Grüne wollen gleich viel Geld für Asylbewerber und Hartz-IV-Bezieher

Grüne wollen gleich viel Geld für Asylbewerber und Hartz-IV-Bezieher Berlin (dapd). Asylbewerber sollen nach dem Willen der Grünen genauso viel Geld bekommen wie Hartz-IV-Bezieher. „Aus unserer Sicht muss das Existenzminimum nicht nur für Deutsche gelten, sondern für alle Menschen in Deutschland“, schreibt der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, in der Wochenendausgabe der „tageszeitung“ (taz). Am kommenden Mittwoch wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Sätze für Asylbewerber an die von deutschen Erwerbslosen angepasst werden. Die Beträge für Asylbewerber seien nicht nur viel zu niedrig, sie seien auch willkürlich festgesetzt worden, monierte Beck. Bisher erhalten Asylbewerber 224,97 Euro monatlich, größtenteils in Form von Gutscheinen. Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt 374 Euro. Damit liegen die Sätze von Asylbewerbern 40 Prozent unter dem gesetzlich festgelegten Existenzminimum. Der Integrationsbeauftragter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Frieser, verteidigt in der „taz“ die bestehende Regelung. Arbeitslosengeld II solle erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen bei der Eingliederung in Arbeit unterstützen. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollten die Existenz sichern, argumentierte der CSU-Politiker. Sachleistungen seien keine Schikane, sondern notwendig, um Missbrauch einzudämmen. dapd (Politik/Politik)

Schwesig attackiert Seehofer

Schwesig attackiert Seehofer Amberg (dapd-lmv). In der Debatte um die Einführung eines Betreuungsgeldes wirft die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Manuela Schwesig dem CSU-Chef Horst Seehofer Rücksichtslosigkeit vor. „Seehofer geht es schon lange nicht mehr um die Kinder und die Familien“, sagte Schwesig beim Landesparteitag der bayerischen SPD in Amberg. Der CSU-Vorsitzende wolle in der Diskussion ums Betreuungsgeld lediglich seinen Machtanspruch durchsetzen, kritisierte Schwesig. Die SPD wolle den Familien in der Kinderbetreuung dagegen eine „echte Wahlfreiheit“ bieten, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb plädiere sie für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Allein mit dem bayerischen Anteil am Betreuungsgeld könnten 18.000 Kita-Plätze im Freistaat geschaffen werden, rechnete Schwesig vor. dapd (Politik/Politik)

Kirche verurteilt Nazi-Hetze gegen Pastoren

Kirche verurteilt Nazi-Hetze gegen Pastoren Celle/Hannover (dapd-nrd). Nach der Hetze gegen evangelische Pastoren aus der Region Celle im rechtsextremistischen Internetportal Altermedia protestiert die Landeskirche. Bischof Ralf Meister sagte am Samstag in Hannover: „Wir verurteilen die hier sichtbar werdende menschenverachtende und menschenfeindliche Ideologie, die unvereinbar mit den demokratischen Werten ist.“ Am Donnerstag hatten die Betreiber der Internetseite Altermedia einen Artikel veröffentlicht, in dem sie das Engagement von drei namentlich genannten Pastoren gegen Rechtsextremismus verhöhnen. Seitdem häufen sich Kommentare der Leser. Darin werden die Pfarrer unter anderem als „Verräterdeutsche“ bezeichnet, die „aus Deutschland entfernt“ werden müssten. Ein Pastor hat deshalb nach Informationen der Nachrichtenagentur dapd bereits Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Die rechtsextremistische Internetseite Altermedia ist deutschlandweit eine der wichtigsten Plattformen für Neonazis im Netz. Ihr ehemaliger Betreiber Axel M. wurde im vergangenen Oktober unter anderem wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er auf Altermedia Juden und Ausländer verhöhnt hatte. Auch der Verfassungsschutz beobachtet Altermedia. dapd (Politik/Politik)

