteuer

FDP fordert Abschaffung der Erbschaftssteuer Frankfurt/Main (dapd). Die FDP sieht sich durch das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Verfassungswidrigkeit der Erbschaftssteuer in ihrer grundsätzlichen Kritik an der Abgabe bestätigt. FDP-Finanzexperte Volker Wissing plädiert deshalb dafür, die Steuer abzuschaffen. Das Urteil habe gezeigt, dass eine ungleiche steuerliche Behandlung von Betriebs- und Privatvermögen nicht verfassungsgemäß sei, sagte der FDP-Fraktionsvize der „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstagausgabe). Wenn Ausnahmen für Unternehmen aber nicht mehr möglich seien, gefährde man mit der Steuer Arbeitsplätze. Einen Verzicht auf die Einnahmen durch die Erbschaftsteuer hält der Liberale für verschmerzbar. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) verstößt die steuerliche Verschonung bei der Erbschaft von Betriebsvermögen gegen das Grundgesetz. Die seit Januar 2009 geltende Regelung im Erbschaftssteuergesetz stelle eine „verfassungswidrige Überprivilegierung“ dar, hieß es in dem am Mittwoch in München veröffentlichten Beschluss. Das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes werde verletzt. Der BFH legte die Sache dem Bundesverfassungsgericht vor, das nun endgültig über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung entscheiden muss. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Kinderärzte protestieren gegen Beschneidungs-Gesetz

Kinderärzte protestieren gegen Beschneidungs-Gesetz Berlin (dapd). Nach einem Kabinettsbeschluss zur Straffreiheit religiöser Beschneidungen von Jungen hält die gesellschaftliche Debatte an. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte wies den Gesetzentwurf zur Beschneidung Minderjähriger als „indiskutabel“ zurück. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, wendet sich in der Beschneidungsdebatte gegen eine aus seiner Sicht überzogene Betonung des Kindeswohls. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, forderte klare Regeln für die praktische Durchführung der Vorhautentfernung bei Jungen. Der Präsident des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, sagte der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe): „Wir können nur einer Regelung zustimmen, bei der ein religionsmündiger Jugendlicher ab dem vollendeten 14. Lebensjahr selbst den Willen äußert, aus religiösen Gründen beschnitten zu werden.“ Der Entwurf erkläre das Recht eines Kinder auf körperliche Unversehrtheit als „drittrangig“ gegenüber Elternrecht und Religionsfreiheit. Dem Kind die Ängste nehmen Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Mazyek, betonte, bei der im Gesetz vorgesehenen Berücksichtigung des Kindeswohls müsse man sich vor einer ideologischen Instrumentalisierung hüten. Es sei bei Muslimen „gängige Praxis, dass man den Willen des Jungen ernst nimmt und versucht, dem Kind eventuell vorhandene Ängste zu nehmen“, sagte er der Zeitung „Die Welt“, warnte jedoch beim Berücksichtigen des Kindeswohls „vor einseitigen Überinterpretationen“. Im Übrigen seien die Muslime „jederzeit offen für Gespräche darüber, wie und mit welchen Standards die Beschneidung konkret durchgeführt werden soll“, sagte Mazyek. Woopen fordert konkrete Regeln für Beschneidung Der Ethikrat-Vorsitzende Christiane Woopen fordert klare Regeln für die praktische Durchführung der Vorhautentfernung bei Jungen. „Wenn der Gesetzgeber die Beschneidung bei Jungen ermöglichen will, dann braucht es wie bei anderen operativen Eingriffen auch Regeln für die Praxis, mit denen näher spezifiziert wird, wie und unter welchen Bedingungen dieser Eingriff durchgeführt wird“, sagte Woopen der „Welt“. Allerdings stelle sich bei den Beschneidungen das Problem, „dass auch außermedizinische Aspekte eine Rolle spielen, sodass man den gewöhnlichen Weg rein ärztlicher Richtlinien oder Leitlinien nicht gehen“ könne. Daher forderte Woopen, „dass sich nun die Betroffenen und beteiligten Gruppen – zumal Mediziner, Kinderpsychologen, Vertreter der Religionsgemeinschaften und Elternvertreter – zusammensetzen und fachliche Standards festlegen“. Das betreffe vor allem „Standards für die medizinische Durchführung des Eingriffs sowie für die Schmerzbehandlung beim Kind je nach Alter“. Zu klären seien weiterhin die Inhalte der elterlichen Aufklärung einschließlich der Risiken und möglichen Folgen und nicht zuletzt die Einbeziehung des Kindes und seines Willens. Dies müsse auch Teil der Ausbildung von Beschneidern sein. „Aber ohne solche Regeln wird es nicht gehen.“ dapd (Politik/Politik)

Schätzerkreis: Zwölf Milliarden Euro Überschuss im Gesundheitsfonds

Schätzerkreis: Zwölf Milliarden Euro Überschuss im Gesundheitsfonds Frankfurt/Main (dapd). Die gute Finanzlage im Gesundheitssystem verbessert sich einem Medienbericht zufolge dieses Jahr nochmals erheblich. Nach Berechnungen des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung werde der Überschuss im Gesundheitsfonds Ende des Jahres zwölf Milliarden Euro betragen, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstagausgabe) aus Kreisen Beteiligter erfuhr. Das wären drei Milliarden Euro mehr als bei der letzten Schätzung erwartet. Für das kommende Jahr rechnen die Schätzer – Fachleute des Gesundheitsministeriums, der Krankenkassen und des Bundesversicherungsamtes – mit einem weiteren Anstieg der Reserven um nochmals 3 auf dann 15 Milliarden Euro. Gründe seien die andauernd gute Beschäftigungslage und Gehaltserhöhungen, die sich in höheren Kassenbeiträgen niederschlagen. In den Zahlen seien die Milliardenüberschüsse der gesetzlichen Krankenkassen nicht enthalten. Aus dem Gesundheitsfonds erhalten die Krankenkassen einheitliche Beiträge für jeden Versicherten, um die Gesundheitskosten zu decken. Der Gesundheitsfonds wurde 2009 eingeführt. dapd (Politik/Politik)

