Bei der Abschlusspräsentation: Entstanden sind Kleidungsstücke und Designs, die die Beziehung von Sport, Mode, Fankultur und Gesellschaft neu interpretieren. (Foto: P. Pollmeier/FH Bielefeld)
Bei der Abschlusspräsentation: Entstanden sind Kleidungsstücke und Designs, die die Beziehung von Sport, Mode, Fankultur und Gesellschaft neu interpretieren. (Foto: P. Pollmeier/FH Bielefeld)

Kooperation mit Arminia Bielefeld: FH-Studierende gestalten Outfits und Fanzines aus Trikots und Fanschals

Bielefeld – Am Fachbereich Gestaltung haben sich Studierende der Studienrichtungen Mode und Kommunikationsdesign mit Fußballkultur auseinandergesetzt. Entstanden sind Kleidungsstücke und Designs, die die Beziehung von Sport, Mode, Fankultur und Gesellschaft neu interpretieren.

Trotz vorlesungsfreier Zeit ist viel los am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule (FH) Bielefeld: Models in schwarz-weiß-blauer Kleidung laufen über den Flur, Studierende kontrollieren noch einmal, ob das Oberteil auch richtig sitzt, bevor die Outfits fotografiert werden. Es ist Abschlusspräsentation des Seminars „Soccer Styles“, in dem im vergangenen Semester neue Kleidungsstücke aus aussortierten und von Arminia Bielefeld gespendeten Merchandise-Artikeln entstanden sind. Wer genau hinsieht, erkennt anhand der Farben und kleiner Schriftzüge die eigentliche Geschichte der Stoffe, die vorher einmal Trikots oder Fanschals waren.

Ein Semester lang beschäftigten sich die Studierenden der Studienrichtungen Mode und Kommunikationsdesign mit der Geschichte von Arminia Bielefeld und interpretierten die Beziehungen von Sport, Mode, Fankultur und Gesellschaft neu. Während die Mode-Studierenden neue Kleidung aus den Merchandise-Artikeln der Saison 2021/22 entwarfen, gestalteten die Kommunikationsdesign-Studierenden Fan-Magazine und Grafiken, die sich als Aufdruck auf den Kleidungsstücken und Accessoires wiederfinden.

Auseinandersetzungen mit Fußball, Gesellschaft und Fankultur  
Rückblick: Im Oktober letzten Jahres waren die Studierenden in die SchücoArena eingeladen, um mehr über die Geschichte, das aktuelle Design aber auch das soziale Engagement von Arminia Bielefeld zu erfahren. Der Rest des Gestaltungsprozesses und Themenwahl war den Studierenden freigestellt. Einzige Voraussetzung: Der Bezug zum Fußball. Entstanden sind so ganz unterschiedliche Interpretationen – von adaptiver Mode für Spielerinnen und Spieler der „Wheelsoccer“-Mannschaft, kritischen Auseinandersetzungen mit Fußball und Geschlecht oder ein ironischer Blick auf die Fankultur.

Mit Unisex-Mode Geschlechterklischees brechen
Mode-Student Cengizhan Cengiz entwarf insgesamt fünf Kleidungsstücke, darunter ein Kleid, das sich allen Körperformen anpasst und an einen Kaftan erinnert. Die Inspiration kam von Modedesigner Rudi Gernreich, der bereits in den 1960er Jahren mit Unisex-Entwürfen spielte und den Kaftan auf die Laufstege brachte. „Ich wollte die klassischen Geschlechterrollen aufbrechen und Mode entwerfen, bei der die Körperform egal ist“, erklärt Cengiz. Beim Muster des Kleids orientierte sich der Student an Lorbeerblättern, die sich im Arminia-Logo als Kranz wiederfinden. In Anlehnung an typische Fan-Posen in den Zuschauerrängen verarbeitete der 24-Jährige einen Fanschal zudem quer auf Vorder- und Rückseite des Kleides.