Starke Regenfälle beeinträchtigen die Getreideernte

Starke Regenfälle beeinträchtigen die Getreideernte Berlin (dapd). Das überwiegend regnerische Wetter der vergangenen Wochen macht den Getreidebauern in weiten Teilen Deutschlands zu schaffen. Nachdem das Wintergetreide im Frühjahr durch Frost geschädigt worden war, musste nun die Getreideernte vielerorts wegen heftiger Regenfälle unterbrochen werden, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dapd in den Bundesländern ergab. In einigen Regionen wird nach Spätfrösten und Trockenheit im Frühjahr mit Ernteeinbußen gerechnet. Der Landesbauernverband Niedersachsen erwartet einen um zehn Prozent niedrigeren Getreideertrag als im Vorjahr. „Mit 5,1 Millionen Tonnen eingefahrenem Getreide war auch das schon ein grottenschlechtes Jahr“, sagte eine Sprecherin. Auch in Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein war das Wetter nach Einschätzung von Landwirten zu nass. In Thüringen kam zu den schlechten Witterungsbedingungen noch eine Mäuseplage hinzu: „Wo das Wetter nicht so schlimm war, kamen die Mäuse“, sagte Reinhard Kopp vom Thüringer Bauernverband in Erfurt. In Nordrhein-Westfalen sei die laufende Ernte wegen des regnerischen Wetters ins Stocken gekommen, sagte ein Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Derzeit sei das aber nicht so schlimm für die Bauern, weil kein Hagel die Ernte zerstört habe: „Noch ist alles drin.“ In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen haben Landwirte große Teile ihres Wintergetreides aufgrund von Frostverlusten abschreiben müssen. Nach einem zu trockenen Frühjahr ist nun Regen sogar erwünscht, um das Wachstum des Sommergetreides zu fördern. Auch bei den Bauern in Mecklenburg-Vorpommern ist Regen derzeit willkommen. Dort rechnet Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) mit einer durchschnittlichen Getreideernte. Viele Felder hätten unter dem trockenen Frühjahr gelitten. Besonders betroffen seien die sandigen Böden im Osten und Süden des Landes. In Teilen Bayerns hatte es vor allem im Mai ebenfalls zu wenig geregnet. So rechnen die Bauern in Franken und Niederbayern nach Verbandsangaben mit Ernteeinbußen durch Trockenheit. Sollte das Wetter beständiger werden, so der Tenor in den Ländern, ließen sich aber noch ordentliche Ergebnisse beim Getreide erzielen. Die Gemüsebauern freuen sich ebenfalls über Regen: Sie müssen bei Niederschlag weniger selbst bewässern. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Angeblicher CD-Kauf heizt Streit über Steuerabkommen an

