„Öl und Gas bleiben auch auf Jahrzehnte der wichtigste Energieträger“

Holger Douglas: In Zukunft werden wir ja nicht mehr von Rohstoffen leben, wenn man den Erklärungen der G-7 Staaten glauben darf, sondern von Luft, Liebe und Sonne. Wir benötigen danach keine Rohstoffe mehr. Vor allem sind die bösen Kohlenwasserstoffe in Form von Öl und Gas weg. Sehen Sie das auch so?

Thomas Gutschlag: Das ist sicherlich eine sehr blumige Beschreibung. Natürlich werden in den nächsten 30, 40, 50 Jahre gerade die fossilen Brennstoffe nach wie vor eine große Rolle spielen. Wenn man über den deutschen Tellerrand hinaussieht, dann sieht man, daß Öl und Gas auch auf Jahrzehnte hin mit Abstand die wichtigsten Energieträger bleiben, und erneuerbare Energien auch auf längere Sicht nur einen vergleichsweise geringen Anteil übernehmen werden. Insofern ist das ein bisschen Träumerei. Es kann ja jeder denken, was er will. Aber wir sehen hier ganz klar, wo unsere Geschäftschancen sind: Die sind hervorragend, weil Öl- und Gasförderung ein wachsender Markt ist und dazu noch weltweit von großer Bedeutung.

Holger Douglas: Erstaunlich ist, daß Sie auch in Deutschland wieder in diesen Markt einsteigen. Früher gab es hier zwar eine Reihe von Öl- und Gasbohrungen; Vorkommen gibt es ebenfalls genug, allerdings nicht so reichhaltig wie in anderen Ländern. Wieso steigen Sie jetzt wieder ein?

Thomas Gutschlag: Es ist schon ein bisschen länger her. Wir sind schon seit 2007 mit einer Gesellschaft in Heidelberg aktiv. Das Ziel war ursprünglich, alte Öl und Gasfelder wieder zu erschließen. Die Gesellschaft ist im Rheintal und im Voralpenland in Bayern aktiv, wo man auch schon seit Jahrzehnten Öl fördert, und da sehen wir nach wie vor gute Chancen.
Es gab vor einigen Jahren in Speyer einen sehr großen Fund, bei dem man 50 Millionen Barrel nachgewiesen hat – nicht wir, sondern ein großer Konzern -, das ist natürlich schon eine Größenordnung, die sehr lohnenswert ist.

Holger Douglas: Und zu welchen Kosten kann dort gefördert werden?

Thomas Gutschlag: Das ist schon teurer als in manchen anderen Gegenden auf der Welt, aber aus unserer Sicht bei den jetzigen Preisen durchaus rentabel.

Holger Douglas: Auch im Hessischen Ried gab’s früher schon Ölförderung.

Thomas Gutschlag: Ja und drei neue Bohrungen sind dort in der Zwischenzeit unternommen worden. Ab August soll dort auch eine Förderung von Öl beginnen.
Im Rheintal wird übrigens schon seit fast 100 Jahren Öl gefördert. Und es gab auch in den ganz flauen Jahren immer eine Förderung zum Beispiel in Eich auf der rheinland-pfälzischen Seite gegenüber von Pfungstadt und auch in Landau in der Pfalz. Wenn man dort durch die Weinberge läuft, sieht man ab und zu die Pferdekopfpumpen. Insgesamt sind es – glaube ich – 70 Stück, die da stehen. Eine solche Ölpumpe erwartet man nicht unbedingt in der Pfalz, aber seit über 50 Jahren ist dort der Abbau in Betrieb und immer noch mit guten Raten und sogar wieder zunehmend.

Holger Douglas: Weitere Förderstätten gibt es ja noch in Niedersachsen.

