Neue IHK-Prüfungsverordnungen stellen Prüfer und Teilnehmer vor Herausforderungen

Am 30. Oktober 2015 wurde die neue Prüfungsverordnung für Bilanzbuchhalter im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die neue Verordnung tritt zum 1. Januar 2016 in Kraft und verlangt allen Seiten viel ab.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Verordnungen für Aus- und Fortbildungen überarbeitet. Zentrale Anforderung ist dabei die stärkere Orientierung an der beruflichen Praxis. Zuletzt verordnete das Bundesministerium für Bildung und Forschung die neue Prüfungsverordnung für Bilanzbuchhalter. Udo Binias, ehemals Geschäftsführer der Thyssen Rheinstahl Technik GmbH, heute Ehrenpräsident des Bundesverbands der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC), hat selbst am Rahmenplan mitgewirkt und sieht der überarbeiteten Fassung mit Skepsis entgegen:

„Die Aufstiegsfortbildung zum Bilanzbuchhalter war schon immer äußerst anspruchsvoll, das verschaffte erfolgreichen Absolventen deshalb auch großes Ansehen auf dem Arbeitsmarkt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die neue Verordnung Erleichterungen für Teilnehmer bedeuten wird. Die Reduzierung von sechs Einzelklausuren auf nur noch drei übergreifende schriftliche Arbeiten soll jedenfalls mehr Praxisnähe bringen. Klar ist zum jetzigen Zeitpunkt aber nur, dass die neue Struktur für alle Beteiligten neues Terrain ist.“

Mangelndes Know-how der Prüfer könnte Fachkräftemangel verstärken

Die neue Verordnung stellt Aufgabenersteller vor die Herausforderung, passende Sachverhalte zu konstruieren, die den Schwierigkeitsgrad der Prüfung für Teilnehmer nicht noch weiter erhöht. Insbesondere besteht jedoch ein Problem auf Seite der Prüfenden. „Es gibt nur wenige Prüfer, die alle Fachbereiche so gut überblicken, dass eine faire Korrektur der Arbeiten möglich ist. Wir laufen jetzt ganz klar Gefahr, dass Prüfungen schablonenartig nach vorgegebenen Lösungswegen wie in der Fahrschule abgehakt werden“, mahnt BVBC-Ehrenpräsident Binias.

Während Prüfer bisher vornehmlich in ihren Spezialgebieten tätig waren, müssen sie nun Aufgaben beurteilen, die gleich mehrere Fachbereiche betreffen. Wenn die Korrektoren alternative Lösungswege aufgrund mangelnden Know-hows im jeweiligen Fachgebiet jedoch nicht richtig bewerten, könnte sich das negativ auf die Bestehensaussichten der Teilnehmer auswirken. „Leider gibt es hierzu von den Kammern keine verlässlichen Statistiken. Wir wissen jedoch, dass die Bilanzbuchhalterprüfung zu den schwierigsten Aufstiegsfortbildungen überhaupt gehört und ein nicht unerheblicher Teil durchfällt. Da wir schon heute von einem Fachkräftemangel sprechen, würden sinkende Bestehensquoten nicht nur potenzielle Teilnehmer demotivieren, sie kämen auch der Wirtschaft teuer zu stehen“, gibt Binias zu Bedenken.

Neue Verordnung verschafft Teilnehmern Wahlmöglichkeiten

Noch ist unklar, wie sich die neue Prüfungsordnung bewähren wird. Eine Überarbeitung der aktuellen Fassung war nach Markus Kessel, Geschäftsführer des Bundesverbands der Bilanzbuchhalter und Controller, dennoch richtig. „Vieles wurde in der neuen Fassung umgesetzt, was wir als Verband angeregt haben. So verschlankt die in die Verordnung integrierte Zusatzqualifikation „Internationale Bilanzbuchhaltung“ den umfangreichen Stoffplan. Inhalt, der vorher verpflichtend war, ist nun fakultativ. Auch die mündliche Prüfung erlaubt Teilnehmern mehr Gestaltungsfreiraum, indem sie vorher ein Thema wählen und vorbereiten können. Das ist an Hochschulen längst so üblich. Da die Bilanzbuchhalterprüfung gemäß Europäischem Qualifikationsrahmen (EQR) gleichwertig mit dem Bachelor-Abschluss ist, war diese Anpassung überfällig.“

Mit der neuen Prüfungsverordnung können Absolventen künftig auch schneller die Ausbilder-Eignungsprüfung ablegen, weil sie durch die Bilanzbuchhalterprüfung vom schriftlichen Prüfungsteil befreit sind. Damit passte das Bildungsministerium die neue Verordnung zahlreichen anderen IHK-Fortbildungsprüfungen an, die bereits den Anforderungen der Ausbilder-Eignungs-verordnung entsprechen.

Der Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) rät angehenden Prüfungsteilnehmern, sich die aktuelle und neue Verordnung genau anzusehen und abzuschätzen, was besser zum eigenen Lerntyp passt. Übergangsvorschriften erlauben auf Antrag noch eine Teilnahme nach der derzeit gültigen Fassung bis zum 31. Juli 2019. Bei Unklarheiten steht der BVBC Prüfungsinteressierten beratend zur Seite.

Udo Binias ist Geprüfter Bilanzbuchhalter und arbeitete zuletzt als Geschäftsführer der Thyssen Rheinstahl Technik GmbH. Seit 1997 ist er Ehrenpräsident des Bundesverbands der Bilanzbuchhalter und Controller e.V. (BVBC).

www.bvbc.de

Veröffentlicht von

Sascha Brinkdöpke

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