Angeblicher CD-Kauf heizt Streit über Steuerabkommen an Berlin/Düsseldorf (dapd). Der mögliche Kauf einer CD mit Daten von Steuersündern lässt den Streit über das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz wieder aufflammen. Nordrhein-Westfalen hat einem Zeitungsbericht zufolge erneut einen Datenträger gekauft. Das Finanzministerium will das nicht bestätigen, doch Ressortchef Norbert Walter-Borjans (SPD) verteidigt grundsätzlich den Kauf von CDs. Das Bundesfinanzministerium hält dagegen und wirbt für das Abkommen, das den Erwerb von Steuersünder-Daten überflüssig mache. Die Bundesregierung und die Länder streiten seit Monaten über das Abkommen mit der Schweiz, das Anfang 2013 in Kraft treten soll. Das geht nur, falls der Bundesrat dem Vertrag zustimmt. Bisher sperren sich aber die SPD-geführten Länder dagegen, weil sie finden, dass Steuersünder zu günstig davonkommen. Das Abkommen sieht vor, dass in der Schweiz angelegtes Schwarzgeld deutscher Steuerpflichtiger nachträglich mit 21 bis 41 Prozent besteuert wird. Im Gegenzug sind die Steuerhinterzieher vor strafrechtlicher Verfolgung sicher und bleiben gegenüber den deutschen Behörden anonym. Künftige Erträge, etwa Zinsen, sollen genauso besteuert werden wie in Deutschland. Nordrhein-Westfalen setzt vorerst aber weiterhin auf den Kauf von Daten-CDs, um Steuerhinterzieher zu finden. Wie die „Financial Times Deutschland“ berichtete, kaufte das Land für 3,5 Millionen Euro erneut einen Datenträger. Darauf seien die Namen und Kontoverbindungen von etwa 1.000 vermögenden Deutschen gespeichert. Die Daten stammten von der Züricher Dependance der Privatbank Coutts, einer Tochter der britischen Royal Bank of Scotland. Das NRW-Finanzministerium wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren. „Der Finanzverwaltung werden immer wieder Daten angeboten, die wir dann prüfen“, sagte Ministeriumssprecherin Ingrid Herden der Nachrichtenagentur dapd. Die Frage, ob die Steuerfahndung in Absprache mit dem Ministerium die CD gekauft hat, ließ sie offen. Ressortchef Walter-Borjans verteidigte allerdings grundsätzlich die Vorgehensweise. „Erkenntnisse auch aus dem Ankauf von CDs“ würden benötigt, „um Steuerhinterziehungen in gewaltigem Ausmaß auf die Spur zu kommen“, sagte er dapd. Der SPD-Politiker erneuerte seine Kritik an dem geplanten Abkommen mit der Schweiz. Es sei „so, wie es jetzt auf dem Tisch liegt, für uns nicht zustimmungsfähig“. Da der Vertrag „ohne Zustimmung der rot-grün-geführten Länder“ nicht in Kraft treten könne, sei es „nur folgerichtig, dass wir uns nicht schon jetzt so verhalten, als ob das Abkommen bereits gelten würde“. Das Bundesfinanzministerium war nach eigenen Angaben nicht in den CD-Kauf involviert. In der Vergangenheit hatte der Bund ähnliche Ankäufe mehrmals mitfinanziert. Das Ressort von Wolfgang Schäuble (CDU) hält den CD-Erwerb aber nicht für ein „dauerhaftes Modell“, um die Problematik zu lösen, wie ein Sprecher auf dapd-Anfrage sagte. „Mit dem Inkrafttreten des Abkommens ist der Kauf von Daten-CDs nicht mehr nötig, da bestehende Vermögenswerte in der Schweiz nachversteuert oder offen gelegt wurden und die künftige Besteuerung dieser Vermögenswerte flächendeckend auch ohne Ankauf von Steuerdaten sichergestellt werden kann“, führte er aus. (Informationen des Bundesfinanzministeriums zum Steuerabkommen: http://url.dapd.de/0gXDn3 ) dapd (Politik/Politik)

