Hamburg/Berlin (dapd). Angesichts der jüngsten Organspendeskandale fordert die SPD, korrupte Ärzte mit härteren Strafen zu belegen. „Ärzte, die aus persönlichem Gewinnstreben gegen Regeln verstoßen haben, dürfen nicht mehr als Ärzte tätig sein“, sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem „Spiegel“ vom Sonntag. Diejenigen Mediziner, die ihre Patienten auf Wartelisten höher eingestuft hätten, sollten zumindest ihre Zulassung für die Transplantationsmedizin verlieren. Steinmeier dringt laut „Spiegel“ zudem darauf, das System der Organspende zu reformieren. Die Zahl der kleinen Transplantationszentren wolle er reduzieren, um schädlichen Wettbewerb zu unterbinden. Die Boni für Transplantationen sollten abgeschafft werden. Steinmeier hatte im August 2010 seiner Ehefrau eine Niere gespendet. Unabhängig von Steinmeiers Forderung wird das Bundesgesundheitsministerium noch in diesem Monat ein Gutachten in Auftrag geben, wie das Magazin berichtete. Damit solle geklärt werden, „ob und welche Änderungen in den bestehenden Straf- und Bußgeldnormen sowie den berufsrechtlichen Regelungen der Bundesärzteordnung und den Berufsgesetzen der Länder notwendig sind“, um Verstöße zu sanktionieren. dapd (Politik/Politik)
den
Dreyer hat mit dem Rollstuhl Bewegungsfreiheit gewonnen
Berlin (dapd). Die an Multipler Sklerose erkrankte Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), ist vor dem Rollstuhl einige Zeit zurückgeschreckt. „Es hat mich Überwindung gekostet, den Rollstuhl überhaupt zum ersten Mal zu benutzen“, sagte die 51-Jährige der Zeitung „Bild am Sonntag“ (Onlineausgabe). Als sie längere Strecken nicht mehr zu Fuß gehen konnte, habe ihr Mann Klaus in einem Urlaub auf Lanzarote gesagt: „Komm, hier kennt uns keiner. Wir probieren das jetzt mal aus.“ Dreyer berichtete, sie und ihr Mann seien mit dem geliehenen Rollstuhl den ganzen Tag am Meer unterwegs gewesen. „Ich habe gefühlt, wie ich Freiheit zurückgewinne. Im Rollstuhl“, sagte sie. Dreyer nannte den nach einem Attentat querschnittsgelähmten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein großes Vorbild. „Es wird von allen akzeptiert, dass er ein sehr leistungsfähiger Minister mit großer Verantwortung ist und sich dabei ganz selbstverständlich im Rollstuhl bewegt. Damit hat er sehr viel für die Normalisierung im Umgang mit Behinderten getan“, sagte sie. (Das Dreyer-Interview: http://url.dapd.de/DTYMao ) dapd (Politik/Politik)
Angeblich weiter deutsche Steuergelder für AKW-Bau im Ausland
Hamburg (dapd). Die Bundesregierung will offenbar weiter für den Bau von Atomkraftwerken im Ausland mit Steuergeldern bürgen. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am Samstag vorab unter Berufung auf ein Schreiben an den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Das Gremium, das die Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung parlamentarisch begleitet, hatte sich Ende 2012 einstimmig dafür ausgesprochen, angesichts des deutschen Atomausstiegs keine Hermes-Bürgschaften für Kernkraftwerkprojekte im Ausland mehr zu vergeben. In dem Brief, den Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im Namen der Regierung verfasst hat, wird den Angaben zufolge betont, man halte an der bisherigen Förderpraxis fest. Die Energiewende sei nur auf die nukleare Stromerzeugung im Inland bezogen. Es liege aber „in der souveränen Entscheidung anderer Staaten, zur Ausgestaltung ihrer Energiepolitik einen anderen Energiemix zu wählen“. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Beirats, der CDU-Politiker Andreas Jung, bezeichnet es als „groben Widerspruch, bei uns die Energie wende voranzutreiben und im Ausland Kernenergie zu unterstützen“. dapd (Politik/Politik)