Thomas Gutschlag: Dort ist das Zentrum der deutschen Öl- und Gasförderung, in der Nordsee und im Norddeutschen Becken. Dort gibt es viel mehr als in Süddeutschland. Niedersachsen bezieht auch einen nicht unwesentlichen Anteil seiner Staatseinnahmen aus der Öl- und Gasförderung. 1859 hat es in Wietze mit der Ölförderung angefangen. Das ist eine der ersten Ölbohrungen weltweit überhaupt gewesen. Das war damals eine sehr flache Förderung, da hat man nicht sehr viel machen müssen.
Doch der Schwerpunkt der Erdölfördertechnologie liegt sicher nicht in Deutschland. Es fehlt der Heimatmarkt, auf dem man neue Technologie testen kann.

»Die deutsche Diskussion ist aus meiner Sicht ein bißchen provinziell«

Holger Douglas: In Deutschland sollen – wenn es nach einigen geht – möglichst keine Energien mehr aus Kohle, Öl und Gas benutzt werden. Was bedeutet das für die Märkte?

Thomas Gutschlag: Wir schauen nicht so sehr auf Deutschland. Wir sind weltweit tätig mit Schwerpunkt USA im Öl- und Gassektor. Die deutsche Diskussion ist aus meiner Sicht ein bisschen provinziell. Das ist nicht über den Tellerrand hinaus geschaut, sondern man erträumt sich das eigene kleine Glück. Die Welt funktioniert anders. Die Förderung von Kohlenwasserstoffen ist ein riesiger und auch ein sehr wichtiger Markt. Darauf basiert die Energieversorgung der Menschheit und das auch noch die nächsten Jahrzehnte. Wer etwas anderes behauptet, der erzählt einfach Unsinn.
Das kann man bei allen Forschungsinstituten und Leuten, die sich damit befassen, nachlesen. Von daher schauen wir, wo in diesem Markt die Musik spielt, und das ist ganz klar eben nicht in Deutschland. In Deutschland will man es nicht so – gut, wenn es so ist, dann ist es so. Wir orientieren uns dann eben anderweitig. Und so geht es auch vielen Firmen. Es gibt ja in Deutschland eine Reihe von weiteren Öl- und Gasfirmen, die erfolgreich irgendwo anders tätig sind.

Holger Douglas: Bereitet Ihnen das Sorgen? Das ist ja eine Art Deindustrialisierung, von der man reden kann?

Thomas Gutschlag: Ja, Energie ist natürlich schon das Schmiermittel der Wirtschaft. Wenn man das unnötig verteuert, dann wird man natürlich über kurz oder lang Probleme bekommen, das ist ganz klar. Während man anderswo davon profitiert, daß die Energie in den letzten Jahren eher billig geworden ist – gut, dann wird man Konsequenzen spüren, die spüren Sie jetzt schon. Da wird es irgendwann vermutlich auch ein Umdenken geben.
So verstehe ich politische Prozesse. Man geht einige Schritte und stellt dann irgendwann fest: So geht es nicht weiter. Dann kommt ein Umdenken, und dann geht es wieder in die andere Richtung. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.

Holger Douglas: Schaut man nach Amerika, sieht man, dass die neue Fracking-Technologie komplett den Energie- und den Weltmarkt umgeworfen hat. Wie beurteilen Sie diese neue Situation?

Thomas Gutschlag: In den USA hat man es in den letzten Jahren verstanden, durch Pioniere, die dort Großartiges geleistet haben, Öl und Gas aus Schichten zu fördern, aus denen man früher nicht fördern konnte, weil der Zufluss in eine Bohrung ökonomisch nicht ausgereicht hatte. Letztendlich ist der US-Markt extrem wettbewerbsintensiv, von daher kommt auch der Innovationsschub sehr schnell zustande. Die Technologie, die dort im Horizontalbohren und Fracking angewandt worden ist, ist sehr schnell immer besser geworden und hat sich lawinenartig ausgebreitet.
Dann ist auch sehr viel Geld in den Markt hineingeflossen. Da tut ebenso der US-Kapitalmarkt sein Übriges, der auch sehr weit entwickelt ist. Dadurch ist innerhalb von fünf Jahren die US-Ölförderung von 6 Millionen Barrel am Tag auf neuneinhalb Millionen hochgeschossen. Das hat letztendlich den gesamten weltweiten Ölmarkt beeinflusst und erst einmal zu einem Preisrückgang geführt, der interessanterweise in den USA bisher gar nicht einmal zu einem Produktionsrückgang geführt hat, weil man da auch wieder sehr schnell gelernt hat, wie man pro Bohrung mehr fördern kann und deshalb auch wieder jede einzelne Bohrung wirtschaftlicher ist und auch mit niedrigeren Preisen klarkommen kann. So versteht man es, im Markt zu bleiben.