Verfassungsschutzämter auf dem Prüfstand

Verfassungsschutzämter auf dem Prüfstand Berlin (dapd). Wegen der Ermittlungspannen bei der Aufklärung der Morde durch die Zwickauer Terrorzelle steht jetzt die Struktur der Verfassungsschutzbehörden auf dem Prüfstand. Innenminister Hans-Peter Friedrich hält neben personellen Veränderungen auch organisatorische Neuzuschnitte für denkbar. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will die Zahl der Behörden verringern. Friedrich sagte im Deutschlandradio Kultur am Samstag, es gehe darum, den Verfassungsschutz zu modernisieren. „Wichtig ist, dass der Verfassungsschutz effizienter wird, und zwar auch über die Bund-Länder-Ebene hinweg. Das ist der eigentliche Auftrag. Es geht nicht um Quantität“, betonte der CSU-Politiker. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger forderte, Behördenstruktur und Aufgabenverteilung der Verfassungsschutzämter müssten „bis in jeden Blickwinkel ausgeleuchtet werden“. Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse hätten gezeigt, dass nicht nur innerhalb der Behörde Informationen schlecht kommuniziert würden, „sondern erst recht zwischen den Verfassungsschutzämtern“. Die Zahl der Behörden müsse daher „deutlich reduziert werden“, forderte die FDP-Politikerin im „Tagesspiegel“. Friedrich betonte hingegen, es gehe bei der Reform nicht um Quantität. Derzeit gibt es neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz noch 16 Landesämter. Auch der Präsident des Zentralrates der Juden, Dieter Graumann, stellte die Notwendigkeit von 16 Verfassungsschutzämtern infrage, wenn diese nicht untereinander und schon gar nicht mit dem Bund kommunizierten. Graumann verlangte tief greifende Änderungen in der Arbeit des Verfassungsschutzes. „Das sind vertrauenszerstörende Verhältnisse“, sagte er der „Rheinischen Post“ zur Vernichtung von Akten rund um die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Der Umgang mit Akten nach dem Motto „gesucht – gefunden – geschreddert“ sei ein „Stück aus dem Tollhaus“, kritisierte Graumann. Die Linke-Innenexpertin Petra Pau hält den Verfassungsschutz, der die Morde und das Abtauchen des Nazi-Trios nicht mitbekommen habe, für überflüssig. Ein Verfassungsschutz, der zudem vertusche, sei antidemokratisch und habe mit dem Schutz der Verfassung nichts zu tun. „Er heißt nicht nur falsch, er ist falsch. Er ist eher Feuer, denn Wehr, und mithin keine Feuerwehr, wie manche verharmlosen“, sagte Pau, die dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Aufklärung der NSU-Mordserie angehört. Minister Friedrich hielt dagegen: Seit den 1990er Jahren sei auf der Grundlage der Informationsbeschaffung und der Observationsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes das Verbot von zehn Neonazi-Organisationen möglich geworden, betonte der CSU-Politiker. Er waren deshalb davor, zu glauben, „dass der Verfassungsschutz überflüssig ist. Im Gegenteil, er ist zum Schutz unserer Demokratie notwendig, aber er muss funktionieren.“ Unterdessen wurde bekannt, dass nicht nur beim Bundesamt, sondern auch beim sächsischen Verfassungsschutz NSU-Akten vernichtet wurden. Der „Leipziger Volkszeitung“ zufolge sollen Mitarbeiter Akten erst nach Bekanntwerden des Neonazi-Trios Anfang November geschreddert haben. Die Zeitung beruft sich auf Sicherheitskreise. Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Heinz Fromm, hat ebenso wie seine Amtskollegen aus Sachsen und Thüringen, Reinhard Boos und Thomas Sippel, wegen der Pannen bereits seinen Posten geräumt. dapd (Politik/Politik)

Führender Salafist am Frankfurter Flughafen festgenommen

Führender Salafist am Frankfurter Flughafen festgenommen Frankfurt/Main (dapd). Einer der führenden Köpfe der deutschen Salafistenszene ist nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“ am Frankfurter Flughafen festgenommen worden. Die türkischen Behörden hätten Peter B. festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert, berichtete das Magazin am Samstag unter Berufung auf den Anwalt des Festgenommenen. Dem Bericht zufolge wirft die Staatsanwaltschaft Stuttgart dem im Oktober 2009 untergetauchten B. die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Als Mitglied einer siebenköpfigen Gruppe um einen ebenfalls flüchtigen Hassprediger soll B. junge Islamisten für den Dschihad in Afghanistan angeworben haben. Darunter sei auch der als Mitglied der Sauerländer Terrorzelle bekannt gewordene Daniel Schneider gewesen, ebenso wie Eric Breiniger und der Deutsch-Afghane Djavad Sediqi, die beide später bei Kämpfen in Afghanistan oder Pakistan ums Leben kamen. dapd (Politik/Politik)