Zehntausende demonstrieren in Berlin für die Agrarwende
Berlin (dapd). Gegen Tierfabriken, Pestizide und Preisdruck auf Bauern: Zehntausende haben am Samstag in Berlin mit einer Großdemonstration Reformen in der Agrarpolitik gefordert. Zum Auftakt der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche zogen nach Schätzungen der Veranstalter rund 25.000 Menschen durch das Regierungsviertel. Der Protestzug stand unter dem Motto „Wir haben es satt!“. Wie der Naturschutzverband BUND berichtete, begleiteten rund 70 Traktoren aus dem ganzen Bundesgebiet die Demonstranten. Bauern, Verbraucher und Imker warben gemeinsam dafür, nicht die Interessen der Industrie in den Mittelpunkt der Politik zu stellen, sondern die Interessen von Verbrauchern und Landwirten, der Tiere sowie des Natur- und des Umweltschutzes. In dem Aufruf zur Demonstration heißt es, die Spekulation mit Lebensmitteln und Land verschärfe den Hunger in der Welt. Immer mehr Getreide lande im Tank statt auf dem Teller. Bei der Bundestagswahl im Herbst stehe auch zur Abstimmung, ob es zu einer nachhaltigen Ernährungs- und Energiewende komme. „In der EU wird entschieden, ob eine bäuerlich-nachhaltige Landwirtschaft unterstützt wird, oder jährlich weitere 60 Milliarden Euro an Agrarsubventionen vor allem an die Agrarindustrie fließen.“ Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nannte die Kritik der Demonstranten abwegig. „Wer eine Agrarwende fordert, muss sehen, was Deutschland hier schon geleistet hat: Wir sind bei der Ökologisierung der Landwirtschaft weiter als die meisten Staaten Europas“, erklärt sie. „Politik geht den Weg der Vernichtung“ Johanna Böse-Hartje vom Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter kritisierte, trotz massiver Proteste in den letzten Jahren habe sich an der Situation der Milchbauern nichts verbessert. „Die Politik geht den Weg der Liberalisierung, den Weg der Vernichtung bäuerlicher Betriebe weltweit.“ Nur wenn Bauern und Bürger zusammen für eine Reform der Agrarpolitik stünden, könnten Bauernhöfe endlich unter fairen Bedingungen gesunde Lebensmittel erzeugen. Uschi Helmers von der Bürgerinitiative gegen einen riesigen Geflügelschlachthof im niedersächsischen Wietze, die zum Bündnis „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ mit über 200 Bürgerinitiativen gehört, forderte: „Es darf den Politikern nicht egal sein, wenn ausländische Arbeiter für drei Euro fünfzig Cent Stundenlohn in deutschen Schlachthöfen ausgebeutet werden oder dass für unser Tierfutter der Regenwald in Südamerika abgeholzt wird.“ Die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor lenkten den Blick auf die Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf Entwicklungs- und Schwellenländer. „Die heutige Agrarpolitik Europas bedroht die Existenz vieler Bauernfamilien in den armen Ländern. Die Steigerung unserer landwirtschaftlichen Produktion und der Agrarexporte lindert den Hunger nicht, das Gegenteil ist der Fall“, erklärte Klaus Seitz, Leiter der Politikabteilung von Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst. ( http://www.wir-haben-es-satt.de/ ) dapd (Politik/Politik)
Wir haben es satt!
