NSU-Ausschuss hält Vertuschung beim Verfassungsschutz für erwiesen

NSU-Ausschuss hält Vertuschung beim Verfassungsschutz für erwiesen Berlin (dapd). Der Verfassungsschutz hat nach Erkenntnissen des NSU-Ausschusses versucht, die Vernichtung von Akten zu verschleiern. Dies bestätigten am Donnerstag die Obleute aller Bundestagsfraktionen nach einer Sondersitzung in Berlin. „Es gab eine Vertuschungsaktion“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Unklar sei jedoch weiter, aus welchem Grund der verantwortliche Referatsleiter der Behörde seinerzeit die Vernichtungsaktion anwies, ob es sich um „maximale Schlamperei“ oder eine „gezielte Aktion“ gehandelt habe. Zu dem Fall hatte zuvor der von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eingesetzte Sonderermittler Hans-Georg Engelke berichtet. Er habe den „chronologischen Ablauf der Geschehnisse“ inzwischen „gut erfasst“, sagte Engelke vor Journalisten. Zur „Motivlage“ des Referatsleiters könne er hingegen noch nichts sagen. Die betroffenen Akten stammen aus der sogenannten Operation „Rennsteig“ des Verfassungsschutzes zwischen 1997 und 2003. Dabei ging es um den Einsatz von V-Leuten im Umfeld des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes. Dieser Vereinigung gehörten seinerzeit auch die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an. Engelke, der Unterabteilungsleiter für Verfassungsschutz im Innenministerium ist, musste zudem zu einer Löschaktion im eigenen Haus Stellung nehmen. Auch hier sieht der Ausschuss noch offene Fragen. Beide Aktenvernichtungen gelten als brisant, weil die jeweilige Aktion stattgefunden hat, noch nachdem der NSU im November 2011 aufgeflogen war. Den Terroristen werden bundesweit zehn Morde zur Last gelegt. Aufgrund der Panne beim Verfassungsschutz kündigte der amtierende Präsident Heinz Fromm inzwischen seinen Rückzug an. Das Innenministerium argumentierte, es habe in dem eigenen beanstandeten Fall eine routinemäßige, rechtmäßige Löschung stattgefunden. Dabei gehe es um insgesamt 126 Akten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu sogenannten G-10-Maßnahmen (Kontrolle des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs), von denen sechs einen Bezug zum Rechtsextremismus hätten. Allerdings bestehe hier kein direkter Zusammenhang mit dem NSU, hieß es. Edathy kündigte an, der Ausschuss werde die Sicherheitsbehörden nun per Brief auffordern, einen Aktenvernichtungsstopp bis zum Ende der Untersuchungen zu verhängen. Der FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff sprach mit Blick auf das Innenministerium von „Unregelmäßigkeiten“ und forderte, der Datenschutzbeauftragte des Bundestages solle Löschvorgaben und -praxis prüfen. Grünen-Innenexperte Wolfgang Wieland bezweifelte, ob die geschredderten Abhörakten tatsächlich keinen Bezug zum NSU hätten. Dies müsse erst „ganz genau“ untersucht werden, sagte er. Unions-Obmann Clemens Binninger verlangte, die „Löscherei“ von Akten müsse bis zum Ende der Untersuchung aufhören. Zur Akten-Affäre des Innenministeriums sagte der CDU-Politiker, es handele sich hier um eine „Mischung“ aus organisatorischen Mängeln und einer fehlenden Sensibilität. Grünen-Politiker Christian Ströbele sah nach der Sitzung „genau“ zwei offene Fragen: Wie viele Akten wurden vom Verfassungsschutz Ende 2011 aus anderen Sachbereichen vernichtet? Und: Gibt es auch Abhörprotokolle von Personen, die mit dem Terrortrio Kontakt hatten? Als wisse er bereits mehr, als er verraten wolle, fügte er hinzu: „Ob zumindest eine Person beteiligt war, die eine enge Beziehung zu einer Frau aus diesem Trio gehabt haben soll.“ Bekannt wurde derweil, dass die Freie Universität Berlin (FU) dem designierten Nachfolger von Fromm, Hans-Georg Maaßen, am 11. Juli 2012 eine Honorarprofessur verweigerte. Wie „Spiegel-Online“ berichtete, lehnte eine Mehrheit der Mitglieder des Akademischen Rats die Ernennung mit Verweis auf dessen Haltung im Fall Kurnaz ab. Der Deutsch-Türke saß mehrere Jahre unschuldig im US-Gefangenenlager Guantanamo, ehe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2006 seine Freilassung erwirkte. Maaßen, der seinerzeit als Beamter des Innenministeriums mit dem Fall befasst war, hatte in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages den Umstand als rechtens verteidigt, dass Kurnaz‘ Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zwischenzeitlich erloschen war. dapd (Politik/Politik)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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