Auch sächsischer Verfassungsschutz vernichtete offenbar NSU-Akten

Auch sächsischer Verfassungsschutz vernichtete offenbar NSU-Akten Dresden (dapd-lsc). Beim sächsischen Verfassungsschutz sollen einem Zeitungsbericht zufolge offenbar Akten zur Zwickauer Terrorzelle NSU vernichtet worden sein. Mitarbeiter sollen die Akten erst nach Bekanntwerden des Neonazi-Trios Anfang November geschreddert haben, wie die „Leipziger Volkszeitung“ unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet. Die Aktion sei bei internen Kontrollen aufgefallen. Das Thema stand laut Zeitung ursprünglich auch für Freitag auf der Tagesordnung der Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, wurde dann aber aus Zeitgründen vertagt. Bereits bekannt war, dass beim Bundesamt für Verfassung Akten zum Fall NSU vernichtet worden waren. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm kündigte daraufhin seinen Rückzug vom Amt an. Auch der sächsische Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos und der Thüringer Amtschef Thomas Sippel räumten bereits ihre Posten. dapd (Politik/Politik)

Reden ist Gold

Reden ist Gold Berlin (dapd-bln). Der Kuchen ist groß – und alle wollen ein Stück davon abhaben: Das Gehör von politischen Entscheidern in Berlin ist eine heiß umkämpfte Ware. Dafür polieren Lobbyisten täglich Türklinken und knüpfen Netzwerke. Verbände, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und Initiativen hoffen damit, ihre Interessen durchzusetzen. Die Zahl der Lobbyisten in Berlin wachse immer weiter, sagt der Leiter des Hauptstadtbüros der Initiative Lobby Control, Timo Lange. Das liegt auch daran, dass zunehmend Unternehmen das Berliner Parkett betreten und selbst auf der Lobbying-Klaviatur in die Tasten hauen wollen. In Berlin-Mitte ziehen Touristen durchs Regierungsviertel. Unter ihnen ist eine Studentengruppe aus Rheinland-Pfalz. Führerin Anja Baisch von Lobby Control will sie aber nicht für das Brandenburger Tor erwärmen, sondern für emaillierte Klingelschilder mit Namen von Verbänden und Firmen. „In Berlin gibt es einen Lobby-Dschungel“, sagt sie. „Denn Lobbyismus funktioniert am besten im Verborgenen und ohne Regeln.“ Zu den Stationen der Tour zählen die Repräsentanzen von VW oder des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Engagiert spricht sie von Praktiken beim Lobbying – Studien, die Verbände in Auftrag geben, um die Stimmung in der Öffentlichkeit zu beeinflussen. Bei einigen der Tourstationen gibt es ein Hausverbot für Lobby Control. Der Verein will nach eigenen Angaben unethische Lobbypraktiken, privilegierte Zugänge und Machtungleichgewichte aufdecken. Er wurde 2005 mit dem Ziel gegründet, Demokratie und Transparenz zu fördern. Wie viele Lobbyisten es in Berlin gibt, ist unklar. Lobby Control geht davon aus, dass es zwischen 5.000 und 6.000 sind – Tendenz steigend. Dem wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags zufolge sollen es 4.500 sein. Lobbyismus wird von Lobby abgeleitet – dem englischen Ausdruck für Vorraum oder der