Von Sporttrikot zum Fashion-Statement
Fußball und Mode, passt das überhaupt zusammen? Mode-Professor Philipp Rupp initiierte das Projekt mit Arminia Bielefeld und weiß: „Die Verbindung zwischen Mode und Sport ist heute stärker als je zuvor. Fußballspielerinnen und -spieler zählen zu den größten Influencern. Sporttrikots und -bekleidung im Alltag zu tragen, erscheint uns heute als so normal und ist weltweit so stark verbreitet, dass man kaum glauben kann, dass diese Praktik relativ neu ist.“

Denn bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Welten von Sport und Mode getrennt: Besucher von Sportveranstaltungen kleideten sich formell und Sportbekleidung trug man lediglich, wenn man diesen auch ausübte. In den 1970er Jahren begannen dann die ersten Fußballclubs, Trikots zu entwerfen, die als Repliken der Spielertrikots an Fans verkauft wurden. Sporttrikots kamen in Mode und Design-Entscheidungen wurden zunehmend von der Notwendigkeit bestimmt, dass das Trikot gut aussieht, wenn es von den Fans als Fanartikel getragen wird.

Kommunikationsdesign trifft Mode
Fankultur steht im Fokus der Outfits von Paula Intrup, die sich von Fangruppierungen und Ultra-Gruppen inspirieren ließ. Auf eine Weste steppte sie Formen, die an Aufnäher der Jeanskutten erinnern. Auf eine weiße Tasche druckte sie eine Grafik der „Alm“ unter einem lachenden Vollmond, entworfen von Kommunikationsdesign-Student Samuel Görzen, der sich fragte, was nachts in einem leeren Stadion passieren könnte. 

Auch Mode-Studentin Jana Przibylla kombinierte ihre Outfits mit Ergebnissen aus dem Kommunikationsdesign. Inspiriert von den „blauen Bengeln“, dem ersten schwulen und lesbischen Fanclub von Arminia, beschäftigte sich Przibylla mit der queeren Community im Fußball. Sie entwarf bewusst keine Unisex-Kleidung sondern ein auf einen Männerkörper zugeschnittenes Kleid. Ihr zweites Outfit, ein klassisches Sportoutfit aus Jersey, bedruckte sie mit dem Vorwort aus einem queeren Fan-Magazin von Kommunikationsdesign-Studentin Monika Moor.

Bitte nachhaltig: Upcycling statt Überproduktion
Für Prof. Philipp Rupp war die Nachhaltigkeit ein zentraler Aspekt im Kooperationsprojekt: „In der Sportartikel-Branche herrscht heute das gleiche Phänomen wie in der gesamten Mode- und Textilindustrie: Überproduktion. Es werden hohe Stückzahlen produziert, die nicht immer alle verkauft werden. Adidas ‚verramschte‘ nach dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der WM beispielsweise zuletzt Unmengen an Fantrikots aus ihrem Onlineshop.“    Für viele der Mode-Studierenden war das Arbeiten mit dem dünnen Jersey oder dem Maschinenstrick der Schals neu. „Eigentlich arbeite ich mit natürlicheren Stoffen“, sagt Studentin Johanna Heitz. „Aber ich fand die Herausforderung spannend, um auch einmal neue Materialien auszuprobieren und dazuzulernen.“ Angelehnt an frühere Frauenmannschaftsoutfits, die oben sehr eng und unten weiter geschnitten waren und häufig aus Strickware gefertigt waren, schnitt die 24-Jährige die Stoffe zunächst in Streifen, um daraus neue Kleidungsstücke mit ähnlicher Silhouette zu stricken und zu häkeln. Es wird draußen bereits dunkel, als es noch einmal hektisch wird: Die Models und Studierenden kommen im großen Zeichensaal für ein Gruppenfoto zusammen – fast wie ein Mannschaftsfoto beim Fußball.

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WIR Redaktion

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