Geschlossene Gesellschaft: Die Freimaurer im Michel

Geschlossene Gesellschaft: Die Freimaurer im Michel Hamburg (dapd-nrd). 1.500 Männer in schwarzen Anzügen, weißen Handschuhen und Schürzen schlagen ihre Hände ineinander: „Klatsch, klatsch, klatsch“, schallt es drei Mal durch das Kirchenschiff der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis. Der Gruß „auf Maurerart“, ruft der Mann vor dem haushohen Altar mit gekreuzigtem Christus den überwiegend älteren Herren zu. Hier wird gerade Freimaurer-Geschichte geschrieben – vor den Augen der Presse, als Zeichen, dass sich die geheimnisumwitterte Bruderschaft der Gesellschaft stärker öffnen will. Am Samstagnachmittag trafen sich im Michel Freimaurer aus aller Welt zum ersten Mal in einer deutschen Kirche, um kein christliches, sondern eines ihrer eigenen Rituale durchzuführen. Dabei ließen sie sich sogar von Journalisten filmen, zumindest eine Viertelstunde lang. „Bruder Großzeremonial, geleiten Sie den ehrwürdigsten Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland in den Tempel“, befiehlt der Mann vor dem Altar. Freimaurer fürchten neugierige Blicke Er heißt Bernd-Dieter Hessling, Meister vom Stuhl der Hamburger Loge „Absalom zu den drei Nesseln“. Deren Gründung vor 275 Jahren wird hier mit Freimaurern aus mehr als 50 Ländern gefeiert. Absalom ist die älteste Loge Deutschlands und Hamburg die Gründerstadt der deutschen Freimaurerei. „Bruder Großzeremonial“ holt den obersten deutschen Freimaurer, Rüdiger Templin, in den Kirchenraum und führt ihn zu Hessling, der hinter einem Tisch mit blauer Decke, Kerzen und Büchern steht. Nun übergibt der Absalom-Meister den Hammer seiner Loge feierlich an Templin, damit der das Ritual leiten kann. Dann ist schon Schluss. Zumindest für die Journalisten, die jetzt von Ordnern höflich aber bestimmt aus der Kirche geleitet werden. Die Freimaurer wollen ohne neugierige Blicke weitermachen. Vor denen schützt auch ein schwarzer Vorhang im Vorraum des Haupteingangs, wie jeden Tag strömen Touristen zu Hamburgs Wahrzeichen. „Heute wegen ganztägiger Veranstaltung keine Besichtigung des Kircheninnenraums möglich“, steht auf einem Schild. „Na toll, was ist denn da los?“, beschwert sich eine Frau. „Was die Freimaurer? Das ist doch diese Sekte!“ Genau dieses Image wollen die Freimaurer loswerden. Deshalb veranstalten sie Tage der Offenen Tür, Ausstellungen, Diskussionsrunden und haben Journalisten in den Michel eingeladen. Der Hauptpastor der evangelischen Kirche hatte der Bruderschaft das Gotteshaus, das von dem Freimaurer Ernst Georg Sonnin (1713 – 1794) mitgestaltet wurde, zur Nutzung überlassen. Aber warum werden die Freimaurer den Ruf als verschwörerischer Geheimbund nicht los? Freimaurer sollen sich outen Das liege vor allem an den Nationalsozialisten, sagt der Pressesprecher der deutschen Freimaurer, Oliver Barckhan. Die hätten sie verfolgt und falsche Gerüchte in die Welt gesetzt. Tatsächlich waren die Nazis besessen vom Geheimnis der Freimaurer – auf der Suche danach ließen sie das Logengebäude von Absalom abreißen, heute ist es ein schmuckloser 70er-Jahre-Bau. Freimaurer selbst halten Ideale wie Toleranz, Gleichheit und Humanität hoch. Unter den 1.500 Brüdern im Michel seien Angehörige aller großen Weltreligionen: Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, betont Barckhan. Natürlich schüren auch die geheimnisvollen Rituale Misstrauen. Ihre Rhetorik mittelalterlicher Steinmetze lässt die Freimaurer esoterisch anmuten. Vorwürfe, sie seien ein elitärer Herrenklub zum materiellen Vorteil, weisen führende Freimaurer wie Absalom-Meister Hessling allerdings zurück. Ihnen gehe es um die Arbeit an sich selbst, sagt er. Dennoch: Einflussreiche Männer wie Friedrich der Große, Goethe, Winston Churchill oder Axel Springer waren Freimaurer. Deutschlandweit gibt es derzeit rund 15.000, darunter nur wenige Frauen. Kein Wunder, dass der Eindruck eines elitären Herrenklubs entsteht. Wer weiß, wer noch dazu gehört? Zumindest dieses Problem wollen einige Freimaurer lösen. So rufe die englische Großloge Freimaurer, deren Vertreter am Samstag auch im Michel sitzen, dazu auf, sich öffentlich als solche zu bekennen, sagt Barckhan. Ein weiterer radikaler Schritt in der Geschichte der Freimaurer, die sich der Gesellschaft öffnen wollen ohne ihre Identität zu verlieren. dapd (Politik/Politik)