Vorhalle zum Parlament. Mehr als 100 Firmenrepräsentanzen haben sich nach Angaben von Lobby Control mittlerweile in Berlin angesiedelt. Der Politikwissenschaftler Marco Althaus von der Technischen Hochschule Wildau nahe Berlin geht zwar nicht davon aus, dass die nach seiner Rechnung 14.000 Verbände, die schwerpunktmäßig Interessenvertretung verfolgen, dadurch an Bedeutung einbüßen. „In einigen Fällen ist es aber so, dass Verbände nicht ausreichend handlungsfähig sind.“ Weil sie für viele ihrer Mitglieder gebündelt sprechen, brauche es Abstimmungsprozesse, die Zeit in Anspruch nehmen. „Da können Einzelinteressen natürlich schneller sein“, sagt der Wissenschaftler. Wie viele andere Unternehmen hat auch der Chemiekonzern BASF kurz nach dem Regierungsumzug 1999 eine Firmenrepräsentanz in der Hauptstadt eröffnet – am feinen Gendarmenmarkt. In Bonn gab es noch kein Büro. „Politische Kommunikation wird wegen der gestiegenen Komplexität der Fragen immer vielfältiger“, sagt Büroleiter Wolfgang Niedermark. „Oft ist dabei das Wissen unterschiedlichster Experten gefragt.“ Wenn sich Firmen eigene Dependancen nicht leisten, kaufen sie politische Interessenvertretung extern zu. Kommunikationsagenturen und Anwaltskanzleien treten auf den Plan. Die weltweit agierende PR-Agentur Burson-Marsteller, die McDonald’s zu ihren Kunden zählt, ist darunter. Deutschlandchef Karl-Heinz Heuser beobachtet seit vielen Jahren eine zunehmende Professionalisierung. „Früher hat man Lobbyarbeit betrieben, indem man sich getroffen, geredet und eine Zigarre geraucht hat. Wenn wir heute über politische Interessenvertretung sprechen, geht es um Kommunikationsstrategien“, sagt er. Etwa die Kombination aus Medienarbeit, Veranstaltungen wie Sommerfesten, Mitgliedschaften in Verbänden, Verbindungen zur Politik. „Und das alles zusammen schafft für unsere Kunden ein positives Klima, in dem sie sich entwickeln können“, sagt er. Bundestagsabgeordnete sind häufig Adressaten von Lobbyisten. Die Veränderungen in der Lobbyarbeit machen sich auch bei ihnen bemerkbar. Der Rechtsexperte und SPD-Bundestagsabgeordnete Edgar Franke sagt: „Der Wettbewerb ist härter geworden.“ Der Versuch, Politiker auf die eigene Seite zu ziehen, laufe häufig auf „informellen Bahnen“ ab. „Es wird in Netzwerken agiert“, sagt Franke. Etwa durch Angebote, in einem Unternehmen einen Beratervertrag zu erhalten. Und damit begännen die Probleme, sagt der Politiker. Es müsse nämlich deutlich erkennbar sein, wenn ein Bundestagsabgeordneter für eine Firma tätig ist, etwa als Aufsichtsrat oder Beirat. Denn es bestehe die Gefahr, dass man das Interesse verfolgt, „für seine Truppe etwas zu machen. Und dann steht nicht mehr das Allgemeinwohl im Vordergrund, sondern das wirtschaftliche individuelle Interesse.“ Das Meldegesetz sei ein Paradebeispiel, wie solche individuellen Interessen kurzfristig beachtet und Eingang in die Gesetzgebung finden – „so funktioniert das Einflussnehmen“, sagt der SPD-Politiker. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