Holger Douglas: Diejenigen, die hierzulande sagen: ‚Fracking – wie furchtbar‘, erzählen, daß bereits wieder Bohrlöcher zugemacht werden und die Produktion zurückgefahren wird, weil die Preise runtergegangen sind. Stimmt das denn?

Thomas Gutschlag: Es gibt sehr viele Bohrgeräte, die außer Betrieb genommen sind. Es wird auch nicht mehr in gleichem Umfang neu gebohrt, aber die Produktion ist bisher nicht zurückgegangen. Sie ist gleich geblieben oder sogar weiter angestiegen. Pro Bohrung wird mehr gefördert; es sind Bohrungen in Betrieb genommen worden, die vor einigen Monaten noch zu Zeiten höherer Preise gebohrt worden sind. Irgendwann wird es dann einen Rückgang geben, aber der wird wahrscheinlich nicht allzu groß ausfallen, so wie es jetzt aussieht.

»Ein klareres Ergebnis kann eigentlich nicht erzielt werden.«

Holger Douglas: Unternehmen wie BASF bauen ja in Amerika Fabriken zum Beispiel für Ameisensäure, die man für diese Technologie braucht. Hier wird dagegen lauthals beklagt, wie gefährlich Fracking ist. Ganz wesentlich hat ein unsinniger Film zu diesem Meinungsbild beigetragen. Was sagen Sie dazu?

Thomas Gutschlag:Es gab gerade eine Veröffentlichung der amerikanischen Umweltbehörde. Die hat fünf Jahre lang die vermeintlichen Auswirkungen von Fracking auf das Grundwasser und auf die Wassersysteme im Untergrund untersucht und hat, wenn man das Ergebnis zusammenfasst, nichts gefunden. Es gibt in den USA über zwei Millionen Bohrungen, die seit 60 Jahren gefrackt worden sind.

Die Technologie ist ja auch nicht wirklich neu, sie ist in den letzten Jahren nur weiter entwickelt worden. De facto gibt es keinerlei nachweisbare Auswirkungen auf Grundwasser, auf irgendwelche Bedürfnisse der Menschen, die auf der Oberfläche wohnen. Man kann, glaube ich, davon ausgehen, dass die amerikanische Umweltbehörde in keinem Fall das irgendwie nachlässig untersucht hat. Ganz im Gegenteil.

Die Kontrollen sind in den USA sehr viel strenger. Es wird dort sehr viel intensiver solch einem Thema nachgegangen, als das wahrscheinlich hierzulande der Fall wäre. Ein klareres Ergebnis kann eigentlich nicht erzielt werden. Und es wird trotzdem bei uns die Diskussion nicht verändern, weil das Thema Fracking sich als das Böse schlechthin etabliert hat – hat man den Eindruck. Es hat vielleicht die Kernenergie als den bösen Buben abgelöst. Irgendein Feindbild brauchen bestimmte Gruppen auch immer.

Holger Douglas: Aber dennoch sehen Sie im Erzgebirge beispielsweise nach, ob sich alte Gruben wieder öffnen lassen und Rohstoffe abbaubar sind?

