Karstadt im Umbruch

Karstadt im Umbruch Essen/Rheinbach (dapd-nrw). Keine Filialschließungen, kein Personalabbau trotz Neuausrichtung: Vor einem Jahr hörten sich die Ankündigungen aus der Chefetage noch beruhigend für die etwa 25.000 Karstadt-Beschäftigten in Deutschland an. Doch seit Montagabend ist es mit der Ruhe vorbei. 2.000 Stellen will das Unternehmen bis 2014 streichen. Dass dies den Traditionskonzern vor dem Verfall retten kann, bezweifelt Handelsexperte Thomas Roeb jedoch. „Ich kenne kein Unternehmen, das primär durch Stellenabbau erfolgreich saniert wurde“, sagt der Professor der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Rheinbach in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Meist sei ein Stellenabbau der Anfang vom Ende. Um die Warenhauskette langfristig erfolgreich zu machen, seien vielmehr kräftige Investitionen von sicherlich einer halben Milliarde Euro nötig. Falls dies nicht geschehe, erwarte er einen „langjährigen Verfallsprozess“, in dessen Verlauf immer wieder Personal abgebaut und Filialen geschlossen würden. Karstadt selbst hingegen sieht sich auf einem guten Weg. „Wir arbeiten an der richtigen Strategie, um Karstadt langfristig auf Kurs zu bringen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. 24 Häuser seien in den vergangenen Monaten bereits umgebaut worden, drei weitere sollen noch dieses Jahr folgen, sagt Unternehmenssprecher Stefan Hartwig. Außerdem habe Karstadt 50 neue Marken für seine Geschäfte gewinnen können. Die Zusammenarbeit mit weiteren neuen Marken sei geplant. Ob sich die Veränderungen finanziell positiv auswirken, ist jedoch unklar. Denn über Umsatzzahlen schweigt der Pressesprecher beharrlich. Auffällig ist der Zeitpunkt, zu dem der Stellenabbau angekündigt wird: In wenigen Wochen sollen die Beschäftigten nach sechs Jahren wieder ihr volles Gehalt erhalten. Um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, hatten sie zuletzt auf durchschnittlich acht Prozent ihrer Bezüge verzichtet. Die Rückkehr zu den normalen Gehältern bedeutet für das Unternehmen Millionen an Mehrkosten. Der Führungsetage ist durchaus bewusst, dass etwas geschehen muss, um hohe Kosten aufzufangen und das Unternehmen rentabel zu machen. Das angestaubte Image, das Karstadt vor allem ältere Kunden beschert, will der Konzern daher loszuwerden. Zum Teil sollen dabei die neuen Marken helfen, zum Teil setzt Karstadt aber auch auf ganz neue Häuser, „K-Town“ genannt. Hier soll vor allem Mode an das jüngere Publikum gebracht werden, daneben werden Accessoires und Schuhe angeboten. Ein solches Haus gibt es bereits in Göttingen, ein weiteres ist in Köln geplant. Vom ursprünglichen Warenhauskonzept, mit dem Karstadt in seiner über 130-jährigen Geschichte lange Zeit erfolgreich war, ist dort nicht mehr viel übrig geblieben. Und auch in den herkömmlichen Häusern setzt das Unternehmen auf eine Reduzierung des Angebots. So sollen etwa die Multimediaabteilungen bis Ende 2014 ganz geschlossen werden. Wer dann einen Fernseher oder einen Computer sucht, muss sich woanders umschauen. Ob Konzernchef Jennings der Richtige für die Leitung des Traditionsunternehmens in der Umbauphase ist? Handelsexperte Roeb ist da skeptisch. „Er scheint von der Materie etwas zu verstehen“, räumt er ein. Doch Erfahrungen mit dem schwierigen deutschen Markt habe der Brite vor seinem Engagement bei Karstadt nicht gehabt. Zudem seien Jennings mangelnde deutsche Sprachkenntnisse ein Problem. „Jemand, der sprachlich völlig abgekoppelt ist, ist in seinen Unternehmungen eingeschränkt“, gibt Roeb zu bedenken. Das Hauptproblem, das Roeb sieht – die fehlenden Investitionen – kann jedoch nicht Jennings angelastet werden. Hier wäre Investor Nicolas Berggruen gefragt, der Karstadt vor zwei Jahren aus der Insolvenz gerettet hatte. Bei der Übernahme hatte er Investitionen von 65 Millionen Euro angekündigt. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung wenige Monate später war bereits von mehreren Hundert Millionen Euro für die kommenden Jahre die Rede. Doch diese müssten auch fließen, mahnt Roeb. Sonst sieht er die Zukunft für Karstadt düster. Das Unternehmen erklärte am Dienstag, seit der Übernahme 2010 seien mehr als 160 Millionen Euro investiert worden. Das erfolgreiche Investitionsprogramm solle fortgeführt werden. Zahlen wurden nicht genannt. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)

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Peer-Michael Preß

Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de

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