Berlin (dapd). Zum Auftakt der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche haben Tausende am Samstag in Berlin mit einer Großdemonstration Reformen in der Agrarpolitik gefordert. Unter dem Motto „Wir haben es satt!“ zogen nach Schätzungen der Veranstalter rund 25.000 Menschen durch das Regierungsviertel. Wie der Naturschutzverband BUND mitteilte, begleiteten rund 70 Traktoren aus dem ganzen Bundesgebiet den Protest. Bauern, Verbraucher und Imker demonstrierten gemeinsam dafür, nicht die Interessen der Industrie in den Mittelpunkt der Politik zu stellen sondern die Interessen von Verbrauchern und Landwirten, der Tiere sowie des Natur- und Umweltschutzes. ( http://www.wir-haben-es-satt.de/ ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Dem Hamburger Flughafen droht am Montag ein neuer Streik
Hamburg (dapd). Nach einem ganztägigen Streik am Hamburger Flughafen will die Gewerkschaft ver.di offenbar nachlegen. „Wir haben den Spannungsbogen aufgebaut: Freitag war der größte Tag – und Montag ist der nächste große Tag“, sagte ver.di-Sprecher Peter Bremme dem Radiosender NDR 90,3. Am Freitag hatten 260 der rund 600 Luftsicherheitsassistenten die Arbeit niedergelegt und damit den Flughafenbetrieb erheblich gestört. Tausende Reisende mussten stundenlang vor der Sicherheitskontrolle warten oder blieben ganz am Boden. Mehr als jeder dritte der 176 Starts wurde gestrichen. ver.di fordert für das Sicherheitspersonal einen Stundenlohn von 14,50 Euro. Der Bundesverband für Sicherheitswirtschaft habe bisher kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt, hieß es. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Bürger unter Strom
Berlin (dapd-bln). Ihre Gegner sind Großkonzerne mit Milliardenumsätzen – etwa der Energieriese Vattenfall oder der chinesische Staatskonzern State Grid. Luise Neumann-Cosel ist der Klassenunterschied bewusst, schrecken kann er die 26-jährige Umweltaktivistin aber nicht. „Jedes von den Unternehmen, das sich mit uns beworben hat, ist größer als wir und hat riesige finanzielle Möglichkeiten“, sagt sie. Und es geht um viel: knapp 35.000 Kilometer Erdkabel, 1.000 Kilometer Freileitungen plus die dazugehörigen Masten und rund 2,2 Millionen Stromanschlüsse. Neumann-Cosel will den Stromgiganten das Berliner Stromnetz vor der Nase wegkaufen – und sie ist nicht allein. Die 26-Jährige hat gemeinsam mit anderen Aktivisten die Genossenschaft Bürger Energie Berlin gegründet. Die bewirbt sich nun um die Konzession für das Stromnetz in der Hauptstadtregion. Die Idee dahinter so alt wie einfach: Viele einzelne Menschen schließen sich in einer zusammen und verwirklichen mit kleinen Beiträgen ein großes Projekt. Obwohl die Hürden gerade im Stromsektor hoch sind, hält der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV) die Initiativen der Bürger für einen Treiber der Energiewende. Rund 500 solcher Gemeinschaftsunternehmen zum Ausbau erneuerbarer Energien hätten sich in den vergangenen Jahren neu gegründet und rund 800 Millionen Euro investiert, besagt eine Studie des Verbands aus dem vergangenen Jahr. Die Agentur für Erneuerbare Energien zählte 2011 allein in Berlin zehn und in Brandenburg acht Energiegenossenschaften. Nicht selbst Strom produzieren Bürger Energie Berlin ist dabei ein Sonderfall: Die Genossenschaft will nicht in erster Linie selbst Strom erzeugen, den Mitgliedern geht es vor allem um das Stromnetz. Das wollen sie für den Atomausstieg fit machen. „Das bedeutet, dass wir darauf hinwirken, dass das Netz so umgebaut wird, dass es den Bedürfnissen der erneuerbaren Energien entspricht, es also keine Hemmnisse gibt für den Anschluss von erneuerbaren Energien“, sagt Neumann-Cosel. Wenn sich viele Menschen fänden, die mitmachen, könne die Genossenschaft das notwendige Kapital dafür aufbringen, ist sie überzeugt. Seit der Gründung im Dezember 2011 hat Bürger Energie Berlin rund 270 Mitglieder für die Idee gewonnen. Für 500 Euro können Bürger zu Genossen werden, etwa 60 Prozent des Netzpreises könnten laut Neumann-Cosel durch zusätzliche