Thomas Gutschlag: Soviele Gruben sind es nicht mehr. Wir haben im Erzgebirge Lizenzen nur noch für Zinn, und wir arbeiten in der Tat daran. Das ist allerdings aufgrund des Preisumfeldes im Augenblick nicht einfach. Die Metallpreise haben alle den Rückwärtsgang eingelegt, da ist Deutschland als Standort nicht unbedingt optimal. Das liegt nicht nur an Regulierungsthemen, die sind zwar nicht unbedingt immer hilfreich. Aber es liegt auch daran, daß die Lagerstätten im Erzgebirge nicht zu denen gehören, die die höchsten Gehalte aufweisen oder am einfachsten abzubauen wären.

Im Gegenteil: Man hat eher durch die geologische Komplexität relativ hohe Kosten, das macht es dann bei den niedrigen Preisen schwieriger. Also auch im Metallbereich liegt unser Schwerpunkt eher außerhalb Deutschlands.
Wobei: Einfach ist es nirgendwo. Wenn jemand das erzählt, macht er nur etwas vor.

Wir sind zum Beispiel in Australien tätig. Das ist ein Riesenkontinent, auf dem es viele Gebiete gibt, in denen noch vieles unerschlossen ist. Wir haben eine Beteiligung in der Mt. Isa-Region in Queensland – das ist der Bundesstaat im Nordosten von Australien -, wo sehr viele Minen von ganz großen Gesellschaften bestehen. Dort sind wir an einer sehr interessanten Landposition beteiligt, die ein erhebliches Potential aufweist. Das ist schon eine ganz andere Ausgangslage als im Erzgebirge, wo es zwar auch sehr viele Vorkommen gibt, die aber in der Regel von den Metallgehalten – also Metall pro Tonne -, her gesehen nicht so gut und von der Komplexität her deutlich schwieriger sind.

»Es gibt keine Knappheit an Rohstoffen.«

Holger Douglas: Rohstoffe liegen noch genügend in der Erdkruste?

Thomas Gutschlag: Absolut. Egal in welchem Bereich, egal ob Öl, Gas oder Metalle: Es gibt keine Knappheit an Rohstoffen. Es ist immer nur eine Frage des Preises und der verfügbaren Technologie. Da gibt es auch einen klaren Zusammenhang: Wenn die Preise steigen, werden neue Technologien entwickelt. Das ist im Bergbau schon immer so gewesen – seit es Bergbau gibt. Mit der neuen Technologie kann man wieder Vorkommen erschließen, die vorher nicht wirtschaftlich waren. Steigt das Angebot, sinken die Preise wieder. Dann kommt eine Phase, in der die Preise niedriger sind und wenig Aktivität ist. Aber irgendwann zieht die Nachfrage wieder an, der Kreislauf geht von vorne los. Das ist eigentlich ein sehr gut funktionierender Marktmechanismus. Solange da nicht unnötig eingegriffen wird, muss man sich keine Sorgen machen, daß nicht genügend Rohstoffe zur Verfügung stehen.

Holger Douglas: Das bedeutet: Nachhaltigkeit nutzt nichts. Es ist also nicht sinnvoll für den Menschen, Rohstoffe zu sparen, aufzuheben, wie es die Ideologie der Nachhaltigkeit ja betont?

Thomas Gutschlag: Es gibt ja stattdessen den Preismechanismus. Wenn etwas knapp wird, dann wird es teuer. Dann wird weniger verbraucht, dadurch nimmt die Knappheit wieder ab.
Wie gesagt: Es gibt einen Preismechanismus. Wenn man den machen lässt und nicht unnötig eingreift, dann gibt der klare Signale, was knapp ist oder nicht. Dann wird es teurer, und dann wird der Verbrauch automatisch eingeschränkt.

Man hat das sehr schön 2008 gesehen, als der Ölpreis auf fast 150 $ hochgeschossen ist. Da kamen urplötzlich alle Autohersteller mit Programmen zur Senkung von Benzinverbrauch und mit neuen Ankündigungen für Effizienzsteigerungen und und und … auf den Markt. Da ist in der kurzen Zeit mehr passiert als durch all die staatlichen Förderungen Jahre und Jahrzehnte davor. Da hat der Preis sozusagen eine Schockwelle durch den Markt getrieben. Die hat Reaktionen hervorgerufen, und dann ist etwas passiert. Und so funktionieren Märkte.