Grüne: Bundesregierung missachtet Karlsruher Urteil zu Euro-Rettung

Grüne: Bundesregierung missachtet Karlsruher Urteil zu Euro-Rettung Hamburg (dapd). Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Euro-Rettung vom 19. Juni zu missachten. Anders als von den Karlsruher Richtern gefordert, werde der Bundestag weiterhin nur unzureichend und verspätet über Maßnahmen zur Bewältigung der Euro-Krise informiert, sagte der europapolitische Sprecher der Grünen, Manuel Sarrazin, dem „Hamburger Abendblatt“ (Donnerstagausgabe). „Die Bundesregierung missachtet klar das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.“ Konkret gehe es um Informationen zu Sitzungen des Wirtschafts- und Finanzausschusses (WFA) des Rates der EU, in dem beispielsweise Details zur geplanten Bankenunion beraten werden. Trotz mehrfacher schriftlicher Anforderungen habe es vor der Ausschusssitzung am 6. und 7. September keinerlei schriftliche Information durch die Bundesregierung an die Parlamentarier gegeben. Eine knapp anderthalbseitige nachträgliche Zusammenfassung der Sitzung, die der Zeitung vorliegt, ist den Abgeordneten erst Anfang Oktober zugeleitet worden. dapd (Politik/Politik)

Bundesfinanzhof rügt Erbschaftssteuerrecht

Bundesfinanzhof rügt Erbschaftssteuerrecht München/Karlsruhe/Berlin (dapd). Paukenschlag des obersten deutschen Finanzgerichts: Die steuerliche Verschonung bei der Erbschaft von Betriebsvermögen verstößt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) gegen das Grundgesetz. Die seit Januar 2009 geltende Regelung im Erbschaftssteuergesetz stelle eine „verfassungswidrige Überprivilegierung“ dar, heißt es in dem am Mittwoch in München veröffentlichten Beschluss. Damit werde das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes verletzt. Der BFH legte die Sache dem Bundesverfassungsgericht vor, das nun endgültig über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung entscheiden muss. Das Bundesfinanzministerium hält die Erbschaftssteuer allerdings trotz der gegenteiligen Einschätzung des Bundesfinanzhofs für grundgesetzkonform. „Wir sind der Auffassung, dass die Regelungen zur Erbschaftssteuer, wo bestimmte Teile des Unternehmensvermögens verschont werden, verfassungsgemäß sind“, sagte die Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, Marianne Kothé, am Mittwoch in Berlin. Dies habe das Bundesverfassungsgericht mehrmals bestätigt. Sie sei zuversichtlich, „dass die geltende Rechtslage Bestand haben wird“. SPD und Grüne forderten hingegen die Bundesregierung zu einer sofortigen Reform der Erbschaftssteuer auf. Der BFH entschied, dass die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften eine Bevorzugung darstelle, die durch Gründe des Gemeinwohls nicht ausreichend gerechtfertigt sei. Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer „typischerweise die Betriebsfortführung gefährde“, betonten die Finanzrichter. Es gehe weit über das verfassungsrechtlich Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen. Die angenommenen Verfassungsverstöße führen aus Sicht des BFH zu einer „durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung“. Dadurch würden diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende Besteuerung verletzt. Schlupflöcher schließen Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, forderte die Bundesregierung auf, die Erbschaftsteuer „wieder verfassungskonform zu machen“. Er verlangte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) „einen umgehenden Vorschlag“ für eine Novellierung des Erbschaftsteuerrechts. Auch NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte: „Jetzt muss sich auch die Bundesregierung bewegen und Schlupflöcher schließen – etwa wenn Reiche ihr Privatvermögen in einer Firma verstecken und sich damit ungerechte Steuervorteile verschaffen.“ Die Obfrau der Grünen im Finanzausschuss des Bundestages, Lisa Paus, betonte, es könne nicht sein, dass durch legale Steuertricks gerade die sehr hohen Vermögen völlig von der Steuer befreit würden. Die aktuellen Regelungen begünstigten nicht nur Familienbetriebe. „Wir fordern eine gerechte Erbschaftssteuer, die auch millionenhohe Erbschaften und Schenkungen umfasst, unabhängig von der Rechtsform, in der das Vermögen steckt“, sagte Paus. Die Schlupflöcher seien „so groß, dass dem jährlich vererbten Vermögen von über 230 Milliarden Euro weniger als fünf Milliarden Euro Steuereinnahmen entgegen stehen“. Das müsse sich ändern. Nach Ansicht von FDP-Fraktionsvize Volker Wissing zeigt das BFH-Urteil, dass auch eine Vermögenssteuer verfassungswidrig wäre. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs sei nicht nur „eine Ohrfeige“ für den ehemaligen SPD-Finanzminister und derzeitigen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der das Gesetz mit zu verantworten habe. Es sei auch „eine kalte Dusche für die Anhänger der Vermögenssteuer bei SPD und Grünen“. Deren Behauptung, man könne Betriebsvermögen ganz einfach schonen, sei wieder einmal widerlegt worden. (AZ: BFH II R 9/11) dapd (Politik/Politik)