Kredite finanziert werden. Ende 2014 läuft die aktuelle Konzession für das Stromnetz zwischen dem Land Berlin und dem Vattenfall-Konzern aus. Acht Bewerber bemühen sich um den neuen Vertrag: Neben Bürger Energie Berlin wollen unter anderem auch Vattenfall und eine Tochter des chinesischen Staatskonzerns State Grid zum Zug kommen. Bewegung aus der Bürgergesellschaft Bürger Energie Berlin tritt dabei sehr viel bescheidener auf als die Großkonzerne. Statt in einem vollverglasten Bürogebäude arbeitet die Genossenschaft von einer alten Fabrik in einem Hinterhof in Berlin-Wedding aus an ihrem Projekt. Die Räume gehören zu einer Firma für Zahnarztbedarf, bei der die Genossen keine Miete zahlen müssen. Am Ende, sagt Neumann-Cosel, sei vielleicht nicht die Größe des Bewerbers ausschlaggebend für den Erfolg. „Man darf nicht unterschätzen, was eine Bewegung aus der Bürgergesellschaft für einen Einfluss haben kann.“ Die 26-Jährige weiß, wovon sie spricht: Sie kommt aus der Anti-Atomkraftbewegung, war Pressesprecherin der Initiative „X-tausendmal quer“, hat im Wendland die Schienen gegen Castortransporte besetzt. Bedenken aus Potsdam Dabei ist das Objekt der Begierde Neumann-Cosels in Berlin gar nicht leicht zu finden: Nur an wenigen Stellen zeigen sich die Stromleitungen oberirdisch. Einer dieser Orte ist der Charlottenburger Verbindungskanal. Mit dem Auto sind es nur ein paar Minuten vom Büro der Energiebürger zu den Freileitungen. Grau und trostlos recken sich die riesigen Masten in den trüben Berliner Winterhimmel. Mit voller Wucht zeigen sie, wie groß Neumann-Cosels Idee wirklich ist. Ohne Unterstützung aus dem Abgeordnetenhaus wird sie sie nicht umsetzen können. Neumann-Cosel weiß das. Die entscheidende Frage sei, ob sich das Vorhaben auch politisch umzusetzen lasse, sagt sie. Mit den politischen Hürden kennt sich Neumann-Cosels Mitstreiterin Sophie Haebel aus. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Neue Energie Genossenschaft in Potsdam, die auf Dächern einer Schule und eines Polizeigebäudes Photovoltaikanlagen betreibt. Im vergangenen Jahr hätten die rund 240.000 Kilowattstunden Strom geliefert, sagt Haebel. Neue Gesetze machten den Betrieb aber immer schwieriger – vor allem wirtschaftlich. Die ständig schrumpfende Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei ein Grund dafür erklärt Haebel. Hinzu komme oder der Zwang, einen Teil des Stroms selbst nutzen zu müssen. Sie glaube daher nicht, dass Genossenschaften einen großen Beitrag zur Energiewende leisten können, sagt Haebel – zumindest nicht praktisch. Trotzdem zeigten sie dem Bürger, dass er selbst aktiv werden könne – „vom anonym versorgten Energiekonsumenten wird er zum mitdenkenden Produzenten“. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Nach Kurden-Krawallen debattiert Polizei im Land über Aufrüstung
Stuttgart/Mannheim (dapd). Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat die Einsatztaktik der Polizeiführung bei den schweren Kurdenkrawallen im September im baden-württembergischen Mannheim kritisiert. „Man hätte über den Einsatz von Wasserwerfern nachdenken müssen“ sagte DPolG-Landeschef Joachim Lautensack den „Stuttgarter Nachrichten“ (Samstag) laut Vorabbericht. „Intern wird bei uns gerade auch über Gummigeschosse und Elektroschocker diskutiert“, sagte Lautensack weiter. Damit könnte man künftig auch außerhalb der „Steinwurfweite“ reagieren. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Blenke, sieht Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) in der Pflicht. „Er hat eine Fürsorgepflicht für seine Beamten“, sagte Blenke dem Blatt. Auch der CDU-Mann bringt für künftige Einsätze den Wasserwerfer ins Spiel. „Wenn ich mich nicht mehr traue, ihn einzusetzen, kann ich ihn auch aus dem Polizeigesetz streichen“, sagte er. Bei einem kurdischen Kulturfest mit rund 40.000 Besuchern hatten mehrere Tausend Gewalttäter Anfang September rund 800 Polizisten mit Steinen und Flaschen in die Flucht geschlagen und 80 Beamte verletzt, zwei von ihnen schwer. dapd (Politik/Politik)