Hoffen auf eine neue Chance

Hoffen auf eine neue Chance Dinslaken (dapd-nrw). Von geplünderten Regalen und Ausverkauf im Centbereich ist in dieser Schlecker-XL-Filiale kaum etwas zu merken, doch wenn Cornelia Samek durch den Laden geht, dann sieht sie schon, wo sich immer mehr Lücken auftun. „Vieles, was die Kunden verstärkt nachfragen, wird nicht mehr geliefert“, sagt sie und blickt auf eine Lücke bei den Damenbinden. Auch bei der Babynahrung sei der Nachschub schwach. Samek, die am Dienstag (17. Juli) 50 Jahre alt wird, ist derzeit noch Leiterin in der Schlecker-Filiale in Dinslaken. Während die handelsüblichen Schlecker-Märkte schon dicht sind, ist die Schlecker-XL-Filiale noch geöffnet. Wobei die Betonung auf „noch“ liegt, die Filiale wird steht vor Schließung, der Termin ist noch unklar. Da hat Samek schon mehr Klarheit: Ab dem 1. August ist sie von ihrem Job freigestellt, Ende Oktober folgt die Kündigung. Nach knapp 18 Jahren bei der Drogeriemarktkette muss sich die zweifache Mutter und vierfache Oma einen neuen Job suchen. Anders als in anderen Märkten gibt es in der Schlecker-Filiale in Dinslaken noch kein reduziertes Angebot, wie auch eine große Tafel im Eingangsbereich verkündet. Eventuell soll der Warenbestand an das Schwesterunternehmen „Ihr Platz“ übergehen – sofern für diesen Bereich noch in letzter Minute ein Investor gefunden wird. Die Situation für Samek und ihre Mitarbeiter ist bedrückend, Trübsinn und Trauermiene legt sie trotzdem nicht an den Tag. Rund 30 Bewerbungen hat sie schon geschrieben – sich als Straßenbahnfahrerin, Verkäuferin oder Kassiererin beworben. „Bislang habe ich nur Absagen erhalten – oder gar keine Antwort bekommen“, sagt sie. Offensichtlich habe sie wegen ihres Alters nur noch wenige Chancen auf eine neue Anstellung. Auch wegen eines Jobs als Tagesmutter hatte sie sich beim Jugendamt Wesel vorgestellt. Da diese Tätigkeit aber selbstständig wäre und zahlreiche Kinder von ihr betreut werden müssten, um den Job wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben, hat sie davon zunächst einmal Abstand genommen. Eher eine Alternative scheint dagegen eine Tätigkeit als Fußpflegerin: 2009 hatte sich Samek als halbes Jahr dazu ausbilden lassen, zwischenzeitlich hatte sie sogar schon etwa zehn Kunden betreut. Damit sie von dieser Tätigkeit leben kann, muss sie aber etwa 120 Kunden im Monat betreuen. „Und das wäre dann ein täglicher Zehn-Stunden-Job“, sagt sie. NRW-weit haben sich bis Anfang Juli 3.966 Schlecker-Beschäftigte bei den Arbeitsagenturen gemeldet – die überwiegende Mehrheit ist weiblich. 1.176 Arbeitssuchende haben sich schon wieder abgemeldet, weil sie einen neuen Job gefunden oder eine Ausbildung angefangen haben, wie eine Sprecherin der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit sagt. Den Gang zur Arbeitsagentur hat Samek auch schon absolviert, schließlich gilt es, Fristen zu berücksichtigen, um das Arbeitslosengeld rechtzeitig zu bekommen. Angesicht der unsicheren Zukunft verwundert es nicht, dass Samek verbittert und zornig wird bei der Diskussion über ihren Noch-Arbeitgeber. Vor allem das Verhalten von Firmengründer Anton Schlecker ärgert sie: „Der hat sich nicht einmal vor die Belegschaft gelegt und gesagt, dass ihm die Sache leidtut.“ Von der Insolvenz der Drogeriemarktkette habe sie von ihrer Cousine erfahren. „Die rief mich an und sagte mir, dass sie gerade im Fernsehen davon gehört hat.“ Nach Ansicht von Samek hat das Unternehmen die Misere selbst verschuldet: „Die haben falsch gewirtschaftet. Statt sich auf weniger Filialen an ausgewählten Standorten zu konzentrieren, wurden immer neue Märkte aufgemacht – und die waren an unmöglichen Stellen“, moniert die Filialleiterin. Auch beim Personal seien aus Angst vor Abfindungen keine Einschnitte eingeleitet worden, sagt Samek – die bald 50-Jährige ist selbst Betriebsrätin, doch zum Überleben des Unternehmens wären diese Schritte wohl nötig gewesen. Neben der Schlecker-Pleite muss Samek noch einen weiteren großen Umbruch in ihrem Leben bewältigen. Nach 30 Jahren Ehe trennte sie sich von ihrem Ehemann, jetzt will sie mir ihrem Lebenspartner in Hünxe zusammenziehen. Dem Freund möchte sie aber nicht auf der Tasche liegen, deshalb hofft sie weiterhin auf eine neue Chance. „Ich möchte mich selbst ernähren können“, sagt sie. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)