Bertelsmann übernimmt Gruner + Jahr doch nicht komplett

Bertelsmann übernimmt Gruner + Jahr doch nicht komplett Gütersloh/Hamburg (dapd). Der Medienkonzern Bertelsmann und die Verlegerfamilie Jahr wollen Europas größten Zeitschriftenverlag „Gruner + Jahr“ auch künftig gemeinsam führen. In Gesprächen über die Ausrichtung von Gruner + Jahr seien Bertelsmann und die Jahr-Holding „zu der Entscheidung gelangt, dass sie Europas größtes Zeitschriftenverlagshaus auch in Zukunft gemeinsam weiterentwickeln werden“, erklärten beide Seiten am Freitag. Die Anteilsverhältnisse an Gruner + Jahr – Bertelsmann hält 74,9 und die Familie Jahr 25,1 Prozent – blieben unverändert. Pläne für eine Komplettübernahme von Gruner + Jahr durch Bertelsmann sind damit vom Tisch. In den Gesprächen, die Bertelsmann erstmals vor zwei Monaten bestätigt hatte, sei es „eine Option gewesen, die Anteilsstruktur an Gruner + Jahr zu verändern“, sagte ein Sprecher des Medienkonzerns. Unbestätigten Berichten zufolge ging es bei der nun verworfenen Option um ein Tauschgeschäft: Bertelsmann sollte von der Jahr-Holding deren 25,1 Prozent an Gruner + Jahr erhalten, die Verlegerfamilie im Gegenzug Anteile an Bertelsmann. Dem Vernehmen nach konnten sich beide Seiten in den Gesprächen allerdings nicht über den Wert von Gruner + Jahr und damit auch nicht über den Wert der 25,1 Prozent der Familie Jahr einigen. Vor allem der Wert der Aktivitäten von Gruner + Jahr im europäischen Ausland sei angesichts der Eurokrise derzeit schwierig zu bestimmen, hieß es. Bis zu der Frage, wie viele Aktien an Bertelsmann dem 25,1-Prozent-Anteil der Familie Jahr entsprächen, sei man in den Gesprächen gar nicht gelangt. Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe lobte nach der Entscheidung „die 40 Jahre währende, erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Familie Jahr“ und sicherte Gruner + Jahr Geld für einen Ausbau des Online-Geschäftes zu: „Wir werden die starke Position von Gruner + Jahr im Mediengeschäft ausbauen, die Digitalisierung von Inhalten und Marken vorantreiben und die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung stellen“, erklärte er. Bertelsmann fühle sich dem Qualitätsjournalismus als einem Kern seiner Geschäfte verpflichtet. Auch der Geschäftsführer der Jahr-Holding, Winfried Steeger, versicherte: „Beide Gesellschafter kennen das Verlagshaus seit langem, vertrauen einander und werden Gruner + Jahr in eine gute Zukunft führen.“ In intensiven und konstruktiven Gesprächen mit Bertelsmann sei die Jahr-Holding zu dem Schluss gekommen, dass beide Seiten die anstehenden Herausforderungen für Gruner + Jahr am besten gemeinsam werden meistern könnten. Das Verlagshaus Gruner + Jahr gibt „Stern“, „Geo“, „Brigitte“, die „Financial Times Deutschland“ und gut 500 weitere Magazine und digitale Angebote in mehr als 30 Ländern heraus. Das Haus ist mit einem Umsatz von 2,3 Milliarden Euro und 11.800 Mitarbeitern einer der größten Verlage in Deutschland. Bertelsmann erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 15,3 Milliarden Euro. Zu dem Medienkonzern gehören auch die Sendergruppe RTL, der Buchverlag Random House und die Dienstleistungstochter Arvato. Der Wachstumsstrategie von Bertelsmann-Vorstandschef Rabe widerspricht der Verzicht auf eine vollständige Übernahme von Gruner + Jahr nach Angaben eines Unternehmenssprechers nicht. Der seit Januar amtierende Rabe strebt einen langfristigen Umbau von Bertelsmann an, um den Medienkonzern wachstumsstärker, digitaler und internationaler zu machen. Die Entscheidung die Eigentümerstruktur bei Gruner + Jahr beizubehalten, sei „kein Rückschlag für die Wachstumsstrategie“, sagte der Bertelsmann-Sprecher. Teil der Strategie sei die Stärkung von Kerngeschäften und die digitale Transformation. „Beides wird bei Gruner und Jahr passieren“, betonte er. Parallel zu den Gesprächen über eine neue Eigentümerstruktur bei Gruner + Jahr hatte im September der Chef des Verlagshauses, Bernd Buchholz, seinen Posten aufgegeben. Zuvor war Buchholz Ende August bereits aus dem Bertelsmann-Vorstand ausgeschieden. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)