Das Gleiche geschieht bei den Seltenen Erden. Das ist auch ein Bereich, in dem wir tätig sind. Da gab es 2011 einen großen Preisaufschwung – in dem Fall allerdings nicht durch Knappheit verursacht, sondern durch die chinesische Regierung, die Exportquoten erlassen hat. Die Preise haben sich teilweise innerhalb von einem Jahr verzehnfacht. Das hatte auf Seiten der Verbraucher, also der Industrie, die Seltene Erden verarbeitet, eine Schockwelle und Reaktionen dahingehend ausgelöst, daß die versucht haben, die Seltenen Erden durch andere Stoffe zu ersetzen. Das hat wiederum die Nachfrage deutlich gesenkt, was dann dazu geführt hat, daß innerhalb der letzten vier Jahre die Preise wieder auf das Ausgangsniveau zurückgefallen sind – allerdings mit ziemlich verheerenden Auswirkungen auf den gesamten Markt. Die Nachfrage ist ein Stück weiter runter gegangen, die Anbieter, also diejenigen, die Seltene Erden ausgraben, haben jetzt ziemlich zu leiden. Es herrscht eine totale Konfusion in dem Markt, die durch die chinesische Regierung ausgelöst worden ist. Hätte man den Markt machen lassen, dann wäre es sicherlich wesentlich geordneter abgelaufen.

Holger Douglas: So selten sind die Seltenen Erden ja nicht?

Thomas Gutschlag: Nein, so selten sind die nicht. Aber zu jetzigen Preisen sind sie schwer wirtschaftlich zu fördern. Das muss man auch feststellen: Es ist momentan ein hohes Risiko, in diesem Markt tätig zu sein.
Es gibt aber auch ein sehr hohes Potential für weitere Anwendungen auch bei LEDs; die Autohersteller verbrauchen relativ viel, Solarzellen, Windkraft, Mobiltelefone – die Verarbeiter brauchen aber eine gewisse Sicherheit, daß diese Stoffe zu vertretbaren Preisen zu beschaffen sind. Wenn solche irrsinnigen Preisausschläge kommen, dann ist das nicht wirklich hilfreich.

Holger Douglas: Wie beurteilen Sie die politischen Folgen des Engagements von China, das sich vor allem in Afrika sehr viele Rohstoffe häufig gegen zum Beispiel Waffen oder Infrastruktur sichert. In diesem Spiel stehen die Europäer ziemlich außen vor.

Thomas Gutschlag: Das ist ein komplexes Thema. Wir sind in Afrika zwar nicht direkt tätig, von daher haben wir nicht zu viele Anknüpfungspunkte. Besonders beliebt sind die Chinesen jedenfalls nicht. Ganz langfristig gedacht, kann das sicherlich Probleme mit sich bringen.
Auf der anderen Seite muss man sagen: Die Chinesen haben bisher mit ihren Auslandsinvestitionen – das haben wir zumindest in Australien gesehen – nicht unbedingt immer ein glückliches Händchen. Die haben ziemlich viel Geld versenkt. Wenn das in Afrika genauso dilettantisch wie in Australien gemacht worden ist, dann muss man sich davor nicht fürchten.

»Wir sind in übermäßigen Regulierungen gefangen.«

Holger Douglas: Wie sehen Sie die industriepolitische Zukunft in Deutschland? Es wird eher alles eingeschränkt, es gibt wenige Investitionen von der Industrie.