Kaufkraft der Rentner 2012 erneut gesunken
Berlin (dapd). Die Inflation nagt an den Bezügen der deutschen Rentner. Die „Bild“-Zeitung (Onlineausgabe) berichtete, das Institut für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg habe ausgerechnet, dass die 20 Millionen Ruheständler trotz der mehr als zwei Prozent Rentenerhöhung unterm Strich weniger Geld im Portemonnaie gehabt hätten – im Westen 0,4 Prozent und in Ostdeutschland 0,3 Prozent weniger. Seit 2004 sei die Kaufkraft der Rentner um insgesamt 9,2 Prozent zurück gegangen. Institutsdirektor Bernd Raffelhüschen sagte, den Rentnern gehe es wie vielen Arbeitnehmern. „Nur wenn es bei den Löhnen deutlich nach oben geht, wird es mittelfristig auch zu spürbaren Rentensteigerungen kommen. Diese Gleichbehandlung halte ich für fair“, sagte er dem Blatt. dapd (Politik/Politik)
Aktionäre machen gegen Cromme mobil
Bochum (dapd-nrw). Aktionärsaufstand bei ThyssenKrupp: Nach dem Milliardendebakel des größten deutschen Stahlkonzerns in Amerika haben Aktionäre auf der Hauptversammlung personelle Konsequenzen auch im Aufsichtsrat gefordert. Jens Meyer vom Deka Investmentfonds appellierte an Aufsichtsratschef Gerhard Cromme: „Es wäre eine ehrbare Entscheidung zu sagen, ich trete zurück.“ Auch andere Aktionäre und Investmentfonds forderten den 69-jährigen Manager auf, über eine Nachfolgereglung nachzudenken. Cromme selbst räumte vor den Aktionären ein, dass in der Vergangenheit im Kontrollgremium nicht alles optimal gelaufen sei, bestritt aber schuldhafte Versäumnisse. „Wenn Sie mich fragen, ob wir als Aufsichtsrat in der Vergangenheit etwas hätten besser machen könne, dann will ich ehrlich sagen: Ja, wir haben zu lange vertraut, wir hätten früher handeln können.“ Doch habe der Aufsichtsrat sofort Konsequenzen gezogen, als die Fakten auf dem Tisch gelegen hätten. Mehrere Gutachten unabhängiger Experten hätten dem Gremium bestätigt, seinen Überwachungspflichten in allen Phasen des Projekts „auf hohem Niveau gerecht geworden“ zu sein. Angesichts des Verlusts von fast fünf Milliarden Euro im vergangenen Jahr verzichtete der Aufsichtsrat auf die Hälfte seiner Vergütung. Das entspricht insgesamt rund 700.000 Euro. Cromme verliert rund 100.000 Euro. Der Aufsichtsrat wolle mit dieser Geste seine Betroffenheit und Solidarität mit den Aktionären zum Ausdruck bringen, sagte Cromme. „Bei weitem noch nicht zukunftsfähig“ Rückendeckung bekam Cromme von ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger. Der Vorstandsvorsitzende sagte vor den Aktionären, es sei der Aufsichtsrat unter der Führung Crommes gewesen, der den derzeitigen Wandel bei dem Unternehmen eingeleitet und ihn an die Konzernspitze berufen habe. Von Anfang an habe er für seinen Erneuerungskurs die volle Rückendeckung vom Aufsichtsrat erhalten, auch bei schwierigen Entscheidungen wie dem Verkauf der Edelstahlsparte oder des amerikanischen Stahlgeschäfts. Hiesinger räumte ein, bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren sei ihm nicht annähernd bewusst gewesen, wie tiefgreifend der nötige Veränderungsprozess sein werde. „Unsere alte Führungskultur war an vielen Stellen von Seilschaften und blinder Loyalität gekennzeichnet. Fehlentwicklungen wurden lieber verschwiegen als korrigiert“, sagte der Manager. Der eingeleitete Erneuerungsprozess sei schmerzhaft. Doch gebe es dazu keine Alternative. „Wer dabei nicht mitzieht, hat bei uns nichts zu suchen“, sagte Hiesinger. Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation bei ThyssenKrupp betonte Hiesinger, der notwendige Konzernumbau werde mehrere Jahre dauern. Im gegenwärtigen Zustand sei der Konzern „bei weitem noch nicht zukunftsfähig“. Die Profitabilität der fortgeführten Aktivitäten müsse weiter erhöht werden. Es gebe aber keine Überlegungen, sich auch vom europäischen Stahlgeschäft zu trennen. Die Papiere von ThyssenKrupp gehörten am Freitag zu den Verlierern an der Frankfurter Börse und büßten bis zum Nachmittag rund 1,8 Prozent an Wert ein. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)