Thomas Gutschlag: Ich denke, es wäre sinnvoll, wieder einen gewissen Schub, eine neue Dynamik zu erzeugen. Wenn man die Wachstumszahlen sieht, dann jubeln wir schon, wenn wir 1,5 % zulegen. Das ist natürlich im Vergleich zu USA oder anderen aufstrebenden Ländern eigentlich nichts. Und das auch noch in einem Umfeld, in dem alles Mögliche zur Unterstützung getan wird; Zinsen sind extrem niedrig. Eigentlich hätte das Ganze abheben müssen. Insofern fragt man sich schon, was da eigentlich schief läuft. Eine klare Antwort darauf habe ich auch nicht.
Ich glaube aber schon, daß wir in übermäßigen Regulierungen gefangen sind, in zu hohen Steuern, in zu hohen Belastungen gerade von Durchschnittseinkommen. Man muss sich nur mal umschauen, was einem gut ausgebildeten Fachmann bleibt – ob das ein Ingenieur oder ein Geologe ist -: Die verdienen gut, aber was dann davon netto übrigbleibt, ist schon traurig. Das ist nicht unbedingt leistungsfördernd und dient nicht dazu, daß die Leute Kapital bilden, mit dem sie sich zum Beispiel auch einmal selbständig machen könnten. Ich glaube, da muss man schon ein bisschen Nachjustieren – vorsichtig ausgedrückt -, um mehr Dynamik zu erzeugen.

Holger Douglas: Sie sehen sehr gut, was sich Vergleichbares in Amerika oder Australien tut.

Thomas Gutschlag: Das ist durchaus interessant. Der amerikanische Markt ist schon irrsinnig flexibel. Das sieht man im Arbeitsrecht, wo man innerhalb von einer Woche jemanden einstellen kann. Die Mobilität dort ist extrem hoch, die Wettbewerbsintensität ist extrem hoch. Man hat dort eine ganz andere Dynamik in den Märkten. Das ist ganz klar erkennbar.
Australien ist eher wie Deutschland: Ziemlich verkrustet in vielen Bereichen, gerade im Arbeitsmarkt ein ganz, ganz schwieriges Land. Das führt auch dort ganz klar zu einer Lähmung. Die Australier tun sich ziemlich schwer, da wieder ein bisschen mehr Schwung hinein zu bekommen.

Holger Douglas: Tony Abott, der liberale australische Premierminister, stößt dabei gerade bekanntlich auf ziemliche Widerstände.

Thomas Gutschlag: Ja, das ist eben immer so: Wenn man Pfründe versucht wieder wegzubekommen, dann kämpfen Leute wie Löwen drum, daß sie die behalten dürfen. Also da muss man wahrscheinlich gewisse historische Situationen nutzen, um solche Widerstände zu überwinden.

»Das dient eher dazu, gute Beamte und Angestellte hervorzubringen.«

Holger Douglas: Uns bleibt hier in Deutschland eigentlich nur Bildung. Das ist – etwas zugespitzt formuliert – das Einzige, was wir haben. Reicht das?

Thomas Gutschlag: Klar, wir haben seit 15 Jahren eine Riesenbildungsdiskussion. Es gibt Bildungseinrichtungen wie Sand am Meer, und die Zahl der Studenten nimmt zu. Ob das wirklich alles so toll ist, daran habe ich meine Zweifel. Es wird, glaube ich, viel Unsinniges gelehrt und gelernt. Das Unistudium ist mittlerweile sehr verschult.
Das alles dient wohl eher dazu, gute Beamte und gute Angestellte hervorzubringen, aber jetzt nicht unbedingt Leute mit Visionen oder Unternehmer beispielsweise, die auch mal eine Risikobereitschaft zeigen, oder die auch mal Dinge abseits der ausgetretenen Pfade machen.
Es werden Wege vorgegeben. Es wird sogar immer schlimmer, weil es schon in frühen Jahren eine unglaubliche Spezialisierung gibt. Und wer sich auf einen solchen Pfad begibt, der kommt dann nicht mehr auf die Idee, daß er auch einen anderen Weg gehen könnte. Da muss man sicherlich einmal nachdenken, wie man mehr gedankliche Unabhängigkeit hineinbringt.

Holger Douglas: Das setzt aber auch mehr ein freiheitliches Denken voraus – vielleicht ähnlich wie in Amerika?

Thomas Gutschlag: Unbedingt. Es ist hierzulande sicher mehr das Ziel, daß man irgendwie in eine sichere Position kommt. Man verzichtet, glaube ich, lieber auf Möglichkeiten zugunsten von Sicherheit. Das wird vielleicht auch ein Stück weit durch das ganze Ausbildungssystem und das ganze Sozialsystem forciert. Man wird ja früh mit Fragen bombardiert, ob man genügend Rente bekommt. Wenn man sich mit 20 schon über die Rente Gedanken macht, dann muss ich sagen, dann hat man es auch nicht anders verdient.

Man müsste sich aber so viel Freiheitsgrade erhalten, dass man sagt, O.K., was in 50 Jahren ist, das werde ich schon irgendwie hinkriegen.
Allerdings bin ich nicht so pessimistisch zu glauben, dass das immer nur in eine Richtung geht. Ich glaube, erfahrungsgemäß gibt es immer wellenförmige Bewegungen. Was mal zehn Jahre in die eine Richtung geht, schwappt dann wieder in die andere. Irgendwann kommt dann auch wieder der Punkt, an dem die Leute merken, so funktioniert es nicht.

Holger Douglas: Kommen wir am Schluß noch einmal zur Bedeutung der Energie und der Rohstoffe: Wohin wird sich Ihrer Ansicht nach das politische Kräfteverhältnis entwickeln mit einem Amerika, das durch ungeheuer günstig gewordene Energie getrieben die energiepolitische Landkarte richtiggehend verschoben hat. Möglicherweise reduzieren die Vereinigten Staaten militärisches und politisches Engagement im Mittleren Osten. Was bedeutet das Ihrer Ansicht nach?

Thomas Gutschlag: Große Veränderungen geschehen schon sehr langfristig. Ob die Amerikaner ihr Engagement in absehbarer Zeit so deutlich reduzieren, weiß ich nicht. Dafür ist der Mittlere Osten zu sehr Drehscheibe nach Asien, nach Russland. Daß Amerika den Mittleren Osten aufgibt und anderen Mächten überlässt, kann ich mir nicht so richtig vorstellen. Dafür ist auch das Öl dort nach wie vor viel zu bedeutsam.
Die Förderung in den USA hat zwar ein Stück weit mehr Unabhängigkeit gebracht, aber nicht völlige Unabhängigkeit. Die Amerikaner brauchen 20, 25 Millionen Barrel am Tag, und fördern selber neun. Da kommt immer noch eine ganze Menge aus dem Ausland, und da wird ein großer Teil aus dem arabischen Raum dabei sein.

Von daher glaube ich, daß sich das Mächteverhältnis nur sehr langfristig verschieben wird. Europa wird wahrscheinlich weiterhin keine Rolle spielen – das kann man ziemlich sicher sagen.
Die Frage ist, wie sich China entwickelt. Das hat wahrscheinlich den größten Einfluss auf die globalen Kräfteverhältnisse. Ich glaube, das es fast unausweichlich ist, daß die Chinesen militärisch und machtpolitisch eine größere Rolle spielen. Das ist mit der zunehmenden ökonomischen Stärke, die wahrscheinlich kommt, verbunden. Die Erfolgsstory dort wird sicherlich weitergehen. Dann werden die auch mehr Einfluss in der Welt nehmen wollen, um ihre Interessen zu sichern.

Holger Douglas: Wo können Sie als Deutsche Rohstoff AG sich positionieren?

Thomas Gutschlag:Wir sind ja nur ein relativ kleiner Mitspieler in dem Haifischbecken, aber wir sehen für uns gute Chancen, weil wir bestimmte Dinge ganz gut können und verstehen und bestimmte Märkte ganz gut verstehen. Es sind relativ große Märkte, die jede Menge Chancen bieten. Da ist uns nicht bange, dass wir nicht weiterhin einen erfolgreichen Weg gehen können.

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Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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